Bewertung zu "Nur nicht den Kopf verlieren - 1. Akt: Eine Tudor-Tragikomödie" von T. T. Diehl
Eine Dachschindel fällt Julian Jäger auf den Kopf, doch das soll nicht die einzige Attacke auf sein edles Haupt bleiben. Denn beim Erwachen findet er sich ausgerechnet im Körper von Anne Boleyn wieder. Zu einem Zeitpunkt, als sie sich längst nicht mehr der Gunst Heinrichs VIII. erfreut. Auf höchst amüsante Weise führt uns der Autor durch den Auftakt zu ihrem Ende. Soviel kann sich Julian nämlich anhand seiner rudimentären Geschichtskenntnisse zusammenreimen: Das geht nicht so gut aus. Nicht für ihn.
Der erste Akt ist handlungsarm, was aber durch den gekonnten Sprachwitz bei weitem aufgewogen wird. Nicht nur die Rückübersetzungen in eine antiquierte Sprache, auch Julians begleitende Reflexionen darüber entlockten mir immer wieder ein Schmunzeln. Dass T.T. Diel über weitaus profundere Geschichtskenntnisse verfügt als sein Protagonist, beweist die ebenso anschaulich wie augenzwinkernd präsentierte Kostümkunde, die fühl- und sichtbare Umgebung im alten Gemäuer und die gekonnt dargestellte intrigante Speichelleckerei an einem Renaissancehof.
Für fünf Sterne ist mir persönlich zu viel Gewese um das Schmuckdöschen, doch das ist sicher Geschmackssache. Bis zu einem gewissen Grad lässt es sich durch Julians Verwirrung rechtfertigen, der sich ja nicht nur mit einem Rollen-, sondern auch gleich mit einem Geschlechtertausch konfrontiert sieht. Davon abgesehen punktet das royale Kammerspiel jedoch mit tragikomischem Sarkasmus und erfrischender Sprachfertigkeit, die mich die anderen beiden Akte freudig erwarten lassen. Eine eindeutige Empfehlung.