Bewertung zu "Dancing with Bees" von Brigit Strawbridge Howard
Wer angesichts des Buchtitels „Dancing with Bees“ denkt, die Autorin nimmt den Leser mit in einen kleinen Bienen-Tanzkurs á la Schwänzeltanz – Hüfte, Hüfte, Drehung rechts herum, Hüfte, Hüfte, Drehung links herum und auf zur Futterquelle – wird anders überrascht.
Natürlich ist der Titel eine Metapher. Und doch gibt es bereits am Anfang des Buches eine Szene, in der die Autorin authentisch beschreibt, wie sie in ihrem Garten einen spontanen Freudentanz aufführt, als sie eine gesuchte Wildbienenart findet. Diese ungezähmte, fast kindliche Freude an den Wild- und Honigbienen, an anderen Insekten, Vögeln, Wildblumen, ja an der ganzen wundervollen Natur ist der Energiefaden dieses sehr gelungen Erstlings von Brigit Strawbridge-Howard.
Die Autorin bringt dem Leser ihre persönliche Reise zurück zur Natur - so der Untertitel – mit so viel Freude und Herzblut nahe, dass man schnell mitschwingt in diesem Tanz mit Mutter Natur. Dass zur Natur nicht nur Leichtigkeit und Lebensfreude, sondern auch Kampf, Tod und Abschied gehören, erspart Brigit Strawbridge-Howard dem Leser nicht. Gerade dadurch bekommt das Buch Tiefgang. Grundtenor des Buches bleiben aber eine unbändige Neugier an der Natur und die damit verbundene Wissensfreude.
Birgit Strawbridge-Howards Weg ist ein Weg des Lernens. So recherchiert sie bienenfleißig ökologische Zusammenhänge, beobachtet und beschreibt Insekten wissenschaftlich genau. Sie lässt den Leser an ihrem Wissenszuwachs teilhaben. Jedes Kapitel ist gespickt mit spannenden Informationen, sei es über Frühlings-Pelzbienen oder deren Futterpflanze den Kriechenden Beinwell. Dieses Wissen wird nicht nüchtern im Sinne eines reinen Sachbuches präsentiert, sondern im Kontext der persönlichen Entwicklung der Hobbyforscherin erzählt. So wie in der Natur alles miteinander vernetzt ist, gelingt Lernen meist leichter im persönlichen Kontext als durch abstrakte Faktenvermittlung. Die Autorin spielt virtuos auf diesem Instrument einer Schriftstellerin, mit dem sie Sachbuch und persönlichen „Reisebericht“ verknüpft; ein Erfolgsrezept großer Forscher mit welchem sie ihrer Forschung weltweite Popularität verschafft haben, wie Alexander von Humboldt 1845 mit „Kosmos“ und in jüngerer Zeit der englische Hummelforscher Dave Goulson mit „Und sie fliegt doch.“
Wer nun aber ein schnell lesbares Buch erwartet, wird bemerken, dass er parallel zum Lesen beginnt, im WorldWideWeb zu recherchieren: Wie sieht ein Steinschmätzer aus, was ist eine Spitzbauchwanze? Abgesehen von den wunderschönen Aquarellzeichnungen des Künstlern John Walters (von denen man eigentlich gar nicht „absehen“ kann, aber der Wissbegierige will es halt präziser) gibt es nämlich keine sachbuchähnlichen Fotos von Insekten, Vögeln oder Pflanzen. So nutzt die Autorin auch dieses Bilder-Vakuum geschickt, um die Neugierde des Lesers zu steigern. Unversehens kommt man beim Lesen auf Abwege, setzt sich mit bestimmten Tieren und ökologischen Themen auseinander, schaut dazu Videos und befindet sich längst auf seiner eigenen Reise zurück zur oder noch tiefer in die Natur.
Mit ihrem Erstling ist der Autorin eine wunderbare Liebeserklärung an das Leben und alle Lebewesen auf diesem Planten gelungen, einschließlich an ihren Ehemann Ron, dessen wichtige Rolle im Buch immer wieder betont wird, ohne aufdringlich zu werden.
Brigit Strawbridge-Howards Wunsch besteht darin, dass wir Menschen wiedererkennen: „Wir selbst sind Natur… Nur wenn wir verstehen, dass wir Teil der Natur und nicht von ihr abgetrennt sind, und uns entsprechend verhalten, wird sich wirklich etwas verändern.“ Da ist es erfreulich konsequent, dass der österreichische Löwenzahn-Verlag, Herausgeber der deutschsprachigen Übersetzung, auf höchsten ökologischen Standard in der Produktion geachtet hat. Der Verlag betont, dass das Buch aufgrund der Materialien incl. Drucktinte vollständig kompostierbar sei. Manches Buch hätte ich aufgrund seines dilettantischen Inhaltes gerne kompostiert, dieses ganz bestimmt nicht.
Meine Bewertung: Sehr empfehlenswert. Ich habe gerne mitgetanzt und ende ähnlich der Konvention beim Paartanz, sich beim Auseinandergehen dankend vom Partner zu verabschieden, mit dem Schlusssatz der Autorin:
„Und wenn ihr das nächste Mal eine Biene seht, vergesst nicht, ihr zu danken.“
Danke an die Autorin für dieses phantastische Buch!