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Birgit_Jaeckel

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Die Königin schweigt (ISBN: 9783442717057)

Bewertung zu "Die Königin schweigt" von Laura Freudenthaler

Die Königin schweigt
Birgit_Jaeckelvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Beeindruckend, aber ohne Freude zu machen oder an den Sitz zu fesseln
eine Lebens- und Charakterstudie

„Die Königin schweigt“ ist die Lebensgeschichte und Charakterstudie einer Frau, die sich nie zugestanden hat, die schönen Momente des Lebens zu feiern, ans Glück zu glauben, Nähe zu leben. Gefangen in einem Kokon aus Verlust, Tod, Unglück, Distanz, Rollenvorstellungen, Ichvorstellungen, werden wir Zeugen eines Lebens, das weder scheitert, noch so gelingt, dass es uns mit Zufriedenheit erfüllen würde.
Wer gerne Charaktere studiert oder für seine eigenen Geschichten komplexe Charaktere entwickeln möchte und bei seinem Leseerlebnis nicht nach glücklichen Stunden und Leichtigkeit verlangt, mag dieses Buch mit Gewinn lesen. (Etwas ausführlicher auf meiner Webseite, birgitjaeckel.com)

Cover des Buches Die maskierte Stadt (ISBN: 9783404208883)

Bewertung zu "Die maskierte Stadt" von Genevieve Cogman

Die maskierte Stadt
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Das Potential der Story Welt wird genutzt, das Potential der Figuren nicht
Vielversprechende Ansätze, die nicht ausgeschöpft werden

‚Die maskierte Stadt’ zementiert die Stärken und Schwächen des ersten Bands ‚Die Unsichtbare Bibliothek’ (siehe meine Rezension zu diesem Band). Leider spinnt Die maskierte Stadt dabei nicht die Geschichte des mächtigen Widersachers der Bibliothek, Alberich, fort und greift damit die vielversprechende Komplexität der wahren Interessen der Bibliothek auf, sondern sucht sich eine neue Schnitzeljagd. Damit mutet wie eine Fortsetzung einer Serie des letzten Jahrtausends an. Die Weiterentwicklung der Charaktere und ihrer Beziehungen bleibt aus. Wirkliche Nähe zu den Figuren konnte ich auch in diesem Band nicht aufbauen.


Vertraut für alle Scheibenwelt-Fans ist die Darstellung der Elfen und ihrer verführerischen Magie, ihres Dramas, das ständig nach Story-Archetypen sucht und danach strebt, narrativen Zauber zu weben. Leider fehlt den Werken Cogmans die Weisheit und grenzenlose Menschlichkeit von Terry Pratchett. Das liegt auch an der fehlenden Tiefe der Charaktere und deren Suchen, Entwicklungen und Motivationen. Was schade ist, denn die Konstellation der Figuren an sich, ihrer Hintergründe und persönlichen Geschichten würden viel Raum zu Konflikten, Komplexität und inneren Prozessen ermöglichen. Sie sind faszinierend angelegt, wirken aber oberflächlich umgesetzt.

 

Mehr noch als im ersten Teil gehen die langen Dialogsequenzen zu Lasten des Glaubens an den „Realismus“ der Action. Es wird viel gelabert (was natürlich auch den im wahrsten Sinne des Wortes dramatischen Charakteren der Elfen entspricht) und viel gerannt, im Notfall ploppt die rettende Hand aus dem Nichts auf. Die zweite mächtige Interessengruppe (die Herrscher von Venedig) mischen zwar mit, spielen aber eigentlich keine tiefere Rolle (wie schon die Bruderschaft im ersten Teil).  Ironischerweise erinnerte mich dieser Plot-Strang an eine der Figuren (Lord Guantes), dessen Charaktereigenschaft davon geprägt ist, dass er sich schnell von neuen Ideen ablenken lässt. Was wiederum an sich eine tolle Idee für eine spannende Figur ist, die Cogman jedoch nicht ausschöpft.

Genausowenig wie sie Lady Guantes zur vollen Entfaltung bringt: Vielversprechend, komplex, geheimnisvoll mit eigenem Handicap scheint die Lady die eigentliche Kraft hinter den antagonistischen Geschehnissen zu sein – um zwischendurch und am Ende kaum eine Rolle zu spielen. Ein Auftakt zu einem großen Comeback in einer späteren Fortsetzung? 


Das ist das Problem bei zu vielen mächtigen, parallel angelegten Antagonisten in einer Story: die Wirkung des einzelnen schwächt sich ab. (Hierzu habe ich in meinem Blog mehr geschrieben: https://birgitjaeckel.com/qualitaet-und-quantitaet-von-antagonisten/)

Cover des Buches Die unsichtbare Bibliothek (ISBN: 9783404208708)

Bewertung zu "Die unsichtbare Bibliothek" von Genevieve Cogman

Die unsichtbare Bibliothek
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Originelle Welt, temporeiche Story mit Figuren, zu denen man leider kaum ein Gefühl entwickelt
Originelle Bücherliebe mit einem großen Manko: Die Nähe zu den Figuren

Die Unsichtbare Bibliothek mixt Fantasy und Thrillerelemente zu einem temporeichen, originellen Ritt durch ein alternatives viktorianisches London. Lesenswert, obwohl keine Nähe zu den Figuren entsteht.

Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht der Bibliothekarin Irene, die von der geheimnisvollen Unsichtbaren Bibliothek auf eine Mission in das London einer alternativen Welt geschickt wird, um dort ein wertvolles Buch zu beschaffen. Doch auch andere sind hinter dem Buch her – darunter der Erzfeind der Unsichtbaren Bibliothek.

Die Story Welt der Unsichtbaren Bibliothek ist faszinierend und komplex: Bücher stehlende Agenten, alternative Welten, mit unterschiedlichen Graden an Technologie oder Magie, gleichzeitig bizarr und vertraut, bevölkert mit Kreaturen aus der Sagenwelt, geliebten Werken großer Märchenmeister und science-fiction-haften Techno-Monstern (beim Recherchieren auf Wikipedia habe ich gelernt, dass der Begriff hierzu Steampunk lautet).

 Die große Stärke dieser Fantasy ist die Originalität dieser Welt und das meist hohe Tempo der Handlung. Spannungsbogen, Cliffhanger und Twists haben mich an Dan Brown erinnert. Manchmal scheint sich die Autorin dabei in den eigenen Gedankengängen und der vielleicht sogar unnötig komplizierten Handlung zu verzetteln, manchmal führt sie ihre eigenen Regeln nicht konsequent zu Ende. Zum Beispiel bei der Regel, dass die Anwendung der Sprache (die Magie der Bibliothekare) gegen die Natur eines Objekts extrem viel Energie fordert, die jedoch nicht wirklich von der Hauptfigur „beglichen“ wird.

Am neugierigsten machte mich jedoch die zunehmend nagende Frage der eigentlichen Motivation der Führer der Unsichtbaren Bibliothek, einer Art Geheimgesellschaft, die angeblich aus Liebe zu Büchern agiert. Im ersten Teil der Serie wird diese starke Frage leider erst recht spät eingeführt. Irene weicht ihr aus, was großes Potential für die anderen Bände birgt. Diese fehlenden Zweifel an Irenes eigenem Handeln im Namen ihrer Auftraggeber mag allerdings mit dazu geführt haben, wieso ich kaum ein Gefühl für die Hauptfigur entwickelt habe.

 Es ist nicht so, dass Cogman per se uninteressante Charaktere geschaffen hat. Aber sie schafft es nicht, sie uns nahe zu bringen. Sie gibt ihnen keine Suche außer der äußeren, durch die Bibliothek ihnen erteilte Aufgabe. Cogman legt Irene Ängste und Abscheu in den Mund, aber im Handeln schlagen sich diese nicht nieder. Das ist eine Falle, wenn ein Autor Hauptfiguren als überbordend cool anlegt. Es ist schwer, mit jemanden zusammen Angst zu haben, der in jeder noch so fürchterlichen Lage gestochen cool daherredet (und nicht Bruce Willis heißt). Selbst Irenes Mitgefühl für andere Menschen bleibt auf dem Papier stehen. Cogman begründet zwar zumindest gegen Ende mit Irenes Leben als Agent, weshalb sie so darauf bedacht ist, distanziert und professionell zu wirken, aber falls sich da ein innerer Konflikt andeutet, bleibt er zu flach. Da ist es quasi schon ein Pluspunkt, dass es keine Romanze in dem Buch gibt.

 Was Alberich, den großen Antagonisten anbelangt, habe ich immer darauf gewartet, dass seine Figur eine weitere Dimension gewinnt, zwielichter, grauer. Auf jeden Fall ist ein Widersacher, der bei der Endschlacht große Reden schwingt und sich damit Zeit verspielt, enttäuschend unoriginell. Vielleicht bringen die folgenden Bände da mehr. Andeutungen gab es. Umgesetzt wurden sie nicht.

 Fazit: Etwas für Leser, die plot-getriebene Thriller lieben.

(PS: Ich habe diesen sprachlich nicht unambitionierten Roman auf Englisch gelesen.)

Cover des Buches Ich, Eleanor Oliphant (ISBN: 9783431039788)

Bewertung zu "Ich, Eleanor Oliphant" von Gail Honeyman

Ich, Eleanor Oliphant
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Eine berührende, unaufgeregte Reise aus der Einsamkeit zu Glück und sich selbst.
Wortgewaltig & tragisch-komisch

Eleanor Oliphant erzählt ihre Geschichte in der Ich-Form und in ihrer eigenen bemerkenswerten Stimme. Gail Honeyman braucht nur wenige Seiten, um ihre Hauptfigur und Erzählerin zu etablieren und uns, den Leser, in die einsame Tragik dieser von ihren Gefühlen und Sehnsüchten abgeschnittenen Protagonistin hineinzuziehen.

 

Ich, Eleanor Oliphant führt seine Figur liebevoll nach Jahren in Dunkelheit und den Mauern eines Gefängnisses, dessen Wände aus Schuld, Trauer, Trauma und Selbstschutz bestehen, zu einer lebensbejahenden Haltung. Der Konflikt entsteht aus den Gewohnheiten und Einstellungen der Hauptfigur, die – allem Selbstschutz als Zweck zum Trotz – selbstzerstörerisch sind. Eleanor hat keine Feinde im Außen, sondern das Monster, gegen das sie kämpfen muss, verbirgt sich in ihr selbst.

 

Jahrzehntelang hat Eleanor sich weggeduckt, sich von der Welt und ihren Gefühlen abgeschnitten. Sie hat die Einsamkeit umarmt. Bis zwei Ereignisse sie aufrütteln, und damit setzt der Roman ein:

1. Eleanor verknallt sich in den Sänger einer Band. Spätestens hier wissen wir: Eleanor Oliphant ist auf einer Suche. Schön klassisch gibt ihr Gail Honeyman dabei eine falsche Suche, einen falschen Wunsch, während wir als Leser die ganze Zeit wissen, dass es mit Johnnie dem Sänger nur schlimm enden kann.

 

2. Eleanor trifft Raymond. Diese Begegnung – der eigentliche anfängliche Wendepunkt – setzt eine Reihe von Ereignissen in Gang, die Eleanor zeigen, was Leben sein könnte und welche Möglichkeiten in ihr schlummern. Eleanor Oliphant ist eine Überlebende. Aber keine Lebende. Und so bekommt sie für ihre Heldenreise einen Mentor und Freund an die Seite gestellt: Raymond.

 

Eleanor muss sich ihrer Vergangenheit stellen. Welches Trauma hat sie durchlebt? Hier bewegen wir uns in einer emotionalen Detektiv-Story, die dem Leser keine Knalleffekte bietet, sondern einen ruhigen Strom aus Hinweisen, der ganz dem Charakter dieser unaufgeregten, logischen Hauptfigur entspricht.

 

Einsamkeit ist das zentrale Motiv dieses Romans. Mit dieser Kernidee hat sich Gail Honeyman ein Thema vorgenommen, das wenige Menschen kalt lässt. Es schreit nach Empathie, es berührt unsere Urängste. Aber Ich, Eleanor Oliphant ist ein lebensbejahender, Hoffnung gebender Roman. Platt gesagt (Eleanor Oliphant würde anders als ich hier ein viel besseres Wort finden): Es ist ein schöne Geschichte.

 

Sprachlich ist der Stil dieser Ich-Erzählerin einzigartig. Eleanor liebt Kreuzworträtsel und sie redet wie eines. Sie benutzt Worte und eine Grammatik, wie wir sie von einer siebzigjährigen Professorin erwarten würden, und zeigt allein durch ihre Ausdrucksweise, wie absurd anders sie ist, wie distanziert und weltfremd.  Doch die Sprache enthüllt ebenfalls, welch Humor, Intelligenz und Ironie in Eleanor schlummern. Die Art, wie sie die Welt kommentiert, lässt uns lachen, selbst wenn die dahinter steckende Einsamkeit unsäglich traurig ist.

 

Ich habe den Roman auf Englisch gelesen und hoffe, dass die deutsche Übersetzung die Sprache Eleanors, mit der sie uns ihre Geschichte erzählt, einfängt in all ihrem Witz, ihrer Wortgewandtheit, Distanz, Sehnsucht und Tragik. Denn ist die Sprache, die diesen Roman zu einem Meisterwerk macht.

 

Eleanor Oliphant ist kein Roman der bombastischen Wendepunkte und knalligen Konflikte. Am deutlichsten wird das gegen Ende, ab dem Wechsel vom zweiten zum dritten Akt.

Der große Knall bleibt aus – entgegen dem, was man als Leser vielleicht an Schlimmem bzw. an sensationellen Peinlichkeiten erwartet. Eleanor hat „bloß“ eine Erkenntnis, woraufhin sie handelt, wie wir es die ganze Zeit befürchtet haben. Der Tiefpunkt ist erreicht – und wird auf wenig überraschende Art überwunden.

 

Der letzte Akt setzt sich erstmals ohne großen End-Konflikt oder Überraschung fort. Wenn sich Eleanor endlich ihrer Vergangenheit stellt, strömen die Erkenntnisse sanft und schrittweise.

Erst auf den letzten Seiten überrascht Honeyman uns dann doch noch einmal, wenn wir es nicht schon geahnt haben. Unaufgeregt, konsequent enthüllt das Monster sein wahres Versteck. Aber da ist es schon besiegt.

 

Absolute Leseempfehlung für Happy-End freudige Leser, die berührt werden wollen und dafür gerne auf knallige Konflikte und Wendepunkte verzichten.

 

Ein wenig ausführlicher gehe ich auf manche Story-Prinzipien in dem Roman noch in meinem Blog ein, auf:

https://birgitjaeckel.com/eleanor-oliphant/

Cover des Buches BLACKOUT - Morgen ist es zu spät (ISBN: 9783442380299)

Bewertung zu "BLACKOUT - Morgen ist es zu spät" von Marc Elsberg

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Dieser Thriller rückt das Grauen in unsere Vorratsschränke. Selten wurde ich so sehr in einen Thriller-Plot hineingezogen.
Ein Wissenschafts-Thriller der Extraklasse mit kleinen Schwächen

Mit dem Thriller #Blackout von Marc Elsberg rückt das Grauen bis in unsere Vorratsschränke. So entsteht Identifikationspotential auch unabhängig von einzelnen Figuren. Ständig ging ich  eine Liste im Kopf durch: mehr Wasser bunkern, Lebensmittel. Wie krieg ich mein eigenes Blockkraftwerk, Dieselgenerator, habe ich noch ein alte Telefon, etc ...?

Kleine Schwächen werden da zur Nebensache. Diese finden sich vor allen in den Dialogen, wenn der Autor zum Leser spricht und seine Worte einer Figur in den Mund legt, oder wenn Figuren uncharakteristisch (z.B. zu cool) und unrealistisch reden. Manche Action wirkt ebenfalls sehr unrealistisch, beispielsweise wenn zum xten Mal der BKAler übertölpelt wird, oder beim Showdown. Aber dieser Roman entfaltet seine Kraft auch nicht im Katz-und-Maus-Spiel Manzanos mit den Behörden, sondern auf der Plot-Ebene darüber: dem Grauen eines kontinentweiten Stromausfalls.

Cover des Buches Das Licht hinter den Wolken (ISBN: 9783608961386)

Bewertung zu "Das Licht hinter den Wolken" von Oliver Plaschka

Das Licht hinter den Wolken
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Komplexe Storywelt, Sprache und ambitionierte Struktur lassen weiterlesen trotz Schwächen in Motivationen, Konflikten, Hauptplot, Dialogen
Cover des Buches Die Lügen der Anderen (ISBN: 9783453438330)

Bewertung zu "Die Lügen der Anderen" von Mark Billingham

Die Lügen der Anderen
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Wenn das Rätsel stark genug ist und das Abgründige nahe genug an unsere eigene Welt rückt, wird Sympathie zur Nebensache.
Außergewöhnliche psychologische Detektivspielerei

Fast hätte ich das Buch auf den ersten fünfzig Seiten  aus der Hand gelegt hätte. Zunächst gibt es keinen klassischen Protagonisten oder Helden, dessen Suche wir folgen und mit dem wir uns gerne identifizieren. Außerdem fiel es mir schwer, Mitgefühl mit irgendeiner der sechs zentralen Figuren aufzubringen, obwohl sie definitiv lebensecht geschrieben sind.

Doch Die Lügen der anderen fesselt über das Rätsel: „Wer war’s?“. Mark Billingham beweist: Wenn das Rätsel stark genug ist, die einzelnen Figuren funktionieren und die Geschichte nahe genug an unsere eigene Welt rückt, wird Sympathie zur Nebensache.

Dabei schafft Billingham einen genialen Identifikationspunkt für den Leser über die Ausgangslage und Umstände: Drei Pärchen lernen sich im Urlaub in Florida kennen und treffen sich zuhause wieder. Ein Thriller im alltäglichen Milieu, bei dem sich der Leser bange fragt: Das könnte uns auch passieren. Oder wissen wir denn jemals wirklich, welche dunklen Geheimnisse unsere Bekannten verbergen?

Der Autor macht es uns also leicht, uns selbst in der Geschichte zu sehen. Das Abgründige rückt nahe an uns heran. Wir identifizieren uns über die Situation, in der sich die Figuren befinden.

Billingham zeigt uns die Abgründe aller Gestalten ohne Rücksicht darauf, ob sie uns sympathisch sind oder nicht. Die Lektüre wird zu einem psychologischem Detektivspiel, das schaurigen Spaß macht. Der Autor gibt uns für jeden möglichen Täter oder Täterin eine Spur. Erst denken wir, klar, Barry. Dann, vielleicht doch Dave? Ganz sicher ein Mann. Oder doch nicht? Könnte Eifersucht das Motiv sein?

Auf jeden Fall ist das Motiv abgründig und im Schlimmsten des Menschen zu finden.

Ein bisschen ausführlicher habe ich das Buch in meinem Blog analysiert. https://birgitjaeckel.com/die-luegen-der-anderen/

Cover des Buches Ligas Welt (ISBN: 9783499211669)

Bewertung zu "Ligas Welt" von Margo Lanagan

Ligas Welt
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Mit das Außergewöhnlichste, was ich je gelesen habe.
Obszön und poetisch, psychologisch und märchenhaft, ideenreich mit erzählerischen Schwächen

Ich habe Ligas Welt aus dem Jugendbuchregal in einer Buchhandlung gezogen. Ab 14 Jahre, so die Empfehlung. Eltern mit Jugendlichen, die nicht besonders reif oder etwas labiler sind, sollten sich das jedoch vorher überlegen. Denn das Buch – obwohl eine Adaption von Schneeweißchen und Rosenrot – ist alles andere als Kinderlektüre und zeigt einmal mehr, wie fordernd die Cross Over/All Age-Literatur sein kann. (Dazu habe ich hier einen Blog über Bücher von Suzanne Collins geschrieben: https://birgitjaeckel.com/suzanne-collins/)

Ligas Welt nimmt sich anspruchsvolle Themen vor: Wie gehen Menschen mit Schicksalsschlägen und Gewalt in ihrem Leben um? Da geht es um Dissoziation, um Missbrauch und Rache, um patriarchalische Strukturen, geprägt von sexueller Gewalt und Brauchtümer, die mit sexueller Lust spielen.

 

Dabei ist Ligas Welt alles andere als ein einheitlicher Roman. Er zeigt Brüche und enorme Kontraste: zum einen in der Sprache, die mal poetisch ist, mal vulgär, doch stets voller Bilder, die oft auch zu viel sind oder nicht dazu beitragen, besser zu verstehen, was passiert – das gilt vor allem für die Schilderungen magischer Begegnungen. Zum anderen ist da die Handlung, die teils von erschreckender Tiefenpsychologie ist, dann wieder märchenhaft flach vor sich hinplätschert oder uns ein wenig verständnislos lässt. Da las ich faszinierende, großartige Kapitel voller Schrecken, und dann kam wieder ein Kapitel, wo ich mich langweilte und nichts lernte und die Figuren seltsam platt blieben.

 

Über allem stehen jedoch die genialen Ideen hinter dieser Märchenadaption und die zahlreichen Momente, wo ich dachte: So etwas habe ich noch nie gelesen. Allein dafür lohnt sich die Lektüre.

Cover des Buches Spiel der Zeit (ISBN: 9783453471344)

Bewertung zu "Spiel der Zeit" von Jeffrey Archer

Spiel der Zeit
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Jeffrey Archers Auftakt zur Clifton-Saga erweist sich als flotte Unterhaltung mit im zweiten Teil leider zunehmender Oberflächlichkeit.
Nach einer fulminanten ersten Hälfte bröselt die Faszination

Die erste Hälfte des Romans über habe ich jedem von dem Buch vorgeschwärmt und schon überlegt, ob das vier oder fünf von fünf Sternen gibt. Nur zu gerne habe ich mich auf Archers ungewöhnlichen Erzählstil und Perspektivenansatz eingelassen, bei dem er sich zunächst einer Person widmet, um die Geschichte aus ihrer Perspektive zu erzählen, und dann einer anderen Figur, um uns deren Perspektive zu geben. Archers flotter Erzählstil, der sich weder mit langen Beschreibungen noch Innenschauen aufhält, begünstigt eine solche Erzählform, ohne dass man sich als Leser über Dopplungen oder Langatmigkeit langweilt. Ich fieberte gerne mit dem Jungen Harry mit, aber noch mehr mit seiner Mutter, welche die herausragende Figur in diesem Roman stellt und deren Drama sich auch ohne Gefühlsduseleien entftaltet.

 

Ein packender Plot über ein großes Familiengeheimnis und den Aufstieg eines armen Dockarbeitersohns mit einer Mutter, die alles für ihr Kind tun würde. Ein toller Roman - wäre da nicht das letzte Drittel.

 

Zunächst bricht Archer seine eigenen Erzählregeln. Zwar bleiben die Kapitel auf dem Papier einer Figur zugeordnet, aber der allwissende Erzähler springt nun fröhlich und recht oberflächlich von Kopf zu Kopf und schert sich dabei nicht mehr darum, uns die Figuren nahezubringen. Das geht insbesondere zu Lasten von Giles Barrington, was schade ist, denn hier bleiben viele Fragen unbeantwortet. Giles scheint von Anfang an eine dunklere Seite zu haben und ist damit komplexer als Mutters Lieblingsschwiegersohn und Protagonist Harry Clifton, der einfach nur in allen Belangen ein toller Junge ist. Auch die brave Emma bleibt blutleer, die Liebesgeschichte zwischen ihr und Harry erstaunlich emotionslos, aber mit Gefühlen hält sich Archer sowieso nicht lange auf. Leider auch nicht mit Motivationen, daher wirken die Handlungen der Figuren in der zweiten Hälfte erratisch, zum Teil gar „out of character“. Als Beispiel hierzu sei Old Jack Tar (kleiner Spoiler!) angeführt, der bis zum Altar wartet, bis er der versammelten Mannschaft das große Geheimnis – das aus nicht nachvollziehenden Gründen alle anderen Eingeweihten vor sich hinplätschern lassen –  enthüllt. Dabei hätte Jack jede Gelegenheit gehabt, die Wahrheit vorher anzusprechen. Ein so integrer Mensch wie Jack, der die Betroffenen liebt und problemlos Zugang zu ihnen hat, käme eigentlich nie auf die Idee, eine solche Bombe auf diese Art platzen zu lassen. Leider nicht die einzige Schwäche in Archers Charakter- und Handlungslogik. So sieht plotgetriebene Handlung aus, die sich um Tiefencharaktere, ihre Suchen, Bedürfnisse, Träume, Werte und tiefsten Motvationen nicht schert.

 

Auch später habe ich mich über viele Entscheidungen des Autors gewundert – v.a. welche Informationen er uns vorenthält. Der Beginn der Liebesgeschichte von Harry und Emma? Sie haben sich gesehen und fanden sich toll. Viel mehr erfahren wir nicht. Oder wie entkam Harry aus dem Maschinenraum des sinkenden Schiffs im Atlantik, welche Verletzungen hat er sich zugezogen? Und ist das realistisch?  

Vielversprechende Konflikte werden in ein paar Sätzen abgehandelt: z.B. als Harry endlich herausfindet, wo seine Mutter wirklich arbeitet. Großes Konfliktpotential, doch ein paar Seiten später genügen ein paar weise Worte von Harrys holder Emma, um den Konflikt zu begraben. Harry, Emma, Giles – sie werden zunehmend blasser. Deakins, ein weiterer Freund, spielt überhaupt keine Rolle mehr, ebensowenig wie das große Talent des Anfangs, das Harry überhaupt ermöglicht hat, in eine bessere Schule zu gehen: das Singen. Hauptsache die Handlung schreitet voran. Von Logik lässt sich der Autor da auch nicht stören, ein Schriftsteller der großen Züge. (Ganz interessant fand ich es da, Archers Biographie zu lesen, der übrigens mal Politiker war).

 

Fazit: Ein Familiendrama, das auf wahre und facettenreiche Charaktere, tiefes Gefühl und farbenprächtige Schilderungen verzichtet, aber dafür nie stehen bleibt.

 

Cover des Buches Der dunkle Fluss (ISBN: 9783746632421)

Bewertung zu "Der dunkle Fluss" von Chigozie Obioma

Der dunkle Fluss
Birgit_Jaeckelvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Dieser Roman ist wie eine Treppe, die man nach unten steigt.

Über mich

Mag es, die Zeit zu vergessen

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Fantasy, Historische Romane, Liebesromane, Sachbücher, Literatur, Unterhaltung

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