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Bouggo

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Cover des Buches Nachtschicht in Neukölln (ISBN: 9783446271142)

Bewertung zu "Nachtschicht in Neukölln" von Lana Atakisieva

Nachtschicht in Neukölln
Bouggovor einem Jahr
Kurzmeinung: Eindrucksvolle Schilderung zum Einleben in einen fremden Kulturkreis, mit allen Aufs und Abs, zum Durchbeißen im Erreichen gesteckter Ziele
Bravo, Lana!

Das Buch hat mich sehr persönlich angesprochen und am liebsten würde ich Lana Atakisieva einen Brief schreiben. Sehr anschaulich schildert sie die Schwierigkeiten, die sie meistern musste, um sich aus Aserbaidschan in die fremde, deutsche und leider sehr oft feindlich gesinnte Wirklichkeit einzufinden. Wieder einmal fühle ich mich beschämt, wie meine Landsleute mit Ablehnung, Feindseligkeit, Boshaftigkeit, Drohungen und Übergriffen mit Menschen umgehen, statt ihn, die jede Hilfe dringend gebrauchen können, die Hand zu reichen und ihnen den Neustart so leicht wie möglich zu machen. Um so bewundernswerter ist es, wie sich diese junge Frau durchgebissen und konsequent ihre Ziele verfolgt und erreicht hat.

Am Aufbau des Buches hat mir gefallen, wie die Abschnitte aus dem persönlichen Bereich und dem Familienleben (den Familientragödien) mit den Abschnitten aus dem Polizeialltag abwechseln. Das macht das Lesen kurzweilig und spannend. Da ich selbst in einer Arztpraxis in Neukölln gearbeitet habe, kann ich die geschilderten sozialen Strukturen nur bestätigen.

Das Buch kann vielen Menschen Mut machen, und ich hoffe, dass diejenigen erreicht, die diesen Mut brauchen.

Cover des Buches Rumo & die Wunder im Dunkeln (ISBN: 9783328601906)

Bewertung zu "Rumo & die Wunder im Dunkeln" von Walter Moers

Rumo & die Wunder im Dunkeln
Bouggovor einem Jahr
Kurzmeinung: Ausbund an Phantasie
Ausbund an Phantasie

Eine aberwitzige Fantasie- und Märchenwelt, die Walter Moers in seinem "Rumo" aufbaut. Skurrile Kreaturen mit aberwitzigen Namen und unvorstellbaren Fähigkeiten bevölkern zuhauf den Kontinent Zamonien. Rumo hat von Kleinauf ein Abenteuer nach den nächsten durchzustehen, kämpft gegen übermächtige Feinde und findet starke Verbündete. Dabei verstricken sich die Ereignisse in unübersichtliche Bahnen, werden aber konsequent wieder zusammengeführt. Es ist kaum zu begreifen, wie Moers dabei den Überblick behalten konnte. Die fast 700 Seiten zogen mich als Leser in ihren Bann. Bei den letzten 200 Seiten war ich nicht mehr in der Lage, das Buch aus der Hand zu legen. Das war dann 2 Uhr nachts.
Wieso dann aber ein Punkt Abzug? Ich finde, allzu viel Blut hätte nicht fließen müssen in der Geschichte. Weniger Brutalität wäre mir lieber gewesen.

Cover des Buches Fan Man (ISBN: 9783499145926)

Bewertung zu "Fan Man" von William Kotzwinkle

Fan Man
Bouggovor einem Jahr
Kurzmeinung: Was für Machos
Was für Machos

Hatte das Buch vor vielleicht 20 Jahren mal gelesen und hatte noch in Erinnerung, dass es recht lustig war – auch dass in jedem Satz zwei- bis dreimal "Mann" vorkam, durchgängig durch den ganzen Text. Nun hatten wir unseren 12-jährigen Enkel zu Besuch. Klar liest er selbst, aber er bekommt immer noch gerne eine Gutenachtgeschichte vorgelesen. In Ermangelung anderer Bücher begann ich, ihm den "Fan Man" vorzulesen. Wir schafften rund 20 Seiten bis meine(!) Augen zufielen. Dabei dämmerte mir doch schon, bei Erwähnung des "Liebeschors" und der "15-jährigen Ausreißerinnen", dass die Geschichte doch sehr ins Erotische abdriften wird.
Am nächsten Tag las ich heimlich weiter und fand meine Ahnung bestätigt. Dem Fan-Man war es mindestens genau so wichtig, die Mädchen ins Bett zu bekommen wie ihnen Gesang beizubringen. Zitat: "'Also gut", sagt sie und durchschaut mich schnell, sieht die Reinheit meiner Absicht, sie zu bumsen".
Tja, das Werk stammt von 1974. Da sah die Welt anders aus. Heute würde sich wahrscheinlich jeder Verlag hüten, solche Absichten zu veröffentlichen – aus Furcht vor einem gewaltigen Shitstorm.
Wieso dann aber drei Punkte? Ich will dir sagen, warum, Mann: Bin selber einer. Und als heimlicher Macho kann man schon seinen Spaß an dem Geschreibsel haben.
Vielleicht liest's der Enkel ja mal in 10 Jahren oder so. Würde mich interessieren, was er dann davon hält.

Cover des Buches Uuups!: Geschichten zum Schmunzeln, Staunen und Nachdenken (ISBN: 9783943614015)

Bewertung zu "Uuups!: Geschichten zum Schmunzeln, Staunen und Nachdenken" von

Uuups!: Geschichten zum Schmunzeln, Staunen und Nachdenken
Bouggovor 2 Jahren
Kurzmeinung: Kleine Happen für Zwischendurch
Ein Uups kommt selten allein.

Hohe Literatur ist das sicher nicht, aber etwas für die Kurzweil zwischendurch. Dabei kommt man auf seine Kosten. Das "Uuups" kommt oft im letzten Satz. Klar, alle Geschmächer sind unterschiedlich – da kann auch mal eine Geschichte nicht ganz so gut gefallen. Teilweise habe ich mich wirklich köstlich amüsiert.

Werde mir auch die anderen Uuups-Bücher des Autos munden lassen.

Cover des Buches Der Astronaut (ISBN: 9783453321342)

Bewertung zu "Der Astronaut" von Andy Weir

Der Astronaut
Bouggovor 3 Jahren
Kurzmeinung: Absolut phantastisch
Biologie, Physik, Chemie, Mathe und Astromomie – phantastischer Mix ……

Auf Empfehlung hatte ich jetzt erst, 6 Jahre "zu spät", den "Marsianer" von Andy Weir gelesen und war total angetan. Genau die Art SciFi, die ich liebe. Sofort schob ich "Der Astronaut" nach – und bin wieder begeistert. Es gibt gewisse Parallelen zum "Marsianer" und doch ist diese Handlung Neuland. Gerade die technischen Details geben ihr Glaubwürdigkeit. Wem diese zu viel sind, der darf sie meiner Meinung nach getrost überlesen, das schmälert nicht die Spannung.
Eigentlich will ich Andy Weir nur eine neue Fünfer-Bewertung gönnen, denn gesagt wird in den vielen, vielen Rezensionen eigentlich alles. Doch möchte ich betonen, dass mir die geschilderten Charaktere und die jeweiligen Handlungsmotivationen plastisch und plausibel erscheinen. Das sahen einige Rezensenten wohl anders.

Cover des Buches Der Marsianer (ISBN: 9783453315839)

Bewertung zu "Der Marsianer" von Andy Weir

Der Marsianer
Bouggovor 3 Jahren
Kurzmeinung: Spannung pur
Spät gelesen – aber nicht zu spät …

Kaum zu glauben, dass dieser phantastische Sciencefiction von 2014 an mir vorbeigehen konnte. Durch Zufall sprach eine gute Freundin davon und schon durch ihren Schilderungen leckte ich Blut. Eigentlich will ich Andy Weir nur eine neue Fünfer-Bewertung gönnen, denn gesagt wird in den vielen, vielen Rezensionen eigentlich alles. Die Story jedenfalls ist genau mein Ding.

Es ist nun mal ein Hard-SciFi, und wem die technischen Details zu viel sind, der mag sie doch einfach getrost überlesen. Das schmälert nichts an der Spannung der Geschichte.

Cover des Buches ... meine Seele sterben lassen, damit mein Körper weiterleben kann (ISBN: 9783866746084)

Bewertung zu "... meine Seele sterben lassen, damit mein Körper weiterleben kann" von Arshaluys Mardigian

... meine Seele sterben lassen, damit mein Körper weiterleben kann
Bouggovor 3 Jahren
Kurzmeinung: Viel zu spät in Deutsch – aber besser als nie …
Den Völkermord überlebt

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Das Buch erschlägt einen. Es schildert die unvorstellbar grausamen Erlebnisse eines 15-jährigen Mädchens während des Völkermords an den Armeniern 1915/16. Es ist die Schilderung einer Überlebenden, der letztendlich die Flucht gelungen ist und die sich in die USA retten konnte. 2020 erschien die Deutsche Erstausgabe im zu Klampen Verlag.

In den USA erzählte Arshaluys ihre Geschichte dem Journalisten und Drehbuchautor Harvey Leyford Gates, der sie bei sich aufnahm und der ein Drehbuch über ihr Martyrium und ihre Flucht schrieb. Dieses verfilmte der Regisseur Oscar Apfel. Arshaluys spielte sich darin selbst als Hauptdarstellerin. Dieser Stummfilm war in den 1920er Jahren ein großer Erfolg, auch wirtschaftlich. Ein Teil des Gewinns floss in die Unterstützung armenischer Organisationen.

Das Buch ist äußerst aufwühlend. Es schildert erbarmungslose Grausamkeiten an wehrlosen Menschen. Ich will die hier nicht aufführen. Sie stehen den sadistischen Folterungen und Tötungen der Nazis in nichts nach. Das Buch zeigt die Abgründe menschlichen Verhaltens auf und lässt spüren, welche widerlichen Bestien wahrscheinlich in uns allen wohnen. Diese Bestie muss nur mit scheinbar begründeten Argumenten gelockt werden, dann übernimmt sie die Herrschaft wie ein böser Geist. Es ist mir vollkommen gleichgültig, dass in diesem Fall Türken bzw. Moslems Armenier bzw. Christen massakriert haben. Das Muster wiederholt sich ständig im Laufe der Geschichte. Immer sind es religiöse oder politische (Wahn-) Vorstellungen, die solche Verbrechen möglich machen. Leider gab es sie über die ganze bekannte Geschichte. Einige Beispiele, auch aus modernster Zeit (Balkankrieg) werden im Anhang des Buches aufgeführt.

Ich musste die Lektüre mehrfach unterbrechen, da die Schilderungen der Gräueltaten kaum auszuhalten waren. Und das mir als Liebhaber der Genres Grusel und Horror! Trotzdem wollte ich wissen, wie es weiterging. Denn es war klar, dass Arshaluys überlebt hatte. Mehrfach überlegte ich, ob ich nicht abbrechen soll. Doch wäre mir das schäbig gegenüber der Autorin vorgekommen, die das alles ja durchstehen musste.

Im Anhang ist an einer Stelle ist zu lesen, einige Frauen seien an Kreuze genagelt worden. Später hat sich Arshaluys wohl dahingegen korrigiert, dass diese Frauen wohl mit angespitzten Kreuzen erstochen worden sind.

Ich bin überzeugt, dass die Schilderungen Arshaluys’ stimmen, wenn vielleicht auch nicht in allen Einzelheiten. Denn dass der Mensch zum Unmenschen dem Mitmenschen gegenüber werden kann, das ist wirklich nichts Neues. Nur wie bestialisch hier Männer, Frauen, Kinder, Neugeborene abgeschlachtet werden, das ist schon wirklich die Grenze des Erträglichen. So grausam geht man im Schlachthof nicht einmal mit Tieren um.

Die Gräueltaten, die Arshaluys geschildert hat, werden im Anhang aus vielerlei Quellen bestätigt. Diese Grausamkeiten haben definitiv stattgefunden. Und es ist für mich kaum verständlich, wie die offizielle türkische Politik immer noch abstreitet, dass damals ein Völkermord stattgefunden hat. Die Anerkennung und eine Entschuldigung würden ein kleines bisschen Gerechtigkeit walten lassen.

Aus diesem Grund empfehle ich, das Buch zu lesen. Ich denke, damit kann man das Leid dieser Menschen damals ein wenig würdigen. Zumindest trägt das Buch dazu bei, dass die Vorgänge nicht vergessen werden – und das eben nur, wenn es auch gelesen wird. Ob es dazu beitragen kann, dass sich derartige Massaker seltener wiederholen werden, weiß ich nicht; ich glaube eher nicht. Dazu schummert das Raubtier im Menschen noch viel zu nah an der Oberfläche der Persönlichkeit.

Cover des Buches Tagebuch aus dem Ghetto von Wilna Juni 1941 – April 1943 (ISBN: 9783863315344)

Bewertung zu "Tagebuch aus dem Ghetto von Wilna Juni 1941 – April 1943" von Yitskhok Rudashevski

Tagebuch aus dem Ghetto von Wilna Juni 1941 – April 1943
Bouggovor 3 Jahren
Kurzmeinung: … nah an Anne Frank …
Immer wieder: Die Gräueltaten der NazisI

Yitskhok Rudashevski, ein Name, den wir kaum aussprechen können. Der es mir aber Wert ist, dass ich ihn mir einpräge. Gesprochen wird er anscheinend „Jitz-Chok Ru-Da-Scheff-Ski“, das „kh“ im Vornamen wie „ch“ in „Bach“. Merke mir als Eselsbrücke: „Jetzt Schock: Rudolf schafft Ski.“

Die Entstehungssituation seines Tagebuchs weist einige Parallelen auf zu dem Anne Franks. Hier ein Jugendlicher in Litauen, dort eine Jugendliche in Holland; hier einer, der im Ghetto, dort eine, die im Versteck lebt. Beide leiden unter der Knute der verbrecherischen Nazis, beide überleben deren Terror nicht. Bei beiden finden Verwandte (Cousine bzw. Vater) die Aufzeichnungen nach dem Ende der Schreckensherrschaft.

Wie bei Anne Frank schaut man den Kindern beinahe bei ihrem Leben in ihrer unfassbaren Situation zu. Man nimmt ein Stück weit daran teil und erfährt unmittelbar die Ungeheuerlichkeiten, denen sie und ihre Familien ausgesetzt waren. Und das in beinahe sachlichem Stil. Yitskhok schreibt mehr oder weniger regelmäßig auf, was er gerade erlebt hat bzw. welche besonderen Ereignisse sich abgespielt haben.

Erstaunt hat mich, wie reif dieser junge Mensch seine Situation reflektiert. Es beeindruckt mich, dass er schon auf den ersten Seiten davon schreibt, dass Juden nach Ponar gebracht und dort erschossen werden. Das wusste 1941 ein Vierzehnjähriger. Es war für ihn eine feststehende Tatsache und nicht nur eine Vermutung. Da frage ich mich, wie nach dem Krieg die Mehrheit der Deutschen behauptete, sie hätten von der Judenvernichtung nichts mitbekommen.

Beeindruckt hat mich, wie wissbegierig Yitshok war, welch wichtigen Stellenwert für ihn die Schule und der Jugendclub hatten, die es beide gab, wie er an Vorträgen und Aufführungen arbeitete. Beeindruckt hat mich ebenso, wie die Stimmung zwischen Hoffnungslosigkeit, Überlebenswillen und Rachevorstellungen wechselte. Verwundert hat mich, wie gut er teilweise über die Kriegsereignisse informiert war. Es bleibt offen, wie diese in Ghetto bekannt wurden.

Viel mehr will ich hier dazu nicht schreiben. Das muss man einfach selbst lesen. Und man sollte es lesen. Ein kleines Stückchen weit kann man damit die vielen Opfer würdigen und das Unrecht der Nazis wenigstens im Nachhinein ad absurdum führen. Zahlreiche Anmerkungen der Herausgeber Sascha Feuchert und Markus Roth tragen wesentlich dazu bei, außerdem die Bilder von Yitskhok und seiner Familie.

An dem Buch gefällt mir außerdem, dass es gebunden ist. Es ist ein anderes Gefühl, es in den Händen zu halten als in einem Taschenbuch zu blättern. Es wirkt stabiler, nicht so flüchtig. Es ist dem Inhalt angemessen.

Yitskhok hat die Gräuel nicht überlebt, und er hat wohl geahnt, dass es so kommen würde. Der letzte Satz, den er am Mittwoch, dem 7. April 1943 aufgeschrieben hatte, lautet: „Uns kann das Schlimmste geschehen.“

Cover des Buches Der Masanao Adler (ISBN: 9783903161764)

Bewertung zu "Der Masanao Adler" von Dieter R. Fuchs

Der Masanao Adler
Bouggovor 4 Jahren
Kurzmeinung: Spannende Geschichte, aber …
Spannende Geschichte, aber mühsamer Schreibstil

Die Thematik ist spannend, keine Frage; auch die Örtlichkeiten und weltweite Verknüpfungen des Geschehens sind interessant gestaltet. Auf den Inhalt will ich nicht näher eingehen. Der findet sich im Klappentext und anderen Rezensionen.

Doch der Schreibstil verdirbt über weite Strecken den Lesegenuss. Was ist passiert, wo doch „Der Tanz der Häsin“ weder Längen noch Blutleere aufweisen. Dieter Fuchs kann es eigentlich, das hat er bei dem Vorgänger-Roman bewiesen.

Hier jedoch konnte er sich von seiner Eigenschaft als Wissenschaftler offenbar nicht lösen. Es reihen sich Bandwurmsätze an Bandwurmsätze, die Ludwig Reiners als „Klemmkonstruktionen“ verschmähte. „Anekdoten über die dort gegenüber den Besuchern recht aufdringlichen Japan-Makaken nahm Marco lachend zum Anlass, wieder auf ihr Projekt zu kommen…“

Viele Begebenheiten sind im Stil langweiliger Sitzungsprotokolle beschrieben in einer sehr geschraubten, bürokratischen Sprache.

Das wirkt sich sowohl auf die Personen als auch auf die Handlung aus. Die Charaktere bleiben papieren, die Begebenheiten fad.

Einzig die Japanerin Tomomi ist nachvollziehbar lebendig beschrieben, doch vermisst man ihre Lebendigkeit im weiteren Verlauf. Die meisten Charaktere bleiben blass.

Zu dem hölzernen Stil trägt zusätzlich bei, dass sich ellenlange Monologe aneinanderreihen, und zwar während die Figuren miteinander sprechen oder in Diskussionen. Seltsam, dass nicht Gegenrede auf Rede erfolgt, keine Unterbrechung durch Zwischenfragen, nichts. Ein Wissenschaftler hält einen Vortrag, der nächste dann seinen. Tödlich.

Der Blickwinkel wechselt zwischen den einzelnen Protagonisten, dadurch ist die Aufmerksamkeit bei mir als Leser gestreut. Besser hätte ich gefunden, die Gesichte aus einem individuelleren Blickwinkel zu schildern, auch mit den Gefühlen, die derjenige dann hat, Gedanken, die er sich vielleicht macht, aber nicht äußert.

Stattdessen immer wieder sinngemäß: „Das Team war sich einig …“ „Alle freuten sich auf …“

Überhaupt viel zu viel Frieden, Freude, Eierkuchen. Alle verstehen sich ja ach so gut, alles ist super harmonisch. Dadurch wird Spannung verschenkt. Klar hat der Leiter Marco Renke sich sein Team so zusammengestellt, dass alle zueinander passen sollen. Doch diese ausschließlich friedlichen Umgangsformen sind einfach langweilig. Wo bleibt der Ehrgeiz, der Wissenschaftler oft treibt, wo der Wettkampf, den Mitstreiter auszubooten?

Selbst dass der „Feind“ plötzlich zum „Freund“ wird, das geht zu glatt, zu widerspruchslos und ist eigentlich nicht glaubhaft.

Und dann der „gemütliche Teil“. Immer wieder trifft man sich gesellig in irgendeinem Restaurant, trinkt dieses und jenes passend zu diesem und jenem exotischen Gericht. Das nimmt unglaublich an Spannung.

Hätte Fuchs das weggelassen, wäre allein schon dadurch mehr Schwung in die Erzählung gekommen. So aber streckt sie sich von Länge zu Länge und zum Ende hin war ich eigentlich froh, es endlich geschafft zu haben. Ich rechnete mit einer kurzen, knackigen, überraschenden Auflösung.

Doch was musste ich feststellen: Es werden noch zwei Bände folgen – es handelt sich um eine Trilogie! Nirgends ist davon vorher die Rede, weder im Titel („Band I der Trilogie“) noch im Klappentext.

Ich werde mit gut überlegen, ob ich mir den zweiten Band zumuten soll. Das werde ich erst nach einem „Blick ins Buch“ entscheiden. Denn die beschriebenen Stilmängel treten schon auf den ersten Seiten auf.

Mit zu dem zähen Lesen haben, rein formal, beigetragen, dass die Schrift sehr klein ist und die Absätze nicht eingerückt sind.

Zudem verwirren die viel fremdländischen Namen und Bezeichnungen, vor allem aus Japan. Hier wäre ein kleines Glossar hilfreich gewesen.

Ich merke selbst, dass sich meine Rezension mehr nach einem Verriss anhört als an einer Vierpunktebewertung. Diese vergebe ich trotzdem, weil die Grundidee originell und sehr speziell ist und immer wieder zu fast kriminalistischen Gedankenknobeleien angeregt. Und vielleicht gibt es ja auch Leser, die das Buch gerne als Sammlung nüchterner Meeting-Protokolle akzeptieren können.

Cover des Buches Kafka - Die Jahre der Entscheidungen. von Stach, Reiner (2003) Gebundene Ausgabe (ISBN: B00HLQ5MJ0)

Bewertung zu "Kafka - Die Jahre der Entscheidungen. von Stach, Reiner (2003) Gebundene Ausgabe" von

Kafka - Die Jahre der Entscheidungen. von Stach, Reiner (2003) Gebundene Ausgabe
Bouggovor 7 Jahren
Kurzmeinung: Kafka - harte Kost. Stach - härtere Kost. Aber lesenswert.
Fülle an Informationen

Uff geschafft! Ich habe wieder fast ein Jahr für dieses Buch gebraucht, genau wie „Die frühen Jahre“. Dass ich durch war, ist jetzt auch schon wieder zwei Monate her. Doch ich denke, gerade dieser Abstand ist gut für eine Rückbesinnung.

Was also ist geblieben von Stachs Biografie? Das erste Gefühl: Der Kopf schwirrt wie einen Mückenschwarm. Stach übergießt mich als Leser mit Informationen, wie auch im vorhergehenden Band. Einzelheiten lassen sich nicht merken. Es bleibt die Einschätzung: Kafka war schon ein eigenartiger Mensch. Er stellte sich gerne als zerbrechlich dar, war aber ein guter Schwimmer und ein Mensch der äußerst gesundheitsbewusst lebte. Er stellte sein Licht ständig unter den Scheffel, hielt jedoch beharrlich an seinen Vorstellungen vom Schreiben fest und ließ sich auf keine Strömungen ein, auch wenn sie ihm den Erfolg erleichtert hätten. Zum Glück, kann man nur sagen.

Einen großen Teil des Buches nimmt die Beziehung zu Felice Bauer ein, und der wiederum wird gespeist durch Kafkas Briefe an sie. Ihre Antworten allerdings hatte er vernichtet. In dieser Verbindung spiegelt sich die ganze Zwiespältigkeit und Kompliziertheit Kafkas, und gleichzeitig stellt sich mir die Frage, wie konnte eine Frau so mit sich umspringen lassen. Doch das ist aus heutiger Sicht vielleicht leicht gesagt.

Viel mehr will ich gar nicht von mir geben. Mit dieser Rezension werde ich dem Werk Stachs in keiner Weise gerecht. Darin steckt unendlich viel Mühe – und dazu hat er es noch geschafft, die Atmosphäre aufleben zu lassen, in der sich alles zugetragen hat. Oder zugetragen haben könnte. Dafür gebührt Stach große Dankbarkeit.

Weniger Dankbarkeit gibt es für die Langatmigkeit. Über weite Strecken schweift der Autor zu sehr aus, seine Betrachtungen ufern aus ins Spekulative oder auch ins Nebensächliche. Das trug sicherlich deutlich mit zu der langen Lesedauer bei.

Trotzdem hat Stach mir Kafka ein Stück weit erklärt. Als Mensch näher gebracht hat er ihn mir nicht. Doch wurde mir verständlich, wieso Kafka derart unnahbar war. Zumindest für die meisten Menschen in seiner Umgebung.

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