Inhalt
In einer fernen Zukunft hat sich die menschliche Zivilisation in der ganzen Galaxis ausgebreitet und wird aufgerieben in einem erbitterten Krieg zwischen der sog. Allianz und den sog. Invasoren. Auch der Kontakt mit Alien-Spezies bleibt dabei nicht aus.
Als mehrfach Funksprüche in einer unbekannten, Babel-17 getauften Sprache aufgefangen und mit Sabotageakten und Terrorangriffen auf die Allianz in Verbindung gebracht werden, wird die Poetin Rydra Wong eingeschaltet. Als versierte Linguistin und Sprach-Genie soll sie die Sprache entschlüsseln und womöglich herausfinden, wer dahinter steckt. Dafür stellt sie eine Crew zusammen und begibt sich auf ein rasantes Abenteuer in die Weiten des Alls.
Sprache = Denken?
Delany-Fan Clemens J. Setz schreibt in “Vor der Revolution” (einer Anthologie aus dem Carcosa-Verlag) über “Babel-17”: “Der Roman verwendet als seine Grundidee die sogenannte Sapir-Whorf-Hypothese in der Linguistik, die, grob zusammengefasst, besagt, dass eine bestimmte Sprache ein bestimmtes Denken ermöglicht und dass es demnach Gedanken in einer Sprache gibt, die man in anderen buchstäblich niemals haben kann. In ihrer strengen Form ist diese Hypothese wissenschaftlich weitgehend widerlegt worden, es scheint keine Gedanken als solche zu geben, die man nicht in allen bekannten Sprachen zumindest beschreiben kann.”
In Delanys Roman eröffnet das Erlernen der Sprache Babel-17 der Hauptfigur Rydra Wong ein völlig neues Denken und eine neue Wahrnehmung der Welt. In dieser Hinsicht hat mich das Buch sehr an "Story of your Life" von Ted Chiang erinnert, was als “Arrival” verfilmt wurde. Und neben der kreativen Story, den faszinierenden Charakteren und dem stilsicheren Erzählton und Story-Aufbau Delanys waren es die linguistischen/sprachwissenschaftlichen Überlegungen, die für mich den Reiz dieser Geschichte ausgemacht haben. Und diese funktionieren meiner Meinung auch dann noch als Prämisse für die Story und als interessantes Gedankenexperiment, wenn die zugrundeliegende wissenschaftliche Theorie bereits überholt ist.
Meiner Meinung nach kann das Buch außerdem als Antikriegsroman gelesen werden, was ihm noch mehr Achtung und Wertschätzung meinerseits eingebracht hat.
Meinung und Fazit
“Babel-17” vereint spannenden Sci-Fi Plot mit intellektuellem Anspruch. Das rasante Erzähltempo und die vielen phantastischen Ideen schaffen ein unterhaltsames Leseabenteuer, doch die vielen Gedankenexperimente zu dem Themenfeld Sprache und Bewusstsein ließen mich das Lesetempo immer wieder runterfahren, um langsam und aufmerksam zu lesen. Allen gedanklichen Sprüngen und sich plötzlich überschlagenden Ereignissen folgen zu können, war dennoch nicht immer ganz einfach und ist mir vermutlich nicht immer restlos gelungen.
Die zwei Texte, die ich bisher von Samuel R. Delany gelesen habe, haben mir bereits hinreichend bewiesen, dass sein Verstand auf einem schmalen Grad zwischen Genie und Wahnsinn balanciert und mit die wildesten, verrücktesten, verworrensten, genialsten Geschichten produziert, die mir je untergekommen sind. In diese Geschichten hinabzutauchen, war in beiden Fällen aufregend, herausfordernd und sehr lohnend. Ich kann “Babel-17” allen empfehlen, die die klassische Science-Fiction belesen wollen (denn in diesen Kanon gehört Delany unzweifelhaft hinein) oder die intellektuell anspruchsvolle und/oder ausgefallene Science-Fiction abseits des Mainstreams suchen; auch Fans von Sprache und Linguistik werden an diesem Roman ihre Freude haben.
Ich danke dem Carcosa Verlag für das Rezensionsexemplar.
Mehr Rezensionen von mir gibt es auf meinem YouTube Kanal: https://youtube.com/@CarinaZacharias?si=b4Goy_dWJ1uOV8F0