Botho Strauß erzählt in "Herkunft" Anekdoten, Erinnerungsminiaturen, Rückblenden. Es geht um die Erinnerung an seine Kindheit und Jugend in Bad Ems in den 50iger Jahren, an die Beziehung zu seinem Vater – weniger zu seiner Mutter – und an prägende Ereignisse. Einige der Miniaturen dienen als Aufhänger zu philosophischen Betrachtungen.
Das Buch ist 2014 erschienen, doch was mir auffällt, ist, dass die Erinnerungen durch den Tod des Vaters 1971 oder dessen hundertsten Geburtstag 1990 ausgelöst wurden, auch auf andere Ereignisse wird bezug genommen. Mir entsteht der Eindruck, dass dieses Buch in ein einem Zug geschrieben wurde, sondern eine Sammlung von Notizen ist. Oder soll ich sagen: ein Sammelsurium? Denn ja, es gibt thematische Zusammenhänge, rote Fäden, aber es bleibt das Gefühl des Bruchstückhaften, des Zusammengestückelten.
Wohl für Ältere als mich mit vielen Reminiszenzen, die mich nicht allerdings berühren, jedoch sprachlich sehr fein beobachtet und formuliert sind. Dieser subjektive Spagat beschreibt das Problem, das ich mit dem Buch habe: Die Form scheint für mich über dem Inhalt zu stehen, es wird weniger eine Geschichte erzählt, als im Sprachlichem geschwelgt.
Es bleibt der Eindruck, hier könnten Erinnerungen veröffentlicht worden sein, die initial nicht dafür vorgesehen waren. Beim ersten Lesen dachte ich, der Cabachon – der Zettel- und Briefbeschwerer von Strauß’ Vater – wäre besser auf dem Spapel Notizen geblieben.
Beim zweiten Lesen aber entfaltet sich die sprachliche Schönheit und stimmt mich gnädiger.
