" 'Und wenn wir hier ehrlich zueinander sind, war ihr Gesicht für meinen Geschmack auch ein wenig zu schmal. Sie war keine vollkommene Schönheit, Reshi. Ich muss das wissen. Auf diesem Gebiet habe ich zahlreiche Studien angestellt.' Kvothe starrte seinen Schüler mit ernster Miene an. 'Wir sind mehr als die Summe unserer Teile, Bast' sagte er leicht tadelnd." (S. 496)
Erwartungen
Die Königsmörder-Chronik stand schon lange auf meiner Wunschliste. Nach all den guten Meinungen, die ich dazu gehört habe, wusste ich, dass diese Reihe mir nur gefallen kann. Ein kleines bisschen Angst davor, enttäuscht zu werden, hatte ich natürlich auch, aber der Grund, warum ich erst jetzt zu diesem Buch gegriffen habe, ist ein anderer. Ich lese gerne Fantasy und bin gerade schon in einigen Reihen versunken ("Die Überlebenden", "Die Königin der Schatten", "Das Lied von Eis und Feuer"...). Noch eine Reihe anzufangen, würde für mich also bedeuten, mit den bisherigen Reihen langsamer voranzukommen. Außerdem wollte ich mir dieses Buch aufheben, quasi als Schokolade ganz hinten im Vorratsschrank für schlechte Zeiten versteckt. Als ich diesen Klopper aber zum Geburtstag bekam, lachte er mich dann doch so sehr an, dass ich mich bald in der Geschichte versenkte und sobald nicht mehr auftauchen konnte. Meine Erwartungen wurden mehr als erfüllt.
Inhalt
Patrick Rothfuss schreibt die Geschichte eines geheimnisvollen Mannes namens Kvothe, der einem Chronisten seine Lebensgeschichte erzählt. Schnell wird klar, dass Kvothe früher ein großer Magier war, sich aber aus unbekannten Gründen zurückgezogen hat und in trüben Gedanken feststeckt. Die Geschichte seiner Jugend ist dafür umso lebendiger. Sie handelt von einer schönen Kindheit, die durch ein schreckliches Ereignis zerstört wurde, von Trauer, Armut, Liebe und Wissbegierigkeit.
Schreibstil
In den meisten meiner Rezensionen widme ich mich der Sprache des Autors wenn überhaupt nur in ein bis zwei Sätzen. Patrick Rothfuss' Schreibstil verdient aber mehr. Kvothe ist bei den Ruh aufgewachsen, einem fahrenden Volk, dass es versteht, Geschichten zu erzählen. Im Laufe des Buches wurde mir klar, wie gut Rothfuss diese selbst gesetzte Vorgabe gemeistert hat.
"Der Name des Windes" ist voller bildlicher Erklärungen, wie sie besser nicht sein könnten. Abgedroschene Worte finden sich dagegen nie. Rothfuss spielt mit der Sprache und gibt ihr neue Bedeutungen, was sich unheimlich schön lesen lässt und gleichzeitig die Stimmung im Buch auf den Leser überträgt. Mir ist es schon lange nicht mehr passiert, dass ich so versunken in ein Buch war. Hier werden Gefühle, wie Behaglichkeit, Angst, oder Liebe so emotional beschrieben, dass mir tatsächlich auch mal Tränen kamen.
"Ich könnte sage: Ich bekam weiche Knie. Oder dass es mir den Atem verschlug. Aber das wäre nicht die Wahrheit. Mein Herz pochte mir nicht bis zum Hals, und es blieb auch nicht stehen, und es setzte auch nicht einen Schlag aus. Das sind so die Dinge, die in Geschichten immer behauptet werden. Törichter Unfug. Übertreibungen. Schund. Aber..." (S. 501)
Beispielhaft für Rothfuss' bildhafte Sprache möchte ich auf den Prolog eingehen. Er ist mit "Eine dreistimmige Stille" überschrieben und der Name ist Programm. Es werden die drei Arten von Stille beschrieben, die in dem Wirtshaus herrschen: die erste offensichtlichste, umfassende Stille - die simple Tatsache, dass keine Geräusche vernehmlich sind -, die zweite Stille - sie wird durch zwei Männer erzeugt, die im Haus sitzen und vermeiden ernste Gespräche anzuschneiden und damit der Stille etwas Mürrisches geben - und die dritte Stille, von der ihr selbst lesen müsst. Alleine dieser Prolog auf 1 1/2 Seiten erzeugt dabei mit dem Wortspiel der tieferen Bedeutung der Stille, so viel Stimmung, dass ich bereits hier von dem Buch überzeugt war.
"Mit Worten über Worte sprechen zu wollen, das ist, als würde man versuchen, mit einem Bleistift eben diesen Bleistift zu zeichnen, und zwar auf dem Bleistift selbst." (S. 801)
Eindruck
Wie man vielleicht schon gemerkt hat, hat dieses Buch mich in jeder Hinsicht mitgenommen.
Ich mochte die Charaktere. Kvothe selbst ist überdurchschnittlich intelligent, gleichzeitig zeichnet ihn seine Vergangenheit, sodass er auch vor Missetaten nicht zurückschreckt. Er ist Licht und Schatten, fürsorglich und draufgängerisch und dabei immer sympathisch. Er hat einen großen Wissensdurst und lernt viel neues. Mich persönlich hat diese Eigenschaft auch selbst motiviert. Die anderen Charaktere sind alle einzigartig und liebevoll entworfen. Es gab keine Person, die ich mir nicht vorstellen konnte.
Von Rothfuss' Sprache habe ich bereits genug geschwärmt, dennoch möchte ich noch mal kurz darauf eingehen, wie stark er dabei Gefühle erzeugen kann. Kvothes Eltern werden zum Beispiel mit ihren Eigenschaften und ihrem Können beschrieben, sodass man sich auch dadurch ein Bild von ihnen machen kann. Definiert werden sie aber durch ihre Liebe zueinander. Das wird für den Leser in kleinen beiläufigen Neckereien oder Kvothes Gedanken sichtbar. Es gibt kaum ein Buch, in dem Liebe so schön beschrieben wird, wie hier die sich liebenden Eltern. Auf der anderen Seite schafft Rothfuss es den Leser Kvothes Feinde fürchten und hassen zu lassen, Hunger und Kälte zu transferieren. Dieses Buch lässt einen so schnell nicht mehr los.
Kommen wir zum Kern, zur Geschichte an sich. Kvothe streut immer wieder Andeutungen, sodass der Leser daher schon weiß, in welche Richtung die Handlung sich entwickeln wird. Dennoch war ich von den Auf und Abs aus Kvothes Leben fasziniert. Es passierten oft Dinge, die mich überraschen konnten und trotz der über 800 Seiten gab es keine Durststrecken. Die Erzählung blieb spannend und es gab keine Stelle, an der ich das Buch freiwillig, ohne weiterlesen zu wollen, aus der Hand gegeben habe.
Fazit
Dieses Buch war für mich bisher das beste, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Ich werde so schnell, wie möglich zum zweiten Band greifen und kann "Der Name des Windes" jedem Fantasyliebhaber nur ans Herz legen.