Die Grundidee fand ich durchaus bemerkenswert, wenn auch nicht völlig neu: Wir haben „Zirkusfreaks“ (im besten Sinne), dessen Fähigkeiten gar keine Illusionen sind, sondern die wirklich über magische Fähigkeiten verfügen.
Der Clou hier ist, dass das mit dem ersten, mehr mit dem zweiten Weltkrieg verknüpft wird.
Ich mochte, wie diese Fähigkeiten aufgebaut wurden. Auch diese sind nichts, was man nicht schon mal gelesen hätte, aber die wurden individualisiert und wachsen mit der jeweiligen Figur mit – wie eine Charaktereigenschaft.
Allerdings hatte ich Probleme mit dem Stil: Zum einen sprüht dieses Buch keineswegs so sehr vor Magie, wie es versprochen wurde, denn es verglich sich mit „Der Nachtzirkus“.
Im Nachtzirkus wurde aber ein ganz anderer Ton angeschlagen und die Magie auch in der Sprache vermittelt – das suchte ich hier vergebens.
Zum anderen neigt die Autorin zu Belanglosigkeiten. Generell ist das Buch eher ruhig – womit ich grundsätzlich überhaupt kein Problem habe – aber hier wirkte es nicht nur ruhig, sondern auch langsam, gestreckt und dennoch oder gleichzeitig wird mir zu viel Behauptet, statt aufgezeigt + es gibt Vorshadowing wie nichts gutes.
Wie das Thema 2. Weltkrieg eingewoben wurde, stehe ich ambivalent gegenüber.
Ich mochte das düstere Setting und dass ein ernsterer Ton angeschlagen wird.
Es gab allerdings gewisse Entscheidungen, die ich kontraproduktiv finde, z.B. wenn man schon das Setting des 2.WK wählt, warum reist dieser Zirkus dann nicht durch Europa statt den USA.
Warum müssen es immer nur kurze Zukunftssprünge sein, die einzelne Eckpunkte der Gräueltaten des 2.WK abklappern, statt dass es aktuell, wirklich passiert.
Das sorgt alles dafür, dass es theoretisch bleibt, dass immer ein „Sicherheitsabstand“ beibehalten wird, weshalb es einen nie nahe geht. Der 2.WK bleibt eine effekthaschende Kulisse – es fungiert als Damoklesschwert, wird aber nie wirklich, ernst behandelt.
Ich hatte grundlegend nicht wirklich das Gefühl einer Handlung zu folgen – es geht viel mehr um zwischenmenschliche Beziehungen – was wieder grundsätzlich kein Problem wäre – aber die Figuren können diese Hauptlast nicht tragen.
Es gibt viele Figuren in diesem Zirkus – je weiter am Rand, desto schwammiger bleibt ihre Charakterzeichnung. Aber selbst die Protagonistin kommt einen nicht wirklich nahe – es ist nicht so, dass man gar kein Bild von den Figuren bekommen würde, aber wirklich viele Schichten haben sie auch nicht bekommen.
Das Thema „Familienbanden“ wird sich auf die Fahnen geschrieben und dieses wird dann so verschiedenartig wie möglich ausgelegt. Aber eben alles ohne, dass ein Grundstein gelegt wurde, emotional mit ihnen zu connecten.
Auch hier trifft die Autorin für mich nicht den richtigen Ton – alles wird in einer Larmoyanz vorgetragen – viel Gejammer, viel Wehleidigkeit.
Es verkommt stellenweise fast schon zu einer Selbsthilfegruppe – jeder darf sich mal darüber auslassen was ihm schlimmes passiert ist oder noch wird – aber ohne, dass das irgendwohin führt oder das große Ganze erzählt wird.
Um die wirklich ernsten, tiefen Themen schifft die Autorin immer herum. Da fehlt ihr offenbar der Mut.
Eine Thematik würde ich davon jedoch ausnehmen und das ist das Thema „toxische Beziehungen“. Das wurde wirklich gut eingefangen, nicht zuletzt auch, da wir verschiedene Sichten haben, inklusive der Tätersicht.
Letztlich muss ich sagen, was dieses Buch nicht schlecht, aber es blieb unter den Erwartungen und auch unter seinem Potential.