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Crimehands-com

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches ZERO - Sie wissen, was du tust (ISBN: 9783734100932)

Bewertung zu "ZERO - Sie wissen, was du tust" von Marc Elsberg

ZERO - Sie wissen, was du tust
Crimehands-comvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ein modernes 1984, eine Dystopie, die uns näher ist als uns lieb ist.
Hochaktuell und hochspannend

Wer nichts anstellt, hat auch nichts zu verbergen, oder? Unsere Daten sind sicher, das Internet ist ein Segen. Nie wieder hinausgehen – wozu denn? Heute kann man von Zuhause arbeiten, einkaufen und seine Kontakte kann man auch pflegen – alles übers Internet. Man braucht nicht mal mehr einen PC, ein Smartphone genügt dafür. Das ist toll – oder etwa nicht?

Marc Elsberg zeichnet in seinem Buch „ZERO – Sie wissen, was du tust“ ein düsteres Bild unserer Zukunft; einer Zukunft, die näher ist, als uns lieb ist. Einer Zukunft, in der uns soziale Netzwerke vorgaukeln, dass wir Herr über unsere Daten sind, dass nur wir über sie verfügen – und mit denen wir nicht nur Geld verdienen können, sondern unser ganzes Leben verbessern können. „ZERO“ ist ein modernes 1984, das frappierende Ähnlichkeiten mit der Folge „Abgestürzt“ der britischen Serie „Black Mirror“ hat. Die Entwicklungen, die Elsberg in seiner Dystopie zeichnet, gibt es teilweise schon – zum Beispiel in China, wo Menschen Punkte sammeln, die ihr Leben ausrichten; zu wenig Punkte – kein Kredit, keine schöne Wohnung, kein guter Arbeitsplatz. Elsberg übertreibt mit seiner Geschichte also keineswegs – denn das, was sie beschreibt, könnte unser Leben in fünf Jahren sein.

Ich finde diese Thematik hochinteressant, Michael Hübner hat sie in „Todesdrang“ bereits angerissen, Elsberg behandelt sie noch intensiver – so intensiv, dass man meinen könnte, der Plot ist nur Mittel zum Zweck für das, was uns Elsberg eigentlich sagen möchte. Die Charaktere sind gut gelungen – Cynthia, die eher konservative Journalistin; ihre Tochter Vi, die voll in den sozialen Netzwerken aufgeht; Anthony, der typische Sensationsjournalist – und die Geschichte gut aufgebaut; mit Schauplätzen, die uns rund um die Welt führen.

Elsberg verrät uns zwischen den Zeilen, wo er eigentlich herkommt, denn mir war völlig unbekannt, dass er Österreicher ist. Aber unter anderem baut er ein Zitat ein, das fälschlicherweise einem ehemaligen österreichischen Bundeskanzler zugeschrieben wird und er beschreibt Wien detaillierter als alle anderen Städte in dem Buch – diese Subtilität gefällt mir und macht den Autor sympathisch, denn weder geht er mit seiner Herkunft hausieren, noch biedert er sich beim deutschen Publikum an; besonders Letzteres passiert leider öfter.

Das Buch hat keine nummerierten Kapitel, sondern ist in Tage und Absätze unterteilt – bei Szenenwechsel, die von einer Seite zur nächsten geschehen, kann es passieren, dass man den Szenenwechsel nicht auf Anhieb mitbekommt. Außerdem kommt bei manchen Strängen nicht klar heraus, welche Institutionen die dort auftretenden Figuren vertreten, und wenn es anfangs erwähnt wird, gerät es möglicherweise in Vergessenheit. Zwar gibt es am Ende ein Verzeichnis, in dem alle Charaktere und Institutionen aufgelistet sind, aber in der Regel findet man das erst, wenn man die Geschichte fertig gelesen hat.

Fazit: ZERO ist ein hochaktuelles Buch mit einer soliden und spannenden Geschichte, in der komplexe Dinge plastisch erzählt werden. Dennoch könnte es für Internet-Noobs etwas kompliziert werden – man sollte also ein Mindestmaß an Interesse für das Thema mitbringen, selbst wenn im Glossar am Ende die meisten Begriffe erläutert werden.

Cover des Buches Finderlohn (ISBN: 9783453438453)

Bewertung zu "Finderlohn" von Stephen King

Finderlohn
Crimehands-comvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Der zweite Teil der Hodges-Reihe schließt an den ersten an. Selber Ort, andere Geschichte, viele Tote - und ein Haufen Notizbücher.
Kermit is back

Es gibt Bücher, die prägen Leben, man ist vernarrt in sie, man liest sie drei, vier, fünfzehn mal; man stellt sich sein Leben vor, als wäre es das des Protagonisten, man schreibt selbst Geschichten über und mit dem Protagonisten. So ähnlich geht es Pete Saubers, nachdem er einen Koffer mit Notizbücher von John Rothstein gefunden hat – und so ähnlich ging es Morris Bellamy 30 Jahre zuvor, als er den Koffer vergraben hat.

Über Stephen Kings Schreibstil muss man nicht viele Worte verlieren, denn er ist hinlänglich behandelt worden – nicht von mir, sondern von anderen Rezensenten. Ich selbst lese selten King, habe eine Handvoll seiner Bücher gelesen, einige fand ich gut, manche haben meinen Geschmack nicht getroffen. Die Hodges-Trilogie verfolge ich allerdings mit großem Interesse, denn Kriminalroman habe ich von King davor noch keinen gelesen. Und auch wenn die Reihe rund um den gealterten Ex-Polizisten nicht „outstanding“ ist, hat sie dennoch irgendetwas Besonderes an sich, das nicht greifbar ist, das man nicht benennen kann.

Der erste Teil von „Finderlohn“ – es gibt insgesamt drei – spielt abwechselnd 1978 und 2010, später ein paar Jahre darauf. Erst im zweiten Teil kommen wir in die Gegenwart und hier tritt auch Kermit William Hodges erstmals in der Geschichte auf – davor sind schon 200 Seiten vergangen, was zunächst etwas verwirrt, aber am Ende so ziemlich seine Ordnung hat; aber dazu später mehr.

Die Geschichte des Pete Saubers ist eine, die man größtenteils nachvollziehen kann: Sein Vater wurde vor vier Jahren, als er auf Arbeitsuche war, von einem wütenden Autofahrer erwischt, der wie besessen in eine arbeitslose Menschenmenge raste. Die Szene wird exakt wie in „Mr. Mercedes“ beschrieben, nur der Blickwinkel ist ein anderer. Danach stürzt die Familie in ein Loch voller Geldsorgen und Streit. Das ist gut geschildert, allerdings fragt man sich, ob Pete Freunde hat und wie sein soziales Umfeld aussieht – das gibt es offenbar, denn King erwähnt Fragmente davon, aber ausleben tut sich der Autor dabei nicht und so kommt Pete eher wie der einsame Streber rüber, der kopfüber in die Toilette getaucht wird. Kein unsympathischer Streber, aber Pete bleibt großteils farblos - ohne Ecken und Kanten. Man bekommt nur mit, dass er seine Familie irrsinnig liebt und eine Leidenschaft für Literatur hat.

Bill Hodges ist, wie im ersten Teil völlig ruhelos - und gerissen. Er arbeitet für sich selbst bei seiner Firma "Finders Keepers" (was gleichzeitig auch der Originaltitel des Buches ist), Holly unterstützt ihn dabei; die zwei sind platonisch sehr gut befreundet. Holly hat - zumindest im Kreise von Hodges und Jerome, der später ebenfalls dazustößt - ihre Schüchternheit weitestgehend abgelegt. Bei unbekannten Personen fühlt sie sich immer noch nicht sehr wohl. Insgesamt ist Holly wegen ihrer Macken der lebhafteste Charakter. Die Stamm-Charaktere sind insgesamt gut gelungen, ja sogar der Antagonist, über dessen Vergangenheit man viel erfährt.

Nun zurück zu der oben erwähnten Stelle, die „ziemlich“ in Ordnung scheint. Das ist sie auch, aber mir kommt das Buch dann doch ziemlich in die Länge gezogen vor. Den ersten Teil des Buches hätte King ruhig etwas straffen können, genauso wie den dritten – vor allem Teile vor und nach dem Showdown. Das Ende war unnötig detailliert und greift meiner Meinung nach zu sehr auf den dritten Teil der Hodges-Reihe vor – dazu mehr in einem SPOILER-Beitrag in den nächsten Tagen. Der Showdown ist dafür sehr gelungen und das Duell, das dort stattfindet, gut durchdacht und packend.

Fazit: Der zweite Teil der Hodges-Reihe kann nicht ganz mit „Mr. Mercedes“ mithalten, aber dennoch überzeugen. Die Geschichte ist facettenreich, porträtiert die Geschichte eines Jungen, der seine Familie über alles liebt und sich selbst dabei in die zweite Reihe stellt.

Cover des Buches Spiegelmord (ISBN: 9783596030354)

Bewertung zu "Spiegelmord" von Claus Probst

Spiegelmord
Crimehands-comvor 7 Jahren
Kurzmeinung: „Spiegelmord“ ist ein flotter, facettenreicher Thriller, der mit fortlaufender Handlung immer flotter
Flotter, facettenreicher Thriller

Eine Spiegelstrafe zahlt böse Taten mit gleicher Münze zurück; stiehlt jemand, wird ihm die Hand abgehackt, redet jemand böse, kommt die Zunge ab. Nach diesem Muster geht ein Mörder in Mannheim vor und tötet Menschen, die früher ihre Kinder gequält und missbraucht haben. Moralisch ist dieser Fall für Lena Böll und dem restlichen Team eine riesige Herausforderung, denn nachtrauern tut den Toten niemand

Letztens sah ich „Nummer zwei“ in meinem Bücherregal und ich dachte mir, dass ich null Erinnerung an den Inhalt habe. Also schaute ich, ob es einen Nachfolger davon gab und fand „Spiegelmord“. Ich bestellte das Buch und fing an, es zu lesen; irgendwann fiel der Name Lena Böll und ein leises, sehr leises Klingeln in meinem Kopf setzte ein. Obwohl mehrmals auf den Nummer-Zwei-Fall Bezug genommen wird, habe ich bis zum Ende von „Spiegelmord“ keine Erinnerung daran - was meistens ein schlechtes Zeichen ist.

Dabei schreibt Probst gut, hat seinen eigenen Stil, reißt seinen Leser mit und klärt nicht immer alles auf. Er greift mitten im Buch schon zu der Zeit nach den Ermittlungen vor, er verrät uns wer stirbt, lange bevor dieser stirbt und lässt uns am Ende dann doch im Unklaren darüber. So geht er auch am Ende vor; er beantwortet uns nicht alle Fragen – am wenigsten die essentiellen. Ich finde es gut, denn so bleibt dieses Buch länger im Kopf, man macht sich Gedanken und kauft mit Sicherheit auch den nächsten Lena-Böll-Fall - falls einer nachkommt.

Lena Böll ist ohnehin ein äußerst ambivalenter Charakter; sie ist nicht nur schlau, sondern anscheinend auch verdammt hübsch – und ebenso kaputt. Sie springt von einem Bett ins andere (man erfährt davon nur peripher), ihr Vater ist todkrank, und Mutter hat sie schon lange keine mehr. Vor allem „schlau und hübsch“ könnte einige Emotionen beim Leser hervorrufen – bei Männern gute, bei Frauen weniger gute. Aber gerade das hält den Leser bei der Stange, man will einfach wissen, wie es mit ihr weitergeht.

Auch wenn Böll die Hauptperson ist, sieht man die Dinge nicht nur von ihrer Warte aus; vielmehr ist das Gegenteil der Fall, man betrachtet den Fall aus der Sicht zahlreicher Ermittler, begleitet die Opfer und die sekundären Täter. Nur die Sicht des Haupttäter bleibt uns vorenthalten, was dann doch etwas schade ist. Dennoch ist das Springen in mehrere Perspektiven facettenreich und verleiht dem Buch eine gewisse Tiefe. Die Geschichte wird dabei jeweils aus der dritten Person erzählt.

Der Showdown hat mit dem Hauptfall nur peripher zu tun und ist in wenigen Seiten abgehandelt. Das Ende ist dafür sehr ergreifend, auch wenn uns Probst selbst hier nicht in ganz klaren Gefilden lässt. Offensichtlich ist das ein wichtiges Stilmittel des Autors.

Fazit: „Spiegelmord“ ist ein flotter, facettenreicher Thriller, der mit fortlaufender Handlung immer flotter wird und den man – im Speziellen ich – so schnell nicht vergessen wird, weil er einige Emotionen hervorruft.

Cover des Buches Lügennest (ISBN: 9783426518687)

Bewertung zu "Lügennest" von Linwood Barclay

Lügennest
Crimehands-comvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ein vielschichtiges Buch mit irrsinniger Charaktertiefe und Spannung von Anfang bis zum Ende
Ein unfassbar packendes Buch

Band 1 der Promise Falls Trilogie ist endlich auch auf Deutsch erhältlich, und was hat sich Linwood Barclay da ausgedacht. Nachdem seine letzten Bücher (u.a. Schweig für immer) nicht vollends überzeugen konnten, strotzt Lügennest nur so vor Vielschichtigkeit, knackigen Charakteren und Spannung.

Wir schlüpfen zunächst in die Rolle des alleinerziehenden Vaters David Harwood, der mit seinem Sohn Ethan von Boston in die fiktive Kleinstadt Promise Falls zu seinen Eltern zieht. Eigentlich tat er dies, um mehr Zeit mit seinem Sohn zu verbringen, aber dann kommt alles ganz anders. Neben David lernt man eine Fülle an Charakteren kennen, unter anderem seine Cousine Marla, den Detective Duckworth und den zwielichtigen Ex-Bürgermeister Finley. Man lernt all diese Figuren aber nicht nur so nebenbei kennen, man begleitet jede auch ein gutes Stückchen, was dem Buch eine immense Tiefe verleiht, ohne allerdings langatmig zu werden.

Denn das ist das nächste Asset des Buches: es wird keine Sekunde langweilig – so kennen wir Barclay eigentlich auch bzw. so haben wir ihn kennengelernt, denn vor allem in der jüngeren Vergangenheit war das nicht immer so. Man hat einfach das Gefühl, dass Barclay diese Trilogie schon lange schreiben und – vor allem – unter die Leute bringen wollte, es passiert einfach dermaßen viel in dieser Kleinstadt und jeder soll es mitbekommen.

Tatsächlich gibt es neben dem Mord und dem entführten Baby noch sehr seltsame Dinge, die in Promise Falls geschehen und die alle mit einer bestimmten Ziffer zusammenhängen, so dass Detective Duckworth, der neben Harwood wohl die größte Rolle in der Geschichte spielt, alle Hände voll zu tun hat. Generell dürfte Lügennest eines der ersten, wenn nicht sogar das erste Buch von Barclay sein, in dem der Polizeiarbeit sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Fokus lag bei früheren Büchern eher bei den Opfern.

Kritikpunkte sind, wenn überhaupt, dann nur marginal. Die Geschichte bietet alles, was eine gute Geschichte benötigt. Das Ende ist natürlich offen, denn es folgen ja noch zwei Teile – dennoch wird einiges bereits jetzt aufgeklärt. Das Negativste sind die das/dass-Kenntnisse der Übersetzerin Silvia Visintini, die schlicht nicht vorhanden sind – denn nach einem Komma kommt nicht automatisch ein „dass“.

Fazit: Es ist nicht einfach nur Mord, nicht einfach nur ein entführtes Baby; es ist wesentlich mehr, wesentlich größer – Linwood Barclay bietet uns eine Kleinstadt, in der großes passiert. Und ich freue mich schon richtig darauf, die Fortsetzung zu lesen.

Cover des Buches Todesblau (ISBN: 9783426516164)

Bewertung zu "Todesblau" von Felix Leibrock

Todesblau
Crimehands-comvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ein typischer deutscher Krimi, den man lesen kann, aber nichts verpasst, wenn man ihn nicht liest
Klassischer deutscher Krimi mit exzellenter Charakterzeichnung

Weimar ist ein geschichtsträchtiges Pflaster im Osten Deutschlands. Goethe, Schiller und nicht zuletzt die Weimarer Republik lassen uns an die Stadt denken – wo, wenn nicht dort, lässt man eine Geschichte wie die von „Todesblau“ spielen, denn Geschichten kann man zu der knapp 65.000 Einwohner-Stadt genug erzählen. Und wem das nicht genügt, der lässt sich vom Autor zu den Schauplätzen des Buches führen. Aber genug zur Stadt, das hier soll schließlich kein Bericht für den Tourismusverband werden.

Sascha Woltmannn verbrachte seine Kindheit bereits in der damals noch tief im Kommunismus steckenden DDR, bevor er in den Westen ging und dort mehrere Berufe, von Haustürvertreter bis zum Gebrauchtwagenhändler, ausübte, bis er zur Polizei ging. Jetzt ist er Streifenpolizist, will aber höher hinaus. Gut, dass er Mandy Hoppe, eine Bekannte aus seiner Kindheit, die ihn unkreativerweise oft nur „Alter“ nennt und bereits bei der Kripo ist, in Weimar wiedersieht – an Vitamin B mangelt es also nicht. Aber die trägt es ihm nach, dass er damals nach der Wende in den Westen ging, was Woltmann nicht unbedingt zum Vorteil gereicht.

Was dem Autor ausgezeichnet gelingt, ist, den Figuren Ecken und Kanten zu geben. Da gibt es den selbstverliebten Kripochef, den reimenden Bäcker, den zerstreuten Universitätsprofessor und viele mehr. Woltmann selbst ist nicht gerade der Sympathieträger schlechthin, aber Antiheld trifft es ebenfalls nicht – euphemistisch gesprochen könnte man sagen, dass er seine Karriereziele mit Nachdruck verfolgt und dabei für den Leser nicht immer ganz nachvollziehbar handelt.

Das ganze Buch wird ständig von einem leicht „ostalgischen“ Touch begleitet, der nicht nur realitätsnah ist, sondern dem Buch auch etwas Charme verleiht, wenngleich er doch etwas deutsch-typisch ist. Leider ist die Geschichte aber nur mäßig spannend, obwohl Leibrock versucht, Spannungselemente einzubauen – leider zu offensichtlich. Zwischendurch gibt es immer wieder Rückblenden ins Nazideutschland, die allerdings nur peripher mit dem Fall, den Woltmann und Co. bearbeiten, zu tun hat. Der Showdown ist kurz und – zumindest für den Leser – schmerzlos, aber auch nicht wirklich der Rede wert, weil nicht viel passiert.

Fazit: „Todesblau“ ist nichts wirklich Außergewöhnliches und kann unter der Überschrift „more of the same“ abgehandelt werden. Kein schlechter, aber auch kein überragend guter Krimi, der es meiner Meinung nach leider versäumt, aus dem typisch deutschen Krimi-Korsett (Nazis, Ost-West-Konflikt) auszubrechen.

Cover des Buches Die letzte Spur (ISBN: 9783442383719)

Bewertung zu "Die letzte Spur" von Charlotte Link

Die letzte Spur
Crimehands-comvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Das schwächste Buch von Charlotte Link, das ich je gelesen - weitgehend langweilig und am Ende bleibt man enttäuscht. Schade.
Völlig unnötig aufgeblasenes Buch

Charlotte Link ist für ihre gut verpackten Krimis bekannt, denn in weiten Teilen sind ihre Geschichten ganz normale Geschichten, die sich irgendwann zu Krimis entwickeln. Das ist vielleicht kein Alleinstellungsmerkmal, aber doch ungewöhnlich am Markt der Kriminalliteratur. Und ich schätze das, sogar sehr, weil es kein Räuber-und-Gendarm-Spiel ist, wie man es viel zu oft in diesem Genre antrifft. Link schreibt Geschichten aus dem Alltag, Geschichten, die jedem passieren können – bis dann eben doch etwas Ungewöhnliches passiert.

Nur bei diesem Buch passiert nichts. Dieses Buch ist so banal, dass man es nach der Hälfte auch weglegen kann, denn es passiert weder etwas Überraschendes, noch etwas Außergewöhnliches. Aber natürlich habe ich es fertig gelesen, obwohl ich, gerade bei der Hälfte, nicht nur einmal kurz davor war, das Buch ins nicht-zu-ende-gelesen-Regal stellen wollte. Aber ich habe mir gedacht „Das ist Charlotte Link, da kommt sicher noch was“ – Pustekuchen.

Ich meine, natürlich passiert etwas, und ja, es gibt auch Leichen – aber für die Hauptstory ist das völlig redundant. Anstatt die Hauptstory richtig gut zu machen, eröffnet Link ein Ablenkungsmanöver nach dem anderen, einen Strang nach dem nächsten und friemelt alles irgendwie zum Hauptplot dazu, damit die Geschichte noch größer, das Buch noch dicker wird.

„Die letzte Spur“ ist bei weitem nicht das erste Buch von Charlotte Link, das ich gelesen habe, aber – und es tut mir wirklich leid, das so hart ausdrücken zu müssen; aber wieso etwas schönreden, wo es nichts schönzureden gibt – mit Abstand das Langweiligste. Nicht mal von Beginn an, denn das erste Viertel ist wirklich gut, allerdings schläft die Geschichte irgendwann ein. Zwar versucht Link, sie mit Cliffhangern am Leben zu halten, wirklich bringen tut das aber nichts.

Abgesehen davon hat man bei Link das Gefühl, dass sie bei ihren Geschichten öfter mal dasselbe Grundgerüst benutzt: Die Stimmung schwankt bei nahezu allen Charakteren zwischen verzweifelt und ängstlich, Selbstzweifel stehen bei Link ohnehin an der Tagesordnung – glückliche Menschen findet man bei ihr so gut wie nie. Was allerdings okay ist, denn so nimmt sie die Leser für ihre Geschichten ein und das ist wohl der Grund für ihren anhaltenden Erfolg – jeder kann sich mit Links Figuren identifizieren; jeder von uns hat Selbstzweifel. Nur dass wirklich jeder Charakter Zweifel und Ängste hat – naja. Es ist halt etwas monothematisch. Es würde der Geschichte nicht schaden, wenn eine Frohnatur dabei wäre, um etwas Kontrast hineinzubringen. Aber nein, bei Link sind Frauen meistens Opfer - unterdrückt von ihren Ehemännern, Lebensgefährten oder den Kollegen - und Männer meistens reaktionäre Machos.

Zurück zum erwähnten Grundgerüst: so erinnern Teile des Showdowns an „Das Haus der Schwestern“ und die Atmosphäre an „Die Betrogene“. Wobei es Showdown in dem Sinne gar keinen gibt. Irgendwann in der Mitte des Plots gibt es Showdown-ähnliche Szenen, eben die erinnern an „Das Haus der Schwestern“.

Ein Charakter, nämlich den des Bruders von Elaine, hat mich besonders irritiert. Mehr dazu demnächst in einem SPOILER-Beitrag.

Fazit: Charlotte Link liefert mit „Die letzte Spur“ ein unnötig aufgeblasenes Buch ohne wirklich nachvollziehbaren Handlung und mit einem gesellschaftlichen Bild, das in längst vergessene Zeiten gehört. Hätte ich sehnsüchtig auf den neuesten Link gewartet, ich wäre mehr als enttäuscht.

Cover des Buches Die stille Kammer (ISBN: 9783404172191)

Bewertung zu "Die stille Kammer" von Jenny Blackhurst

Die stille Kammer
Crimehands-comvor 7 Jahren
Kurzmeinung: Ein ambivalenter Thriller, bei dem man merkt, dass es ein Erstllingswerk ist - kann aber in der zweiten Hälfte durchaus überzeugen
Ambitionierter Thriller

Kinder sind allseits beliebt, und sie werden genau deshalb nur allzu gerne in Werbespots verwendet, um diverseste Produkte an den Mann oder die Frau zu bringen. Kinder emotionalisieren – weil jeder von uns eines war, eines kennt, eines hat, oder alles gleichzeitig. Deshalb kaufen wir die angepriesenen Produkte auch nur allzu gerne. Jenny Blackhurst dürfte sich das zu Herzen genommen haben, und stellt in ihrem Erstlingswerk ein Kind in zentrale Position.

Die Kleinstadt Ludlow im westlichen England nahe Wales hat eine prominente Mitbewohnerin bekommen; dass Susan ihren Namen auf Emma geändert hat, nützt dabei nicht wirklich etwas, sie hätte schon einen Schönheitschirurgen beauftragen müssen, damit man die in allen Medien als Kindsmörderin verschriene Person nicht mehr erkennt. Der Name Emma spielt überhaupt eine unwesentliche Rolle in dem Buch – nahezu keiner, noch seltener Susan selbst, nennt sie so. Susan ist auch abgesehen davon eine sehr ambivalente Person. Eine die sich Nick, dem Journalisten, den sie keine 24 Stunden kennt, fast an den Hals wirft, und sich damit zum ersten, aber bei weitem nicht zum letzten Mal selbst widerspricht. Abgesehen davon handelt sie zeitweise irrational und macht generell nur selten einen sympathischen Eindruck – was interessanterweise fast nie der Fall ist, wenn eine Geschichte in der ersten Person erzählt wird.

Die erste Hälfte von „Die stille Kammer“ liest sich wie ein Thriller vom Reißbrett, als hätte Blackhurst strikt die Regeln eines „Wie ich einen guten Thriller schreibe“-Ratgebers befolgt, den ich selbst nie gelesen habe, ihn mir aber so vorstelle. Regel eins: Nimm den Leser irgendwie für die Geschichte ein, baue zum Beispiel Kinder ein, oder irgendwas mit Sex, oder beides (nur nicht gleichzeitig, um Himmels willen). Regel zwei: Halte den Leser irgendwie an der Stange, zum Beispiel mit Cliffhangern am Ende eines jeden Kapitels – völlig egal, ob du ihn am Anfang des nächsten Kapitels wieder relativierst.

Tatsächlich ist speziell die erste Hälfte etwas zu sehr aufgesetzt und zu sehr gewollt, denn irgendwann wird das Buch richtig gut und wesentlich ungezwungener und natürlicher. Irgendwann braucht Blackhurst keine Cliffhanger mehr, weil der Plot von sich selbst lebt. Ich gestehe ihr diese Schönheitsfehler durchaus zu, gerade weil es ihr erstes Buch ist – allzu oft darf ihr das allerdings nicht passieren, denn sonst wird ihre Stammleserschaft überschaubar. Der Showdown plus der Epilog dauert, trotz der besseren zweiten Hälfte, etwas zu lange und hält sich viel zu sehr mit erklären auf. Blackhurst hat die Geschichte zwar schön aufgebaut, dabei aber offenbar nicht bedacht, dass sie dieses komplizierte Konstrukt auch wieder auflösen muss. Die letzten 20 bis 30 Seiten ziehen sich daher ziemlich, und man weiß dann ohnehin schon länger vorher, was zum Schluss kommt.

Der Titel „Die stille Kammer“ ist übrigens, wie öfter bei deutschen Übersetzungen, nur allzu irreführend. Aber vielleicht ist es auch eine Metapher, die man nicht sofort versteht. Besser wäre es gewesen, den Originaltitel „How I lost you“ (der Originaltitel auf Amazon ist übrigens falsch, und der Alterswarnhinweis mit Sicherheit auch) direkt zu übersetzen.

Fazit: „Die stille Kammer“ ist ein ambivalenter Thriller, dessen zweite Hälfte wesentlich natürlicher ist als die erste und erst dann so richtig überzeugt. Für ein Erstlingswerk ist das Buch allerdings alles in allem okay.

Cover des Buches Die Menschen, die es nicht verdienen (ISBN: 9783499271083)

Bewertung zu "Die Menschen, die es nicht verdienen" von Michael Hjorth

Die Menschen, die es nicht verdienen
Crimehands-comvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Aktuell und herausragende Charakterzeichnung, aber bei weitem nicht der beste Bergman-Roman
Aktuelle und spannende Thematik, aber ...

„Bauer sucht Frau“, „Frauentausch“ oder „Schwiegertochter gesucht“ – alle kennen sie, aber keiner will sie geschaut haben, und trotzdem erfreuen sich Dokusoaps großer Beliebtheit. Guilty Pleasure nennt sich dieses Phänomen neudeutsch und beschreibt Dinge, die man nicht tun sollte, weil sie in der offiziellen Öffentlichkeit verpönt sind, sie aber trotzdem tut, weil es einem eine gewisse Befriedigung verschaff. Dieses Guilty Pleasure kann jeden Lebensbereich betreffen – ob jetzt ungesundes Essen wie Fast Food zu essen, Musik von Helene Fischer zu hören, oder eben Dokusoaps zu schauen. Letzteres thematisieren Hjorth und Rosenfeldt in ihrem bereits fünften Sebastian-Bergman-Roman und beleuchten es von einer gänzlich anderen Seite.

Der Serienmörder in diesem Teil spezialisiert sich auf Dokusoap-Stars, er unterzieht sie einer ganz speziellen Prüfung. Sollten sie sie nicht bestehen – tja, dann kommt er seinem Tagwerk nach. Das Thema erachte ich in Zeiten, in denen das TV-Programm immer mehr mit Talentshows, Scripted Reality Formaten und eben Dokusoaps durchtränkt ist, als sehr interessant und aktuell. Da sowohl Hjorth als auch Rosenfeldt unter anderem auch am Fernsehgeschäft beteiligt sind, senden sie gerade mit der Thematik eine gewisse Botschaft in die Welt hinaus.

Vor allem in den ersten 50 Seiten schaffen es die Autoren sehr gut, ein „Was bisher geschah“ in den aktuellen Plot mit einfließen zu lassen, was für den ein oder anderen Leser hilfreich sein kann, der sich nicht mehr an alles erinnert, was in den vorangegangenen vier Romanen geschehen ist – aber auch für jene, die zum ersten Mal einen Bergman-Roman lesen. Wenngleich die ersten Vier aufgrund der Atmosphäre und Zusammenhänge dennoch wichtig wären.

Bergman selbst spielt in diesem Teil bis zum letzten Viertel nur eine periphere Rolle – erst dann lenkt er die Handlung in die entscheidende Richtung. Von den Charakteren bekommt man generell ziemlich viel mit – was sie denken, was sie fühlen. Das ist ziemlich beeindruckend und zeichnet Hjorth und Rosenfeldt aus, weil es – vor allem in diesem Teil – keine klare Hauptperson gibt, viel mehr steht das Ermittlungsteam im Zentrum – und doch jeder für sich. Nur Torkel, der Chef der Truppe, bleibt eine hölzerne Figur, die irgendwie nicht wirklich zu fassen ist. Vielleicht ist es Absicht, um die Authorität, die er als Chef der Truppe ausstrahlen muss, zu manifestieren, vielleicht steckt sonst irgendein Kalkül dahinter, aber er bleibt dennoch der blasseste aller Charaktere.

Leider lassen sich die Autoren dazu hinreißen, auf den – mittlerweile ohnehin nicht mehr aktuellen – Hypetrain von „50 Shades of Grey“ aufzuspringen. Das ist zwar gut verpackt und nicht sehr detailliert, dennoch ist die Intention augenscheinlich. Dazu kommt, dass Spannung eher eine Fußnote ist und die zahlreichen Cliffhanger, die Hjorth und Rosenfeldt einbauen, völlig überflüssig sind, da das Autorenduo sich viel zu lange bitten lässt, bis es den Faden wieder aufnimmt. Der Showdown beginnt ziemlich früh und eigentlich recht gut, mündet dann allerdings im Hollywood-Schema und verkommt damit leider nur zu einer Randnotiz. Der Riesen-Cliffhanger, den Hjorth und Rosenfeldt in jedem ihrer Teile bereithalten ist diesmal zudem etwas zu offensichtlich.

Fazit: Übrig bleibt ein zwar nicht schlechter, aber auch kein überragender Bergman-Krimi, der einen zwar bei der Stange hält, ihn aber nur halbherzig packt, was auch an der Unterpräsenz des eigentlichen Protagonisten liegt.

Cover des Buches Mord in Schönbrunn (ISBN: 9783442482962)

Bewertung zu "Mord in Schönbrunn" von Beate Maxian

Mord in Schönbrunn
Crimehands-comvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Nicht allzu spannend, aber durch die Machart umso packender und deshalb rasant bis zum geht-nicht-mehr
Packend und rasant

Märchen scheinen bei österreichischen Kriminalliteraturautoren momentan in Mode zu sein. Erst letztens lieferte Andreas Gruber das „Todesmärchen“ ab, nun legt Beate Maxian mit „Mord in Schönbrunn“ nach – während Grubers Werk Andersens Märchen thematisiert, bespielt Maxian das Feld der Grimmschen Märchenwelt. Aber nicht nur das, sondern auch Symbolik und Mythen rund um Wien spielen, wie wir es bei Maxian gewohnt sind, eine große Rolle – die Mixtur daraus ist sagenhaft und an Rasanz nicht zu überbieten. Man kann das Buch in wenigen Stunden problemlos durchlesen, ich habe mir fünf Tage Zeit gelassen – schließlich kommt Sarah Pauli nur einmal im Jahr.

Ich habe Sarah Pauli vor etwa zwei Jahren kennengelernt, und eigentlich finde ich Bräuche und Mythen eher uninteressant – weder kann ich mich für Horoskope, noch für diverse Hochzeitsbräuch, die im aktuellen Sarah-Pauli-Roman eine wichtige Rolle spielen, erwärmen. Aber Beate Maxian bringt einem das Thema so plastisch nahe, dass jeder einzelne Teil absolut lesenswert ist – mit „Mord in Schönbrunn“ ist ihr allerdings einer ihrer besten gelungen. Die Mischung aus Symbolik und Rätselrallye hat mich an Dan Browns Robert Langdon erinnert, mit dem Unterschied, dass Pauli keine Hörsäle, sondern den Wiener Boten füllt und Menschen damit begeistert.

Maxian versteht es in ihrer aktuellen Geschichte gekonnt, den Leser an der Tätersuche teilhaben zu lassen und so verdächtigt man immer wieder neue Leute aus dem Ensemble, nur um ein paar Seiten später herauszufinden, dass man doch falsch liegt. Also forscht man weiter und ist am Ende doch ein bisschen überrascht, als der Täter demaskiert ist. Und auch wenn der Showdown gar nicht so aufregend ist, hatte ich dennoch während der letzten fünfzehn Seiten eine andauernde Gänsehaut – Maxian bringt die Stimmung so gut rüber, dass man als Leser fast glaubt, wirklich dabei zu sein. So etwas habe ich lange nicht mehr erlebt. Auch die Charakterentwicklung, insbesondere von der Protagonistin, schreitet voran und ist interessant zu beobachten.

Mit dabei ist nicht nur ein weiteres Mal ein interessanter Blick in die Journalistenwelt, Maxian geizt auch diesmal nicht mit Medienkritik am Boulevard – und auch die sagenumwobene Besetzungscouch erwähnt sie nicht zum ersten Mal in ihren Büchern. Zum ersten Mal ist mir allerdings aufgefallen, dass die Autorin gendert und nicht nur vom Täter, sondern auch einer möglichen Täterin spricht, was ich sehr erfrischend finde. Zwar nicht wirklich neu, aber wie Maxian sie einsetzt, sind die Kapiteltitel, mit denen die Autorin diesmal operiert. In früheren Teilen hat sie die Kapitel nebst der Nummer nur nach den darin agierenden Protagonisten benannt bzw. ihnen relativ nichtssagende Titel wie etwa "Silvester" gegeben - diesmal sind ddie Titel irgendwo zwischen Schall und Rauch und Mini-Spoiler angesiedelt, denn niemals zuvor wurden sie so eingesetzt, dass man eine kleine Vorschau auf den kommenden Inhalt bekommt. Nicht weiter erwähnenswert, aber dennoch nicht uninteressant.

Als negativ kann man ankreiden, dass Teile der Geschichte, besonders gegen Ende, etwas vorhersehbar sind. Aber das ist logisch, denn irgendwann muss die Geschichte zum Ende kommen, sonst hätte das Buch 4000 und nicht nur 400 Seiten (wogegen ich nichts hätte). Die Idee an sich ist jetzt zwar nichts Neues, das wurde ja bereits beim „Todesmärchen“ bekrittelt, aber die Umsetzung, mit den ganzen Symbolen, mit den Mythen und das damit einhergehende Stadtkolorit, ist absolut gelungen.

Fazit: Definitiv eines der besten Bücher von Beate Maxian. Nicht allzu spannend, aber durch die Machart umso packender und deshalb rasant bis zum geht-nicht-mehr. Regt überdies mit all seinen Elementen zum Nachdenken an – nicht nur über offensichtliches, sondern auch über die subtil präsentierten Themen wie Freundschaft und Solidarität.

Cover des Buches Zerschnitten (ISBN: 9783453438552)

Bewertung zu "Zerschnitten" von Paul Cleave

Zerschnitten
Crimehands-comvor 8 Jahren
Kurzmeinung: Es ist ein schmaler Grat zwischen ernstem Thema und Unterhaltungsliteratur, den Paul Cleave nur mit Hängen und Würgen bewältigt
Spannend bleibt leider auf der Strecke

Kann man das Thema Demenz richtig breit in einem Kriminalroman bearbeiten? Wenn ja, wie geht man es an? Klar, Alzheimer kann jeden von uns treffen, aber muss es sein, dass man das Thema in einem Medium behandelt, das eigentlich unterhalten soll? Das spannend, vielleicht etwas blutrünstig und möglicherweise auch ein bisschen lustig sein soll? Diese Fragen sollen keinen bewertenden Charakter haben – ich stelle sie erstmal nur in den Raum. Paul Cleave hat es versucht, und die Idee an sich ist innovativ.

Und innovativ kann Cleave normalerweise auch, das sah man bereits an seinem Debüt, in dem er den Thriller aus der Sicht des Mörders schrieb und damit einen Welthit landete. In gewisser Weise kehrt er mit „Zerschnitten“ zurück zu den Wurzeln, aber irgendwie will das gute Stück nicht so recht zünden – zumindest in der ersten Hälfte nicht, durch die man sich regelrecht durchquälen muss, weil es zeitweise wirklich zäh ist. Insgesamt gibt es zwei Handlungsstränge, die sich beide um die Figur des Jerry Grey drehen. Einer davon – der lebhaftere – spielt in der Gegenwart, der andere in der Vergangenheit von Grey, in der er ein „Protokoll des Wahnsinns“, wie er es nennt, angefertigt hat. Und damit kommen wir zur ersten der oben angeführten Fragen, ob man das Thema Demenz in einem Kriminalroman breit bearbeiten kann: Ja, man kann – wenn man in Kauf nimmt, dass der ein oder andere das Buch gähnend ins Regal zurückstellt und sich darüber ärgert, Geld aus dem Fenster geworfen zu haben. Selbst bei mir gab es für einen Augenblick so einen Gedanken. Aber ich kenne Cleave schon lange und wusste, dass es so nicht weitergehen wird, so nicht weitergehen kann.

Und die zweite Hälfte entschädigt dann auch etwas – wie in einem Fußballspiel, in dem die Lieblingsmannschaft nach der ersten Hälfte 0:5 zurückliegt, weil sie nicht und nicht ins Spiel kam. Man weiß, dass sie verlieren wird, aber dann bitte mit Anstand. Und dann schießt sie in der zweiten Spielhälfte noch drei Tore und bekommt keines mehr. Da ist man am Ende nicht ganz so enttäuscht. Und etwas von dem gibt Cleave auch in seiner zweiten Hälfte des Buches zurück, zumindest was das Thema Spannung betrifft, denn davon ist in der ersten Hälfte gar nichts zu sehen. Auch der Showdown ist ziemlich okay, er hält zwar keine Überraschung bereit, aber immerhin doch noch einen kleinen Twist.

Im Abspann des Buches, also der Danksagung, erfährt man dann, wie persönlich dieser Roman für Cleave ist. Schon während des Lesens fragt man sich, wie viel Cleave in der Geschichte steckt – nun, einiges davon. Aber dennoch ist man dann irgendwie froh, dass es vorbei ist. Der Spagat zwischen ernstem Thema und Unterhaltungsliteratur ist etwas zu groß, so dass die Unterhaltung leider etwas auf der Strecke bleibt.

Fazit: Ich habe nicht alle Bücher von Paul Cleave gelesen, aber es gibt bessere, wie etwa „Der siebte Tod“ oder „Der 5-Minuten-Killer“. Dennoch ist es etwas Neues und die Idee an sich ist wirklich grandios, nur die Umsetzung hat ein paar Schönheitsfehler. Aber Cleave ist einer der wenigen Autoren, die immer wieder etwas wagen und sich nicht immer des öden Räuber-und-Gendarm-Spiels bedienen – allein dafür gebührt ihm Respekt; und den bekommt er von mir.

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  • 10.07.2016

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