David_Gray
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Bewertung zu "Robinsonaden vom 40. Breitengrad" von Michael Schweßinger
"Wenn Literatur nicht bei denen bleibt, die unten sind, kann sie gleich als Partyservice anfangen", umriss Jörg Fauser einmal die Aufgabe von Literatur. Einer seiner Erben ist der Leipziger Schriftsteller und Ethnologe Michael Schwessinger, der sein Geld ganz bewusst hauptsächlich als weltreisender Bäcker verdient.
"Mich langweilen diese Welten, die mir vertraut sind ... Sprachlich sichtbar zu machen, was jeder schon weiß, aber dennoch nicht ins Bewusstsein gerät, erscheint mir enorm wichtig. Denn die Welt wird neu vermessen und die Landvermesser denken nicht mehr national. Sie haben ihre Lektion gelernt. Nur ihre Knechte denken national, sie denken rechts- oder linksnational und die Herren ziehen derweil stillschweigend den eisernen Vorhang nicht mehr zwischen Ost und West oder Nord und Süd, sondern zwischen oben und unten und amüsieren sich über den Kleinkrieg der Kleinen", fasst er seinen Anspruch an sich selbst und seine Arbeitsmethode zusammen.
Mit seinem neuesten Band hat Schwessinger ein kleines Meisterwerk vorgelegt, das es so noch nicht in der dts Literaturlandschaft der letzten Jahre gab. Er berichtet darin aus dem Innenleben eines apulischen Robinson-Clubs. Er kann sich an Sensibilität und überraschenden Einsichten mit Nora Bossongs Trip ins "Rotlicht" und Wallraffs Gang nach "Ganz unten" durchaus messen. Die Abgeklärtheit mit der Schwessinger aus dem verborgenen Innenleben des Clubs erzählt führt ihn zu ungewöhnlichen Einsichten ins Räderwerk einer globalisierten Bespaßungsindustrie, die nicht zynisch daherkommen, auch wenn sich einige so lesen lassen mögen. Noch die skurrilste der Figuren, die er aus dem Clubkosmos herausgreift, wirkt authentisch. So etwa wenn er das gemeinsame Austicken der Spüler eines Nachts mit dem Hundetick einer Exfreundin vergleicht, die fand, dass es die Rudelsolidarität auch der Menschen steigerte, wenn diese ab und zu nicht nur im übertragenen Sinne mit den Wölfen heulten, woraufhin der Autor, allein in seiner Backstube, eben solidarisch in das Geheul der Spüler einfällt.
Ein gutes, ein wichtiges Buch.
Thriller, der voll auf den Punkt trifft. Kayankaya hat einen Bruder im Geiste gefunden. Unbedingt lesenswert!