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DunklesSchaf

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Der schottische Bankier von Surabaya (ISBN: 9783959170130)

Bewertung zu "Der schottische Bankier von Surabaya" von Ian Hamilton

Der schottische Bankier von Surabaya
DunklesSchafvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Wer behauptet, man könne keinen spannenden Krimi mit Wirtschaftsthemen schreiben, kennt Ian Hamilton mit seiner genialen Ava Lee noch nicht.
Ava Lee in ihrem fünften Fall - beeindruckend, spannend und global!

Über den Autor Ian Hamilton und seine Protagonistin Ava Lee bin ich tatsächlich schon mal vor einer Weile bei der Suche nach neuen Büchern gestolpert. Teil eins (Die Wasserratte von Wanchai) landete auf meiner Wunschliste, auf der sie seitdem ausharrt. Mit dem aktuellen Krimi erscheint nun aber schon der fünfte Teil um Ava Lee und jetzt konnte ich auf keinen Fall mehr widerstehen. Ein Quereinstieg in eine Serie ist ja immer umstritten, denn es fragt sich, ob man nicht die vorigen Teile kennen muss, um den aktuellen zu verstehen. Bei Krimis ist das allerdings oft kein Problem, denn die Fälle sind ja abgeschlossen. Private Verwicklungen, die aber ja meist nebenher laufen, sind natürlich schon fortgeschritten, aber eben nicht hinderlich bei einem Quereinstieg. Nichtsdestotrotz kann es aber ein Risiko sein. Kann sein, muss aber nicht.

Nach ihrem letzten Fall ist Ava Lee gesundheitlich angeschlagen und gerade dabei sich zu überlegen, ob sie in ihren Job zurückkehren will. Sie ist Wirtschaftsprüferin, doch langweilig ist ihr Job ganz sicher nicht. Mit Onkel, dem ehemaligen Chef einer chinesischen Triade, betreibt Ava Lee ein Inkassounternehmen und verschafft Kunden verlorenes Geld wieder. Keine Kleinbeträge, richtig viel Geld. Deshalb ist sie nicht nur skeptisch, sondern auch ablehnend, als ihre Mutter sie bittet, Teresa Ng, einer Bekannten ihrer Mutter, aus der Patsche zu helfen. Als jedoch klar wird, dass nicht nur Teresa, sondern noch mehr Parteien bei einem Fondschwindel richtig viel Geld investiert haben und es nun zurückhaben möchten, nimmt sie den Auftrag doch an. Der Auftrag führt sie von Kanada über China nach Indonesien, genauer gesagt nach Surabaya.

Beeindruckend. Das ist das Wort, welches Ava Lee für mich am besten beschreibt. Ava Lee ist eine kluge, starke Frau. Sie arbeitet in einem Beruf, der nicht ohne Gefahr ist, doch zur Not kann sie sich verteidigen. Sie verfügt über Fachkenntnisse und versteht ihr Handwerk. Auch wenn sie nie so genannt wird im Buch ist sie doch irgendwie Privatdetektivin. Sie sucht keine verlorenen Menschen, überwacht keine betrügenden Männer oder klärt Mordfälle – sie sucht Geld. Als Wirtschaftsprüferin ist sie dafür genau die Richtige. Und gemeinsam mit dem etwas geheimnisvollen alten Mann, den sie Onkel nennt, hat sie damit Erfolg. Nichtsdestotrotz hat der letzte Fall ihr schwer zu schaffen gemacht. Zum einen ging es um ihren Halbbruder, zum anderen hat sie auch einen Mann erschießen müssen und ist selbst mit einer Schusswunde nur knapp davon gekommen. Sie zweifelt, ob ihr Job noch der richtige Job für sie ist, doch bevor sie sich darüber klar werden kann, wird sie von ihrer Mutter in den nächsten Job katapultiert.

Die Familie… ja, die ist nicht ganz einfach bei Ava. Ihre Mutter ist die zweite Frau ihres Vaters, der mit seiner ersten Frau und Familie in China lebt, dessen dritte Frau mit Familie aber in Australien lebt. So überspannt Avas Familie denn den ganzen Globus, doch ihre Mutter und ihre Schwester leben in Kanada. Neben ihrer Geliebten Maria pflegt sie noch einige Freundschaften, unter anderem zu May Ling, die sie in einem vergangenen Fall kennen gelernt hat und sie nun gerne zu einer Geschäftsbeziehung überreden will. Während des Falls schottet sie sich ab, denn tatsächlich fließt ein beständiger Mailverkehr zwischen ihr und ihren Freunden und Familienmitgliedern hin und her. Um ganz ehrlich zu sein, waren es mir am Anfang fast schon zu viele, um mir die Namen zu merken, aber auch um sie auseinander zu halten, aber mit der Zeit hat man dann alle Verbandelungen drauf.

Das Geflecht an Beziehungen versteht man bestimmt ein wenig besser, wenn man die vorigen Teile kennt – was ich auf jeden Fall nun nachholen werde – aber auch ohne die vorigen Teile kann man die Verbindungen recht schnell nachvollziehen. Es gibt auch einige Anspielungen auf den vorigen Fall, der in Macao stattfand, doch das war nicht weiter störend. Weder wird zu viel verraten, so dass man keine Lust mehr hat, diesen Teil nachzuholen, noch lag der alte Fall im Fokus. Es war einfach etwas, was hin und wieder erwähnt wurde, um Dinge zu erklären oder zu verdeutlichen.

Onkel hingegen ist schon eine etwas spezielle Figur. Über ihn, bzw. über seine Vergangenheit erfährt man nun nicht sehr viel, doch Onkel hat weitreichende Verbindungen, die Ava bei ihren Ermittlungen zu Gute kommen. Vor jeder Entscheidung berät sich Ava mit dem alten Mann und trifft keine wichtige Entscheidung allein. Sie arbeiten gemeinsam. Es ist aber kein Chef-Angestelltenverhältnis, es ist eine Partnerschaft. Beide wissen nicht alles voneinander, vertrauen sich aber blind. In ihrem Geschäft nicht unwichtig, aber doch unüblich.

Sagt man wirtschaftlichen Themen in Krimis oft nach, dass sie langweilig sind und hierfür nicht taugen, muss ich erwähnen, dass ich immer wieder vom Gegenteil überzeugt werde. Wirtschaftsthemen eignen sich hervorragend für Krimis – ich würde jetzt mal wagemutig behaupten, wenn dem nicht so ist, liegt es nicht am Thema. Der Autor verbindet elegant den fauligen Investmentfond mit einer krummen Bank auf Indonesien, verquickt mit Italienern und Waffen, und haut am Ende mit Geldwäsche und Immobiliengeflechten um sich – das alles aber verständlich und unheimlich spannend geschrieben. Aber das ist auch noch nicht alles, denn er lässt Ava eine Sache durchleben, die mich tiefst betroffen hat und ich mir jetzt noch nicht ganz klar darüber bin, ob ihre Reaktion darauf gut oder schlecht finde. Beeindruckend ist sie aber auf jeden Fall, denn sie ist zwar betroffen, aber verfolgt ihr Ziel weiterhin kühl und unerbittlich, aber kann man bei so einem Ereignis sachlich bleiben? Nun ja, sie schafft es nicht ganz.

Tatsächlich hatte ich mich gefreut, einen Thriller aus Kanada zu lesen, denn das Land ist noch ein weitgehend blinder Fleck auf meiner Karte, aber flugs waren wir dann in Asien, China und Indonesien. Das war denn weiter auch nicht schlimm, denn auch hier habe ich noch weiße Flecken und hab mich gefreut, mehr über die beiden Länder zu erfahren. In Hongkong erhält Ava eine kleine, aber feine Sightseeing Tour, doch abgesehen davon, liegt der Fokus des Autors nicht auf ausführlichen Landschaftsbeschreibungen. Schon eher widmet er sich der Küche des Landes und lässt Ava immer sehr gute Gerichte probieren. Vielmehr ist es aber die Kultur, die Feinheiten im Umgang im asiatischen Raum, die mir Ava in dem Buch ganz unbewusst näher gebracht hat.

Fazit:
Ein perfektes Leseerlebnis rund um Privatdetektivin Ava Lee, die dem Weg des Geldes folgt und dabei nicht nur auf langweilige Wirtschaftskriminelle stößt. Ich bin gespannt, ob die anderen Teile der Serie meine nun hohen Erwartungen halten können. Dieser Teil ist auf jeden Fall eine absolute Leseempfehlung!

Cover des Buches Wo Rauch ist (ISBN: 9783867542333)

Bewertung zu "Wo Rauch ist" von Gudrun Lerchbaum

Wo Rauch ist
DunklesSchafvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Hervorragende Charaktere, gebettet in ein politisch brisantes Umfeld - ein Kriminalfall, der überzeugt!
Ungewöhnlich, genial und politisch!

Ich freue mich ja auf alle Krimis, die neu im Hause Argument erscheinen. Noch hab ich dort keins erwischt, welches mir nicht gefallen hat, denn die Auswahl, die Verlegerin Else Laudan bei ihren Autorinnen und deren Büchern trifft ist schlicht und einfach hervorragend. So hab ich auch mit Freude festgestellt, dass Gudrun Lerchbaum nun beim Verlag zu finden ist und dort ihren neuen Krimi veröffentlicht hat. Ich war wahnsinnig gespannt, ob die Autorin es wieder schafft mich total zu überzeugen. Und was soll ich sagen – es ist ihr gelungen!

Die Meisterin der Charaktere
Schon in "Lügenland", dem letzten Roman der Autorin, der in einer nicht entfernten Zukunftsvision angesiedelt ist, war ich schlicht begeistert von der Protagonistin Mattea. Eine überzeugendere Protagonistin in einem bedrückenden Zukunftsszenario ist mir noch nicht unterkommen. Und  nun hat die Autorin es wieder geschafft, eine absolut realistische, interessante, überzeugende, begeisternde Protagonistin zu schaffen: Olga Schattenberg. Gut, eigentlich ist ihr diesmal sogar ein fantastisches Charaktertrio gelungen, doch Olga sticht hier einfach hervor. Aber fangen wir mal beim Anfang an.

Allergie, na klar
Can Toprak, investigativer Journalist und Ex von Olga Schattenberg, ist gestorben. Seine Familie verbreitet die These, dass er an einem allergischen Schock gestorben ist, doch Olga vermutet, dass sein letztes Recherchethema – rechtsextreme Kreise, türkischer Geheimdienst –  ihn das Leben gekostet hat. Auf der Beerdigung begegnet sie Adrian Roth, der die Grabrede hält, und kurz darauf Kiki, eigentlicher Name Christiane Bach, die gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und eine Ex-Freundin von Adrian ist. Kurzerhand engagiert sie Kiki als ihre Assistentin, da Olga durch die Multiple Sklerose oft an den Rollstuhl gebunden ist und Hilfe im Alltag benötigt, und Adrian hängt irgendwie drin. Denn die beiden Frauen verbünden sich und wollen nur eins: Can Topraks Mörder finden.

Die Kranke
Es wird wohl einige Menschen geben, die Olga auf unfeine Art eine „linke Zecke“ nennen würden. Olga war und ist eine, die ihre Meinung kund tut. Eine, die demonstriert. Eine, die Häuser besetzt. Eine, die handelt und nicht nur zuschaut. Sie ist borstig, kratzig und ungemütlich. Auch wenn die Multiple Sklerose sie an den Rollstuhl fesselt, hindert das Olga nicht daran, ihren Mund zu benutzen und erstaunlicherweise kann man auch mit dem Rollstuhl so einiges anstellen. Sachbeschädigung zum Beispiel, um den braunen Mob in seine Grenzen zu weisen. Liebenswürdige Seiten hat sie aber auch. Und ganz gewisse ist sie eine bewundernswerte Frau. Viele Einblicke gewinnt man als Leser in das Leben einer MS-Erkrankten und kann Olga nur für ihren Widerstand, ihre „sich nicht unterkriegen lassen“-Mentalität und ihren Trotz bewundern.

Die Irre
Kiki saß für Totschlag im Gefängnis, hat ihre Strafe verbüßt. Kiki ist eine Wucht. Sie mag zwar oft das Richtige wollen, aber keinesfalls sagt oder tut sie dann das Richtige. Kikis Gehirn funktioniert ein bisschen anders, Tausende Gedanken brechen sich hier Bahn. Aber sie ist eine gute Seele. Und das erkennt Olga. Sie ist warmherzig, besorgt und kümmert sich. Auch wenn das mal heißt, zum Messer zu greifen und für ihre Chefin in die Bresche zu springen. Obwohl über ihr Alter, glaube ich, nichts gesagt wird, wirkt sie jung und quirlig auf mich. Naiv und doch abgehärtet. Ein Energiebündel, das Anleitung braucht und nun endlich bekommt. Ein fantastisches Duo.

Der Stock
Doch eigentlich ist es ja ein Trio. Und den letzten freien Stuhl übernimmt Adrian. Gott, der hat echt einen Stock im Arsch. Konservativ, auf jeden und alles bedacht. Bloß nichts falsch sagen und machen. Lieber erst mal gar nichts machen und wenn, dann lieber eine Notlüge als die Wahrheit sagen, um es allen recht zu machen. Wahrheit ist sowieso Auslegungssache. Und keinesfalls Verrat, oder? Auch wenn Adrian die unangenehmste Person in diesem Trio infernale ist, gehört er dennoch dazu, reiht sich ein. Die Truppe läuft wie ein Uhrwerk – jedes Rädchen fügt sich in das nächste, auch wenn Adrian das schwächste Glied der Truppe ist.

Anecken
Die Autorin hat ein Trio aus Charakteren geschaffen, welches vielleicht auf den ersten Blick grotesk und unglaublich erscheint, doch keines von beiden ist. Natürlich stoßen die drei mit ihren Ermittlungen an Grenzen, wecken aber trotzdem die schlafenden Hunde. Dass Olga und Kiki nicht aufgeben ist klar, Adrian hätte allerdings schon längst das Handtuch geworfen, wenn die beiden Frauen ihn lassen würden. So aber sind die drei eigensinnig und kompromisslos. Diese Eigenschaften verschaffen ihnen einige Gegenspieler, die versuchen, das unbequeme Trio loszuwerden. Da ist die Polizei, die mit ihren Ermittlungen feststeckt, noch die harmloseste Partei.

Symbiose
Tatsächlich scheint die Lösung des Falles am Ende dann fast schon trivial, eine Familiengeschichte unter dem Deckmantel von extremistischen Ideen, doch die Suche nach der Wahrheit hat viele Dinge hervorgebracht, die einige lieber unter den Teppich gekehrt hätten. Schon die Idee an sich, dass Rechte mit dem türkischen Geheimdienst kooperieren scheint unglaublich und doch so wahr. Nebenbei zeigt die Autorin auch, wie die rechten Tendenzen sich immer mehr in unserer Gesellschaft verankern und zu Alltäglichem und vor allem akzeptierten Alltäglichem werden, wenn wir uns nicht wehren. Auch wenn der Fokus mehr auf den Charakteren liegt, die den Fall um Can Toprak versuchen zu lösen, und die politische Kulisse als Hintergrund dient – sowohl der Ermittlung als auch der Ermordung.  Die Frage, ob es sich hier nun um einen politischen oder einen sozialkritischen Thriller handelt, kann ich nur so beantworten: beides. Für mich die perfekte Symbiose aus beidem. Olga, Kiki und Adrian bieten den perfekten Ausgleich, um sich mit den erschütternden und leider sehr ernst zu nehmenden rechten Tendenzen auseinander zu setzen. Ein ernstes Thema, welches mit einem Augenzwinkern betrachtet wird, aber dadurch nicht an Brisanz und Wichtigkeit verliert.

Fazit:
Ein Trio Infernale auf der Suche nach einem Mörder in einer politisch aufgeheizten Gesellschaft – Frau Lerchbaum schafft es auch diesmal mich restlos umzuhauen, besonders mit ihren Charakteren, aber auch mit ihrem Feingefühl für gesellschaftliche Entwicklungen. Ein Krimi, der nicht nur von Krimilesern gelesen werden sollte, sondern in jedes Haus gehört. Herausragend und eine ganz klare Leseempfehlung!

Cover des Buches Unter der Mitternachtssonne (ISBN: 9783608503487)

Bewertung zu "Unter der Mitternachtssonne" von Keigo Higashino

Unter der Mitternachtssonne
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Fein und leise, aber kontinuierlich spannend. Ein Glanzstück aus Japan!
Grundel und Krebs: lebenslange Ermittlungen par excellence!

Japan – ein Land, welches ich literarisch noch kaum bereist habe. Somit wurde es längst mal wieder Zeit, dass ich zu einem Buch von einem japanischen Autor greife. Herausgesucht habe ich mir Keigo Higashino und seinen neuesten Krimi. Über 700 Seiten hat der Krimi und ein wenig länger hat die Lektüre gedauert, als das bei den sonst für einen Krimi eher üblichen 300-400 Seiten so ist. Doch denn Seitenzahlen kann man das nicht nur zurechnen, denn der Stil des Autors ist einfach ein wenig ruhiger. Ob das nun allgemein auf japanische Autor*innen zutrifft oder nur auf Herrn Higashino – das kann ich momentan noch nicht beurteilen, allerdings kann ich sagen, dass der ruhige Schreibstil keineswegs weniger Spannung verheißt.

Inspektor Sasagaki untersucht den Mord an dem Pfandleiher Kirihara. Dieser wurde in einem halb fertig gebauten und nie beendeten Haus von spielenden Kindern tot aufgefunden. Im Verdacht stehen nicht nur seine Frau und sein Angestellter, sondern auch Fumiyo Nishimoto, eine alleinerziehende Mutter, die öfters etwas bei Kirihara verpfändet hat. Doch letztendlich kann keinem die Tat nachgewiesen werden und der Fall erkaltet.  Sasagaki lässt der Fall jedoch nicht los und tatsächlich kann er sich mit den Jahren, die vergehen, zusammen reimen, wer den Pfandleiher getötet hat. Doch den Täter zu überführen ist eine andere Sache.

Nach dem ersten Kapitel, welches Sasagaki gewidmet ist, verschwindet dieser für mehrere Kapitel und Hunderte von Seiten. Die Geschichte wendet sich Yukiho, der Tochter von Frau Nishimoto, und Ryo, dem Sohn des Pfandleihers zu und hangelt sich entlang der Lebenswege der beiden. Niemals zusammen, immer getrennt wird ihr Lebensweg beleuchtet, denn die beiden leben in verschiedenen Welten. Doch es wird meist nicht aus ihrer Sicht erzählt, sondern aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Sehr viele Personen tauche nach und nach auf – in einem Verlauf, der über zwanzig Jahre Zeit abdeckt, nicht ungewöhnlich. An die japanischen Namen muss man sich allerdings schon ein wenig gewöhnen, auch ich wusste nicht immer gleich, wer dies oder jenes nochmal war, doch man liest sich schnell ein, wenn dann der Faden der jeweiligen Lebensabschnitte vorgeführt wird.

Sasagaki ist ein ruhiger, nachdenklicher Charakter. Ich würde sagen, vergleichsweise kann man wohl skandinavische Ermittler heranziehen, allerdings ohne den ganzen depressiven Seelenmüll, den diese mit sich herumschleppen. Überhaupt erfährt man so gar nichts über das Privatleben des Inspektors, was ich als sehr angenehm empfunden habe. Auch die beiden Kinder/Jugendlichen/Erwachsenen – Yukiho und Ryo – bleiben sehr unbestimmt, man weiß gar nicht viel über sie. Das liegt natürlich zum einen daran, dass man sie durch die Augen anderer Personen kennenlernt, aber auch in der Absicht des Autors, denn es gilt eben die Geheimnisse dieser beiden Charaktere so lange wie möglich verdeckt zu halten. Ganz nebenbei serviert der Autor übrigens immer wieder feine Einblicke in japanische bzw. Weltgeschichte, wie Finanzkrisen oder auch die Entwicklung der Computerindustrie, bzw. die Entwicklung der Software Piraterie.

Der Stil des Buches ist ruhig und bietet keine aufregenden Effekte. Nachdem der Inspektor erst mal verschwunden ist, weiß man auch gar nicht so richtig, wie das Leben der beiden Kinder mit dem Mordfall zu tun hat, bzw. warum der Autor sich eigentlich vom Mordfall wegbewegt. Doch nach und nach mehren sich Kleinigkeiten, Begebenheiten und Geschehnisse, die einen stutzig machen, ohne je genannt zu werden. Nicht alle Mitmenschen haben Glück, wenn sie den Lebensweg der beiden kreuzen. Doch warum? Und sind dies nur Zufälle? Dem Autor gelingt es wirklich geschickt, diese Frage lange, lange offen zu halten und somit die Spannung immer leise, aber sehr kontinuierlich mitschwingen zu lassen. Und irgendwann taucht dann doch Inspektor Sasagaki wieder auf, kurz vor der Rente, angegraut und ohne jegliche Beweise. Aber mit viel Geduld und Beharrlichkeit – und immer noch auf der Suche nach dem Mörder des Pfandleihers.

Fazit:
Ein leiser, aber sehr feiner Krimi, dessen einziges „Manko“ wohl die für uns etwas ungewöhnlichen japanischen Namen sind, wenn man nicht ganz so oft japanische Krimis liest. Ansonsten: klare Leseempfehlung!

Cover des Buches Todesströmung (ISBN: 9783426306505)

Bewertung zu "Todesströmung" von Gordon Tyrie

Todesströmung
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Ganz anders als erwartet - Wechsel zwischen Landschaftsbeschreibungen und Gewalt / Action. Durchwachsen.
Durchwachsen - von Landschaftsbeschreibungen bis zur Gewaltorgie

Glasgower Auftragskillern nur die Flucht: auf die karge und schöne Hebriden-Insel Jura, getarnt als Outdoor-Touristen. […] Eine abenteuerliche Jagd quer über die Insel beginnt…“
Da dacht ich mir, läuft –  drei Auftragskiller, Flucht, abenteuerliche Jagd und das Ganze zwischen knorkigen Einwohner auf einer kleinen Insel.  Ja, so ist das mit den Erwartungen. Manchmal kommt es eben doch ganz anders. Was ein trashiges Roadmovie mit skurrilen Charakteren und vielen Kugeln hätte werden können entpuppte sich als etwas ganz anderes.

Die Killer sind ein Team: Hynch ist derjenige, der zielt, Rick ist derjenige, der alles organisiert und Winslow ist der Fluchtwagenfahrer. Er ist auch relativ neu im Team und noch jung. Als Hynch auf Mallard einen ehrgeizigen Politiker, der seine Hände in krummen Geschäften hat, anlegt, scheint ihm die Aktion nicht passend und er bricht ab. Das Team muss fliehen und landet auf der Hebriden-Insel Jura, denn Rick hat dort Tarnidentitäten hinterlegt: Outdoor-Kleidung, einen Wagen, neue Pässe. Doch auch wenn die Insel abgelegen ist, heutzutage ist man wohl dank Smartphone und Internet niemals allein, so kommt es, dass die Drei nicht nur einigen Inselbewohnern auffallen, sondern auch andere Glasgower sich auf die Insel verirren, um nach den Dreien zu suchen.

Eine weitere Hauptfigur ist Gracie. Sie lebt erst seit Kurzem auf der Insel und überwacht dort die „Seeschlange“ – ein neuen Versuch, über Wasser Energie zu gewinnen. Sie wohnt in einem Cottage, welches zur Farm von Calum und Laoise gehört. Die Geschichte wird immer abwechselnd erzählt, folgt einmal dem Trio aus Glasgow, meist auch Hynchs Sicht, dann wieder aus Sicht der Inselbewohner, meistens Gracie. Der Rest der Charaktere ist dann auch reine Staffage und kaum der Rede wert.

Hynch ist ein abgekochter Profikiller, natürlich mit Militärerfahrung, leider auch mit Interesse an Philosophie, im Speziellen an David Hume. So wird er als nachdenklicher Mensch dargestellt und immer wieder werden Sätze aus Humes Werk eingestreut, auf die sich Hynch beruft. Gracie hat ihren Freund ans Meer verloren und verschanzt sich eigentlich auf der Insel. Ihre Passagen sind gefüllt mit Erinnerungen an ihren Freund und Landschaftsbeschreibungen. Für Schottlandliebhaber ein zauberhaftes, aber natürlich schroffes Bild der kleinen Insel. Trotzdem wirkt es oft einfach fehl am Platz, gerade in Verbindung mit Hynch und der Eskalation, die später auf der Insel stattfindet.

Natürlich treffen die Sechs bald aufeinander und so ganz kann ich die Wendung, dass die Inselbewohner die Killer so nebenbei mal engagieren um einen unbeliebten Kanadier loszuwerden, der ihre Insel vermarkten will, nicht glauben. Das erscheint mir doch sehr unrealistisch. Nichtsdestotrotz verleiht diese Wendung dem Buch endlich etwas Schwung, denn ab da zieht Hynch los und führt quasi einen Ein-Mann-Krieg, der mich in seiner Art und Weise verdächtig an John McClane aus den „Stirb Langsam“ Filmen denken ließ. Viele Kugeln, viele Tote, eine Menge Blut und auch Feuer, der Held halb tot.

Insgesamt war das Buch für mich ein gemischtes Leseerlebnis. Mal abgesehen davon, dass ich etwas anderes erwartet hatte, waren die landschaftlichen Beschreibungen zwar hübsch zu lesen, aber auch nicht sonderlich spannend. Gleiches gilt auch für die philosophischen Ausflüge des Killers mit Gewissen. Der zweite Teil hat mir dann besser gefallen – da gab es immerhin eine Menge Aktion. Trotzdem wären ein paar mehr Inselbewohner schon irgendwie gut gewesen, denn hin und wieder hat man das Gefühl, dort leben nur 5 Menschen, wenn überhaupt.

Fazit:
Durchwachsen – während es am Anfang zwar landschaftlich romantisch, aber auch ein wenig langwierig ist, ist die zweite Hälfte des Buches dann eine Eskalation und Gewaltorgie, welche die anfängliche Gemütlichkeit wieder wett macht.

Cover des Buches Serverland (ISBN: 9783446258983)

Bewertung zu "Serverland" von Josefine Rieks

Serverland
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Ich habe keine Ahnung, was das Buch mir sagen wollte - für mich eine totale Zeitverschwendung.
Fehlschlag: Serverland - Josefine Rieks

Die Idee war einfach so klasse – eine zukünftige Welt ohne Internet? Tausend Fragen sind mir durch den Kopf geschwirrt. Lässt sich das Internet überhaupt noch aus unserem Leben entfernen? Warum ist es verschwunden? Was ist mit der Welt passiert? Wie läuft das Leben jetzt ab – zurück in die Steinzeit? Oder alles gar nicht so schlimm?
Die Antworten auf diese Fragen bleibt das Buch mir leider schuldig.

Reiner arbeitet bei der Post, doch seine Leidenschaft sind alte Laptops. Die Relikte aus der Vergangenheit sammelt er und zockt darauf Videospiele, soweit möglich. Meyer, den er noch aus seiner Schulzeit kennt, aber nicht viel von ihm hält, führt ihn ins Wunderland, ins „Serverland“. Ein altes, verlassenes Gebäude, in dem die früheren Server von Google Inc. vor sich hin stauben. Dort hat sich eine jugendliche Gemeinde versammelt und versucht den Zeitgeist von früher wiederzubeleben.

Die jugendliche Gemeinde ist genau so, wie man sie sich vorstellt. Viel Party, viel Alkohol, viel Rauchen. Mit einem Hauch von Hippie. Daran soll es wohl angelehnt sein. Und die jugendliche Gemeinde ist sehr international. Das heißt, dass es viele englische Gespräche gibt, die nicht ins Deutsche übersetzt sind. Mal abgesehen davon, dass es das zwar einfaches Englisch ist, finde ich es nicht gut, dass diese Passagen unübersetzt sind. Nicht jeder kann Englisch.

Die Internationalität der jungen Menschen gibt mir Rätsel auf. Denn nicht nur das Internet ist verschwunden – auch Computer oder jegliche elektronische Datenverarbeitung scheint verschwunden, ja sogar verpönt zu sein. Wie kommen also die Amerikaner nach Holland (dort, wo die Server stehen)? Sind die vor Wochen mit einem Ozeandampfer losgefahren? Ein Flugzeug oder ein anderes, neueres Schiff kann es ja nicht gewesen sein, denn diese funktionieren ohne Computer schlicht und einfach nicht mehr.

Das ist auch die Sache, an der es meines Erachtens im Buch krankt. Die Welt scheint unverändert, nur das Internet, bzw. die EDV scheint verschwunden. Es gibt keine Missstände in der Versorgung der Bürger, es gibt Autos (mit welcher Elektronik die wohl fahren?) und und und. Wieso gibt es keine einschneidenden Veränderungen wenn die digitale Ader aus unserer Welt gerissen wird? Das ist für mich nicht nur unverständlich, sondern auch unrealistisch. Es wird aber auch auf gar nichts davon eingegangen.

Dann hab ich überlegt, ob  mir die Autorin vielleicht etwas anderes mit dem Buch sagen möchte. Aber ehrlich gesagt, ich hab keine Ahnung was. Diese jungen Menschen sitzen beisammen, haben eine Art Plenum gegründet, aber eigentlich gibt es nur ein paar wenige, die etwas verändern wollen. Die anderen hängen einfach dort ab. Und selbst die, welche etwas verändern wollen – was genau? Die Jugendlichen ziehen YouTube Videos von den Servern, brennen diese auf DVDs und schicken diese wahllos an Menschen (DVD Player gibt es anscheinend noch) – warum? Hier reden wir nicht von bedeutenden Reden oder Momenten der Geschichte, sondern von Robbie Williams „Rock DJ“ Video oder irgendwelchen Jugendliche, die Geräusche machen. Total albernes Zeug.

Will die Autorin mich also dadurch darauf aufmerksam machen, dass im Internet nur Unsinn kursiert? Hm, vielleicht. Aber tatsächlich hätte die Autorin so viel mehr mit dieser Grundidee erreichen können, dass mir diese offensichtliche Tatsache einfach nicht ausreicht. Das Buch war kurz – nur 179 Seiten lang – aber tatsächlich habe ich nun das Gefühl, meine Zeit hätte wesentlich besser investiert werden können.

Fazit:
Die Grundidee war so gut, vielleicht schon zu verdammt gut, denn die Umsetzung konnte leider überhaupt nicht überzeugen. Das Buch war für mich tatsächlich reine Zeitverschwendung. Ich hab keine Ahnung was das Buch mir sagen wollte.

Cover des Buches Die schwere Hand (ISBN: 9783552058842)

Bewertung zu "Die schwere Hand" von Dror Mishani

Die schwere Hand
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Großes Kino, ganz leise.
Fein und leise: Die schwere Hand - Dror Mishani

Avi Avraham wurde vor Kurzem zum Leiter der Ermittlungsbehörde ernannt und bekommt nun seinen ersten Mordfall, den er unter eigener Regie lösen muss. Avi kennt die Ermordete, Lea Jäger, denn sie war vor einigen Jahren das Opfer einer Vergewaltigung. Derweil sich sein Chef und seine Kollege, der bei der Beförderung übergangen wurden, schnell auf den Sohn als Tatverdächtigen einschießen, ermittelt Avi in eine andere Richtung. Kann es sein, dass ein Polizist, der vorgibt die Vergewaltigungsopfer nochmal verhören zu wollen, der Täter ist?

Obwohl ich erst mit dem jetzt vorliegenden, dritten Teil der Reihe eingestiegen bin, bereitet das überhaupt keine Probleme und ich konnte problemlos einsteigen. Avi Avraham ist befördert worden und leitet nun die Ermittlungen. Er vermisst seine frühere Vorgesetzte und fühlt sich auch noch nicht wohl in seiner neuen Aufgabe, trotzdem ermittelt er beharrlich in die Richtung, die ihm die Ermittlungen vorgeben. Und lässt sich weder von seinen Vorgesetzten einschüchtern, die um den guten Ruf der Polizei fürchten, noch von seinem Kollegen, der sich übergangen fühlt und nach Ermittlungsfehlern sucht. Avi ist sowieso ein ruhiger, nachdenklicher Mensch, fast melancholisch. Hier erinnert er sehr an die skandinavischen Ermittler, aber ohne Düsternis oder gar Alkoholproblem. Nichtsdestotrotz macht ihm auch sein Privatleben ein wenig zu schaffen, so ist doch mittlerweile seine Liebe, Marianka, aus Belgien bei ihm eingetroffen. Ein Versuch, denn Marianka spricht weder die Sprache, noch hat sie einen Job in Israel, aber die Liebe überwindet Grenzen. Nur ist es eben nicht immer einfach.

Tatsächlich muss sich Avi Avraham das Buch aber mit einem zweiten Erzählstrang teilen. Hier geht es um Mali, eine junge Frau, die vor einigen Jahren in Eilat auf einem Betriebsausflug  nachts vergewaltigt wurde. Der Täter ist nicht gefasst worden und die damaligen Ermittler hatten denn auch Zweifel an Malis Geschichte. Doch Mali hat heute noch Albträume von der schweren Hand des Täters, die sich auf sie legt. Dieses Ereignis hat die kleine Familie zutiefst erschüttert. Coby, ihr Mann kann keinen Job behalten und ist auf der Suche nach neuer Arbeit. Es macht ihm zu schaffen, dass er die Familie nicht versorgen kann, er zieht sich zurück und wird immer schweigsamer. Mali versucht die Familie zusammenzuhalten, hat Albträume und kann nicht mehr alleine schlafen. Nach und nach beginnt Mali zu ahnen, dass es ihrem Mann nicht nur aufs Gemüt schlägt, dass er die Familie nicht versorgen kann, sondern das weit mehr dahinter steckt.

Wer nun einen Reiseführer über Israel erwartet hat, wird enttäuscht sein, denn der Fokus von Dror Mishani liegt nicht auf seinem Land, sondern auf dem Seelenleben der Menschen. Ganz leise, feine Charakterbilder zeichnet er, die Stimmung ist ruhig und melancholisch, mit wenig, aber kontinuierlicher Spannung versehen. Es gibt keinen großen Knall und auch schon früh ahnt man, wer der Täter ist, es ist keine große Überraschung. Trotzdem liest man weiter, erkennt und blickt tief, tief in die Seelen der beteiligten Menschen: der Vergewaltigungsopfer, der Angehörigen, der Ermittler.

Fazit:
Großes Kino ganz leise erzählt – nicht auf den Knalleffekt kommt es an, denn Spannung kann auch ganz leise überzeugen. So wie in Avi Avrahams erster eigener Mordermittlung. Lesenswert!

Cover des Buches Mann am Boden (ISBN: 9783608108941)

Bewertung zu "Mann am Boden" von Roger Smith

Mann am Boden
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Blutig und brutal - nichts für Weicheier. Und wer Tiefgang sucht ist hier auch an der falschen Stelle.
Brutal und blutig: Mann am Boden - Roger Smith

Von Roger Smith habe ich bis jetzt noch nichts gelesen, aber schon viel gehört. Er ist wohl einer der südafrikanischen Autoren, die man kennen muss. Um das zu tun, habe ich mir nun den vorliegenden Thriller geschnappt, der schon am Cover verrät, dass massenweise Blut fließen wird. Entgegen den letzten Büchern spielt dieses aber hauptsächlich in den USA.

Gewalttaten

John Turner lebt seit 10 Jahren mit seiner Familie in USA. Gemeinsam mit seiner Frau Tanya und seiner Tochter Lucy verließ er damals Südafrika nachdem er Opfer eines Carjackings wurde. Nun dringen drei maskierte, bewaffnete Männer in sein Haus ein und bedrohen ihn und Tanya, Lucy ist nicht im Haus. Das Drama nimmt Fahrt auf, doch nicht alles ist so, wie es scheint und der Abend nimmt noch einen ganz anderen Lauf.

Mosaik

Leider hat mir das Buch einen schweren Start beschert. Der Autor springt bei jedem Kapitel in eine andere Zeit, zurück in die Vergangenheit in Südafrika, aber auch nur tage- oder stundenweise. Und nicht nur in John Turners Erinnerungen, sondern auch Tanya und  Grace – Turners Angestellte und Geliebte – bekommen Kapitel zugewiesen. Die Kapitel sind allesamt kurz, doch die ständigen Wechsel machen es einen am Anfang nicht einfach, bis man sich daran gewöhnt hat. Nichtsdestotrotz haben die Rückblenden ihren Sinn, denn sie setzen die Geschehnisse wie ein Mosaik, nach und nach zusammen und es offenbart sich, wie es zu der jetzigen Situation kommen konnte.

Sex, Drugs und kein Rock’n’Roll

John Turner wirkt nett und anständig, mal abgesehen von seiner Geliebten. Tanya wird als das Miststück dargestellt und kommt nicht gut weg. Mit ihrer knabenhaften Figur, kurzen Haaren und strenger, makrobiotischer Ernährung bildet sie das komplette Gegenstück zu Grace, die zwar blond gefärbt, aber sich eben Monroe-gleich auf dem Bett räkelt. Aber Tanya hat Turner in der Hand und nutzt das weidlich aus. Natürlich stellt sich raus, dass Turner nicht ganz der normale Mitbürger ist, sondern eine Vergangenheit mit vielen Drogen, Drogengeschäften und Kriminellen hinter sich hat, die sich nun auf die Gegenwart auswirkt.

Brutal und blutig

Brutal und hart ist dieser Thriller, die schnellen Perspektivwechsel erhöhen noch die Dringlichkeit. Die Ereignisse passieren Knall auf Fall und die Spannung ist kontinuierlich hoch. Es gibt sehr viel Gewalt und Blut fließt in Unmengen – weder die Täter sind zimperlich, noch Tanya. Turner ist auch nicht von schlechten Eltern, aber immerhin plagen ihn Gewissensbisse. Hoch halten muss man ihm auch, dass er der einzige zu sein scheint, der Interesse an seiner Tochter, bzw. ihrem Überleben, zu haben scheint.

Und Südafrika?

Gehört habe ich, dass Smiths andere Bücher Südafrika tief beleuchten, doch davon ist hier leider nichts zu merken. Es ist ein taffer, harter Thriller – der in den USA spielt. Die Rückblenden spielen zwar in Südafrika, doch Einblick in die südafrikanische Gesellschaft gibt es wenig. So bleibt der Thriller doch recht austauschbar.

Fazit:
Brutal, hart, blutig, ein Thriller in dem nichts ist, wie es scheint, der aber durch die schnellen Perspektivwechsel anfänglich ein wenig gewöhnungsbedürftig ist.

Cover des Buches Wie Wölfe im Winter (ISBN: 9783959671323)

Bewertung zu "Wie Wölfe im Winter" von Tyrell Johnson

Wie Wölfe im Winter
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Jugendlich und leider sehr vorhersehbar!
Jugendlich und leider sehr vorhersehbar: Wie Wölfe im Winter - Tyrell Johnson

Schon komisch, wie unterschiedlich doch Menschen, und ja, auch Protagonistinnen sein können. Erst vor ein paar Tage habe ich die Rezension zu „Am roten Fluss“ mit der 19jährigen Protagonistin Cash veröffentlicht und niemand würde auf die Idee kommen, dieses Buch mit den Worten Coming of Age zu kommentieren und Cash ist der Pubertät vermutlich schon entwachsen gewesen bevor sie sie überhaupt betreten hat. Im vorliegenden „Wie Wölfe im Winter“ ist die Protagonistin Lynn schon 23 Jahre alt, doch scheint sie noch mitten in der Pubertät zu stecken, was man deutlich an ihren Handlungen, aber auch Gedankengängen gut erkennen kann.

„An dieses eisige Eck im Yukon war ich doch total verschwendet.“ (Lynn, Seite 56)

Kann man das Ende der Welt denn nun zu Lynns Gunsten auslegen? Lässt sich ihre späte Entwicklung dadurch erklären, dass sie ein Kind war, als die Kriege begannen, die Atombomben flogen und die Welt begann unterzugehen? Oder dass sie erst in der Pubertät war, als die sogenannte „Asiatische Grippe“ eben nicht nur Asien auslöschte, sondern sich auf alle Kontinente verteilte und Lynns Familie in den Norden geflohen ist? Oder hätten nicht die nächsten Jahre, welche die Familie weiter in den Norden getrieben hat, in den Yukon, und sie dort zu Jägern und Selbstversorgern hat werden lassen, Lynn quasi ins Erwachsenenalter katapultieren sollen?

Na, anscheinend nicht. Auch wenn ich das logischer gefunden hätte. Denn Schicksalsschläge lassen Menschen altern, Erfahrungen schaffen Furchen und Falten im Leben. So ist Lynn, die tagsüber mit ihrem Bogen Tiere jagt und Fallen aufstellt, nicht so taff wie sie nach außen gerne erscheinen will, sondern ein Teenager geblieben. Und so ist denn auch der geheimnisvolle Fremde, der plötzlich in ihrer kleinen Siedlung auftaucht, in welcher sie seit Jahren fast nur mit Familienmitgliedern lebt, natürlich nicht nur als solches interessant sondern wird auch zum Objekt der Begierde. Wer mich nun ein Weilchen kennt, weiß, dass ich mit Liebesgeschichten in Krimis, Thrillern, Dystopien u. ä. nichts anfangen kann, aber es mag ja Leute geben, die das mögen und diese sind hier dann genau richtig aufgehoben.

Die Lektüre war kurzweilig und einfach, was ich im Coming of Age Bereich allerdings auch erwarte. Einen absoluten Pluspunkt verdient der Yukon, der als eisige und sehr spannende Kulisse dient und recht gut umgesetzt wurde. Der lange Winter, der kaum vorhandene Frühling sowie der Schnee ohne Ende werden mit Kleinigkeiten ergänzt, wie Kartoffeln und Karotten, die dem Boden in kurzer Zeit abgetrotzt werden, den drei übrig gebliebenen Tiere, die  auf Fleischernährung umgestellt werden mussten oder auch dem täglichen Jagen und Einlagern von Nahrung.

Im Übrigen verrate ich mit der Liebesgeschichte denn nun auch nicht zu viel, denn die ist so vorhersehbar wie Lynn noch in der Pubertät ist. Dies ist leider denn auch über weite Strecken für das gesamte Buch zu sagen, denn viele Überraschungen hält es für geübte Leser nicht bereit. Wem das alles nun gut gefallen hat, der kann sich auf weitere Teile freuen, denn das Ende ist so gestaltet, dass man locker eine Trilogie oder wahlweise auch noch mehrere Teile daraus stricken könnte. Mich konnte das Buch nun aber nicht überzeugen, so dass für mich die Geschichte abgeschlossen ist.

Fazit:
Hervorzuheben ist der Yukon, der eine spannende, eisige Kulisse bildet, doch ansonsten bietet das Buch nur eine Standard-Dystopie ohne Überraschungen, dafür mit einer noch sehr jugendlichen Protagonistin.

Cover des Buches Gewaltkette (ISBN: 9783867542265)

Bewertung zu "Gewaltkette" von Anita Nair

Gewaltkette
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Indien mal anders - kein Bollywood, sondern Realität. Ein sehr starkes Buch!
Indien mal anders - kein Bollywood, sondern Realität in "Gewaltkette" von Anita Nair

Deutschland, Skandinavien, England, Frankreich, USA… das sind so die Länder aus denen 90% der Krimis in unserer Krimilandschaft hierzulande stammen (ja, die Zahl ist nur meine Schätzung, doch ich denke, damit liege ich gar nicht so fern). So ist es immer wieder ein Erlebnis in die Krimikulturen anderer Länder reinzuschnuppern. Ferne Länder, andere Kulturen, Länder, die ich persönlich vielleicht nicht besuchen werde – na, seien wir ehrlich, vermutlich werde ich die meisten davon niemals sehen. Umso spannender ist es, diese Länder literarisch zu besuchen – und für die Krimi-Nerds unter Euch ist ja klar, dass es für mich auch immer ein Krimi sein muss, der diesen Besuch einleitet. So wie Anita Nairs Krimi um Inspector Borei Gowda aus Indien.

2 Ermittlungen
Inspector Gowda hat zwei Probleme: der Mord an dem angesehenen Anwalt, Dr. Rathore, bereitet ihm und seinem Team Kopfzerbrechen und auch im privaten Umfeld sind seine Fähigkeiten gefragt, da Nandita, die Tochter seiner Haushälterin, verschwunden ist. Derweil es im Fall des Anwaltes erst mal keine Spur gibt und die Ermittlungen sich schwer gestalten, finden sie immerhin Anhaltspunkte im anderen Fall: Nandita wurde entführt.

Der Moloch
Bangalore – für mich eine Stadt, die ich mit Entwicklern und der IT-Branche verbinde. So ganz unrichtig ist das auch gar nicht, denn Bangalore stellt sich im Krimi als arbeitsame Stadt dar. Viele, vor allem Männer, strömen in die Stadt, um Arbeit zu suchen. Doch auch das ist nicht genügend, für die boomende Stadt. Arbeitskräfte werden gebraucht, aber auch Vergnügen, für die vielen Männer, die in die Stadt strömen. Was liegt da näher, als Kinder zu requirieren? Als Arbeitskräfte, als Huren. Je nach Bedarf werden die Kinder von den Straßen gelockt, fast schon gepflückt wie reife Äpfel. Menschenhandel, eigentlich Kinderhandel. Eine grausige Realität, die mich fragen lässt, wie indische Eltern sich überhaupt trauen, ihre Kinder aus dem Haus zu lassen. Die Gefahren sind allgegenwärtig und grausam. Die Polizei ist oft machtlos oder gar korrupt, die Verstrickungen reichen auch in wirtschaftliche und politische Kreise und sind umso schwerer an der Wurzel auszurupfen.

„Überall in Bangalore wurden Bäume abgeholzt, Häuser schienen über Nacht aus dem Boden zu schießen wie Pilze nach einem Gewitter, auch das trug dazu bei. Klimaveränderung. Und nicht nur das Wetter änderte sich, auch das Verhalten der Menschen. In Bangalore tummelten sich über fünfhunderttausend Wanderarbeiter, die meisten davon Männer. Sie waren zu allem bereit, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ein Gefühl von Macht zu spüren, statt nur als bedeutungslose Spielfiguren der Gesellschaft dahinzuvegetieren.“ (S. 309)

Type mit Bauchansatz
Ein Kämpfer gegen diesen Moloch ist Inspector Gowda. Er ist schon eine Type, mit seiner Geliebten Urmila, die er relativ frei treffen kann, da seine Frau wegen dem Sohn in einer anderen Stadt weilt. Frau und Sohn sind ihm fremd, doch eben Familie. Seine Untergebenen sind ihm treu ergeben, auch wenn er bei den Ranghöheren nicht gerade beliebt ist. Seine unorthodoxen Methoden und seine Unbestechlichkeit machen ihn suspekt, doch auch wenn er es selbst mit der Moral nicht ganz so genau nimmt, so nimmt er doch die Gerechtigkeit sehr ernst. Und so brummt er mit seiner Royal Enfield durch Bangalores Straßen, durchstreift sein Netzwerk aus Informanten und müht sich Schritt für Schritt durch den Sumpf der Stadt. Ja, das mag für einen Ermittler nicht ungewöhnlich klingen, doch in Bangalore und mit vielen verschiedenen indischen Gerichten untermalt ist es doch wieder etwas Anderes, etwas Neues und Spannendes.

Fazit:
Indische Kultur ganz und gar nicht bezaubernd, sondern als Nährboden für Menschenhandel und Kinderprostitution zeigt der Krimi an Inspector Gowdas Ermittlungen in der Boomtown Bangalore, zwischen Tradition und Moderne. Sehr empfehlenswert!

Cover des Buches Krokodile und edle Ziele (ISBN: 9783867542272)

Bewertung zu "Krokodile und edle Ziele" von Liza Cody

Krokodile und edle Ziele
DunklesSchafvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Durchgeknallt und störrisch - ein irrer Trip durch London mit der Bag Lady!
Lady Bag ist zurück und begibt sich auf einen weiteren genialen Roadtrip durch London

Die Bag Lady ist wieder da!
Ja, ich gebe es zu, in bin mittlerweile ein Fan von Liza Cody geworden. Nicht nur „Lady Bag“ konnte mich überzeugen, sondern auch die Trilogie um Catcherin Eva Wylie sowie „Miss Terry“. Nun ist aber die Bag Lady zurück! Jeder der sie im ersten Teil kennen gelernt hat, wird auch diesen Teil nicht missen wollen – und wer sie noch nicht kennt, der muss sowieso diesen Teil lesen. Die Bag Lady begibt sich auf einen weiteren Kreuzzug gegen den Teufel, diesmal in Gestalt einer Frau, mit dem süßlichen Namen Cherry.

Die Lady Bag, mit eigentlichem Namen Angela May Sutherland, sitzt gerade ihre letzten Tage im Knast ab. Doch bevor sie in die Freiheit, zu Elektra, ihrem Windhund, und den Fläschchen Roten zurückkommt, zwingt ihr eine Mitgefangene mit dem hübschen Namen Kerrilla Cropper auf, mal nach ihrem Sohn Connor zu sehen, den diese in der Obhut ihrer Mutter zurückgelassen hat. Draußen landet die Bag Lady bei ihren alten Freunden Pierre und Schmister, die mittlerweile bei Cherry, Pierres Freundin wohnen und auf Elektra aufgepasst haben. Ohne ihr Wissen wollen diese sie vom Alkohol befreien, doch nur damit versteht sie ja Elektras Antworten. Und irgendwann kommt ihr der Gedanke an Kerrilla und Connor wieder in den Kopf. Sie bekommt es nur kurz zu Gesicht, doch das halb verhungerte Kind mit den Zigarettennarben auf dem Arm weckt ihr Mitleid. Kein Wunder also, dass sie sich mit Pierre und Schmister zu dessen Rettung auf macht. Ob nun die Kostümierung als Nonnen dabei eher hilft oder nicht, ist egal, denn schließlich zählt nur der gute Gedanke. Oder?

Schon bevor ich das Buch in Händen gehalten habe, habe ich mir danach die Finger geleckt. Die Lady Bag hat mich im ersten Buch völlig überzeugen können. Es war einfach grandios! Und auch dieses Buch enttäuscht nicht, wieder ist der Autorin ein abgefahrener Roadtrip durch die Straßen Londons gelungen. Denn obwohl die Bag Lady eigentlich nichts weiter will, als sich ihrem Roten zu widmen und mit Elektra zu klönen, kommen ihr zwei Dinge in die Quere: ihr Gewissen und leider auch immer wieder der Teufel. Mit dem sie allerdings lebhafte Unterhaltungen führt. Er wird es nicht müde, sie immer wieder in Versuchung zu führen, ihr ihre Fehler vorzuhalten und hämisch zu grinsen, wenn einer seiner Schergen ihre Bemühungen vernichtet. Deshalb muss sie ganz dringend mit Elektra sprechen. Denn sie ist eine gute Seele, eine weise Ratgeberin. Aber das ist gar nicht so einfach, wenn einem die besten Freunde Medikamente unterschieben, die einem den Alkoholgenuss verleiden…

Und dann ist da ja noch Connor. Ein wirklich schreckliches Kind. Aber eben ein armes, vernachlässigtes, missbrauchtes Kind. Und ob die Bag Lady nun will oder nicht, der Kleine landet immer bei ihr. Und so tingeln sie durch London und treffen die skurrilsten Gestalten. Eine fürsorgliche Familie (allerdings nur mit Bezahlung), den dicksten Mann der Straße, die Nachbarn von Nebenan, Polizisten und Engel, aber auch des Teufels Tochter. Und auch wenn die Bag Lady ein gutes Herz hat, so möchte sie Connor doch loswerden. Im Krankenhaus, bei der Fürsorge, doch nichts klappt.

Eine irrwitzige Achterbahnfahrt durch London bietet Ms Cody diesmal. Mittendrin eine halbnüchterne, nörgelnde Pennerin, ein Transvestit und einer, der sich nicht entscheiden kann. Es macht so viel Spaß mit diesem ungleichen Trio durch London zu gondeln, den Teufel zu bekämpfen und Connor zu retten. Und doch geht es noch um so viel mehr, um elementare Dinge im Leben: Verantwortung und Gewissen, Freundschaft und Vertrauen, wahre Liebe und den Tod. Und wie es schon beim letzten Mal war, so zeigt die Lady Bag ein London, welches man nicht so oft in den Büchern sieht. Das Leben auf der Straße, im Winter, im Obdachlosenasyl. Als einzige Frau zwischen Unmengen von Männern, die alle ihr Essen wollen. Eingekapselt und warm, aber nur solange man sich an die Regeln hält. Und wenn nicht, sitzt man wieder auf der Straße, im Schnee, bei Minusgraden. Aber die Lady Bag darf diesmal auch die Arbeiterschicht auskundschaften, mit eigenen, kleinen Häuschen, aber ganz sicher nicht ohne Probleme, nur weil sie ein Dach über dem Kopf haben. Und die in den Sozialwohnungen, Junkies und Dealer. Das Spektrum der Lady Bag ist diesmal weit gefasst und gibt einen tiefen Einblick. Und doch haben wir bestimmt noch nicht alles von London gesehen. Zumindest nicht mit der Lady Bag. Ms. Cody – wie wäre es denn mit einer Trilogie?

Fazit:
Abgefahren und skurril – die Lady Bag ist wieder da und begibt sich auf einen weiteren genialen Roadtrip durch London. Durchgeknallt und störrisch versucht sie auf ihr Gewissen zu hören und nicht auf den Teufel, gerät aber natürlich trotzdem von einer Misere in die nächste. Der Wahnsinn – absolut zu empfehlen!

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