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Elenchen_h

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Cover des Buches Ein schönes Ausländerkind (ISBN: 9783552073968)

Bewertung zu "Ein schönes Ausländerkind" von Toxische Pommes

Ein schönes Ausländerkind
Elenchen_hvor 3 Tagen
Ein schönes Ausländerkind

"Was hat uns Österreich gekostet?

Meinen Vater seine Stimme, meine Mutter ihre Lebendigkeit.

Und mich?

Meinen Vater."

- Toxische Pommes, "Ein schönes Ausländerkind"


In den 1990er Jahren flieht die Familie der namenlosen Protagonistin vor dem Krieg in Jugoslawien nach Österreich, in die Stadt Wiener Neustadt. Was sich die Eltern als Vorort der pulsierenden Hauptstadt Wien vorgestellt haben, entpuppt sich als etwa 50 km entfernte, ruhige Kleinstadt, die sich von dem Rummel in der Kroatischen Heimat nicht mehr unterscheiden könnte. Unter kommen sie bei Renate, in deren Nachbarhaus bis vor Kurzem noch die Großmutter wohnte und das aufgrund deren Ablebens nun leer steht. Die Familie kann dort kostenlos wohnen - allerdings muss die Mutter der Protagonistin dort für sämtliche Putz- und Haushaltstätigkeiten zur Verfügung stehen. Während die Mutter so langsam Deutsch lernt und auch eine Arbeitserlaubnis erhält und die Protagonistin zur Schule geht, wird der Vater unfreiwillig ans Haus gefesselt, er bekommt keine Arbeitserlaubnis und kümmert sich deshalb um seine Tochter. Aus dieser Konstellation entsteht eine stets abwesende Mutter, ein sich immer in sich selbst zurückziehender Vater und eine Tochter, deren Lebenszweck darin besteht, eine perfekte Migrantin zu werden.


Humorvoll, traurig und bissig zugleich ist der Debütroman "Ein schönes Ausländerkind" von Irina, die unter dem Pseudonym Toxische Pommes als erfolgreiche Tiktokerin und Kabarettistin tätig ist. Autofiktional erzählt sie von ihrer eigenen Fluchtgeschichte und dem Gefühl, nie richtig anzukommen, nie wirklich dazu zu gehören, nicht in Österreich und nicht bei der noch im ehemaligen Jugoslawien wohnenden Verwandtschaft. Sie entlarvt das Narrativ der "arbeitsunwilligen" Migrant*innen, erzählt von Alltagsrassismen und von vermeintlich "guten" und "schlechten" Ausländern. Gerne bin ich der Coming-Of-Age-Geschichte der Protagonistin gefolgt, besonders berührt hat mich dabei die Vater-Tochter-Beziehung, die stets intensiv doch ihr Wesen mit den Jahren und der Entwicklung von Vater und Tochter verändert. Ein lesenswertes Debüt, lakonisch, authentisch und rührend.

Cover des Buches Weil ich an dich glaube – Great and Precious Things (ISBN: 9783423284110)

Bewertung zu "Weil ich an dich glaube – Great and Precious Things" von Rebecca Yarros

Weil ich an dich glaube – Great and Precious Things
Elenchen_hvor 5 Tagen
Weil ich an dich glaube

Camden wollte nie in seine Heimatstadt Alba in Colorado zurückkehren, doch dann erreicht ihn ein Hilferuf seines demenzkranken Vaters. Er entscheidet sich dafür, den Militärdienst zu quittieren und seinen Bruder bei der Pflege seines Vaters zu unterstützen. Die Bewohner*innen Albas nehmen seine Rückkehr wie erwartet nicht gut auf, zu viel ist in der Vergangenheit passiert, für das sie Camden verantwortlich machen. Allein Willow, seine beste Freundin aus Kindertagen, stellt sich bedingungslos auf seine Seite - dabei wollte sich Camden eigentlich von ihr fern halten. Aber Willow gibt ihn nicht so schnell auf.


Rebecca Yarros erzählt in ihrem Liebesroman "Weil ich an dich glaube - Great and Precious Things", über setzt von Ilse Rothfuss, von zwei Menschen, die sich eigentlich seit ihrer Jugend lieben, durch ihre Vergangenheit und die Erwartungen, die von außen an sie heran getragen werden, aber bislang keine Chance hatten, ihren Gefühlen nachzugeben. Als Setting wählt die Autorin eine kleine Westernstadt in Colorado, in die es vor allem in den Sommermonaten aufgrund einiger Attraktionen viele Touristen zieht. Dadurch erfahren die Lesenden einiges über die Politik, die in solchen Kleinstädten herrscht und von der Teilhabe, die manche Bürger*innen mehr, manche weniger daran haben, was ich durchaus spannend fand. Abgesehen vom Setting konnte ich der Geschichte aber nicht so viel abgewinnen, da ich vor allem die Beziehung zwischen Camden und Willow als sehr klischeebeladen erlebt habe. Auch Rebecca Yarros Schreibstil fand ich hier eher mittelmäßig, die Dialoge wirkten hölzern und gestelzt, weshalb die großen Emotionen bei mir ausblieben. Gestört hat mich auch die Vorhersehbarkeit der verschiedenen Erzählstränge im Buch. Trotz der Fülle an Themen, die die Autorin in diesen Roman packt - die Demenzerkrankung von Camdens Vater, Camdens Militärdienst, die starren Kleinstadtstrukturen, mit denen die Protagonist*innen zu kämpfen haben - konnte mich das Buch nicht überzeugen. "Fourth Wing" ist viel erfrischender, ich freue mich lieber auf weitere Teile dieser Reihe!

Cover des Buches Das Zeitalter der Roten Ameisen (ISBN: 9783312013180)

Bewertung zu "Das Zeitalter der Roten Ameisen" von Tanya Pyankova

Das Zeitalter der Roten Ameisen
Elenchen_hvor 7 Tagen
Das Zeitalter der roten Ameisen

In "Das Zeitalter der roten Ameisen" verarbeitet die Ukrainische Autorin Tanya Pyankova, in der Übersetzung von Beatrix Kersten, literarisch ein schreckliches Kapitel ukrainischer Geschichte: Das Holodomor, zu Deutsch "Tötung durch Hunger", einer durch Enteignung und Zwangskollektivierung in der Sowjetunion in den 1930er Jahren durch Stalin künstlich erzeugten Hungersnot, der mehr als 3 Millionen Menschen in der Ukraine zum Opfer fielen. Erzählt wird das Buch aus drei Perspektiven in dem fiktiven Dorf Matsuchy nahe Poltawa in der Zentralukraine. Zu Wort kommen Dusja, deren Familie zwangsenteignet wurde und die - wie viele andere Bauernfamilien, von den Oppressoren abfällig Kulaken genannt - an alles verzehrendem Hunger leidet, Solja, die als Frau des ortsansässigen Parteivorstehers Ljoscha eigentlich keinen Hunger leiden müsste, aufgrund einer Psychose aber esssüchtig ist und von ihrem Mann deshalb in ein Sanatorium nahe Matsuchy untergebracht wird, und Swyryd, Kommunalverwalter der Sowjets, der die Situation zu seinem persönlichen Vorteil ausnutzen will. Als vierter Protagonist fungiert der Hunger selbst, der die verschiedenen Figuren quält, um sie herum schleicht, auf ihren Tod lauert.


Tanya Pyankova schreibt in ihrem Roman über das Unaussprechliche, sie berichtet sprachgewaltig schonungslos darüber, was Menschen fähig sind, anderen Menschen anzutun und zeigt zugleich, wie wichtig es ist, die Vergangenheit zu kennen, um das Heute zu verstehen. Eine an keiner Stelle leichte Lektüre, die aufgrund ihrer dichten, eindringlichen Erzählweise jedoch noch lange bei mir nachhallen wird.

Cover des Buches Mein letztes Jahr der Unschuld (ISBN: 9783961611867)

Bewertung zu "Mein letztes Jahr der Unschuld" von Daisy Alpert Florin

Mein letztes Jahr der Unschuld
Elenchen_hvor 11 Tagen
Mein letztes Jahr der Unschuld

Für Isabel Rosen beginnt 1997 das letzte Schuljahr am Wilder College. Sie hatte sich eigentlich auf diese verbleibende Zeit vor dem Erwachsenwerden gefreut, auf entspannte Stunden mit ihren Freundinnen, auf Partys und vor allem auch auf den Kurs zu kreativem Schreiben bei ihrer Lieblingsdozentin. Doch entgegen ihrer Erwartungen scheint alles, was Isabel für sicher gehalten hatte, auseinander zu brechen: Ihre Freundschaften bekommen Risse, ihre finanzielle Situation läuft aus dem Ruder und die Dozentin für kreatives Schreiben fällt aufgrund einer Scheidung aus. Das Seminar übernimmt stattdessen der Dichter und Journalist R. H. Connelly, von dem Isabel sofort fasziniert ist. Sie beginnt eine Affäre mit dem um viele Jahre älteren, verheirateten Mann, die natürlich geheim bleiben muss.


"Mein letztes Jahr der Unschuld" von Daisy Alpert Florin, aus dem amerikanischen Englisch übersetzt von pociao und Roberto de Hollanda, ist eine Geschichte, die man so oder so ähnlich in den letzten Jahren öfter gelesen hat: Eine junge Frau an der Schwelle zum Erwachsenwerden geht eine Beziehung zu einem älteren Mann in einer Machtposition ein. In Daisy Alpert Florins Erzählung geht es um Machtmissbrauch und Consent, aber auch um die Suche nach Orientierung und der eigenen Stimme - und wie dieser Zustand der Orientierungslosigkeit ausgenutzt werden kann. Die Autorin lässt Isabels Story vor dem Hintergrund der 1997 medial sehr präsenten Clinton-Affäre abspielen, immer wieder finden Diskussionen der Figuren darüber Eingang in den Roman und bilden dadurch eine interessante  Metaebene. Zudem wird das Buch rückblickend erzählt, weshalb auch immer wieder Einwürfe der Jetztzeit-Isabel in die Geschichte einfließen. Genau hier setzt aber auch einer meiner Kritikpunkte an: Durch die vielen Nebenschauplätze, die die Autorin eröffnet - Isabels Aufwachsen in einer jüdischen Familie, die prekäre finanzielle Lage von Schreibenden, der frühe Tod von Isabels Mutter, die Vergewaltigung Isabels durch ihren Kommilitonen Zev usw. - , wird das Kernthema des Romans in meinen Augen zu sehr verwässert und keiner der Erzählstränge erhält die Tiefe, die für einen nachhaltigen Eindruck notwendig gewesen wäre. So war das Buch für mich eine durchaus spannend zu lesende und mit wichtigen Themen gefüllte Coming-Of-Age-Geschichte, die aber hinter ihren Möglichkeiten zurück bleibt und mich letztlich nicht ganz überzeugt hat.

Cover des Buches Zuleika (ISBN: 9783608502381)

Bewertung zu "Zuleika" von Bernardine Evaristo

Zuleika
Elenchen_hvor 17 Tagen
Zuleika

"Zuleika accepta est.

Zuleika delicata est.

Zuleika Scheiß-Musterkind vom Dienst est."

- Bernardine Evaristo, "Zuleika"


London, 211 n. Chr.: Zuleika ist die Tochter nubischer Einwander*innen. Ihre Familie hat kaum Geld, doch die Schönheit ist Zuleikas Kapital: Mit gerade einmal elf Jahren wird sie an einen alten, fetten Römer verheiratet - was ein Glück, dass er sie trotz ihrer schwarzen Haut und der Armut will! Zuleikas Freiheit findet durch die Heirat ein jähes Ende, sie sitzt in einem goldenen Käfig, aus dem sie erst mit der Zeit einen Ausgang findet, gedanklich durch Bildung und durch geschicktes Strippen-Ziehen im Haushalt. Sie geht heimlich mit ihren Freundinnen aus - und verliebt sich in den Kaiser Septimius Severus, wodurch ihre ganze Welt aus den Fugen gerät.


"Zuleika" ist Bernardine Evaristos zweiter Roman und erschien bereits vor mehr als 20 Jahren - was ein Glück, dass er vor Kurzem nun endlich auch auf Deutsch erschienen ist! Fantastisch übersetzt von Tanja Handels können nun auch deutsche Leser*innen in dieses Drama aus Versen eintauchen, das die Geschichte eines Mädchens von heute in einer Welt von damals erzählt. London liegt im 2. Jahrhundert n. Chr. in römischer Hand, die Gesetze der Stadt werden von Geld, S*x und Macht bestimmt - kein einfaches Pflaster für ein junges, Schwarzes Mädchen, das um jeden Preis die Deutungshoheit über ihr eigenes Leben erlangen möchte. Zuleika ist Dichterin und leidenschaftliche Liebhaberin, sie hat queere Freundinnen und ihren eigenen Kopf - das bildet sich auch immer wieder in der verwendeten Sprache ab. Denn auch wenn das Buch in Versform gehalten ist und so an Dichtungen von Vergil und Homer erinnert, mischt die Autorin immer wieder moderne Begriffe zwischen lateinische Sprichwörter und verleiht dem historischen Roman damit einen höchst aktuellen Twist. Ich finde es sehr, sehr beeindruckend, dass Bernardine Evaristos Bücher immer wieder in anderen sprachlichen Formen daher kommen, dass sie sich immer wieder neue Themengebiete aussucht und in verschiedene Zeitalter abtaucht. Bei ihrer Experimentierfreudigkeit bleibt aber immer gleich, dass sie die jeweiligen Geschichten aus einer feministischen Perspektive heraus betrachtet -  eine meiner liebsten Schriftstellerinnen und ein besonderer Roman, den es zu entdecken lohnt!

Cover des Buches Reckless - Steinernes Fleisch (ISBN: 9783791500959)

Bewertung zu "Reckless - Steinernes Fleisch" von Cornelia Funke

Reckless - Steinernes Fleisch
Elenchen_hvor 22 Tagen
Kurzmeinung: Super spannender Reihenauftakt in eine Welt voller Märchen. Sehr vielversprechend, ich werde weiterlesen!
Cover des Buches Zukunft (ISBN: 9783423283724)

Bewertung zu "Zukunft" von Florence Gaub

Zukunft
Elenchen_hvor 23 Tagen
Zukunft

"Die Zukunft ist kein statischer Fakt, sondern der Möglichkeitsraum, den man immer wieder daraus macht, sie ist die direkte Konsequenz aus der Idee, dass Menschsein am Ende immer und überall bedeutet, mehr zu sein als das Jetzt." - Florence Gaub, "Zukunft: Eine Bedienungsanleitung"


Dr. Florence Gaub ist Politikwissenschaftlerin, Militärstrategin und Zukunftsforscherin sowie Direktorin des NATO Defense Colleges in Rom. In ihrem Buch "Zukunft: Eine Bedienungsanleitung" setzt sie sich detailliert und aus verschiedensten wissenschaftlichen Blickwinkeln und Ansätzen mit dem Thema Zukunft auseinander. Aufgebaut ist das Buch dabei, wie der Titel bereits verrät, wie eine Bedienungsanleitung. In kurzen prägnanten und gut zugänglichen Kapiteln liefert sie Erklärungen dazu, was beispielsweise die Zukunft überhaupt ist, welche Hirnareale wir bemühen, wenn wir an zukünftige Ereignisse denken oder welchen historischen Hintergrund die Zukunft hat - denn die Fähigkeit, sich die Zukunft so detailliert vorzustellen, dass man sie erschaffen kann, wie Florence Gaub sagt, hat der Mensch erst seit etwa dem 19. Jahrhundert entwickelt. Vieles, was die Autorin in ihrem Sachbuch anspricht, ist uns bereits bekannt, sie gibt in meinen Augen wenig neue Fakten an die Hand, und doch lässt sich einen Mehrwert aus "Zukunft: Eine Bedienungsanleitung" ziehen, schon allein aus dem Grund, dass Florence Gaub eine Struktur in unsere häufig eher abstrakten, pessimistischen und kurzsichtigen Auseinandersetzungen mit unserer persönlichen sowie gesamtgesellschaftlichen Zukunft bringt. Die Zukunftsforscherin plädiert für mehr Kreativität, Optimismus und ein Denken in Szenarien sowohl auf persönlicher, als auch auf staatlicher Ebene, anstatt starre Planungen und negative Denkweisen. Ein Sachbuch, das in diesen Krisenzeiten durchaus Hoffnung gibt und das ich deshalb auch gerne empfehlen möchte, für mich jedoch keine wirklich unbekannten Ansätze verfolgt oder innovative Lösungsansätze bietet.

Cover des Buches Geordnete Verhältnisse (ISBN: 9783446279551)

Bewertung zu "Geordnete Verhältnisse" von Lana Lux

Geordnete Verhältnisse
Elenchen_hvor 25 Tagen
Geordnete Verhältnisse

Philipp ist ein rothaariger, aggressiver Junge, der Pflanzen mehr mag als Menschen. In der Grundschule hat er es schwer, niemand möchte mit ihm befreundet sein - bis die jüdisch-ukrainische Geflüchtete Faina in seine Klasse kommt und seine Sitznachbarin wird. Philipp weiß sofort: Sie wird seine beste Freundin sein. Er bringt ihr Deutsch bei, erklärt ihr, wie man Weihnachten feiert, macht sie zu seiner Faina. Die beiden sind unzertrennlich in ihrem Außenseiter-Sein, bis Philipp einen Fehler macht und Faina den Kontakt zu ihm abbricht. Jahre später steht sie plötzlich wieder vor seiner Tür, schwanger und mittellos. Philipp nimmt Faina auf - doch zu welchem Preis?


Würde ich am Ende dieses Jahres ein Ranking der Buchcharaktere aufstellen, die ich am meisten verachte, würde Philipp ganz sicher auf Platz 1 dieser Liste landen. Philipp ist sexistisch, misogyn, antisemitisch, queerfeindlich, rassistisch und fettfeindlich - aber das alles natürlich nur, weil er eine "schlimme" Kindheit hatte. Von Beginn an manipuliert und misshandelt er Faina physisch und psychisch, erst unterschwellig und unauffällig, dann immer offensichtlicher. Die "Freundschaft" der beiden steuert immer weiter auf die Katastrophe zu, die hinter jeder Seite des Buches lauert. Lana Lux beschreibt in ihrem Roman "Geordnete Verhältnisse" einen Femizid wie aus dem Lehrbuch. Das erste Drittel der Geschichte wird dabei aus der Ich-Perspektive von Philipp, der Täterperspektive erzählt, daran schließt sich Fainas Sicht an und im letzten Teil, dem schrecklichen Finale des Buchs, kommen die beiden abwechselnd zu Wort. Durch diese verschiedenen Anschauungsweisen wird der Roman extrem intensiv, er lässt sich kaum aus der Hand legen. Für mich ist "Geordnete Verhältnisse" ein sehr, sehr wichtiges Buch, das möglichst viele Menschen lesen sollten, um die Strukturen hinter Femiziden und unseren Umgang als Gesellschaft mit Gewalt gegen Frauen zu verstehen und zu hinterfragen. Nicht ganz glücklich war ich mit der asexuellen Repräsentation, die durch Philipp geschaffen wird und dadurch, gerade im Gegensatz zu Fainas Bisexualität und Zugehörigkeit zur Bondage-Szene, in meinen Augen eine eher negative Konnotation erhält. Trotzdem möchte ich eine Empfehlung für diesen aufrüttelnden Roman aussprechen, vor allem für das Hörbuch, in dem die Autorin selbst Fainas Perspektive einspricht - sehr, sehr intensiv!

Cover des Buches Übertretung (ISBN: 9783969992593)

Bewertung zu "Übertretung" von Louise Kennedy

Übertretung
Elenchen_hvor einem Monat
Übertretung

Belfast, 1975: Die 24-jährige Cushla lebt als Katholikin in einem überwiegend von Protestant*innen bewohnten Vorort. Jedes Wort, das sie sagt, jede Geste, selbst ihre Kleidung kann sie in Schwierigkeiten bringen, denn der Bürgerkrieg steht kurz vor der Eskalation. Trotzdem schreckt Cushla nicht vor der größten aller Übertretungen zurück: An einem Abend, an dem sie eine Schicht in der Bar ihrer Familie übernimmt, lernt sie den deutlich älteren, verheirateten und protestantischen Prozessanwalt Michael Agnew kennen - und verliebt sich in ihn. Neben dieser heimlichen Affäre fällt Cushla auch in ihrem Hauptberuf als Lehrerin an einer katholischen Grundschule auf als sie sich Davy annimmt, der aus ärmlichen Verhältnissen kommt.


Louise Kennedy erzählt in ihrem Debütroman "Übertretung", übersetzt durch Claudia Glenewinkel und Hans-Christian Oeser, von einer Protagonistin, die in einem bis heute nicht verwundenen Konflikt aufwächst und versucht, zwischen Regeln und Unterdrückungen ihren eigenen Weg zu gehen. Hinter jeder Ecke lauert in diesem Roman Gefahr, jedes Kapitel beginnt mit der - teils sehr explizit beschriebenen - Gewalt, die in den Nachrichten wiedergegeben wird und die Cushla immer näher kommt, bis sie schließlich unausweichlich für sie wird. Cushla lebt in einem Spannungsfeld zwischen einer alkoholkranken Mutter, um die sie sich kümmert, einem Bruder, der sie stets bevormundet, einer verbotenen und (vermeintlich) geheimen Liebesaffäre und einem kleinen, in Armut lebenden Jungen, dem sie unbedingt helfen möchte. Dieser Drahtseilakt lässt sich nicht immer gut lesen und kommt auch nicht ganz ohne Wiederholungen in der Mitte des Buches aus. Die Lesenden erfahren viel über den Konflikt zwischen Katholik*innen und Protestant*innen in Nordirland, das Buch regt ständig zum selbst recherchieren an und bietet so einen Einblick in ein Stück Zeitgeschichte, mit dem ich mich persönlich bislang wenig beschäftigt habe. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

Cover des Buches Demon Copperhead (ISBN: 9783423283960)

Bewertung zu "Demon Copperhead" von Barbara Kingsolver

Demon Copperhead
Elenchen_hvor einem Monat
Demon Copperhead

Demon Copperhead kommt in einem Trailer in den Wäldern Virginias zur Welt. Seine Mutter ist noch eine Teenagerin, gerade frisch auf Entzug, sein Vater ist tot, geerbt hat er von ihm nur seine kupferroten Haare. Es scheint zunächst so, als könnten Demon und seine Mutter allein miteinander auskommen, als wären sie einander genug, er passt auf sie auf - bis sie einen neuen Mann kennenlernt. Demons Stiefvater ist gewalttätig und manipulativ. Als auch seine Mutter an einer Überdosis stirbt, beginnt ein Leben voller Pflegefamilien und Kinderarbeit für Demon, und doch verliert er nie seinen einzigartigen Blick auf seine Mitmenschen und die Welt um ihn herum.


In "Demon Copperhead von Barbara Kingsolver, aus dem Englischen übersetzt von Dirk van Gunsteren, begleiten die Lesenden auf rund 800 Seiten den gleichnamigen Protagonisten beim Aufwachsen in einer ländlichen Gegend, in Armut und verschiedenen Pflegefamilien, erleben seine zahlreichen Verluste, seine erste Liebe und seinen Weg in die Drogensucht. Erzählt wird die Geschichte aus Demons Perspektive, was dem Roman eine ganz eigene, besondere Erzählstimme verleiht. Oft scheint es unglaublich, ja fast unglaubwürdig, was Demon im Laufe seines Erwachsenwerdens ertragen muss, doch zeichnet die Autorin ein sehr realitätsnahes Bild der Opioidkrise und ihrer Auswirkungen, vor allem im ländlichen Raum, nach. Neben der Opioid-Epidemie beschäftigt sich Barbara Kingsolver in ihrem Roman auch mit Themen wie Rassismus, den Unterschieden zwischen ländlichem und städtischem Leben in der USA, Hochstaplerei, Freundschaft und (erster) Liebe.


Auf rund 800 Seiten kann es schnell passieren, dass ein Roman langatmig wird oder man sich irgendwo zwischen den Zeilen von der Geschichte entfremdet. Als langatmig habe ich "Demon Copperhead" an keiner Stelle empfunden und durch die vielen eher kurzen Kapitel mit zahlreichen Cliffhangern lies sich der Roman auch für so einen dicken Schmöker sehr angenehm lesen. Trotzdem denke ich, dass Demons Leben auch in weniger Seiten etwas prägnanter hätte erzählt werden können und ich muss gestehen, dass mich sein Schicksal nicht so sehr berührt hat, wie ich es vor dem Lesen angenommen habe. Nichts desto trotz möchte ich den Roman sehr empfehlen, er hat mich sowohl auf schriftstellerischer, als auch auf inhaltlicher Ebene überzeugt und ich mochte diesen unverzagten, stets zeichnenden Demon wirklich gerne.

Über mich

Hallo, ich bin Elena, 26 Jahre alt und liebe Bücher! Ich lese etwa seit meinem 5. Lebensjahr und habe seitdem schon sehr viel Lesestoff verschlungen. Daher bin ich immer auf der Suche nach neuen Büchern und habe letztes Jahr das Rezensieren und Bloggen für mich entdeckt. Es macht mir großen Spaß, anderen Menschen meine gelesenen Bücher näher zu bringen und zu empfehlen und ich liebe es, wenn andere sich aufgrund meiner Rezension ein Buch zulegen. Ich rezensiere außer hier auf Lovelybooks auf Instagram, Goodreads und Mojoreads.

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