Bewertung zu "Ein schönes Ausländerkind" von Toxische Pommes
"Was hat uns Österreich gekostet?
Meinen Vater seine Stimme, meine Mutter ihre Lebendigkeit.
Und mich?
Meinen Vater."
- Toxische Pommes, "Ein schönes Ausländerkind"
In den 1990er Jahren flieht die Familie der namenlosen Protagonistin vor dem Krieg in Jugoslawien nach Österreich, in die Stadt Wiener Neustadt. Was sich die Eltern als Vorort der pulsierenden Hauptstadt Wien vorgestellt haben, entpuppt sich als etwa 50 km entfernte, ruhige Kleinstadt, die sich von dem Rummel in der Kroatischen Heimat nicht mehr unterscheiden könnte. Unter kommen sie bei Renate, in deren Nachbarhaus bis vor Kurzem noch die Großmutter wohnte und das aufgrund deren Ablebens nun leer steht. Die Familie kann dort kostenlos wohnen - allerdings muss die Mutter der Protagonistin dort für sämtliche Putz- und Haushaltstätigkeiten zur Verfügung stehen. Während die Mutter so langsam Deutsch lernt und auch eine Arbeitserlaubnis erhält und die Protagonistin zur Schule geht, wird der Vater unfreiwillig ans Haus gefesselt, er bekommt keine Arbeitserlaubnis und kümmert sich deshalb um seine Tochter. Aus dieser Konstellation entsteht eine stets abwesende Mutter, ein sich immer in sich selbst zurückziehender Vater und eine Tochter, deren Lebenszweck darin besteht, eine perfekte Migrantin zu werden.
Humorvoll, traurig und bissig zugleich ist der Debütroman "Ein schönes Ausländerkind" von Irina, die unter dem Pseudonym Toxische Pommes als erfolgreiche Tiktokerin und Kabarettistin tätig ist. Autofiktional erzählt sie von ihrer eigenen Fluchtgeschichte und dem Gefühl, nie richtig anzukommen, nie wirklich dazu zu gehören, nicht in Österreich und nicht bei der noch im ehemaligen Jugoslawien wohnenden Verwandtschaft. Sie entlarvt das Narrativ der "arbeitsunwilligen" Migrant*innen, erzählt von Alltagsrassismen und von vermeintlich "guten" und "schlechten" Ausländern. Gerne bin ich der Coming-Of-Age-Geschichte der Protagonistin gefolgt, besonders berührt hat mich dabei die Vater-Tochter-Beziehung, die stets intensiv doch ihr Wesen mit den Jahren und der Entwicklung von Vater und Tochter verändert. Ein lesenswertes Debüt, lakonisch, authentisch und rührend.