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EliasWittekind

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Der Spiegel im Spiegel (ISBN: 9783423135030)

Bewertung zu "Der Spiegel im Spiegel" von Michael Ende

Der Spiegel im Spiegel
EliasWittekindvor einem Jahr
Kurzmeinung: Sonderbare und fantasievolle Geschichten, die unvorhersehbar ablaufen und zu denken geben.
Wie eine Sammlung surrealistischer und symbolistischer Gemälde

Als ich mir "Der Spiegel im Spiegel" von Michael Ende kaufte, wusste ich nicht, dass es sich um eine Sammlung von 30 Kurzgeschichten handelt. Deswegen war der Wechsel von der ersten in die zweite Geschichte unerwartet. Aber es sollte nicht der einzige unerwartete Wechsel bleiben in einem Buch ohne Überschriften und Titel, in welchem einen die Geschichten oft mitten in den eigenen Gedanken stehen lassen. Die Erwartung, dass sich am Ende einer Geschichte ein Kreis schließt oder offene Fragen beantwortet werden, erfüllt sich nicht immer.

Das Buch zeigt sonderbare Welten, Geschöpfe mit sonderbaren Verhaltensweisen, seltsame Bräuche und verwirrende Situationen. Es gleicht den fantastischsten und merkwürdigsten Träumen, die man haben kann, auch wirren Träumen ohne roten Faden und Zusammenhang. Mir erschloss sich nicht immer ein Sinn. Jedoch lässt sich  oft symbolhaft und verklausuliert ein Abbild unserer Lebenswelt finden. Thematisiert werden u.a. Wirtschaftssyteme, Machtstrukturen, Kunst, Sinnsuche, Moral und Religion. 

Die Sprache des Autors ist genial einfach und bildreich.

Am besten gefielen mir die Gesichte von der wundersamen Mehrung des Geldes in einer Bahnhofskathedrale, von dem Gerichtsprozess wegen (Nicht)Anerkennung des Rechtes auf Verkörperung, von der entgegen gehaltenen Hand und dem Rat, sich ins All fallen zu lassen, von den Glaubensfragen über den Zweck der Brücke, deren Bau nicht über die Hälfte hinauskommt, von dem Zug der fleischbeladenen Metzger und der Sorge um die Schafe und von dem enttäuschten Weltreisenden, der sich ohne große Erwartungen auf eine letzte Reise einlässt.

Michael Ende ist an Fantasie wohl kaum zu übertreffen. Das Buch hat mich sehr beeindruckt. Manchmal fühlte ich mich aber komisch, wie das Ehepaar in einer der Geschichten, das eine Kunstausstellung besucht und dann ratlos vor einer Blechdose steht. Daher nicht volle fünf Sterne.

Cover des Buches Die Judenbuche (ISBN: 9783746042916)

Bewertung zu "Die Judenbuche" von Annette von Droste-Hülshoff

Die Judenbuche
EliasWittekindvor einem Jahr
Kurzmeinung: Für Leser*innen mit Interesse an historischem Lesestoff (1842), Milieustudien, Gruselfaktor, gehobenem Schreibstil & Lust zum Interpretieren
Bericht über ein Verbrechen und einfühlsame Milieustudie zugleich

Inhalt: Friedrich ist in eine desolate Familie geboren, auf welche die enge Dorfgemeinschaft herabblickt. Sein Vater prügelt seine Mutter und säuft sich zu Tode. Darauf nimmt der Onkel den eingeschüchterten Jungen in seine Obhut. 

Noch steht Friedrich mit einem Bein in der gottesfürchtigen Welt seiner bekümmerten Mutter. Doch der zwielichtige Onkel lenkt seine Schritte auf krumme Pfade. Kriminelle Machenschaften bringen Geld und sozialen Aufstieg. Friedrich wird seiner Mutter fremd, und zieht sich aus dem Sumpf seiner Vergangenheit.

Doch sein elegantes Erscheinungsbild und hochmütiges Verhalten garantieren ihm keinen festen Stand in der Dorfgemeinschaft.

Wie weit wird er den eingeschlagenen Weg noch gehen. Bis zum Mord?

Schreibstil: Annette von Droste-Hülshoff pflegt einen gehobenen und lebendigen Schreibstil, der - Gedichten gleich - Gedanken und Bilder dicht miteinander verbindet.

Zwar betont die Autorin immer wieder, dass sie mit dem Niedergeschriebenem einen Tatsachenbericht vorlegt. Aber ihr einfühlsamer Ton bei der Beschreibung der Lebensumstände des Protagonisten verleiht dem Nacherzählten hohe literarische Qualität.

Obwohl es der Autorin nicht darum geht, die Handlungen ihrer Charaktere zu erklären, beweist sie eine große Nähe zu diesen, indem Sie deren Werdegang untersucht und hintergründige Betrachtungen in ihren Bericht einbezieht.

Meinung: Der klangvolle Name der Autorin ist vielen aus der Schule geläufig. Wieder aufmerksam geworden bin ich auf Annette von Droste-Hülshoff durch einen Beitrag des Radiosenders Bayern 2 über ihre Novelle "Die Judenbuche". Und ich muss sagen, es hat sich gelohnt, sie zu lesen. Ich schätze Bücher sehr, die einem erlauben, ein eigenes Urteil über die Protagonisten zu fällen, und Raum für Interpretationen lassen.

Die Autorin macht dies sehr geschickt, indem sie sich selbst als Berichterstatterin eines Verbrechens sieht, die sich streng an die Tatsachen hält und es ablehnt, Lücken in der Geschichte mit Spekulationen zu füllen. Dennoch geht sie weit über eine Nacherzählung von Ereignissen hinaus und gewährt dem Leser Einblicke in das Verbrechermilieu, die zu denken geben. Hierdurch erzeugt sie Authentizität und lässt dem Leser die Möglichkeit, selbst Schlüsse zu ziehen und die Lücken zu schließen.

Interpretation: Die Autorin selbst führt auf Seite 3 aus, welche Lehre man aus der Sache ziehen kann:

"Denn wer nach seiner Überzeugung handelt, und sei sie noch so mangelhaft, kann nie ganz zugrunde gehen, wogegen nichts seelentötender wirkt, als gegen das innere Rechtsgefühl das äußere Recht in Anspruch [zu] nehmen."


Cover des Buches Stern der Ungeborenen (ISBN: 9783104002309)

Bewertung zu "Stern der Ungeborenen" von Franz Werfel

Stern der Ungeborenen
EliasWittekindvor 2 Jahren
Kurzmeinung: Detaillierter Einblick in eine ungewöhnliche Zukunft in Form eines wortreichen Reiseberichts mit philosophischen und religiösen Reflekionen.
Liegt im Fortschritt Entfernung zu Gott?

Ich bin auf den Roman von Franz Werfel zufällig gestoßen. Science-Fiction ist nicht mein Lieblingsgenre, Bücher mit weltanschaulichen Themen hingegen interessieren mich sehr.

Der Gegenwartsautor, im Roman F.W. genannt, wird von seinem in der fernen Zukunft wiedergeborenen Freund, B.H., herausgepickt, um als Ehrengast an der Hochzeit seiner Freunde teilzunehmen.

Er verfasst seine Erlebnisse als präzisen und authentischen Reisebericht und schreibt von einer hochkultivierten Gesellschaft der Zukunft, die verspielt und frei von ökonomischen Zwängen ist. Die Bewohner dieser künftigen Erde erscheinen ihm distinguiert und besonnen, wenn auch ein wenig gefühlskalt.

Neben den außergewöhnlichen technischen Errungenschaften, wie dem Kometenturnen, bilden Schwerpunkte seines Berichtes das politische System, gesellschaftliche Fragen, wie der Umgang mit dem Tod, und die Religion. In allen diesen Themenfeldern zeichnet der Autor mit großer Kreativität und umfassender Gelehrtheit eine Welt, die unsere Erwartungen auf den Kopf stellt und zum Nachdenken anregt.

Am meisten reibt er sich am Thema der Abkehr des Menschen von Gott durch wissenschaftliche Errungenschaften. Der Mensch nimmt in die eigenen Hände, was ursprünglich in Gottes Hand lag. Ein eindrucksvolles Beispiel ist der Weg, der in dieser fernen Zeit um das Sterben gegangen wird.

Doch auch diese Zukunft ist nicht frei von Konflikten. Und gerade während F.W.s Aufenthalt spitzt sich die Auseinandersetzung zwischen der Leitkultur und einer abtrünningen und rückwärtsgewandten Kultur, genannt der "Dschungel", zu.

Im Geist des Autors sorgen diese Entwicklungen für viel Aufruhr: Eine von Gott distanzierte, mit dem Kopf in den Sternen schwebende, hoch entwickelte Kultur, die ihr Schicksal selbst bestimmt gegen eine längst überwunden geglaubte Kultur, die sich wieder in ökonomischen Zwängen verstrickt und an die Erde und deren Bewirtschaftung gebunden ist, und damit umso abhängiger von den Geschicken höherer Mächte. Rückschritt im Fortschritt oder Fortschritt im Rückschritt oder kommt F.W. noch zu einer ganz anderen Erkenntnis?

Inhaltlich von meiner Seite 5 von 5 Sternen. Allerdings ziehe ich einen Stern ab, da der Erzählstil auf mich stellenweise sehr geschwätzig wirkte und der Autor zu Wiederholungen neigt.

Cover des Buches Der heulende Müller (ISBN: 9783732531530)

Bewertung zu "Der heulende Müller" von Arto Paasilinna

Der heulende Müller
EliasWittekindvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Paasilinna bereitet einem mit boshaftem Vergnügen etliche Schwierigkeiten, die "Normalen" von dem "Irren" zu unterscheiden.
Wer ist verrückt und wer normal?

Inhalt:  Huttunen kann nicht anders: ab und zu heult er nachts wie ein Wolf. Das tut dem einsamen Müller gut. Doch im beschaulichen Dorf macht er sich Feinde damit. Man hält ihn für verrückt. Eins gibt das andere und der Streit eskaliert. Zum Glück steht er nicht ganz alleine da... Eine skurrile Geschichte, welche die Frage aufwirft, wer ist eigentlich verrückt.

Meinung: Paasilinna muss wirklich ein boshaftes Vergnügen beim Verfassen dieser skurrilen Geschichte gehabt haben, die einem den sogenannten "Verrückten" ans Herz wachsen lässt, während man Abneigungen gegen die erklärten "Normalen" entwickelt. Die Diagnose scheint weniger medizinisch begründet als auf Leichtfertigkeit und Selbstschutz zu beruhen. Erst die Ausgrenzung des Verrückten macht schließlich den Normalen. Und selbstverständlich ist alles, was der Verrückte macht, verrückt, während die Normalen sich immer normal verhalten.

Neben dem interessanten Thema hat mir besonders die Kulisse gefallen. Alle Häuser des Dorfes stehen lose zusammen und direkt dahinter beginnt der Wald. Vieles trägt sich in der freien Natur, im Wald oder im Moor zu.

Charaktere: Paasilinna charakterisiert seine Figuren nicht mit langweiligen Adjektiven oder mittles psychologischer Betrachtungen, sondern mit rührenden Gegensätzen: der große Mann im kleinen Gemüsegarten, der streitbare Mann und der farbenfrohe Anstrich der Mühle, der anziehende Mann und seine gefühlvolle Zurückhaltung, der Mann in Not und seine unerschütterliche Prinzipientreue, z.B. Huttunen, der nur sein eigenes Geld raubt, weil es ihm die Bank nicht auszahlen darf.

Sprache und Stil: Paasilinna hat eine sehr dichte, knappe und leicht verständliche Sprache. In wenigen Worten steckt viel. Der Ton erinnerte mich immer wieder an Märchen.

Das Buch hat einen schrägen Humor und steckt dabei voll bitterer Wahrheiten. Manchmal trägt eine Szene beide Eigenschaften, tragisch und komisch, z.B. als die Kinder Psalmen für erschossene Hunde singen.

Gedanken zum Buch: Unser Unglück verschreckt, was uns zum Glück fehlt.

Bewertung: 4 von 5 Sternen. In seiner Art wieder sehr überzeugend. Vielleicht setzt sich Paasilinna bei mir noch irgendwann durch gegenüber den von mir bevorzugten Liebesromanen. Ich werde sicher noch viel von ihm lesen. 

Cover des Buches Besser (ISBN: 9783499259302)

Bewertung zu "Besser" von Doris Knecht

Besser
EliasWittekindvor 3 Jahren
Cover des Buches Wintersonne (ISBN: 9783644215115)

Bewertung zu "Wintersonne" von Rosamunde Pilcher

Wintersonne
EliasWittekindvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Die kleinen Momente sind überzeugend, die großen sind es nicht
Die kleinen Momente sind überzeugend, die großen sind es nicht

Inhalt: Elfrida braucht einen Tapetenwechsel, Oscar steht mit einem Schlag alleine im Leben, Sam sucht nach einer neuen Bleibe am Arbeitsort, Carrie ist frisch getrennt, Lucys Mutter hat nur noch ihren Neuen im Kopf. Alle fünf führt das Leben kurz vor Weihnachten aus dem hektischen London in ein kleines Landhaus an der grünen Küste Schottlands.


Meinung: Ich mag Rosamunde Pilchers Roman "Die Muschelsucher" sehr gern und habe mich gefreut, auch bei "Wintersonne" dasselbe Grundthema zu finden: Familie setzt nicht Verwandtschaft voraus. Auch aus einer Schicksalsgemeinschaft oder einer Verbundenheit im Geiste kann Familie entstehen, so wie es beispielsweise auch Rina Sawayamas Lied "Chosen Family" ausdrückt.


Leider fand ich die Umsetzung diesmal nicht so gelungen. Vielleicht auch weil es mein zweites Buch von Rosamunde Pilcher war, fand ich die Geschichte sehr vorhersehbar. Während das Geschehen im Roman "Die Muschelsucher" viele Bezüge zur Vergangenheit der Protagonistin hat und emotionale Beweggründe zu einer neuen Familienkostellation führen, sind es in "Wintersonne" lediglich die Äußeren Umstände. Auch die Charaktere fand ich deutlich weniger überzeugend. Elfrida wird von der Autorin als unkonventionell beschrieben. Dies spiegelt sich jedoch kaum in ihrem Auftreten wieder. Der Wandel den Oscar durchmacht vollzieht sich für mich unnachvollziehbar schnell.


Was ich aber nach wie vor sehr an Rosamunde Pilchers Erzählungen schätzte, das sind die Gespräche unter vier Augen, bei einer Tasse Tee oder einem Stück Kuchen, in der gemütlichen Küche oder am Kaminfeuer. Auch die stillen Momente alleine, beim Vorbereiten des Frühstückstisches oder während ausgiebiger Spaziergänge an der winterlichen Küste haben viel Atmosphäre. Das Buch hat Teetrinken bei mir wieder beliebter gemacht. Sich ein wenig Zeit für ein heißes Getränk zu nehmen ist sehr beruhigend. Und auch Rosamundes Bücher haben eine solche Wirkung. 



Cover des Buches Wunder kommen leise (ISBN: 9783744893527)

Bewertung zu "Wunder kommen leise" von Paula Roose

Wunder kommen leise
EliasWittekindvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Nicht der große Wurf, aber sehr liebenswert. Ein herzerwärmendes Buch für die Vorweihnachtszeit.
Ein herzerwärmendes Buch für die Vorweihnachtszeit

Inhalt: Es ist kurz vor Weihnachten. Johannes ist frisch getrennt und arbeitslos. Aber immerhin nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Er sieht den frierenden Bettler und hilft ihm. Zum Dank erhält er einen goldenen Schlüssel, "den Schlüssel zur Weihnachtsfreude". Gestärkten Mutes macht er sich auf, das Geheimnis des Schlüssels zu ergründen.

Meine Meinung: 3 von 5 Sternen. Nicht, weil ich es nicht genossen hätte, diese kleine Geschichte mit ihren 24 kurzen Kapiteln (Adventskalender) zu lesen. Eher weil ich sie als schöne Erzählung für Zwischendurch einstufe. Allemal empfehlenswert für die Vorweihnachtszeit. 

Besonders gefallen hat mir Johannes veränderte Perspektive auf sein neues Leben in Armut. Vieles ist ihm nicht mehr möglich (der zweite Glühwein, Weihnachtseinkäufe), aber er verzagt nicht und hat Hoffnung. Und je mehr er Mut schöpft, je mehr Schritte er nach vorne geht, desto weniger betrüblich wirkt das herannahende Weihnachtsfest. Und Liebe ist auch noch mit im Spiel.

Cover des Buches Die Brüder Karamasow (ISBN: 9783423124102)

Bewertung zu "Die Brüder Karamasow" von Fjodor M. Dostojewski

Die Brüder Karamasow
EliasWittekindvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Unbedingt lesen, wer tiefe Gedanken, Psychologie, Glaubensfragen, Spannung und undurchsichtige Charaktere schätzt und gerne interpretiert.
Dieses Buch hat Dostojewskij endgültig zu einem meiner Lieblingsautoren gemacht

Leseempfehlung: Unbedingt lesen, wer tiefe Gedanken, Psychologie, Glaubensfragen, Spannung und undurchsichtige Charaktere schätzt und gerne interpretiert.

Inhalt: Drei Brüder schlagen wegen ihres chaotischen Familienhintergrundes früh verschiedene Lebenswege ein. Der Mord an ihrem Vater, dessen einer von ihnen verdächtig ist, führt sie wieder zusammen und erschüttert ihre Lebenseinstellungen und Überzeugungen.

Charaktere: Die Protagonisten sind Brüder und dennoch sehr unterschiedlich. Die Wesenzüge variieren von klug und berechnend, vertrauensvoll und empathisch zu impulsiv und hedonistisch. Dostojewskij vermochte es, mich zwischen Ablehnung und Symapthie, Empörung und Mitgefühl schwanken zu lassen. Seine Charaktere sind realistisch, komplex und nachvollziehbar. Sie erlauben es einem nicht, sich ein abschließendes Urteil zu bilden - dessen man sich meiner Meinung nach auch im Leben enthalten sollte.

Schreibstil: Auch nach 150 Jahren lebendig und ergreifend. Besonders hervorheben möchte ich die langen Dialoge und Monologe als Erzählmittel. Jeder Charakter hat eine eigene Sprache, die ihn abbildet.

Meine Meinung: Dieses Buch hat mich fast dazu gebracht, mittendrin abzubrechen, so düster und deprimierend ist das Schicksal der Protagonisten und Nebencharaktere teilweise. Ich habe es nicht bereut, zuende gelesen zu haben, denn in den Kämpfen der Figuren mit sich selbst und ihrem Leben kommt das umfassende Denken des Autors zum Ausdruck. Dieses Werk zeichnet meines Erachtens besonders Dostojewskijs unvergleichlich tiefe Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeit des Leides mit Gott in der Welt aus und der Schwierigkeit, das Richtige zu tun in einer Welt, in der, zeitgenössischen Denkern zufolge, alles erlaubt ist.


Manchmal fühlte ich mich in ein Evangelium versetzt, wenn ich die Geschichten las vom zurückgekehrten Erlöser, von den drei Fagen des Teufels in der Wüste, über das Selbstbelügen, über die Unbegreiflichkeit des Leides (der Kinder) und Gottes Welt, über die Mickrigkeit der Sünde angesichts der unermesslichen Liebe Gottes, über die werktätige Liebe, von der Schuld eines jeden allen und allem gegenüber, von der Unentbehrlichkeit Gottes, von der einzigen guten Tat, dem verschenkten Zwiebelchen, und von dem Quadrillionen Kilometer langen Weg.

Ich denke, diese Geschichte wäre auch nach 1.000 weiteren Seiten nicht fertig erzählt.

Nicht das Buch der Bücher aber vielleicht der Roman der Romane. Fünf von fünf Sternen.

Cover des Buches Himmeldonnerglöckchen (ISBN: 9783744800686)

Bewertung zu "Himmeldonnerglöckchen" von Jasmin Zipperling

Himmeldonnerglöckchen
EliasWittekindvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Die Idee finde ich genial: Eine Nachwuchsosterhäsin wird zur Weihnachtswichtelin.
Der Berufung folgen

Inhalt:

Die schusselige Nachwuchsosterhäsin, Hopsi, rasselt durch die Osterprüfung und rutscht unversehens zusammen mit dem vorlauten Weihnachtswichtel, Michi, in ein Weihnachtsabenteuer.

In der Werkstatt des Weihnachtsmanns wird die quirlige Osterhäsin zum talentierten Überflieger. 

Doch Weihnachten droht trotz ihrer tatkräftigen Unterstützung zu platzen, als ein Dieb die Werkstatt heimsucht.

Sprache:

Absolut kindgerecht und auch für Erwachsene schön zu lesen.

Beispiel:

"'Oh nein, es tut mir so leid!' Hopsi zog sich an den Ohren und vergrub dann ihr Gesicht in den Pfoten. Jeden Moment würde Angelina mit ihr schimpfen. Sie würde sie eine tollpatschige Häsin nennen und heimschicken. Sie würde allen erzählen, dass Hopsi mal wieder herumzappeln musste.

Doch Angelina tat nichts dergleichen. Sie nahm Hopsi in den Arm und streichelte ihr über den Kopf. 'Das ist doch nicht schlimm! Wir fegen das auf und alles ist wieder gut.'"

Bilder:

Einfach nur megasüß. :-) Ich hab mir das ebook gekauft. Die Bilder sind auch in schwarz-weiß sehr ansprechend. In Farbe konnte ich sie auf dem Smartphone genießen.

Meinung:

Ein originelles Kinderbuch mit einer rührenden Protagonistin. Sehr geeignet als Vorlesestoff für die Vorweihnachtszeit (Ostern eher nicht). Der episodenhafte Aufbau ermöglicht es, in mehreren Etappen zu lesen. Einziger Kritikpunkt: Es enden nicht alle Handlungsfäden. Das ist sehr schade. Ich fände eine vollständig abgeschlossene Geschichte besser. Auch dann stünde einem zweiten Abenteuer mit Hopsi nichts im Wege. 4 von 5 Sternen.

Cover des Buches Die Offenbarung (ISBN: 9783746624815)

Bewertung zu "Die Offenbarung" von Robert Schneider

Die Offenbarung
EliasWittekindvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Robert Schneiders Worte lassen Musik entstehen. Ein Buch mit extrem dichter Atmosphäre und einem sehr schrulligen Protagonisten.
Ein faszinierend dichtes Geflecht aus verdrängten Erinnerungen und einer aufrührenden Musik

Inhalt:

Jakob Kemper trachtete sein gesamtes bisheriges Leben nach Ruhm und Anerkennung, zunächst als Musiker, dann als Dirigent und Komponist und zuletzt als Musikforscher. 

Zermürbt von fortwährendem Scheitern fristet der Sonderling ein einsames Dasein und hält sich als Organist und Musiklehrer über Wasser. Dann macht er, versteckt im Gehäuse der Orgel der Naumburger Stadtkirche St. Wenzel, einen spektakulären Jahrhundertfund: eine verschollene Partitur von Johann Sebastian Bach! Anders als erwartet, stellt die Entdeckung sein Leben auf den Kopf.

Robert Schneider webt ein faszinierend dichtes Geflecht aus verdrängten Erinnerungen, einer schwierigen Vater-Sohn-Beziehung und einem irritierenden Jahrhundertfund der Musikforschung. Die gefangenen Akteure drohen, sich zunehmend zu verstricken und zerrissen zu werden. Am Ende ist der Ausweg ein ganz anderer.

Protagonist:

Jakob Kemper möchte ich mit folgender Textpassage charakterisieren, die jedoch nicht alles von ihm zeigt:

"Oh, wie begehrte er, einer der ihren zu sein! Wie gern hätte er dazugehört! Ein Rad im Getriebe der weltweiten Bachforschung! Ein Rädchen, seinetwegen auch nur eine winzige Sprungfeder! Aber dabei sein! Wie sehnte er sich danach, mitzudenken, mitzureden, mitzuforschen und an dem Mysterium Bach fort und fort zu schreiben! Wie lechzte er nach Anerkennung! Ja, auch er wollte umgeben sein und hofiert von der Öffentlichkeit! Er wollte auch fotografiert werden und sein Bild in der Zeitung sehen (...), es mit stummem Stolz betrachten und die eigenen Worte wieder und wieder lesen! Er wollte gefragt sein, gesucht, umringt von Journalisten, berühmt! Sieht mich denn niemand? Ich bin auf der Welt! Verdammt, ich lebe! Ich habe etwas … dths … zu sagen!"

Doch er hat auch eine stille Seite, in welcher viel Kraft, Ausgeglichenheit und Zuneigung zu anderen liegen. Seine Vergangenheit allerdings hat ihn geprägt und nur einen halben Menschen aus ihm gemacht.

Schreibstil:

Für mich ist Robert Schneider ein klassischer Autor mit einer modern gefärbten Sprache. Mit seiner Mischung aus präzisen und metaphorischen Worten, vermag er dem Leser eine Vorstellung von einem verschollenen Hauptwerk Bachs zu vermitteln. Dies kann ihm umso besser gelingen, je mehr Kenntnis der Leser von musiktheoretischen Begriffen hat.

Ein Beispiel:

"Das Solo mit einer kleinen Non zu eröffnen, die in eine verminderte Quart hinabstürzte, eine so unvermittelte, scharf tönende Intervallfolge für den Auftakt eines Oratoriums zu wählen, das hatte es in der ganzen Barockmusik nicht gegeben. Aber nicht genug. Je weiter sich die Linie ausbreitete, desto mehr häuften sich Dissonanzen und unübliche melodische Fortschreitungen. Kemper meinte, er höre eine Art Zwölftonmusik, eine Klangsprache, die erst zweihundert Jahre nach Bach entwickelt worden war. Das Solo war gegen alle Regeln und Prinzipien der damaligen Melodieführung komponiert, hatte etwas Beängstigendes, ja Beklemmendes und ergab doch ein unerklärliches, architektonisches Ganzes. Er konnte nicht glauben, dass so viel Misstöne und scheinbar fehlerhafte Dissonanzbehandlungen eine so wohlklingende und doch unwirkliche Musik ergaben."

Meinung:

Mich freute besonders, dass wieder Schneiders Thema aus 'Schlafes Bruder' abgewandelt mitschwingt: Das verborgene Geniale, der unentdeckte weltbewegende Schatz und die Ignoranz der Mitmenschen und Fachleute. Außerdem finden sich auch in diesem Buch wieder übernatürliche und sogar gruselige Begebenheiten. So erscheint Jakob Kemper immer wieder etwas wage Umrissenes, eine unfassbare Gestalt, die in seinem Unterbewusstsein wühlt und vor ein persönliches Jüngstes Gericht stellt.

Ich schätze auch den Humor von Robert Schneider sehr.

Ein Beispiel:

"»Auf der aufgeschlagenen Partitur – das muss sich einer vorstellen! – stand eine Flasche Rotwein. Und zwar an der Stelle, wo es unseren Heiland am Kreuz dürstet. Château irgendwas. Aber vom Feinsten! Unsere Restaurateure waren eine Woche lang damit befasst, den Rotweinrand zu entfernen. Mich hat das fast den Kopf gekostet!« Während sich der Abteilungsleiter so in Rage redete, starrte er mit zutiefst verächtlichem Gesichtsausdruck auf Kempers Hemd mit dem Rotweinfleck."

Alles in Allem würde ich fünf von fünf Sternen geben, wenn ich mich besser mit Jakob Kemper hätte identifizieren können. Die Gesichte ist genial, bleibt aber seine und wird auch im Buch nicht zu meiner. 4 Sterne

Interpretation:

Darum geht es: Das kleine Leben, nicht das große als Ziel. 

Oder mit den Worten des Autors:

"Das war es doch gewesen, wofür ihm die unbekannte Musik von Johann Sebastian Bach die Augen geöffnet hatte: Endlich das Alte vergessen, den Unmut, die Kränkungen, das Versagen. Sich versöhnen mit seinem Leben. Sich verzeihen lernen. Sich selber eine Umarmung zu schenken bewirkt mehr, als aller Ruhm dieser Welt, der genau einen Atemzug lang anhält."

Über mich

Ich mag Bücher, die zum Denken und Träumen anregen (keine seichte Unterhaltung), mit gehobenem Schreibstil (Schachtelsätze stören mich nicht) und viel Emotion (bevorzugt Liebesromane, keine Krimis). Ich mag es, zwischen den Zeilen und in mir selbst zu lesen.
  • 05.05.1982

Lieblingsgenres

Liebesromane, Erotische Literatur, Literatur, Unterhaltung

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