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ElisabethBulitta

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Cover des Buches Unter der Erde (ISBN: 9783651000780)

Bewertung zu "Unter der Erde" von Stephan Ludwig

Unter der Erde
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Zwar etwas realitätsfern, aber von Anfang bis Ende spannend. Lesenswert.
Von Wölfen und Schafen

30 Jahre ist es her, dass der mittelmäßig erfolgreiche Autor Elias Haack seinen Großvater, Wilhelm, zu dessen neunzigstem Geburtstag er eingeladen ist, gesehen hat. Doch das Wiedersehen steht unter keinem guten Stern: Bei seiner Reise in das brandenburgische Dorf Volkow verunglückt Elias, kurze Zeit später stirbt sein Großvater. Elias sitzt nun fest in diesem Dorf, dessen Einwohner/innen ihm mehr als seltsam erscheinen. Für den Autor beginnt damit eine Reise in die Katakomben … die des Dorfes und die seiner eigenen Vergangenheit.

Erschienen ist dieser 400-seitige Thriller im Februar 2020 bei Fischer Scherz.

Anfangs mögen Leserinnen und Leser nicht so recht wissen, woran sie bei diesem Thriller sind. Er beginnt eher gemächlich und gewinnt seine subtile Spannung aus der bizarren Wesensart seiner Charaktere. Insbesondere die Einwohner/innen des Dorfes sind zwar recht skurril, erscheinen aber harmlos. Lediglich erahnen die Leser/innen das Unheimliche, wenn Elias heimlich überwacht wird. In der zweiten Hälfte dann wird deutlich, wie viele Leichen die Menschen von Volkow im Keller haben. Nach einer überraschenden Wendung nimmt die Handlung enorm Fahrt an, um in einem fulminanten Finale zu enden.

Der Roman führt zurück in die Vergangenheit – in die des Protagonisten durch Flashbacks sowie in die des von der Roten Armee besetzten Ostteils unseres Landes. Allerdings sind die Schatten, die die Geschichte auf die Dörfler/innen wirft, m.E. etwas realitätsfern. Nichtsdestotrotz wird die Nachkriegszeit im Lager eindrücklich dargestellt und der Roman insgesamt beschert der Leserschaft ein nervenaufreibendes Lesevergnügen.

Die Handlung wird auf mehreren Ebenen erzählt: Zum einen ist da die aktuelle Handlung in der Gegenwart, unterbrochen von Rückschauen auf Elias‘ Kindheit, die nach und nach das Drama seiner Herkunft lüften. Schließlich wird vor allem im vierten dieses fünfteiligen Thrillers die Geschichte von Wilhelms Nachkriegszeit in einem sowjetischen Gefangenenlager aufgerollt.

Die Charaktere dieses Thrillers sind eine Ansammlung skurriler Figuren, niemand ist so, wie zu sein er oder sie vorgibt. Lediglich die junge Jessi und Elias bleiben sich selber treu und machen dadurch positive Entwicklungen durch.

Stephan Ludwigs Schreibstil ist schnörkellos und flüssig zu lesen. Die Beschreibungen sind plastisch, weshalb man das von Gott und der Welt verlassene Dorf förmlich vor Augen hat. Auch das Lagerleben ist eindrücklich zu lesen.

Alles in allem hat Ludwig mit „Unter der Erde“ einen Thriller geschaffen, dessen Ende sich über weiter Strecken nicht erahnen lässt, und der somit ein rätselhaftes Lesevergnügen bereitet. Vor allem aufgrund der m.E. doch recht großen Realitätsferne vergebe ich dann „nur“ dreieinhalb von fünf Lesepunkten, empfehle das Buch allen Thrillerfans aber gerne zur Lektüre weiter. Es lohnt sich!

Cover des Buches Raffael - Das Lächeln der Madonna (ISBN: 9783426282298)

Bewertung zu "Raffael - Das Lächeln der Madonna" von Noah Martin

Raffael - Das Lächeln der Madonna
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Eine spannende, bildgewaltige Reise in die Epoche der Renaissance.
Ein opulentes Gemälde der Renaissance

Er gilt als das Wunderkind der Renaissance: Raffael Santi. Das Leben und Umfeld dieses Künstlers hat Noah Martins 640-seitiger historischer Roman „Raffael. Das Lächeln der Madonna“, erschienen im März 2020 bei Droemer, zum Thema.

Raffael ist elf Jahre alt, als sein Vater stirbt. Als er es einige Jahre schafft, sich selbst in Urbino einen Namen zu machen, muss er aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen fliehen. Unterwegs lernt er die schöne Bäckerin Margherita kennen, die jedoch einen anderen, weitaus Mächtigeren zum Mann nehmen muss. Schließlich kommt Raffael nach Rom, wo er sich neben da Vinci und Michelangelo als dritter großer Künstler etablieren kann. Doch es sind schwierige, blutige Zeiten, in denen er lebt. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als in den Machtkämpfen und Intrigen der Herrschenden mitzumischen.

Noah Martin hat es geschafft, die Zeit der Renaissance wieder lebendig werden zu lassen: Sei es, dass Leserinnen und Leser an großen, blutigen Schlachten teilnehmen, dass sie das Leid des „kleinen Mannes“ miterleben oder dass sie am oft ausschweifenden und dekadenten Leben im Vatikan teilhaben. Doch nicht nur die Kirche, auch die Welt der Schönen Künste steckt voller Missgunst und Neid, wie man vor allem dem Verhältnis zwischen Raffael, da Vinci, Michelangelo und Sebastiano Luciani entnehmen kann. Man reist gemeinsam mit Raffael durch das Italien des noch jungen 16. Jahrhunderts und begegnet zahlreichen historisch belegten Persönlichkeiten. Dieses macht den Roman zwar zu einem sehr komplexen Werk, jedoch helfen ein Personenregister zu Beginn des Buches, in dem fiktive und historische Personen gekennzeichnet sind, eine Landkarten in der inneren Buchklappe sowie eindeutige Kapitelüberschriften bei der geografischen und historischen Einordnung des Gelesenen.

Einen großen Raum in diesem Roman nehmen die Romanze Raffaels mit Margherita Luti sowie die Querelen im Vatikan ein. Auch wenn vieles davon historisch belegt ist, entfernt sich der Autor immer wieder aus dramaturgischen Gründen von den historischen Fakten, was ich persönlich schade finde. Natürlich nimmt die Fiktion in einem historischen Roman viel Platz ein, aber ich wäre der Historie gerne noch näher gekommen.

Dass der Autor selbst Kunsthistoriker ist und gut recherchiert hat, kann man vor allem aus den Szenen in den Kunstwerkstätten und an den Arbeitsstätten der Künstler ersehen. Hier darf man sich als Leser/in auf reichen Wissenszuwachs freuen.

Liest man dieses Werk, so kann man an der Aufrichtigkeit der Menschen zweifeln. Entsprechend sind die meisten Charaktere, einschließlich Raffael, eher hart und boshaft gezeichnet. Lediglich Raffaels Jugendfreund Daniele, einer der wenigen aufrichtigen Priester im Vatikan, bildet hier eine Ausnahme: Trotz seiner oft zwielichtigen und unlauteren Aufträge bleibt er sich selbst und seinem Glauben treu und ist mir somit ans Herz gewachsen.

Martins Sprache ist gut zu lesen, italienische und antiquiert anmutende Ausdrücke verleihen dem Werk Realitätsnähe. Sehr plastische Beschreibungen rufen in den Lesenden lebendige Bilder wach, sodass man das Buch beim Lesen kaum aus der Hand legen mag.

Das Cover ist ein Blickfang: Es basiert auf Raffaels bekanntes Werk „Madonna del Prato“ und sticht gleich ins Auge.

Insgesamt hat mir die Lektüre dieses Buches sehr gefallen, nur fiel es mir – trotz den Nachworts – teilweise schwer zu unterscheiden, wo es sich um historisch Belegtes, wo es sich um Fiktion handelt. Außerdem rückt mir persönlich Raffael stellenweise zu sehr aus dem Blickfeld. Dennoch empfehle ich aufgrund seiner schönen Bilder dieses Buch gerne allen Freund/innen historischer Romane zur Lektüre weiter.

Cover des Buches Das Vermächtnis unsrer Väter (ISBN: 9783036958088)

Bewertung zu "Das Vermächtnis unsrer Väter" von Rebecca Wait

Das Vermächtnis unsrer Väter
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Ein lesenswerter, ruhiger Roman über Schuld und Verdrängung. Von mir eine klare Leseempfehlung.
So schrecklich und doch so alltäglich

Manchmal stößt man durch Zufall auf Romane, die weniger bekannt, nichtsdestotrotz aber sehr lesenswert sind. So ging es mir mit „Das Vermächtnis unsrer Väter“ von Rebecca Wait. Erschienen ist dieser 336-seitige, nachdenklich stimmende psychologische Roman im September 2019 bei Kein & Aber.

Es ist ein Tag wie jeder andere, als John zu seiner Schrotflinte greift und fast seine ganze Familie und sich selbst auslöscht. Der einzig Überlebende: sein Sohn Tommy, der etwas später seine Heimat, die fiktive Hebrideninsel Litta, verlässt. Zwanzig Jahre später kehrt er zurück und reißt damit auf dem kleinen Eiland alte Wunden auf.

Hätte das Unfassbare verhindert werden können? Welche Schuld haben Verwandte, Freunde, Bekannte auf sich geladen?

Was treibt einen Menschen zu solch einer Tat? Welchen Anteil hat die Veranlagung? Welchen die Sozialisation?

Und schließlich: Wie lebt es sich als einziger Überlebender nach einem solchen Schicksalsschlag?

Dieses alles sind Fragen, denen die Autorin nachspürt – freilich ohne, und das macht das Buch so glaubhaft, zu einer befriedigenden Antwort zu gelangen.

Niemand empfängt ihn mit offenen Armen, als Tommy nach langjähriger Abwesenheit zurückkehrt. Sein Onkel, Malcolm, empfängt ihn distanziert, doch keineswegs feindselig. Hilflosigkeit ist wohl das beste Wort, diese erste Begegnung seit langem zu beschreiben. Angeregt durch diese erneute Begegnung, reflektiert er seine eigene Rolle. Anders indes die ehemalige Nachbarin, Fiona. Sie verhehlt nicht, dass sie Tom am liebsten sofort wieder loswürde. Doch was ist es, was sie treibt? Schlummert tief in ihr nicht doch ein schlechtes Gewissen? Der Roman lässt keinen Zweifel daran, dass vieles noch nicht aufgearbeitet wurde. Und vor allem ist da die Furcht der Inselbewohner/innen, doch etwas übersehen zu haben.

Auch Johns und Tommys Kindheit lässt die Autorin immer wieder in gedanklichen Rückblenden Revue passieren. Der zweite Teil dieses dreiteiligen Romans ist gar Tommys Mutter, Katrina, gewidmet. Alle Beteiligten hatten es nicht leicht im Leben. Doch reicht dieses allein aus, das Unglaubliche zu erklären?

Tommy selbst hadert seit seinem Kindheitstrauma mit seinem Leben. Immer wieder bemerkt er Züge der Unbeherrschtheit an sich, die er auch von seinem Vater kennt. Diese machen ihm Angst. Woher rühren sie? Sein Aufenthalt auf Litta schließlich weckt Erinnerungen in ihm, die ihm den Eindruck vermitteln, selbst die Tat seines Vaters provoziert zu haben. Und dann ist da noch die Frage: Warum hat ausgerechnet er überlebt?

Es sind vor allem die nicht vorhandenen Antworten auf die Fragen, die diesen Roman lesenswert machen, zum Nachdenken anregen und ihn von der schnellen Meinungsmache, die in unserer Gesellschaft herrscht, unterscheiden. Manchmal stehen wir mitten im Alltag vor dem Unfassbaren … und wissen einfach keinen Rat.

Mit der kleinen fiktiven Hebrideninsel hat Wait eine eindrucksvolle, stimmige Kulisse geschaffen: Die Landschaft ist karg, das Klima unwirtlich, die Menschen sind einsilbig und kämpfen ums Überleben. Dieses Drama vor gerade diesem Hintergrund macht das Buch noch einmal so ergreifend.

Rebecca Wait hat ihren Roman in einer klaren, ruhigen Sprache ohne jeden Pathos verfasst. Vor allem dieses Alltägliche, die ruhigen Töne machen das Geschehen m.E. bedrückend. Die Dialoge zwischen Malcolm und Tommy versinnbildlichen die Sprachlosigkeit, die eine solche Tragödie bei den Betroffenen hinterlässt. Die unterschiedlichen Perspektiven regen die Leserschaft dazu an, sich mit den Charakteren zu identifizieren und in sich zu gehen: Wo sehe ich persönlich das Ausschlaggebende? Kann man es überhaupt festmachen?

Wer meint, schnelle Antworten auf schwierige Frage bekommen zu müssen, wird mit diesem Buch nicht glücklich werden. Ebenfalls Liebhaber/innen offensichtlich dramatischer Szenen werden wenig Freude habe. Wer es aber eher still mag, auch einmal über sehr unangenehme Themen des menschlichen (Zusammen-)Lebens nachdenken möchte und die Konfrontation mit der rauen Wirklichkeit nicht scheut, sollte auf jeden Fall zu diesem Buch greifen.

Cover des Buches Neuschnee (ISBN: 9783641253943)

Bewertung zu "Neuschnee" von Lucy Foley

Neuschnee
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Eher das Psychogramm einer Gruppe als ein spannender Thriller.
Eingeschneit

Der Plot klingt interessant: Eine Gruppe von neun Freund/innen will Silvester auf einer abgelegenen Lodge in den schottischen Highlands verbringen. Doch schon bald wird klar, dass es unter der freundschaftlichen Oberfläche brodelt. Als dann der Winter Einzug hält und die Gruppe aufgrund des Schnees von der Außenwelt abgeschnitten ist, wird die Lage brenzlig. Schließlich verschwindet ein Gruppenmitglied spurlos und die Lage spitzt sich zu.

Erschienen ist der 430-seitige Thriller „Neuschnee“ von Lucy Foley im Dezember 2019 bei Penguin.

Angepriesen wird dieser Thriller als „perfekt“, ich jedoch kann diese Meinung nicht unterstützen. Es stimmt, von Anfang liegt dem Roman eine gewisse Grundspannung zugrunde, jedoch bezieht sich diese eher auf die Gruppendynamik der Clique als auf die Handlung an sich. Auch der Klappentext irritiert, da hier von einem Serienmörder die Rede ist, der allerdings für die Handlung an sich nicht von Bedeutung ist. Die Atmosphäre des Eingeschneitseins und der damit verbundenen Gefahr bzw. des Unbehagens kommt beim Lesen leider nur unzureichend zum Ausdruck. Erst im letzten Viertel nimmt die Story an Rasanz zu und kann durchaus überraschen, jedoch wirkt das Ende leider etwas überladen, da Handlungsstränge ins Zentrum gestellt werden, die vormals keine Rolle spielten. Darüber, wer letztendlich der/die Verschwundene bzw. das Mordopfer ist, werden Leserinnen und Leser lange im Unklaren gelassen; dieses ist einer der wenigen spannungsreichen Schachzüge der Autorin.

Der Roman wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Zum einen ist da das Jetzt, der 2. Januar, zum anderen wird die Geschichte vom Beginn der Reise her, also dem Tag vor Silvester, aufgerollt. So setzt sich das Bild nach und nach zusammen. Die Erzählperspektive wechselt dabei stetig: Im Zentrum stehen die Ich-Erzähler, die zum großen Teil gedankliche Reisen in die Vergangenheit, d.h. in die Studienzeit der Charaktere, unternehmen sowie das aktuelle Geschehen analysieren. Zu Beginn jedes Abschnitts wird angegeben, um wessen Perspektive es sich handelt. Lediglich Dougs Kapitel sind in der dritten Person geschildert. Trotz des immerwährenden Perspektivwechsels ist es leicht, die Sichtweisen einander zuzuordnen.

Mit den Charakteren konnte ich persönlich nicht viel anfangen, da sie alle auf mich doch sehr unreif, kindisch wirkten. Wenn man bedenkt, dass diese alle Erwachsene von Anfang/Mitte Dreißig sind, sind ihr Handeln, ihre Gedanken und ihr Buhlen um Anerkennung ihrer ehemaligen Kommiliton/innen meiner Meinung nach doch sehr schwer nachzuvollziehen. Hier erinnert der Roman eher an einen Jugendroman, in dem nach dem Platz in der Peergroup gesucht wird, als an einen spannenden Thriller für erwachsene Leser/innen. Lediglich Heather, die Managerin dieser Lodge, und mit Abstrichen auch Doug, der Hausmeister, handeln so, wie man es von Erwachsenen erwarten sollte. Zudem hat das Schicksal der beiden mich beim Lesen interessiert.

Sprachlich lässt sich Foleys Thriller flott und flüssig lesen. Allerdings habe ich beim Lesen vermisst, dass die unterschiedlichen Perspektiven auch sprachlich zum Ausdruck kommen.

Insgesamt handelt es sich bei Lucy Foleys „Neuschnee“ m.E. nicht um einen Thriller, sondern eher um eine psychologische Studie, die zwar stellenweise recht interessant zu lesen ist, mich persönlich aber nicht überzeugen konnte, da sie aufgrund des unreifen Verhaltens der Protagonist/innen nur an der Oberfläche kratzt. Außerdem werden durch den Klappentext Assoziationen geweckt, die das Buch nicht erfüllen kann. Ein Roman, den man lesen kann, von dem man sich allerdings nicht zu viel versprechen sollte.

Cover des Buches Die Bagage (ISBN: 9783446265622)

Bewertung zu "Die Bagage" von Monika Helfer

Die Bagage
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Eindrücklich und ergreifend – auf jeden Fall wert, gelesen zu werden.
Ein sehr persönliches Buch

Die Geschichte ihrer Familie erzählt Monika Helfer in ihrem knapp 160-seitigen Roman „Die Bagage“, erschienen im Februar 2020 im Carl Hanser Verlag.

Sie lebt abgeschieden, die Familie Moosbrugger – am Rande eines kleinen Dorfes, am Rande der Gesellschaft. Weitgehend Selbstversorger, hat sie kaum genug, um über die Runden zu kommen. Als dann der Erste Weltkrieg ausbricht, wird Josef, der Ernährer, eingezogen. Zurück lässt er seine schöne Frau Maria und seine Kinder, die von nun an mehr oder weniger auf sich gestellt sind – unterstützt allein vom Bürgermeister des Dorfes, der sich allerdings immer wieder an Maria heranmacht. Und dann ist da noch der hübsche Hannoveraner Kaufmann Georg, der ebenfalls seinen Weg zu Maria findet. Kurze Fronturlaube entfremden die Familie eher, als dass sie sie zusammenschweißen. Als Maria schwanger wird und Grete gebiert, keimt in Josef der Verdacht, dass seine Frau ihm ein Kuckuckskind ins Nest gesetzt hat … und er wird zeitlebens nie ein Wort mit diesem Mädchen, der Mutter der Autorin, wechseln.

Ich muss gestehen, dass ich mit anderen Erwartungen an das Buch herangegangen bin, als das Buch schließlich erfüllte. Ich dachte, mehr über Gretes Leben und Entwicklung zu lesen – wie schrecklich muss es sein, vom eigenen Vater ignoriert zu werden. Stattdessen erzählt Helfer die Geschichte sämtlicher Familienmitglieder, von 1914 bis hinein in die Gegenwart. Grete spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle, im Zentrum stehen Josef und Maria Moosbrugger.

Das Buch beginnt mit einem Idyll: Ein Bild soll gemalt werden, von einem kleinen Haus in einer heilen Welt. Leserinnen und Leser werden dabei direkt von der Autorin angesprochen, zum Stift zu greifen und loszulegen. Doch dann ein Bruch: „Die Wirklichkeit weht hinein in das Bild, kalt und ohne Erbarmen.“ (S. 7) Der Vater zieht in den Krieg, die Familie kämpft ums Überleben. Durch Vorgriffe in die spätere Geschichte zeigt Monika Helfer immer wieder auf, wie insbesondere die Kriegsjahre mit ihren Folgen das weitere Schicksal ihrer Familie geprägt haben. Besonders beeindruckt hat mich dabei, wie treffend sie am Beispiel ihres Großvaters Josef aufzeigt, wie der Krieg den einst selbstbewussten Mann und seine Beziehung zu seinen Lieben verändert hat.

Aber auch die Schwierigkeiten, die ihre Großmutter als schönste Frau des Dorfes, von Männern begehrt, von Frauen verachtet, hatte, wird plastisch insbesondere anhand des Bürgermeisters beschrieben. Dieser wankt immer wieder zwischen seinem Versprechen, sich um Maria zu kümmern, und seinem Begehren nach ihr. Wie geächtet die Familie Moosbrugger in ihrer Gemeinde ist, wird sehr anschaulich, wenn sie in der Kirche in der hintersten Bank knien und beten muss – auch hier, wo die Gemeinde sich am nächsten sein sollte, ist also kein Platz für die „Bagage“.

Vieles bleibt in diesem Buch unklar, die Familiengeschichte ist, wie wohl jede, von Legenden umwoben: Ist die im Krieg geborene Grete Josefs Tochter? Er bezweifelt es, die Familie glaubt es. Doch, wie oben schon beschrieben, hätte mich gerade Gretes Schicksal noch mehr interessiert, als es in diesem Buch erörtert wird.

Monika Helfers Sprache ist eher einfach, dem Inhalt der Geschichte dadurch jedoch umso angemessener. Auch hatte ich während des Lesens oftmals das Gefühl, mit der Autorin zusammen über das Leben ihrer Familie zu philosophieren, was in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass sie immer wieder Stichpunkte aufgreift, um auf spätere Schicksale zu schreiben zu kommen. Dieses hilft beim Lesen, tief in die Geschichte einzutauchen sowie mit der Familie mitzuleben und mitzuleiden.

Auch wenn das Buch nicht die Geschichte erzählt, die ich im Vorfeld erwartete, habe ich es nicht bereut, es zu lesen. Eindrücklich und mitreißend erzählt Monika Helfer hier eine, nämlich ihre (Familien-)Geschichte des 20. Jahrhunderts – jenseits von Ruhm und Geld, sondern eine Geschichte einer einfachen Familie fast am Rande der Gesellschaft, die zu lesen sich auf jeden Fall lohnt.  

Cover des Buches Blutige Gnade (ISBN: 9783404179589)

Bewertung zu "Blutige Gnade" von Leo Born

Blutige Gnade
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Spannend, rasant, hoch aktuell – ein echter Billinsky-Thriller eben.
Investigativjournalismus

Auch mit seinem vierten Mara Billinsky-Thriller, „Blutige Gnade“, konnte Leo Born mich abermals voll und ganz überzeugen. Erschienen ist dieser 444-seitige Roman im Januar 2020 bei Bastei Lübbe.

Ein zu Tode gefolterter Journalist. Ein Einbruch mit tödlichem Ausgang, bei dem nichts erbeutet wurde. Und schließlich ein Überfall auf die Mitarbeiter/innen einer Fleischfabrik. Die Arbeit scheint für Mara Billinsky und ihr Team kein Ende zu nehmen. Doch auch privat mangelt es der Kommissarin nicht an Abwechslung: Ihr Exfreund, Krux, tritt wieder in ihr Leben, und auch das Verhältnis zu ihrem Vater belastet sie nach wie vor. Kein Wunder, dass Mara dabei in die eine oder andere kritische Situation gerät.

Wie schon die Vorgängerromane, so beginnt Leo Born auch diesen Thriller mit einem wahren Trommelwirbel: Gleich drei scheinbar unzusammenhängende, teils sehr grausame Verbrechen ereignen sich in Frankfurt, dem Dienstort der exotischen Kommissarin Mara Billinsky. Dieses sorgt von Anfang an für Spannung, welche auch im Laufe der nachfolgenden Seiten kaum an Intensität verliert, ja mehrere Male sogar noch durch unvorhergesehene Wendungen neu angefeuert wird. Rasche Szenenwechsel, wechselnde Perspektiven und rasante Sprache tragen ihr Übriges dazu bei, den Spannungslevel aufrechtzuerhalten. Leserinnen und Leser sind sogleich von den Ereignissen gefangen und zermartern sich während des Lesens eigentlich unermüdlich den Kopf darüber, wer oder was eigentlich hinter den Verbrechen stecken mag. Dabei werden Zusammenhänge zwar im letzten Drittel immer ersichtlicher, dafür gelingt es dem Autor jedoch gegen Ende noch einmal, mit einer spektakulären Szene seine Leser/innen dazu zu bringen, den Atem anzuhalten.

Auch wenn die Verbrechen dieses Thrillers teils sehr brutal sind, vermeidet Leo Born allzu grausame Details, sodass man, wenn man nicht allzu zart besaitet ist, diesen Roman gut lesen kann, ohne Angst vor Albträumen haben zu müssen.

Dabei wird in diesem Roman wieder ein Blick auf die düstere Seite der Finanzmetropole Frankfurt geworfen: Hinter der schillernden Fassade tun sich Abgründe auf, im Bahnhofsviertel machen sich, wie in allen Großstädten, zwielichtige Gestalten breit, und schließlich darf auch das organisierte Verbrechen nicht fehlen. Doch wer beim Lesen glaubt, alleine hier die Lösung für die Verbrechen finden zu können, irrt: Die Lösung des Falls findet sich dort, wo wohl kaum jemand sie vermutet. Mitten unter uns sozusagen. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Jedenfalls ist es Leo Born ein weiteres Mal gelungen, ein aktuelles Thema mitsamt kritischer Anmerkungen in einen spannenden Thriller zu verpacken. Was will man mehr?

Mara Billinsky ist immer noch die „Krähe“, die Polizeibeamtin, die mit ihrer schwarzen Kleidung und ihrer finsteren Art auffällt, die aneckt. Aber dennoch kann man, wenn man die Romane als Reihe liest, entdecken, dass sie sich wandelt. Zwar ist sie immer noch die Einzelgängerin, doch wird sie offener für ihre Mitarbeiter*innen. Zeichen hierfür sind, dass sie sich durchaus auch kritisch betrachtet oder sich ein (lustiges) Geplänkel mit ihrem Chef gönnt. Gerade Letzteres empfand ich bei all der Spannung als sehr erheiternd. Sehr gut gefällt mir zudem die Entwicklung ihres Kollegen Jan Rosen, der zwar nach wie vor voller Selbstzweifel ist und über wenig Selbstbewusstsein verfügt, der aber zunehmend beginnt, sich aktiv in die Ermittlungsarbeiten einzubringen und eigene Wege zu gehen. Positiv hervorzuheben ist überdies, dass auch Maras Freunden Rafael und Hanno hier wieder mehr Platz eingeräumt wird.

Obwohl es sich bei diesem Thriller um den vierten Teil einer Reihe handelt und es immer wieder Bezüge zu den vorangegangenen Bänden gibt, sollte dieser Teil auch als Einzelband oder Einstieg in die Reihe lesbar sein. Ich jedenfalls finde, dass Born das richtige Mittelmaß zwischen Erklärungen und Vorwissen gefunden hat.

Alles in allem konnte Leo Born mich erneut in seinen Bann ziehen, und diesen vierten Band habe ich regelrecht verschlungen. Nach wie vor sind die Mara Billinsky-Thriller m.E. das Beste, was der deutsche Thrillermarkt momentan zu bieten hat. Und natürlich warte auch ich auf das Erscheinen des nächsten Teils.

Cover des Buches Das Evangelium der Aale (ISBN: 9783446265844)

Bewertung zu "Das Evangelium der Aale" von Patrik Svensson

Das Evangelium der Aale
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Lehrreich und poetisch. Eine ungewöhnliche Annäherung an ein außergewöhnliches Thema
Mysterien

Ich muss gestehen, dass Aale bis dato so gar nicht zu meinen Interessensgebieten zählten. Doch haben sowohl der ungewöhnliche Titel dieses Buches als auch das sehr ansprechende Cover mich zum Griff zu „Das Evangelium der Aale“ von Patrik Svensson animiert. Erschienen ist dieses 256-seitige Buch, teils Sachbuch, teils Roman, im Januar 2020 im Carl Hanser Verlag.

Der Autor ist an der schwedischen Aalküste aufgewachsen. Zusammen mit seinem Vater hat er die Aalfinsternis am Ende des Sommers dazu genutzt, diesen Fisch zu fangen. Immer wieder kommt Svensson in seinem Buch auf diese Zeit zurück, die weniger von Gesprächen, als viel mehr vom Schweigen geprägt war. Einem Schweigen, das Raum und Zeit gab, dem Leben nachzuspüren. Dem Leben der Fische, aber auch dem Leben an sich.

Immer wieder unterbrochen werden diese Szenen, die sich fast wie eine Liebeserklärung an seinen inzwischen verstorbenen Vater lesen, durch Kapitel, die dem Wissen über diese Fischart gewidmet sind. Dabei geht der Autor jedoch über rein naturwissenschaftliche Fakten, die selbstverständlich auch eine Rolle spielen, hinaus: So wendet er sich der Geschichte der Aalforschung zu, der Bedeutung, die Aal und Aalfang in den verschiedenen Kulturen hatten und haben, schreibt über die Bedeutung des Aals in Religion und Literatur und schlägt schließlich den Bogen zu Fangquoten der EU und zum Umweltschutz. Insgesamt wird so ein buntes Kaleidoskop dieses Meeresbewohners geschaffen, das darüber hinaus dazu anregt, sich mit unserem Dasein zu beschäftigen: Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Wie erleben wir – im Gegensatz zum Aal – das Sein? Ja, wer oder was sind wir eigentlich?

Mit dem Aal haben sich viele Menschen beschäftigt – sowohl berühmte als auch weniger berühmte. Zu den berühmteren zählen wahrscheinlich Aristoteles, Siegmund Freud, Günter Grass oder Rachel Carlson. Auch über das Leben und Werk dieser Persönlichkeiten erfährt die Leserschaft einiges Wissenswertes.

Svenssons Sprache ist eher romanhaft, stellenweise schon fast poetisch, als trocken und objektiv. Dabei gelingen ihm viele Passagen, die Leserinnen und Leser leibhaft teilhaben lassen am Geschehen – egal, ob es sich um nächtliche Angeltouren oder frühere Reisen rund um die Welt handelt. So ist dieses Buch nicht nur als Sachbuch lesenswert, sondern auch als Literatur.

Das Cover zeigt sich schlängelnde Aale im Stil alter Kupferstiche vor einem blau-grünlichen Hintergrund. Schon dieses ist eine Augenweide für sich.

„Evangelium“ bedeutet auf Deutsch „Frohe Botschaft“. Welche frohe Botschaft können diese Tiere uns Menschen bringen? Wie auch die biblischen Evangelien geben sie sicher keine leichte Antwort auf schwierige Fragen. Aber sie laden dazu ein, tiefer zu blicken, den Dingen auf den Grund zu gehen und sich mit unseren existenziellen Fragen sowie unserem Umgang mit der Natur zu beschäftigen.

Mit großen Erwartungen bin ich an dieses Buch mit seinem mir eher fern liegenden Thema herangegangen – und wurde nicht enttäuscht. Patrik Svensson ist es gelungen, mich von Anfang an zu faszinieren: Sei es für den Aal als für lange Zeit geheimnisvolles Wesen, sei es als kleine philosophische Abhandlung über das Leben als solches. So kann ich dieses Buch nur allen Leser/innen wärmstens empfehlen. Für mich ein klares Fünf-Sterne-Buch.

Cover des Buches Der Mongole - Kälter als der Tod (ISBN: 9783764506063)

Bewertung zu "Der Mongole - Kälter als der Tod" von Ian Manook

Der Mongole - Kälter als der Tod
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Eine sehr komplexe Handlung mit viel Brutalität, die einiges an Konzentration verlangt. Dank des ungewöhnlichen Settings lesenswert.
Überlebenskampf in der mongolischen Steppe

Zum zweiten Mal entführt Ian Manook Leserinnen und Leser mit „Der Mongole. Kälter als der Tod“ mitten hinein in die unwirtliche, winterliche Steppe der Mongolei. Erschienen ist dieser 560-seitige Kriminalroman im Januar 2020 bei blanvalet.

Es herrscht ein harter Winter in der Steppe der Mongolei, als Kommissarin Oyun zu einem außergewöhnlichen Leichenfundort gerufen wird: Unter einem eingefrorenen Yak-Kadaver wird der Leichnam eines unbekannten Mannes gefunden. Doch soll dieses nicht der einzige Leichenfund bleiben. Auch ihr Kollege Yeruldelgger wird mit mehreren Leichenfunden konfrontiert und gerät schließlich selbst unter Mordverdacht. Als er dann noch auf das Verschwinden von Kindern aufmerksam wird, ermittelt er auf eigene Faust und verfolgt eine Spur, die über Russland bis hin ins französische Le Havre führt. Fast zu spät stellt er fest, dass er sich in ein Wespennest gesetzt hat aus politischer Korruption und privaten Intrigen.

Um es vorweg zu sagen: Es braucht einiges an Konzentration und wahrscheinlich Vorwissen, um dem Romangeschehen problemlos folgen zu können. Die Zahl der Charaktere ist groß, immer wieder wird auf Ereignisse aus dem ersten Band Bezug genommen, die uns eher fremden Namen tragen ihr Übriges dazu bei, um für Verwirrung zu sorgen. Die Handlung an sich ist sehr komplex, es geht um Menschenhandel und Korruption, private Rachlust und politische Intrigen, und durchzogen von abrupten Szenenwechseln. Dieses ist definitiv kein Kriminalroman, den man einfach mal so nebenbei liest. Lässt man sich allerdings auf das Buch ein, bereitet es einige fesselnde Lesestunden.

Anfangs scheint es zwischen den einzelnen Fällen keinen Zusammenhang zu geben, doch kristallisiert sich nach und nach ein Schema heraus, wenn die einzelnen Ermittelnden ihre „Ergebnisse“ miteinander abgleichen. Am Ende ergibt sich, nach einem fulminanten Showdown mitten in der eisigen mongolischen Steppe, ein in sich geschlossener Fall.

Beginnt der Roman zwar spannend, aber dennoch mit teils makabrem Humor, gewinnt nach und nach die Brutalität die Oberhand. Als Leser/in sollte man diesbezüglich nicht allzu zart besaitet sein. Teils rührt die Brutalität aus der Natur, teils aus dem Handeln der Menschen. Doch auch Einblicke in das Leben und die Traditionen der mongolischen Nomaden sorgen das eine oder andere Mal für eine Gänsehaut.

Bestechen kann dieser Roman zweifelslos durch seine Einblicke in ein Land, das den meisten Leser/innen eher unbekannt sein dürfte. Mit imposanten, eindrucksvollen Bildern versetzt der Autor seine Leserschaft mitten hinein in den mongolischen Winter – mit Schneestürmen, Eiseskälte, wilden und domestizierten Tieren, uns fremden (religiösen) Traditionen und Lebensweisen. Die Probleme, mit denen dieser Staat auf dem Weg zu einer modernen Gesellschaft zu kämpfen hat, werden nicht verhehlt. So stoßen immer wieder Althergebrachtes und westliche Haltungen aufeinander, und ebenfalls die kommunistische Herrschaft der Sowjetunion wirft noch immer ihre Schatten auf das asiatische Land. Besonders eindrücklich wird dieses durch eine Reise in die Stadt Mardai, in der einst Uran gefördert wurde, oder nach Kransokamensk in Sibirien, ebenfalls berühmt für seinen Uranabbau und sein Straflager.  

Insgesamt präsentiert Ian Manook mit „Der Mongole. Kälter als der Tod“ einen teils vielleicht zu verwickelten Kriminalroman, der jedoch eindeutig durch sein ungewöhnliches, neugierig auf die Mongolei machendes Setting und seine intensiven Eindrücke punkten kann. Mich jedenfalls hat diese Lektüre alles in allem angesprochen, und mit dreieinhalb von fünf Lesepunkten empfehle ich sie gern weiter. Bei Gelegenheit werde ich auf jeden Fall zum ersten Band dieser Reihe greifen.

Cover des Buches Eine Familie in Deutschland (ISBN: 9783651025028)

Bewertung zu "Eine Familie in Deutschland" von Peter Prange

Eine Familie in Deutschland
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Nicht ganz so überzeugend wie der erste Band, aber dennoch sehr lesenswert.
Cover des Buches Der Attentäter (ISBN: 9783404179039)

Bewertung zu "Der Attentäter" von Ulf Schiewe

Der Attentäter
ElisabethBulittavor 4 Jahren
Kurzmeinung: Ein Ereignis, das die Welt verändern sollte, in einem Thriller verpackt. Spannender kann Geschichte nicht sein.
Ein Funke, der einen Flächenbrand auslöst

Der Erste Weltkrieg – grausamer und nachhaltiger hätte das 20. Jahrhundert kaum beginnen können, ein Ereignis, das das ganze Jahrhundert prägen sollte. Die Gründe für den Ausbruch desselben waren mannigfaltig, doch gilt das Attentat auf den Thronfolger Österreich-Ungarns, Erzherzog Franz Ferdinand, und seine Gemahlin, Sophie, am 28. Juni 1914 in Sarajevo als dasjenige Ereignis, das diesen ersten industriell geführten Krieg letztlich ausbrechen ließ. In seinem 512-seitigen historischen Thriller „Der Attentäter“, erschienen im November 2019 bei Bastei Lübbe, lässt Ulf Schiewe die letzte Woche vor diesem Anschlag Revue passieren und nimmt Leserinnen und Leser mit auf eine spannende Reise.

Obgleich das Ende und der Höhepunkt dieser Woche bekannt sind, liest sich dieser Thriller von Anfang bis Ende hoch spannend, was vor allem der atmosphärisch dichten Erzählweise des Autors sowie seiner ausführlichen Recherche zu verdanken ist. Mit seinem klaren, schnörkellosen Schreibstil lässt sich das Buch zudem flüssig lesen, sodass man sich voll und ganz auf den Inhalt konzentrieren kann.

Geschildert werden die Ereignisse auf drei Ebenen: Zum einen ist da die Reise des Thronfolgerpaares, deren Höhepunkt der Aufenthalt in Sarajevo ist. Neben historisch belegten Fakten wie dem Besuch eines Manövers in Bosnien und in Sarajevo, erhalten die Leser/innen durch fiktive Szenen Einblicke in das Privatleben der kaiserlichen Familie, was dieser Leben einhaucht. Ein weiterer Erzählstrang erweckt die Attentäter selbst zum Leben. Von Führungspersönlichkeiten des serbischen Geheimbundes „Schwarze Hand“ rekrutiert, handelt es sich bei diesen um historisch belegte Personen, die aufgrund ihrer detaillierten und lebendigen Beschreibung trotz der grausamen Tat sehr menschlich erscheinen. Als größtenteils 19-Jährige sehen sie sich durch die österreichische Regierung und ihre eigene Krankheit veranlasst, ihrem Leben einen letzten Sinn zu geben und in die Annalen der Geschichte einzugehen. Dieses lässt ihre Tat auf der einen Seite nachvollziehbar erscheinen, wirft aber auch die Frage auf, ob sie sich über die (möglichen) Folgen derselben im Klaren waren. Nicht zuletzt zeigt ihre Geschichte auch Parallelen zu heutigen (Selbstmord-)Attentätern auf, was den historischen Ereignissen immerwährende Aktualität verleiht. Am meisten von der Historie entfernt sind schließlich die Schilderungen rund um die Vertreter der Staatsmacht. Mit Rudolf A. Markovic, Major beim österreichisch-ungarischen Geheimdienst in Sarajevo, hat Ulf Schiewe hier einen lebensnahen Protagonisten erschaffen, der zwar versucht, in die historischen Geschehnisse einzugreifen und mit historischen Persönlichkeiten glaubhaft interagiert, der es aber auch nicht schafft, den Lauf der Geschichte „umzuschreiben“. Nichtsdestotrotz stellt sich hier die Frage, ob das Attentat hätte verhindert werden können – wird der Regierung doch tatsächlich im Nachhinein vorgeworfen, nicht für ausreichende Sicherheitsmaßnahmen gesorgt zu haben. Gleichzeitig verdeutlichen diese Schilderungen, wie viele Zufälligkeiten und Verkettungen unglücklicher Umstände unsere Geschichte prägen – und geben dem Roman die letzte Würze.

Eingeteilt ist der Roman in sieben Kapitel, jedes einem Tag der Unglückswoche im Juni 1914 gewidmet. Jedem Kapitel sind, passend zum jeweiligen Tag, originale Zeitungsartikel vorangestellt, die teilweise einen Blick über das Erzählte hinauswerfen und für neue Denkanstöße sorgen. Gerahmt ist das Ganze von einem Prolog und einem Epilog. Anmerkungen des Autors, in denen das weitere Schicksal der Attentäter sowie Recherchenotizen erörtert werden, ein Glossar sowie ein Personenverzeichnis, in dem fiktive Charaktere extra gekennzeichnet sind, ergänzen das Werk. Eine Karte von Sarajevo in der Buchinnenklappe ermöglichen es, den Weg der Attentäter mitzugehen.

Insgesamt präsentiert Ulf Schiewe mit „Der Attentäter“ einen historischen Thriller, der überaus spannend zu lesen und ebenso lehrreich ist. Von mir gibt es eine 100%-ige Leseempfehlung – ohne Wenn und Aber.

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