Bewertung zu "El Laberinto de Los Espiritus (Cemetery of Forgotten) by Carlos Ruiz Zafon (2016-11-22)" von Carlos Ruiz Zafón
Im letzten Teil der Tetralogie um den Friedhof der vergessenen Bücher verwebt Carlos Ruiz Zafón alle offenen Fäden und nicht nur das. Mit Alicia Gris führt er eine neue Hauptfigur ein: düster, gebrochen, unnahbar – eine klassische Femme fatale, der zu nahe zu kommen, gut überlegt sein will. Als Kind überlebt Alicia die grauenhaften Bombennächte des Spanischen Bürgerkriegs, die Barcelona in Schutt und Asche legten. Fermín Romero de Torres, der sympathisch-kauzige Besserwisser aus Teil 1 und 3, kommt gerade zur rechten Zeit, um die Achtjährige zu retten, als eine Fliegerbombe das Haus im Stadtteil Raval trifft, in dem sie mit ihrer Großmutter lebt. Doch noch in dieser Nacht verlieren sich die beiden bei einer weiteren Explosion und es vergehen zwanzig Jahre, bis sie sich wiedersehen sollen.
Die Zeiten aber haben sich geändert. Alicia, die eine schwere Hüftverletzung aus jener Bombennacht davon getragen hat, arbeitet für den obskuren Leandro, der sie beauftragt, das Verschwinden des Kulturministers und ehemaligen Gefängnis-Direktors Mauricio Valls zu untersuchen. Die Beziehung zwischen Alicia und Leandro ist undurchsichtige Hassliebe und Abhängigkeit zugleich, nicht zuletzt, da Leandro sie zwar vor Jahren von ihrem Leben als Straßenkind erlöst hat, sie aber seither mit Morphium versorgt, das die Schmerzen erträglicher macht, die seit jener Bombennacht des Jahres 1938 ihr ständiger Begleiter sind. Im Dunkeln bleibt auch, wer eigentlich Leandros Arbeitgeber ist – sicher scheint nur, dass er Alicias Drogensucht nutzt, um sie sich gefügig zu machen.
Die Ermittlungen im Falle Valls führen Alicia in den späten 50-er Jahren zurück nach Barcelona, wo sie über kurz oder lang in das Leben der Familie Sempere platzt, die der Leser bereits aus den Vorgänger-Büchern kennt. Unversehens sieht sich die düstere Femme fatale mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert – zu Zeiten, als ihre Eltern noch lebten, hatte ihr Vater die kleine Alicia mit in Semperes Buchhandlung in der Calle Santa Ana genommen – und einem Leben, das das ihre hätte sein können und von der Realität doch kaum weiter entfernt sein könnte…
Das Labyrinth der Lichter lässt sich langsamer an als der Schatten des Windes. Carlos Ruiz Zafón nutzt im ersten Viertel drei verschiedene Figuren-Perspektiven und das lässt die Geschichte zu Beginn eher plätschern als dahinrauschen. Das ist nicht langweilig, aber es war auch nicht so, dass ich das Buch nicht mehr hätte aus der Hand legen können. Spätestens bei der Hälfte allerdings wird das zum Problem, denn ab da wird es wirklich spannend. Ich war die ganze Zeit hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl, sofort wissen zu wollen, wie es weitergeht, und der Angst davor, zu erfahren, was als nächstes passiert.
Der Roman kam mir beim Lesen brutaler vor als die Vorgänger – zumindest expliziter. Bei der ein oder anderen Szene hätte ich im Kino sicherlich nur durch die Hand vor den Augen gelinst – im Buch ist das schwer möglich und die eigene Fantasie stellt die visuellen Vorgaben von Verfilmungen meist weit in den Schatten.
Auch emotional lässt Das Labyrinth der Lichter (ich beziehe mich hier übrigens auf die Spanische Originalausgabe El laberinto de los espíritus, die deutsche Übersetzung erscheint Mitte März beim Fischer Verlag) keine Wünsche offen. Nach all den Jahren erfahren wir endlich, was es wirklich mit dem Tod von Daniel Semperes Mutter Isabella auf sich hatte und auch die Geschichte des David Martín aus Das Spiel des Engels wird im Labyrinth klarer. Die Haupthandlung aber erzählt den Hintergrund des Verschwindens von Mauricio Valls – eine Geschichte, von der man sich nur wünschen kann, dass sie sich nicht ähnlich zugetragen hat.
Seid versichert, euch erwarten noch ein paar große Überraschungen!
Es wird sicherlich Menschen geben, die sich daran stoßen, dass Carlos Ruiz Zafóns Charaktere bis in die kleinsten Nebenrollen hinein einen ausgesprochenen Hang zu beißender Ironie und eloquenten Wortgefechten haben. Auch mir selbst war es manchmal zu viel, es erschien doch allzu dick aufgetragen bisweilen, andererseits sind die Dialoge dadurch oft gepfeffert und meist witzig.
Als ich das Buch am Ende mit tränennassem Gesicht zuklappte (ja, ich weiß, ich bin eine Memme), wurde mir doch weh ums Herz. Nach all den Jahren ist die Geschichte um Daniel, Bea, Fermín, Julián Carax und all die anderen nun also abgeschlossen. Alles in allem ein hochkompliziertes Geflecht von Beziehungen, deren Zentrum jener Friedhof der vergessenen Bücher bleibt, mit der bereits Der Schatten des Windes beginnt.
Ich werde es nicht sagen müssen, denn für alle Fans des Schatten des Windes ist es ohnehin klar: Das Labyrinth der Lichter ist ein Muss.