Bewertung zu "Die Kobra von Kreuzberg" von Michel Decar
Beverly Kaczmarek, Küken des legendären Familienclans Kaczmarek, will endlich ihr eigenes Ding machen.
Türschlösser knacken, einfacher Diebstahl - das wurde ihr praktisch in die Wiege gelegt. Endlich will sie aus dem Schatten ihrer Brüder Yves und Billy treten und als Großverbrecherin durchstarten.
Die Quadrigia auf dem Brandenburger Tor soll es sein.
Ganz im Alleingang geht es allerdings nicht. Mit dem Wetteranarchisten Dragan Vidovic´beschließt sie, gemeinsame Sache zu machen. Dragan, dessen neuestes Meisterwerk eine vorgegaukelte Wetterkrise ist, soll für das entsprechende Ablenkungsmanöver sorgen, während Beverly den Coup ihres Lebens begeht.
So einfach ist es dann aber doch nicht...
Innerhalb von 200 Seiten fächert sich hier eine bis ins kleinste Detail ausgearbeitete Welt auf, durch die Michel Decar mit Verve und grandiosem Humor leitet. Sehr filmisch erzählt, teils im wahrsten Sinn des Wortes aus der Vogelperspektive (des Falken José) folgen wir dem Geschehen zwischen Familienehre, Meisterdiebstahl, schlangenzüngigen Dialogen und Tabakrauch - mit herrlich unaufgeregter Situationskomik.
Wir lernen Verbrecher kennen, die mafiös die Fäden gravierender Kriminaldelikte spannen, für die Zahnhygiene aber das A und O ist.
Hochkriminell, aber anständig.
Zwielichtig, aber grundehrlich.
Da wird über den Rosinenanteil in Backwaren ebenso energisch debattiert wie über die Glaubhaftigkeit des Urknalls.
Man knuspert sich durch die Seiten wie bei Blätterkrokant.
Es hat mich zum Lachen gebracht, köstlich unterhalten.
Es war, als hätte man einem Schauspiel beigewohnt und sich vorübergehend in eine andere Realität forttragen lassen.
Genau wie Decars Erstling, Tausend deutsche Diskotheken, eine Riesenempfehlung, direkt aus dem Herzen!