Enaria

„Je lauter die Stille“ handelt vom Erwachsenwerden. Die Hauptprotagonistin ist Mila, eine Studentin, die sich oft verloren fühlt. Lena Luisa Leisten schreibt das Buch in moderner Sprechweise, in Ich-Perspektive und versucht den Leser auf emotionaler Ebene abzuholen. Es ist das Debüt der Autorin und dies merkt man auch, da es öfter während dem Lesen holpert und der Stil anstrengend wird. Leider war es kein Buch für mich. Mit Mila konnte ich nicht warm werden und ihre Freundinnen mochte ich schlicht überhaupt nicht. Spannung oder irgendetwas, das mich bei der Stange gehalten hätte, fehlt komplett. Streckenweise war es recht zäh und ich habe mich gefragt, was die Handlung dieses Buchs denn nun ausmacht. Ich habe „Je lauter die Stille“ dann doch irgendwann fertiggelesen, allerdings brauchte ich dazu mehrere Versuche. Einen Lesetipp kann ich hierfür nicht erteilen.

Walter und Barbara Schmidt sind ein älteres Ehepaar, so wie es vielleicht unsere Großeltern sind oder waren. Eine Generation mit einer Rollenverteilung, die wir heute nicht mehr häufig finden. Herr Schmidt kennt seine Barbara schon lange, gemeinsam sind sie alt geworden und haben Kinder aufgezogen. Herr Schmidt war dabei stets derjenige, der zur Arbeit ging und das Geld nach Hause brachte. Der Ernährer eben. Barbara kümmerte sich um den Haushalt, den Einkauf, die Kinder und wenn Herr Schmidt abends von der Arbeit kam, dann stand das Essen schon auf dem Tisch. 

Doch plötzlich ändert sich alles, Herr Schmidt wird aus seiner Routine gerissen und steht vor neuen Herausforderungen: Denn Barbara fällt ohne jede Vorwarnung aus. Und nun muss Herr Schmidt sich seinen Kaffee selbst kochen, für Essen sorgen und all das Schultern, das bisher ohne eine Bemerkung von seiner Ehefrau erledigt wurde.

„Barbara stirbt nicht“ von Alina Bronsky ist ein Buch, das mich an den ein oder anderen älteren Herren aus meinem Bekanntenkreis erinnert. Das macht dieses Thema greifbar und so realitätsnah. Es ist eine Geschichte über einen Mann, der an seinen Herausforderungen wächst, sich beginnt zur reflektieren, sich entwickelt und Neuem öffnet. Diese Charakterentwicklung, die das gesamte Buch trägt, war großartig umgesetzt. Ich hatte Mitleid mit den Figuren, grinste manchmal über Herrn Schmidts verbohrte, brummige Art und wunderte mich über sein Talent einfach die Augen vor der Realität zu verschließen. Er will nicht sympathisch sein, er war auch bisher kein auffällig liebenswürdiger Ehemann und Vater, aber seine Geschichte fasziniert und fesselt. Einzig das Ende kam sehr abrupt und lässt für mich wichtige Fragen offen.

Insgesamt ist Alina Bronskys „Barbara stirbt nicht“ ein Buch, das sich schnell liest und sich perfekt anbietet für ein verregnetes Wochenende auf dem Sofa. Kurzweilig, gekonnt erzählt, manchmal humorvoll, aber immer dicht am Leben. 

„Das Kind von Gleis 1“ von Gill Thompson ist ein Buch, das von wahren Begebenheiten inspiriert ist. Es handelt von den Kindertransporten, die von den Quäkern organisiert wurden, um jüdische Kinder aus den von Nazis besetzten Ländern nach England zu bringen. Wir Leser tauchen dabei ein in das Leben von Eva und ihrer Familie, die jüdischen Glaubens sind und in Prag leben. Als sich die Lage in Prag zuspitzt, beschließt Eva ihre Tochter Miriam mit einem Kindertransport nach England zu schicken. Dies macht sie heimlich, denn sie weiß, dass ihr Ehemann dagegen ist.

Das Buch spannt sich über viele Jahre und springt dabei zwischen den Perspektiven; es erzählt von Evas Erlebnissen ab dem Jahr 1930, aber auch von Miriam und ihrer englischen Gastfamilie. Beide Familien werden durch diese tragische Zeit miteinander verbunden, erleben viel Schmerz und Traurigkeit, aber auch Liebe und Hoffnung.

Die Handlung von „Das Kind von Gleis 1“ spielt während dem 2. Weltkrieg, sodass natürlich auch themenbedingt der Holocaust bzw. das Leben in Konzentrationslagern und die grausame Behandlung der jüdischen Bevölkerung beschrieben werden. Die Geschehnisse dieser furchtbaren Zeit schildert Gill Thompson so authentisch, dass ich bei mancher Buchseite schwer schlucken musste. Der berührende Erzählstil und die Gewissheit, dass all dies nicht bloße Fiktion ist, sondern viele Menschen genau das erlebten, machen das Herz schwer. Ich bewundere den Mut und die Stärke von Eva, aber auch von Hana, die Großherzigkeit der englischen Familien und auch Miriam, die einsam und fernab der Heimat ein Leben findet. Es sind starke Frauen, die hier im Mittelpunkt stehen.

Gill Thompsons Werk ist ein Buch, das einen tief ergreift, das nach der letzten Seite weiter im Gedächtnis bleibt und einen nicht so schnell wieder los lässt. Es gehört auf jeden Fall zu den besten Büchern, die ich bisher in diesem Jahr gelesen habe.

Das Buch „Das Geheimnis der Baumeisterin“ hat mich sofort angesprochen, da der Klappentext interessant klang und ich schon von den holländischen Vierteln in Potsdam gehört habe. Birgit Jasmund schafft mit ihrem Schreibstil auch eine authentische Atmosphäre des Jahres 1733 und der folgenden Zeit. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie es sich damals gelebt hat und wie das damalige Frauenbild aussah. Im Mittelpunkt der historischen Erzählung steht dabei die Holländerin Nynke, die mit ihrer jüngeren Schwester Anna und deren Ehemann Jan nach Potsdam zieht. Jan bekam den Auftrag des preußischen Königs holländische Häuser zu bauen und vor Ort als Baumeister den Bau voran zu treiben. Nynke begleitet Jan oft zur Baustelle und beobachtet dort das Geschehen.

Leider steht bis ca. 40 % des Buches die Baustelle und deren Schwierigkeiten im Mittelpunkt. Es passiert recht wenig, außer dass darüber berichtet wird wie feucht der Boden ist, wie damit umgegangen wird, wie die hiesigen Bauarbeiter den Holländern das Leben schwer machen etc. Dies liest sich recht zäh und ich habe mich mehrmals gefragt, worum es in „Das Geheimnis der Baumeisterin“ denn nun geht. Doch dann taucht Matthias auf, in den sich Nynke verliebt. Aber kurz darauf ist Matthias auch schon wieder verschwunden…

Ohne zu viel verraten zu wollen, lässt mich dieses Buch nun sehr gespalten zurück. Mir gefiel das historische Setting und in das alte Potsdam eintauchen zu können, aber damit war es das leider auch schon. Negativ empfunden habe ich die nicht sehr ausgewogene Spannungskurve, aber auch Nynkes Entwicklung. Sie erscheint mir mit fortschreitender Seitenzahl immer ich-bezogener, wenig empathisch, daneben wirkt die Handlung des letzten Drittels konstruiert und der Titel „Das Geheimnis der Baumeisterin“ passt für mich auch nicht 100% zum Buch. Insgesamt war das Leseerlebnis für mich daher sehr durchwachsen.

„Die Mitternachtsbibliothek“ ist das neuste Werk von Matt Haig, den ich bereits von „Wie man die Zeit anhält“ kennt. Die dunkelblaue Gestaltung des Hörbuchs ist wirklich toll anzusehen und gefällt mir ausgesprochen gut.

In Matt Haigs Buch geht es um Depressionen und die Neugierde zu erfahren, wie sich das eigene Leben entwickelt hätte, hätte man andere Wege eingeschlagen und sich in mancher Situation anders entschieden. Im Mittelpunkt von „Die Mitternachtsbibliothek“ steht dabei Nora, die sich unbedeutend fühlt und frustriert ist. Sie beschließt zu Sterben und landet daraufhin in einem Zwischenraum von Leben und Tod: Der Mitternachtsbibliothek. Mrs Elm nimmt Nora dort in Empfang und führt sie durch verschiedene Versionen von Noras möglichen Lebens. Sie kann jedes Leben ausprobieren, testen und dabei erforschen wie sie sich dabei fühlt.
Leider wurde ich mit Nora nicht wirklich warm, die Geschichte rund um „Was wäre wenn…“ fand ich aber sehr interessant und die Idee dahinter spannend. Für mich eine neue Erfahrung war, dass ich das Gefühl hatte, die Message hinter dem Buch stehe viel stärker im Fokus als die Geschichte, die eine Message transportieren soll. So hat sich das Hörbuch manchmal eher nach einem Selbsthilfebuch angefühlt, was mir nicht ganz so gut gefallen hat.

Annette Frier, die das Hörbuch liest, macht auf jeden Fall einen hervorragenden Job. Ihre angenehme Stimme lässt „Die Mitternachtsbibliothek“ zu einer kurzweiligen Unterhaltung werden.

„Wenn in mir die Glut entflammt“ von Abby Jimenez ist mein erstes Buch der Autorin. Zwischen den Buchdeckeln erwartet uns die Geschichte von Sloan und Jason. Jason ist Musiker und gerade im Ausland unterwegs, als sein Hund Tucker in L.A. den Verkehr lahm legt und kurzerhand beschließt durch das kaputte Autodach auf Sloans Schoß zu hüpfen. Sloan ist gerade auf dem Weg, um das Grab ihres vor 2 Jahren verstorbenen Verlobten zu besuchen. Tucker ist somit ein kleiner Kuppler, denn durch ihn lernen sich Jason und Sloan kennen. Zuerst per Telefon und Textnachrichten, dann auch persönlich. Und die beiden haben eine tolle Chemie, ergänzen sich und wecken Gefühle ineinander. Jason verrät ihr allerdings nicht gleich, wer er wirklich ist… Und mit seiner zunehmenden Berühmtheit und einer anstehenden Tour, wird es nicht einfach für die beiden.

Abby Jimenez leitet jedes Kapitel mit einem Songtitel ein. Die Autorin hat wirklich eine gute Auswahl getroffen, denn sie passen gut zur Stimmung der Kapitel und das gefiel mir wirklich. Für mich war auch die ein oder andere Entdeckung dabei, die direkt in meiner persönlichen Playlist gelandet ist.

Mein heimlicher Star von „Wenn in mir dir Glut entflammt“ ist Tucker. Er hilft Sloan aus ihrem Loch herauszukommen, wieder Freude am Leben zu finden. Jason hingegen ist ein sehr verständnisvoller, loyaler, hilfsbereiter Mensch, aber er ging mir von Anfang an ein bisschen zu forsch heran. Er flirtet offensiv, hartnäckig und wenn ich mir vorstelle, dass ich in Sloans Haut gesteckt hätte, dann hätte ich die fast schon aufdringliche Kommunikation vielleicht sogar negativ empfunden. Ein kleines bisschen Insta-Love-Feeling kam dabei auch auf. Am Anfang geht alles echt schnell.

Durch das Buch hinweg wird auch immer wieder betont, wie hübsch Sloan ist. Eine Knallerfrau. Eine Frau bei der man nicht weg gucken kann. Früher hat sie an Schönheitswettbewerben teilgenommen. Auch das war mir zu überzogen. Sloan präsentiert sich fortschreitend als perfekte Figur ohne Ecken und Kanten. Das sind aber auch alle Kritikpunkte, die ich habe…

Das Buch liest sich schnell, die Gespräche zwischen Sloan und Jason amüsieren und ihr Herz für Tucker verbindet die beiden wunderbar. Das Buch ist eine schöne Unterhaltung für den Sommer - nicht zu aufregend oder anspruchsvoll, sondern macht einfach Spaß. Es ist eine Geschichte, die man in der Hängematte oder im Gartenstuhl liest, sommerlich leichtes Kopfkino mit Gefühl.

Mai Thi Ngyuen-Kim kenne ich aus dem Fernsehen, aber wirklich bewusst auf sie aufmerksam wurde ich durch ihre Auftritte in Polit-Talkshows. Und genau dort hörte ich auch das erste Mal von diesem Buch: "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit". Für vielseitig interessierte Menschen, erklärt die Autorin unterschiedliche Themen, beleuchtet Fakten, entlarvt Mythen und führt Studienergebnisse auf. Es geht um Corona, Legalisierung von Drogen, Gender Pay Gap und mehr. Manchmal fliegen die Seiten so dahin, es ist kurzweilig, an anderer Stelle wird es zäh und Mai Thi Ngyuen-Kim driftet in Statistik war. Der Stil ihres Buchs ist dabei frech, sie duzt uns Leser und so hat das Buch wenig Sachbuch-Charakter, sondern eher ein bisschen "Sendung mit der Maus"-Feeling. Grundsätzlich gefällt mir der lockere Tonfall gut, manchmal habe ich aber den Eindruck, dass Themen vielleicht zu einseitig betrachtet werden. Trotzdem aber ein gelungenes Buch, das bildet und gleichzeitig unterhält.

Claudia Praxmayer lebt mit ihrem Mann auf einem Hof und liebt die Natur. In diesem Buch zeigt Claudia Praxmayer wie sie ihren Traum umsetzen konnte: Ein Stück Land bewirtschaften. Dieses wilde Paradies hegt, pflegt und bearbeitet sie unter ökologischen Gesichtspunkten.

In ihrem Buch „Wildes Paradies“ berichtet sie authentisch von dieser Entwicklung, worauf sie achtet, was ihr besonders wichtig ist. Die Fotos dazu sind ein Traum. Dass ihr Herz an diesem Stück Erde hängt merkt man dabei in jedem Wort und jedem Bild. Das Buch ist ein bisschen wie ein Spaziergang durch ihre Welt, während dem sie aber nicht nur Tipps für den eigenen Garten oder Balkon gibt, sondern es gibt auch allerlei Neues zu erfahren. Das Buch wirkt dabei keinesfalls belehrend, sondern ermutigt auch selbst zu wagen und mutig zu sein. „Wildes Paradies“ will inspirieren und kein reines Sachbuch sein. Das gelingt auch gut.

Gelernt habe ich trotzdem viel. Über tierische Helfer und Nützlinge, über Obstanbau oder über gute Partner im Gemüsebeet. Besonders gefallen hat mir der Tipp, dass auch auf einem Balkon eine „wilde Ecke“ gestaltet werden kann, um vor allem etwas für Insekten und Vögel zu tun. Bei mir gibt es dieses Jahr daher zusätzlich einen Balkonkasten mit Wildblumen.

„Wildes Paradies“ ist damit ein schön gestaltetes Werk, das sich wunderbar im Liegestuhl unter der Sonne lesen lässt und viel Lust bereitet, selbst zu gärtnern. 

In diesem Buch geht es um Liebe, Geheimnisse, um Träume und die eigene Selbstverwirklichung. Daneben spielt auch Mode eine große Rolle und 2 Frauen, die wir auf verschiedenen Zeitebenen begleiten. Estellas Geschichte beginnt im Jahr 1940 als Schneiderin während die Geschichte ihrer Enkelin Fabienne im Jahr 2015 spielt. Mir gefallen Bücher, die zwischen Gegenwart und Vergangenheit wechseln und dabei einen roten Faden verfolgen. Die Autorin verbindet die beiden Erzählstränge ganz wunderbar, erzählt spannend und faszinierend von der Modewelt und wie das Schicksal es den beiden Frauen nicht leicht gemacht hat. Trotzdem gehen Estella und Fabienne ihren Weg und das ist wirklich toll zu verfolgen. Leseempfehlung!

Die Gestaltung des Buchs ist wirklich schön, das Cover trifft voll meinen Geschmack und auch wenn es nicht sonderlich dick ist, so trägt es doch eine Portion Gedankenfutter in sich. Zwischen den Buchdeckeln geht es um folgendes: Eine Frau trifft bei einem Waldspaziergang auf eine ältere Frau, die ihr von vier Fragen erzählt. Diese vier Fragen, sollen zum nachdenken anregen und das eigene Leben verändern. Diese vier Fragen, die natürlich auch den Leser zum Grübeln bringen, passen zu allen Lebenslagen hinsichtlich Familie, Alltag und Beruf. In den Fragen kann man sich selbst wiedererkennen. Allerdings sollte man das Buch nicht als Roman betrachten, sondern vielmehr als geschickt verpackte Tipps, die in stressigen Situationen helfen können.