Erste Gedanken:
Ich brauchte dringend eine Pause von Jugendbücher und irgendwie stach mir dieses kleine Büchlein ins Auge. Zudem gefiel mit der Klappentext auf Anhieb und dass die Geschichte in England angesiedelt war, machte es umso interessanter für mich als kleiner England Fan.
Meine Meinung:
Deine Juliet ist eigentlich ein Briefroman. Das jedoch wusste ich vorher nicht - musste ich wohl irgendwie überlesen haben. Blöd nur, dass ich normalerweise Briefromane nichts abgewinnen kann, da es mich sehr schnell langweilt, was hier eindeutig nicht der Fall war.
Wir schreiben das Jahr 1946. Noch immer sind in London die Nachwirkungen des Krieges spürbar. Die Stadt ist zertrümmert, die Leute traumatisiert und das Essen rationiert. Und inmitten des Chaos schreibt die Schriftstellerin Juliet Ashton humoristische Geschichten und versucht damit ihre Nation wieder aufzuheitern. Eines Tages bekommt sie einen Brief von einem gewissen Dawsey Adams, der eines von Juliets Büchern antiquarisch erworben hat und zudem Mitglied des Litaturclubs "Club der Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf" ist. Ja, der Name ist merkwürdig, genauso wie seine Entstehungsgeschichte und deren Mitglieder. Ein Briefwechsel entsteht und so lernt Juliet Schritt für Schritt Dawsey, das Leben auf Guernsey und ihre Bewohner kennen.
Mary Ann Shaffer ist mit Deine Juliet einen sehr erfrischenden Roman gelungen, der viele skurrile und witzige Figuren aufweisen kann. Nämlich nicht nur mit Dawsey schreibt Juliet Briefe, sondern auch mit fast dem gesamten Club und ein paar Bewohnern der Insel. Das führte jedoch auch manchmal dazu, dass man den Überblick verlor, welcher Bewohner, welche Geschichte erzählt. Allerdings hatte jeder Briefeschreiber auch seinen eigenen, eigenwilligen Charakter abbekommen, sodass man am Ende das Gefühl hat, sie alle zu kennen. Vor allem die eigenwillige, etwas schrullige Isola und die müttliche, aber robuste Amelia haben es mir angetan. Sie waren alle so liebenswert und auf ihre Art besonders. Oft musste ich über ihren verrückten Ansichten schmunzeln und war beeindruckt, wie sie den Krieg standhielten und sich nicht unterkriegen haben lassen.
Jeder Charakter hat seinen Teil beizutragen oder seine Geschichte zu erzählen. Schön fand ich den Zusammenhang von Krieg und Literatur. Leider wurde Guernsey 5 Jahre während der Kriegszeit von Deutschen belagert und von der Außenwelt komplett abgeschottet, weswegen sie nur sich selbst und die Literatur hatten. Brief für Brief erzählen sie Anekdoten, wie sie während der Kriegszeit aus den glücklichen Momenten schöpften und wie sehr ihr die Literatur dabei geholfen hat.
An dieser Stelle kommt Mary Ann Shaffers Tätigkeit als Buchhändlerin und Bibliothekarin zu gute. Denn sie gibt den Figuren ihr Wissen weiter. Ich habe dabei auch allerhand gelernt und neue Schriftsteller, Lyriker und Zitate für mich entdeckt.
Besonders gelungen fand ich die Beschreibung der Kulisse von Guernsey. Jeder Bewohner, selbst Juliet, schwärmten in ihren Briefen von der atemberaubenden Küste, den Feldern, dem Meer und den prächtigen Häusern, sodass ich kurz davor war, meinen nächsten Urlaub zu buchen. Man kann sich kaum vorstellen, wie schlimm es während der Besatzungszeit dort zugegangen sein musste, da die Deutschen alles abgrasten, was ihnen über den Weg lief. Aber mit ihren Optimismus und die Liebe zur Literatur haben die Bewohner es geschafft, diese schlimme Zeit zu überleben.
Mein Urteil:
Wer Interesse an Briefromane, der Nachkriegszeit und Literatur hat, wird hier wohl fündig. Für mich war es eine kleine Überraschung, denn ich habe nichts erwartet und viel bekommen. Einziger Kritikpunkt sind die sehr vielen Brieffreunde, mit denen Juliet, und auch der Leser, klar kommen muss.