Bewertung zu "The Sandman -Preludes & Nocturnes" von Sam Kieth
Der Sandmann ist eine gequälte, tragische Figur, die es durchaus mit den großen Leidenden der Weltliteratur aufnehmen kann. Er ist der Herrscher der Träume, der guten und schlechten, kurz „Dream“. Einem Shakespeare-Helden gleich plagt er sich nach Jahrzehnten in nicht gerechtfertigter Gefangenschaft durch Menschen, all seiner Kräfte und seines Reiches beraubt, den Sinn seines „Lebens“ wiederzufinden. Der Sandmann sollte eigentlich ein Superheld aus der DC Welt sein, doch er weigert sich dagegen und Gaiman entwickelte ihn konsequent und trotzig in eine andere Richtung. Schon von der ersten Seite an sträubt er sich in ein heroisches Raster zu rutschen. Er ist melancholisch, depressiv, menschlich und unmenschlich zugleich. Und er wird umringt von anderen, sehr zugänglichen und alles andere als glatten Charakteren, mit denen man sehr schnell zu sympathisieren beginnt. Im ersten Band begleiten wir die sympathische, schwarze Seele dabei, ihre alte Macht wieder zusammen zu klauben und lernen sein nahezu untergegangenes Reich kennen. Ganz unbemerkt wächst uns der große Stille dabei ans Herz.
Ein Kennzeichen Gaimans ist, dass er Mythologie und Alltag, Vergangenheit und Gegenwart, Literatur und Historie fließend ineinander webt. Man trifft auf mythologische und biblische Figuren und auf Charaktere, die man so auch bei der morgendlichen U-Bahn-Fahrt erlebt. Im ersten Sammelband „Preludes & Nocturnes“ finden sich noch einige Inkonsistenzen im Vergleich zum Rest der Reihe, gerade in der Visualisierung. Trotzdem ist das Werk durchzogen von besonderen Schmuckstücken, die den ersten Sandman besonders machen. In späteren Bänden werden Stolpersteine nacheinander ausgemerzt, Gaiman findet zu seinem Stil. Die generelle Vielfalt und Veränderung der Reihe liegt natürlich aber auch daran, dass er mit unterschiedlichen Zeichnern zusammenarbeitete. Und mit dem Zeichner Sam Keith ist ihm ein guter Auftakt gelungen, den man sich nicht entgehen lassen sollte. Letztendlich verschmelzen fantastische Welten mit der unseren äußerst kunstvoll zu einem Gesamtwerk, mit, man kann es wirklich sagen, philosophischer Tiefe.
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