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Gela_HK

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Cover des Buches Fräulein Schopenhauer und die Magie der Worte (ISBN: 9783404191888)

Bewertung zu "Fräulein Schopenhauer und die Magie der Worte" von Lucca Müller

Fräulein Schopenhauer und die Magie der Worte
Gela_HKvor 6 Monaten
Ohne Freiheit kein Glück

Den Philosophen Schopenhauer kennt man, doch wer waren seine Mutter und Schwester? Zwei erfolgreiche und eigenständige Frauen, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts im kriegsgebeutelten Weimar einen Neuanfang beginnen. Ihr unkonventioneller Literatursalon weckt schnell das Interesse heimischer Künstler und selbst Johann Wolfgang von Goethe bietet ihnen die Freundschaft an. Erst aus der Not heraus entdecken beide Frauen ihr schriftstellerisches Talent und begeistern die Kritiker.

Lucca Müller hat mit dieser lebhaften und glaubwürdig geschriebenen Romanbiographie zwei Frauen aus dem Schatten des Philosophen Arthur Schopenhauers gehoben. Es wird sicherlich nicht nur mir so ergehen, dass man den Philosophen nicht aber seine Familie kennt. Seine Schwester Adele, die 1806 mit ihrer Mutter Johanna von Hamburg nach Weimar zieht, steht in diesem Roman im Fokus. Die Abhängigkeit der Frauen und die Voreingenommenheit der Männer werden deutlich herausgearbeitet. 

"Ein Mädchen tat gut daran, sich anzupassen."

Um so erstaunlicher ist es, dass die verwitwete Johanna sich von allen Zwängen lösen kann und zusammen mit ihrer Tochter Adele über Jahre einen eigenen Haushalt führt. Der Wahlspruch der Schopenhauers "Ohne Freiheit kein Glück" wird hier gelebt. 

Durch den Roman habe ich auch die dazugehörigen Biografien angelesen und war sehr überrascht, wie nah die Autorin sich an die wahren Begebenheiten gehalten hat. Ein wenig mehr Fiktion hätte den Charakteren Wärme und Ausstrahlung verliehen. Es mag aber auch sein, dass die Vorstellung nur vom Geld anderer abhängig zu sein, so gar nicht meinem Verständnis entspricht. Adele ist zeit ihres Lebens vom Geld ihres verstorbenen Vaters abhängig. Erst spät wurden ihre Romane veröffentlicht und werden sicherlich auch nicht zum vollständigen Ausgleich der Kosten beigetragen haben. 

Die Handlung bleibt sehr nah bei den beiden Frauen. Die Gesellschaften im Literatursalon - insbesondere die Treffen mit Johann Wolfgang von Goethe - werden sehr detailliert beschrieben. Er ist es auch, der Adele fördert und erste Gedichte zusammen mit ihr verfasst. Leider wiederholen sich manche dieser Schilderungen und oberflächliche Gespräche zwischen Freundinnen und Gästen können getrost übersprungen werden. 

Adeles Verwirrtheit bei der Suche nach einem Partner zeigt, wie sehr das vorgegebene Ideal von Mann und Frau vorgezeichnet war. Zaghafte Versuche einen Ehemann zu finden scheitern an ihrem Freiheitsdrang und dem Bewusstsein, dass mit der Ehe auch die Abhängigkeit zum Mann einhergehen würde. Spät lernt sie ihre wahren Gefühle kennen und kann dank der Unterstützung durch die Autorin Droste zu Hülshoff diese auch ausleben. 

Erbost hat mich die ruppige und unangenehme Art Arthur Schopenhauers, der vor lauter Feindlichkeit allem Menschlichem gegenüber selbst die eigene Familie und auch jedwede finanzielle Unterstützung ablehnt. Trotz allem fühlen sich Schwester und Mutter ihm weiter verbunden, auch wenn sie sich einig sind:  

"Die Liebe zu Arthur schrumpfte mit der Nähe und stieg mit der Entfernung an."

Die Verwandlung einer Biografie in eine Romanhandlung ist der Autorin sehr gelungen. Lediglich die geschichtlichen Hintergrundinformationen kommen ein wenig zu kurz und hätten der Handlung mehr Lebendigkeit eingehaucht. Dies war nur in den frühen Kriegsjahren in Weimar zu spüren. 


Cover des Buches Marschlande (ISBN: 9783103974966)

Bewertung zu "Marschlande" von Jarka Kubsova

Marschlande
Gela_HKvor 7 Monaten
Unvorstellbares Leid einer starken Frau

Zwei Frauen, die 500 Jahre voneinander trennen, doch beide leben in den Vier- und Marschlanden in Ochsenwerder. Britta versucht ihren eigenen Weg zu finden und stößt dabei auf die schicksalhafte Geschichte von Abelke Bleken, die als alleinstehende Hofbesitzerin keinen leichten Stand in einer Gesellschaft voller alter Bräuche und Vorurteile hatte.

Jarka Kubsova hat einen unvergleichlichen Schreibstil. Besonders der Blick in die Vergangenheit nimmt einen gefangen und vermittelt ein Gefühl für das harte Leben auf dem Land. Man riecht förmlich den schweren Dunst in den Häusern, fühlt sich vom Nebel auf dem Land umfangen und empfindet die Last der Protagonisten. Was ein Brack ist, habe ich erst durch die anschauliche Beschreibung des von der Flut geschlagenen Wasserloches erfahren. Besonders aber die Frauen in Gegenwart und Vergangenheit spielen eine besondere Rolle. 

Das Nachwort zum Roman hätte ich mir am Anfang als Einleitung gewünscht, da hier viele Erklärungen gegeben werden, warum der Blick auf die handelnden Frauen so besonders ist. 

 "Frauen erlitten im Zuge des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus einen einzigartigen Prozess sozialer Degradierung, der für das Funktionieren des Kapitalismus bis heute grundlegend ist."  

1580 lebte Abelke Bleken als Hofbesitzerin in den Marschlanden. Zu dieser Zeit mehr als ungewöhnlich, dass eine unverheiratete Frau ein großes Hufnerhaus bewirtschaftete. Zudem war sie auch noch erfolgreich und durchaus den Männern in der Landwirtschaft qualitativ überlegen. Doch ihr Können in der Landwirtschaft und das Gespür für die Natur weckt auch Neider. Als eine große Flut viele Häuser und Ernten zerstört, kann Abelke ihr Getreide retten, weil sie rechtzeitig Vorkehrungen getroffen hat. Um so grausamer ist es, dass sie die geschuldete Deichreparatur in dem gesetzten Zeitraum nicht bewerkstelligen kann. Die darauf folgenden Ereignisse wirken in der heutigen Zeit albtraumhaft und beschämend. 

In der Gegenwart zieht die Mittvierzigerin Britta mit ihrer Familie ins Vier- und Marschland nach Ochsenwerder. Die alten Geschichten vom Ort und die heimeligen historischen Häuser gefallen ihr sehr. Zufällig wird ihr Interesse für Abelke Bleken geweckt und sie beginnt mit eigenen Recherchen. Doch das vermeintlich wohltuende Landleben birgt auch negative Seiten. Immer öfter fühlt sich Britta allein in der fremden Umgebung. Ihre Bekannten aus Hamburg sind fern und ihr Mann zeigt wenig Verständnis für ihre Sorgen und Bedürfnisse.  Anders als Abelke, die ihr Leben stets selbst in die Hand nehmen musste, wirkt Britta unselbstständig und hadert oft mit sich selbst.  

Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart gelingt nur bedingt. Abelkes Leben ist beeindruckend und ihr Schicksal zeigt, wie sehr die Obrigkeit mit Menschenleben gespielt hat, um eigene Interessen durchzusetzen. Bei Britta hatte ich teilweise das Gefühl, dass hier stark mit Klischees gearbeitet wurde. Sie konnte ihre beruflichen Ziele nicht verfolgen, weil sie sich um ihre Kinder kümmern musste und ihr Ehemann rücksichtslos eigene Interessen in den Vordergrund gestellt hat. Hier wurde allerdings nur oberflächlich geschildert, warum sie in diese Situation geraten ist. Für die Kinder haben sich beide entschieden und es fehlt eine Erklärung, warum Britta sich nicht rigoroser positioniert hat. 

Den Ansatz der Autorin, Frauenschicksale aus der Vergangenheit mit der Gegenwart zu verknüpfen, finde ich sehr gelungen, um das Interesse an feministischen Themen zu wecken und zur Diskussion anzuregen.  In diesem Roman hätte mir Abelkes Geschichte ausgereicht, die von einer Erzählerin begleitet und Vergleiche zur heutigen Zeit ziehen könnte.

Cover des Buches Spargel-Geheimnis im Allertal (ISBN: 9783839205099)

Bewertung zu "Spargel-Geheimnis im Allertal" von Bettina Reimann

Spargel-Geheimnis im Allertal
Gela_HKvor 7 Monaten
Auf den Spuren der Vergangenheit

Schwer verletzt wird ein unbekannter Mann im Spargelfeld gefunden. Niemand scheint ihn zu kennen und doch hat der vermeintliche Penner großes Interesse an einem verlassenen Bauernhof in Eickeloh gezeigt. Grund genug für das Mehrgenerationen-Team bestehend aus Carsten Blume, seiner Tochter Anna und seiner Enkelin Flora Nachforschungen anzustellen. Der Polizei immer einen Schritt voraus, entdecken sie unaussprechliche Dinge, die bis ins Jahr 1960 zurückreichen.

Bettina Reimann sind ihre detaillierten Recherchen zu diesem Roman anzumerken. Dieser Regionalkrimi verdient die Bezeichnung auf jeder Seite. Ob es Blankes Milchtankstelle, der Büchtmanns Hof in Eickeloh oder das Gasthaus Goltermann in Elze sind (ich muss hier gerade an die Pfifferling-Gerichte denken), wer nach der Lektüre Lust auf eine Expedition an die Romanorte machen möchte, wird schnell fündig. Aber auch Lesende, die die genannten Orte nicht kennen, können sich in die ländliche Gegend hineinfühlen. Der Schreibstil ist flüssig und durch die vielen Wortwechsel der bildlich gut herausgearbeiteten Protagonisten fühlt man sich in die Handlung mit einbezogen. 

Der 68-jährige in Omaha lebende Henry Baumert möchte nach 60 Jahren offene Fragen aus seiner Kindheit klären. Während einer Europa Reise soll ein Reiseziel Eickeloh, der Ort aus seiner Kindheit sein. Auf dem Rittergut der Familie Blume bezieht er ein ruhiges Zimmer, um die schicksalhaften Tage des Jahres 1960 Revue passieren zu lassen. Unglücklicherweise findet seine Reise im Jahr 2020 statt. Das Jahr, das allen als Corona-Zeit in Erinnerung bleiben wird. Henry Baumert sitzt fest und kann weitere Reisepläne ad acta legen. Die ungewollt gewonnene Zeit im Heidekreis nutzt Baumert, um sich der Vergangenheit zu stellen. 

Der Booms-Hof, auf dem Henry Baumert seine Kindheit verbracht hat, ist durch einen Erbenrechtsstreit unbewohnt und zu einem Lost Place heruntergekommen. Verbotenerweise verbringt der Amerikaner hier einige Tage, um sein Gedächtnis aufzufrischen und sich darüber klar zu werden, warum seine alleinerziehende Mutter mit ihm und seiner Zwillingsschwester unerklärt nach Amerika auswanderte. 

Als Tage später ein verletzter Mann auf einem Eickeloher Spargelfeld aufgefunden wird, ruft dies die Familie Blume-Kamphusen auf den Plan, denn schnell wird ihnen klar, dass dies ihr Übernachtungsgast Baumert sein muss. Als ermittelndes Familientrio haben Mutter Anna, Tochter Flora und Großvater Carsten bereits im ersten Band der Autorin ihr kriminalistisches Gespür bewiesen. Die drei ergänzen sich gekonnt durch unterschiedliche Fähigkeiten. Anna hat ein empathisches Gespür für Menschen, Carsten liegt als ehemaliger Kriminalpolizist das Ermitteln im Blut und Flora liebt es, ihren journalistischen Beruf bei den Nachforschungen auszuleben. 

Es dauert nicht lange, bis das Trio erste Spuren entdeckt und rätselhafte Verbindungen von Baumert zu einheimischen Personen aufdeckt. Die Polizei scheint immer etwas langsamer zu sein, sodass Flora ihre Erkenntnisse oft mit einbringen kann. Doch ungefährlich ist dieses Abenteuer nicht. Der anfänglich leicht steigende Spannungsbogen nimmt zum Ende hin deutlich Fahrt auf und man ist nicht sicher, wohin all diese Spuren noch führen werden. 

Die Handlung ist durchgängig gut durchdacht und setzt selbst kleine Details gut in Szene. Anfänglich sympathisch beschriebene Protagonisten zeigen erst spät ihr wahres Gesicht und vermeintlich unerhebliche Spuren müssen neu aufgenommen werden. Zwei kleine Kritikpunkte, die meine Bewertung aber nicht beeinflusst haben, sind die anfänglich vielen Charaktere und deren Verwandtschaftsverhältnisse, die nicht leicht zu verstehen waren. Am Ende löst sich aber auf jeden Fall der Gedankenknoten. Beim Thema Corona und bei technischen Details werden den Lesenden zu viele Informationen gegeben. Die Beschreibung, welche Schutzmaske getragen wurde oder was ein Hashtag ist, hätte mir nicht mitgeteilt werden müssen.

Mir hat der Krimi mit viel Lokalkolorit viel Spaß bereitet und der perfekt ausgeklügelte Plot war so nicht zu erahnen. Ich bin schon auf den nächsten Teil des Ermittler-Trios gespannt und in welcher Region dann ein Fall zu klären ist. Meine nächste Fahrradtour geht auf jeden Fall nach Eickeloh.


Cover des Buches Refugium (ISBN: 9783423283649)

Bewertung zu "Refugium" von John Ajvide Lindqvist

Refugium
Gela_HKvor 7 Monaten
Zu viele Nebenhandlungen und wenig Spannung

Die Krimiautorin Julia Malmros hat sich auf Ihr Ferienhaus in den schwedischen Schären zurückgezogen, doch Ruhe wird sie hier nicht finden. Auf der Nachbarinsel werden die Gäste des Industriellen Olof Helander während des Midsommerfestes grausam getötet. Zusammen mit dem Computerexperten Kim Ribbing ermittelt Julia auf eigene Faust. Die Spuren führen rund um den Erdball und lassen nichts Gutes erahnen.     


John Ajvide Lindqvist hat sich für den Auftakt in ein neues Genre, einen interessanten Plot ausgedacht. Ein Thriller, der die Entstehung eines Thrillers begleitet, der ursprünglich die Fortsetzung einer erfolgreichen Thriller-Serie bilden sollte. Zu unübersichtlich, nein, eher ein geschickter Schachzug, um vielleicht ein wenig mehr Aufmerksamkeit für seine Thriller-Trilogie Stormland zu erhalten. Denn eigentlich sollte der Autor tatsächlich die Fortsetzung der weltbekannten Millennium-Serie schreiben, wozu es dann aber nicht gekommen ist. Ein flüssiger und unterhaltsamer Schreibstil, der keine zu hohen Ansprüche an die Leserschaft stellt, erleichtert den Einstieg in die Handlung. 


Die zentralen Figuren des Romans erinnern stark an die Millennium Figuren Michael Blomkvist (Enthüllungsjournalist) und Lisbeth Salander (Hackerin), was anhand der Buch-Vorgeschichte nicht überraschend ist. Nur sind hier die Rollen vertauscht. Die 51-jährige Julia Malmros ist eine erfolgreiche Krimiautorin und Ex-Polizistin, die gerade als Fortsetzungs-Autorin der Millennium-Reihe abgelehnt wurde. Für ihren Krimi hat sie den 28-jährigen Computerspezialisten Kim Ribbing als Fachmann für Computerfragen hinzugezogen. 


Nach einem dramatisch schnellen Prolog wechselt der Autor in eine etwas lang gezogene Einleitung, um die beiden Hauptakteure Malmros und Ribbing zu porträtieren. In manchen Szenen mag der Autor auch seine persönlichen Erlebnisse als Autor verarbeitet haben, zur Handlung tragen diese Einblicke aber nicht bei. Interessanter sind die Rückblicke auf die Kindheit von Kim Ribbing. In seinem jungen Leben gibt es manche dunkle Stelle, die einem eine Gänsehaut verursachen. Eine Familie sollte einem Kind Sicherheit und Vertrauen schenken, doch Kim lernt schon früh, dass Sadismus und Missbrauch sein Leben bestimmen. Von Anfang an spürt man, dass hier eine besonders empfindliche Seele agiert. Die Charakterbeschreibungen sind gelungen und glaubwürdig.


Der Zufall will es, dass Julia Malmros und Kim Ribbing sich in einem Ferienhaus auf einer Schäreninsel befinden, als auf der Nachbarinsel die dortige Feier in einem blutigen Massaker endet. Das Ehepaar Helander, ein chinesisches Ehepaar und ein Europaparlamentarier mit Ehefrau müssen mit dem Leben bezahlen. Julia ist besonders betroffen, da Olof Helander nicht nur ihr Nachbar, sondern auch ein alter Schulfreund von ihr gewesen ist. Zusammen mit Kim führt sie erste Recherchen durch, um herauszufinden, was an diesem Mittsommer Abend geschehen ist. Ausgerechnet Julias Ex-Mann ist der zuständige Ermittler in diesem Fall, dem ihre Nachforschungen gar nicht gefallen. 


Die bis hierhin gestreuten Informationen über den Handel mit Emissionsrechten, Ölhandel in China und Norwegen, großen Geldmengen und beauftragten Killern hätten ausgereicht, um einen gleichbleibenden Spannungsbogen aufzubauen. Doch die vielen Nebenhandlungen bremsen jedwede Spannung immer wieder aus. 


Viel zu häufig scheint Kim Ribbing der Einzige zu sein, der tatsächlich Ermittlungserfolge erzielen kann. Ihm reicht schon ein Stichwort, um in Shanghai oder auf Kuba problemlos Spuren zu verfolgen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Über Julia Malmros werden seine Informationen an die Polizei weitergegeben, die sich mehr mit dienstlichen und außenpolitischen Problemen beschäftigt. Besonders die auffällig untätige Polizei und deren merkwürdig ins Leere gehenden Wortwechsel wirken sehr unglaubwürdig.



"William King formte seinen Zeigefinger zu einer Pistole und sagte: 'Wenn das herauskommt, kann sich der Halunke auf einen Genickschuss freuen. Und Pu der Bär würde dabei gern den Abzug ziehen'."

Es dauert recht lange, bis tatsächlich Spannung eintritt. Die letzten Kapitel steigern sich zu einer James Bond würdigen adrenalingeladenen Szenerie, die gelungen beschrieben wird.  Hier hätte es für mich enden können. Doch für eine Serie gehört ein Cliffhanger dazu und dieser kehrt zurück zur Millennium-Reihe, denn ähnlich wie Lisbeth Salander hat auch Kim Ribbing ein Geheimnis, das wohl erst in den weiteren Bänden gelöst wird.


Mich konnte dieser "Thriller" nur in Teilen überzeugen. Kim Ribbing ist ein interessanter Protagonist, der sicherlich auch in den weiteren Bänden verborgene Seiten zeigen kann. Ob Julia Malmros als Partnerin an seiner Seite noch überraschen kann, glaube ich eher nicht. 



Playlist der Titel, die im Thriller genannt werden: https://open.spotify.com/playlist/4UbSOQS6fT6y7wJ7aE1fRO



Cover des Buches Wenn Worte töten (ISBN: 9783833746260)

Bewertung zu "Wenn Worte töten" von Anthony Horowitz

Wenn Worte töten
Gela_HKvor 7 Monaten
Ein Autor wird zum Ermittler

Ein Literaturfestival auf der Kanalinsel Alderney steht unter keinem guten Stern. Statt sich auf dem Festival von seiner Leserschaft feiern zu lassen, gerät der Autor Anthony Horowitz zusammen mit dem Ex-Polizisten Daniel Hawthorne in eine verzwickte Mordermittlung. Zwischen demonstrierenden Inselbewohnern und eigenwilligen Autoren unterstützt das ungewöhnliche Ermittlerduo die überforderte Ortspolizei.  

Anthony Horowitz setzt mit diesem Band die Reihe des Ermittler-Duos Horowitz und Hawthorne fort. Mir war diese Reihe bisher unbekannt, dennoch konnte ich ohne Vorkenntnisse der vorherigen Bände, diesem speziellen Duo und seinen ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden sehr gut folgen. Besonders der britische Humor kommt hier zur vollen Geltung. Durch den Sprecher Uve Teschner wird die versnobte und teilweise ungewöhnliche Art der Protagonisten gut hervorgehoben. Man stellt sich förmlich Menschen in Tweetjacken, die Tee trinken, vor sich.

Englische Fans a'la Miss Marple kommen beim Hören voll auf ihre Kosten. Kaum haben sich die Protagonisten auf Alderney eingerichtet, geschieht schon ein Mord und ausgerechnet der Mäzen des Literaturfestivals kommt ums Leben. Verwicklungen, Vermutungen und Beschuldigungen gibt es zur Genüge. Jeder könnte es gewesen sein, alle haben etwas zu verbergen und ein Geheimnis nach dem anderen wird gelüftet. 

Besonders unterhaltsam ist es, den herrlich überzogen dargestellten illustren SchriftstellerInnen bei ihren Spielchen über die Schulter zu schauen. Ob es die blinde Wahrsagerin, der berühmte Fernsehkoch, die französische Lyrikerin oder der Historiker ist, alle spielen offensichtlich mit doppelten Karten und verhalten sich unauffällig auffällig. Nicht nur die Festivalgäste scheinen verdächtig, auch erbosten Inselbewohnern traut man ein Tatmotiv zu. 

Horowitz lässt seine Gedanken mit in die Handlung einfließen und meint, der eigentliche Ermittler in diesem verzwickten Spiel zu sein. Dank Daniel Hawthorne, der auf unnachahmlich trockene Art und Weise Details aufdeckt, erkennt man schnell, wer hier eigentlich den Überblick behält. Man bekommt viel zum Schmunzeln und wird gut unterhalten.

Eine ungewöhnliche Wendung am Ende des Romans kann sogar noch ein wenig überraschen und offenbart ein vorher nicht erkennbares Motiv. 

Dieser britische Fall ist sicherlich nicht der beste aller Kriminalfälle, aber während einer längeren Autofahrt oder beim Sonnen am Strand kann man die sechs Stunden Hörzeit gut weghören.

Cover des Buches Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen (ISBN: 9783103975031)

Bewertung zu "Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen" von John Ironmonger

Der Eisbär und die Hoffnung auf morgen
Gela_HKvor 8 Monaten
Lasst uns die Welt retten

Eine unbedacht ausgesprochene Wette verändert das Leben zweier Männer. Der Student und der Politiker wetten darum, was in 50 Jahren durch die Auswirkungen des Klimawandels passieren wird. Niemand hätte dieser Wette um Leben und Tod in einem kleinen Dorf in Cornwall Beachtung geschenkt, wäre sie nicht als Video viral gegangen. Obwohl Tom und Monty getrennte Wege gehen, gibt es eine Verbindung, die sie immer wieder zusammenführt.  

John Ironmonger
verpackt die Klimaängste unserer Zeit gekonnt in einen spannenden Zukunftsroman. Der Autor trifft den aktuellen Zeitgeist und legt den Finger in unsere aller Wunde, ohne dabei provokant oder belehrend zu wirken. Neben diesem wichtigen Thema begeistert Ironmonger durch eine wundervoll bildhafte Sprache. Die eisige Schönheit Grönlands wird eindrucksvoll beschrieben.

"Der flache Ozean war ein Flickenteppich aus wirbelnden Blautönen, mancherorts dunkel, mancherorts blass und manchmal beinahe grün oder türkis, als habe ein Künstler sämtliches Blau aus seinem Wasserfarbkasten auf eine weiße Leinwand gespritzt und die Oberfläche mit einer Eisschicht überzogen."

Durch Rückblicke und Zeitsprünge begleitet man die beiden Hauptprotagonisten insgesamt 70 Jahre ihres Lebens.

Dabei kämpft Tom sein Leben lang darum, Bewusstsein für den Klimawandel zu schaffen. Selbst als ihm die härtesten Schicksalsschläge treffen, gibt er nicht auf und setzt sich für seine Ziele ein. Es fällt nicht schwer, diesen Protagonisten sympathisch zu finden. Er begeistert nicht nur die Menschen im Buch, sondern auch die Lesenden dieser Geschichte.

Monty Causley verkörpert dagegen den vermeintlich typischen Politiker. Er steht in erster Linie selbst im Mittelpunkt. Er setzt sich nur dann für Themen ein, wenn sie ihm Wählerstimmen einbringen. Vom anfänglichen Klimaleugner schafft es Monty in das Amt des Umweltministers. Diesem Mann traut man alles zu und schenkt ihm keinesfalls sein Vertrauen.

Es ist offensichtlich, dass sich der junge Tom und der Politiker Monty nicht sonderlich gewogen sind. Ausgerechnet an ihrem gemeinsamen Geburtstag treffen sie in einem Pub aufeinander. Ein Wort gibt das andere und im Eifer des Wortgefechts voller gegenseitiger Beleidigungen schlägt Tom eine Wette vor, in der Monty fünfzig Jahre später während der Flut in seinem Wohnzimmer sitzen und durch den inzwischen gestiegenen Meeresspiegel ertrinken müsste. Sollte dies nicht eintreten, muss Tom seinem Leben im Meer ein Ende setzen.

Tom zieht es zusammen mit seiner bewundernswerten Frau Lykke nach Grönland, um für eine Forschungsorganisation das Abschmelzen der grönländischen Gletscher zu messen. Der Ort Qaanaaq oder "Ultima Thule" bedeutet nach alter Überlieferung "Das Ende der Welt". Der weiteste Punkt, an den man reisen kann.

Toms große Liebe Lykke ist eine starke und eindrucksvolle Persönlichkeit. Als Klimaaktivistin hat sie sich einen Ruf über alle Grenzen hinweg gemacht. "Ein unverdorbener Planet, ist das wertvollste Geschenk, das wir zukünftigen Generationen machen können". Sie hat die These aufgestellt, dass, wenn man die Erde in das Jahr 1820 zurückversetzt, es Hoffnung für die Rettung des Klimas geben kann. Die Kraft dieser Frau ist deutlich spürbar und es ist nachvollziehbar, dass sie viele in ihren Bann zieht. Mich hat sie auch begeistert.

 "Es gibt in unserem Leben perfekte Momente. Momente, in denen jeder einzelne Würfel zu unseren Gunsten an seinen Platz fällt und sämtliche Ereignisse, die uns hinterrücks auflauern, sämtliches Glück und das Schicksal der Welt auf mysteriöse Weise ganz plötzlich zusammenpassen."  

10 Jahre nach der Wette will Monty Tom um Auflösung der Wette bitten. Dabei verschweigt er den wahren Grund. Beim Treffen der Kontrahenten in Cornwall zieht ein Sturm auf, der dem Klimawandel geschuldet ist. Ein furchtbares Unglück geschieht, als ein ortsansässiger Fischer in Seenot gerät.

Danach verändert sich nicht nur Tom. In den eisigen Wänden eines Gletschers kommt es zu einer dramatischen Wendung, die auch Monty nicht unbeeindruckt lässt. Auch wenn die Naturbeschreibungen sehr gelungen sind, geht die Fantasie etwas mit dem Autor durch und meine Begeisterung wurde etwas gedämpft. Die Glaubwürdigkeit der Szenerie ist weit hergeholt, dient aber dazu, Monty aufzurütteln. Mir wäre es aber lieber gewesen, wenn der Politiker schon auf Toms Hinweis reagiert hätte:

Tom zu Monty als Premierminister:

 "Sie sind der Fahrer eines Busses, eines Busses voller Menschen, und der Bus steht auf einem Bahnübergang und ein riesiger Güterzug kommt auf Sie zugerast, und Sie haben kostbare Sekunden damit vergeudet, den Rückspiegel einzustellen." 

Unbedingt lesenswert ist auch das Nachwort des Autors, der noch einmal eindringlich einige Fakten darlegt, warum es so wichtig ist, etwas für unser Klima zu tun und warum wir es nicht den Politikern überlassen dürfen, Entscheidungen zu treffen.

"Die Politik lässt keinen Raum für Kompromisse, für die Zusammenarbeit mit der anderen Seite oder dafür, seine Meinung zu ändern." 
Mich hat der Roman bewegt und abgeholt. Den Klimawandel als Rahmen zu verwenden, der deutlich sichtbar ist und die Handlung durchzieht, ohne anklagend oder belehrend auf die Leserschaft einzuwirken, ist hervorragend gelungen. Auch wenn ein einzelner die Welt nicht retten kann, kann doch viel bewegt werden. Es wäre schön, wenn in jedem ein wenig von Tom und Lykke stecken würde.


Cover des Buches Ein mörderisches Paar. Das Versprechen (ISBN: 9783833746437)

Bewertung zu "Ein mörderisches Paar. Das Versprechen" von Klaus-Peter Wolf

Ein mörderisches Paar. Das Versprechen
Gela_HKvor 8 Monaten
Morden im Norden

In Ostfriesland bangen die Bösen um ihr Leben. Denn wer anderen Leid antut, muss mit der Rache von Dr. Bernhard Sommerfeldt rechnen. Seine Partnerin Frauke würde zwar lieber ihre Hochzeit planen, doch erst kommt das Geschäft und dann das Vergnügen. Zusammen ziehen sie in einen persönlichen Rachefeldzug, bei der nicht nur ein Ganove ums Leben kommt. Aber wer austeilt, wird auch schnell zum Gejagten, denn nicht nur die Polizei sucht nach dem Mörder.  


Klaus-Peter Wolf 
ist bekannt für seine spannenden und unterhaltsamen regionalen Krimis. Bisher bin ich ihm allerdings aus dem Weg gegangen. Zum Auftakt seiner neuen Ermittlerreihe "Ein mörderisches Paar" liest der Autor selbst den Text ein. Eine kurze Hörprobe war schon lustig und diesmal gab ich dem Autoren eine Chance.


Dem Schriftsteller ist beim Lesen anzumerken, wie viel Spaß es ihm selbst macht, seine Protagonisten zum Leben zu erwecken. Auch wenn ich keinen der vorherigen Krimis kenne, konnte ich mir den "Killer" Dr. Sommerfeldt sofort vorstellen. Herrlich, wie er zusammen mit seiner zukünftigen Frau Frauke über mögliche Bestrafungen nachdenkt und kleine Boshaftigkeiten ausheckt.


Dr. Sommerfeld, der mit neuer Identität, den Kurklinikleiter Dr. Ernest Simmel mimt, ist ein sehr gelungener charismatischer Protagonist, dem man tatsächlich gern bei seinen blutigen Taten über die Schulter schaut. Dieser Mörder sucht nach Kriminellen, die sich an Unschuldigen vergreifen. In diesem Fall stirbt ein dreizehn Jahre alter Schüler an einer Überdosis. Statt den Schuldigen zu verurteilen, wird er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Doch mit Dr. Sommerfeldt hat niemand gerechnet. Lange wird der drogendealende Verbrecher nicht mehr leben.


Seine ebenbürtige zukünftige Ehefrau Frauke ist sogar noch etwas weniger zimperlich, wenn es um Rache und Gewalt geht. Mit ihr ist nicht gut Kirschen essen, wenn man versucht, sie unter Druck zu setzen. Wer ihr zu nahe kommt und ihre Identität preisgeben will, hat nicht mehr lange zu leben.


Dies ist der erste Kriminalfall, bei dem ich große Sympathie für einen offensichtlich sehr agilen Killer hege. Die einzigartige Betonung des Sprechers verleiht der Figur noch ein sprachliches Sahnehäubchen. Durch die extrem überzogene Handlung, die kaltschnäuzig smarte Art des Mörders, den nordischen Humor und die heftig hilflos agierende Polizei ist man sich sicher, hier einem kriminalistischen Lustspiel zu folgen.


Es macht Spaß zu erleben, wie grobschlächtige Verbrecher weiche Knie bekommen und vor Dr. Sommerfeldt zu zitternden Nervenbündeln werden. Fast könnte man Mitleid mit ihnen bekommen, wenn ihre Taten nicht so schrecklich wären. Jede Figur wird sorgfältig und bis ins kleinste Detail beschrieben. Selbst kleinste Nebendarsteller werden so zum Leben erweckt. Ob heimliche Geliebte, Kleinkrimineller, Bandenboss, Reporter oder Polizist, es entstehen sofort Bilder im Kopf.


Am Ende kommen aber doch sehr viele Menschen ums Leben und besonders der Showdown von Dr. Sommerfeldt und einem ebenbürtigen Gegner erinnert an actionreiche Bond-Filme, bei denen schöne, aber gefährliche Frauen als schmückender Rahmen herhalten müssen. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein.


Wer schon im ersten Teil so ein humoristisches Feuerwerk zündet, muss gut nachlegen können. 

Cover des Buches Zu Mensch (ISBN: 9783956145292)

Bewertung zu "Zu Mensch" von Arezu Weitholz

Zu Mensch
Gela_HKvor 8 Monaten
Kurzmeinung: Ein vergleichbares Sachbuch über die Entstehung eines Musikalbums ist mir nicht bekannt. Unbedingt lesenswert.
Man muss kein Grönemeyer Fan sein, um von diesem Buch begeistert zu sein

Wer ganz nah bei der Entstehung des erfolgreichen Albums "Mensch" von Herbert Grönemeyer dabei sein möchte, ist hier genau richtig. Mit viel Gespür für besondere Momente wird der Prozess von vielen kleinen Ideen zu einem großartigen Musikalbum und der anschließenden Tournee großartig wiedergegeben.  


Arezu Weitholz 
ist es gelungen, ein besonders erlebbares Buch über die Entstehungsgeschichte des Albums "Mensch" von Herbert Grönemeyer zu schreiben. Die dazu passenden Illustrationen von Katrin Funcke unterstreichen die Texte und helfen der Vorstellungskraft optisch auf die Sprünge. Man muss kein Grönemeyer Fan sein, um von diesem Buch begeistert zu sein.


"Aber ein Buch ist ein Marathon. Man kann keinen Marathon laufen, wenn man weiß, das man am Ende vermöbelt wird. Du musst mit Lust und Kraft schreiben. Dein Buch muss wie ein Fluss ins offene Meer gehen."


Selten habe ich ein Sachbuch gelesen, dass so nah und erlebbar einen Prozess vermittelt. Die Verknüpfung von technisch musikalischen Details und Finessen sowie Anekdoten und persönlichen Ereignissen, die den Menschen Grönemeyer sehr nah skizzieren, machen einen besonderen Reiz aus. Die Einblicke in das Familienleben, das persönliche Schicksal, den Umgang mit Trauer und deren Verarbeitung sind außergewöhnlich einfühlsam und glaubwürdig beschrieben. Die Londoner Nachbarn, die der kleinen Familie eine neue Heimat gegeben haben, wünscht man sich selbst, so herzlich werden sie beschrieben.


Es macht einen riesen Spaß, die Entstehungsgeschichte einzelner Songs zu begleiten. Unglaublich, dass zuerst nur die Musik mit sogenannten "Bananentexten" entsteht. Ein Kauderwelsch ohne sinnvollen Inhalt, das erst kurz vor dem letzten Feintuning in deutsche Texte umgewandelt wird. Es ist harte Arbeit, die alle Beteiligten an ihre Grenzen bringt. Bis zum Ende wird noch an Nuancen gearbeitet, die ein normal musikalisches Wesen gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen, geschweige denn hören würde.


"Natürlich kann man im Nachhinein fragen, wie Einflüsse in Lieder wandern. Ob die Orgelmelodie in der Mitte des Liedes 'Mensch' auftauchte, weil im Studio eine Specials-Platte lag?"


Vom Mikrofon, den Instrumenten, den Mischpulten, Tonspuren bis hin zu genialen Musikerkoryphäen bleibt nichts dem Zufall überlassen. Und wer glaubt, dass nach der Veröffentlichung des Albums Ruhe einkehrt, irrt. Promotion, Tourplanung und Auftritte lassen kaum Platz für eine Verschnaufpause. So nah, wie in diesem Buch, kommt man wohl selten einem Künstler.


"Er beschreibt, was ein Plug-in ist, wie ein Vorverstärker funktioniert, und wenngleich ich immer dachte, ich würde ein bisschen was über Musik wissen, enden meine Versuche, das aufzuschreiben, jedes Mal in einer Bauchlandung. Ich komme mir vor wie ein Tausendfüßler, der eine Biellmann-Pirouette tanzen will."


Ich habe Hochachtung vor dieser Leistung und dem künstlerisch wertvollen Schaffen. Beim Lesen lief bei mir häufig der Sound des Albums im Hintergrund. Manche Songs habe ich danach anders empfunden, tiefer und erlebbarer.


Für Musiklaien werden alle Begriffe erläutert und an Beispielen klar beschrieben, auch wenn für mich manche Themen zu intensiv behandelt wurden. Genannten Personen tauchen in einem Personenregister auf und alle am Album beteiligten Personen werden am Anfang des Buches mit einer liebevollen Zeichnung und einer kurzen Erklärung gewürdigt. Zu guter Letzt wird selbst die von der Crew beliebte Sambuca-Torte als Rezept aufgeführt.


Ein vergleichbares Sachbuch über die Entstehung eines Musikalbums ist mir nicht bekannt. Unbedingt lesenswert.

Cover des Buches Das Bücherschiff des Monsieur Perdu (ISBN: 9783839820551)

Bewertung zu "Das Bücherschiff des Monsieur Perdu" von Nina George

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
Gela_HKvor 9 Monaten
Man möchte mit Perdu zusammen auf dem Bücherschiff reisen

Der Buchhändler Jean Perdu ist in der Provence glücklich an der Seite von Catherine. Doch als er kurz vor seinem 55. Geburtstag Post vom längst dahingeschiedenen Schriftsteller José Saramago in Form einer Zeitkapsel erhält, wird er unruhig. Die Bitte des Schriftstellers lässt ihn zurückkehren auf sein Bücherschiff, die »Pharmacie Littéraire«. Menschen und Bücher finden auf diesem besonderen Schiff Zuflucht und auch Perdu schlägt ein neues Kapitel in seinem Leben auf.  

Nina George hat mit dem Buch "Das Lavendelzimmer" ein unbeschreiblich schönes und emotional fühlbares Buch geschrieben, das förmlich danach rief, fortgesetzt zu werden. Mit dem "Bücherschiff des Monsieur Perdu" liegt nun die erhoffte Fortsetzung vor. Als Hörbuch wird es vom Sprecher Philipp Schepmann mit Leben gefüllt. Er zaubert mit seiner Stimme noch ein Quäntchen "Mehr" in dieses Buch hinein. Seine Wärme verleiht den Charakteren eine besondere Lebendigkeit.


So sehr ich mich auf die Fortsetzung gefreut habe, so sehr musste ich beim Einstieg kämpfen. Vor neun Jahren hatte ich "das Lavendelzimmer" gelesen und jetzt tauchten so viele Namen im Hörbuch auf, dass es mir schwerfiel, die Orientierung zu finden. Ohne Vorkenntnisse wäre es noch schwieriger gewesen. Die Provence-Szenen wirkten deshalb etwas kühl, da mir die Nähe zu den Personen fehlte. Erst als die geheimnisvolle Zeitkapsel von José Saramago auftaucht, begann ich mich wieder an die Ereignisse zu erinnern. Dieser geheimnisvolle Schriftsteller hat für Jean Perdu eine besondere Bedeutung, denn dank ihm hat sich Perdu einem ganz besonderen Auftrag gestellt.


"Wegen José Saramago hatte Perdu damals begonnen, die ersten Stichworte seiner Großen Enzyklopädie der Kleinen Gefühle in Schulhefte zu notieren. Es wieder gelassen, beschämt über sich selbst, Bedeutung erlangen zu wollen, gar Unsterblichkeit; es alle paar Jahre fortgesetzt."


Man liest/hört also nicht nur den Roman über den wundervollen Buchhändler, sondern auch das Buch im Buch. Perdus Lebensweisheiten und Ratschläge lassen allen Buchfreunden das Herz höher hüpfen. Es gibt Leseempfehlungen, die weit über reine Buchvorschläge hinausgehen. Wer in der Enzyklopädie blättert, wird eine Bücherarznei finden, die zu jeder Lesestimmung und Lebenssituation passt.

Als Jean Perdu sein eigentlich verschenktes Schiff wieder sein Eigen nennt, beginnt das eigentliche Abenteuer. Jean Perdu scheint große und kleine Menschen gleichermaßen anzuziehen. Als wenn sie spüren würden, dass dieser warmherzige Mensch für jeden ein offenes Ohr und einen Platz auf seinem Bücherschiff bereithält. Die Unterschiedlichkeit der Charaktere könnte nicht größer sein und dennoch eint sie alle etwas. Über kurz oder lang blicken sie in ein Buch und eine Verwandlung, die leise und kaum merklich vonstattengeht, geschieht mit ihnen. Selbst der hart gesottene Brigadier Le Roy wird durch Rilkes Gedichte ein anderer Mensch.


Trotz all der Begeisterung für diesen wohltuenden Roman gibt es aber auch leichte Kritik. Wohlwissend, dass die Erwartungshaltung bei so einer tollen Autorin hoch liegt, haben mir einige Details nicht ganz so gut gefallen. Es wurden zu viele verschiedene Charaktere in den Vordergrund gesetzt. Fast jeder Protagonist bekommt die gleiche Aufmerksamkeit für all seine Probleme, Träume und Verletzlichkeiten. Ob es ein 16-jähriges Mädchen mit Liebeskummer ist, ein verstummter Waisenjunge, ein trauriger Hund, eine alternde Literaturkritikerin, ein werdender Vater, der seiner Rolle nicht gerecht werden kann oder ein hoch dotierter Politiker, der seiner Leseleidenschaft heimlich frönt, sie alle sind wichtig und allen wird geholfen.


Poetische, romantische, traurige und und sehr emotionale Momente können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es doch  etwas inszeniert und unglaubwürdig wirkt. Vor allem das junge Mädchen wirkt so erwachsen und abgeklärt, dass man ihr das eigentliche Alter nicht abnehmen kann. Ihre weisen Sprüche erinnern sehr an den von ihr verehrten Jean Perdu, nur dass ihr die dazugehörige Lebenserfahrung fehlt.


Für Bücherfreunde, die sich verzaubern lassen wollen, ist dieser Roman voller wundervoller Zitate, die man am liebsten überall an die Wände hängen möchte, aber dennoch ein Wohlfühlroman, den man auch gern mehrere Male lesen sollte. Ich wäre auf jeden Fall dabei, wenn Perdu sein Bücherschiff wieder auf eine Reise schickt.

Cover des Buches Der Bojenmann (ISBN: 9783442770885)

Bewertung zu "Der Bojenmann" von Kester Schlenz

Der Bojenmann
Gela_HKvor 9 Monaten
Hamburger Leichenschau

Erst bei genauem Hinsehen wird die makabre Tat sichtbar. Statt der Holzfigur "Bojenmann" steht eine plastinierte Leiche auf der Flusstonne. Kein leichter Fall für Kommissar Thies Knudsen, denn es bleibt nicht bei der einen Zurschaustellung. Mitten in Hamburg tauchen weitere inszenierte Leichen auf, die Böses erahnen lassen. Hier ist ein Perfektionist am Werk, der sich sicher und unangreifbar fühlt. Zum Glück gibt es Oke La Lotse Andersen, der Kommissar Knudsen nicht nur als Freund zur Seite steht. Als alter Seebär hat er das richtige Gespür für seemännische Details und kann wichtige Informationen liefern. Noch reichen die wenigen Puzzleteile aber nicht aus, um den Mörder zu entlarven.

Das Autorenteam Kester Schlenz und Jan Jepsen   startet mit dem "Bojenmann" den Auftakt zu einer neuen Krimiserie. Locker und leicht mit einer ordentlichen Portion Humor steigt man in diesen ungewöhnlichen Fall ein. Die Handlung wird mit hanseatischem Charme und viel Hamburger Lokalkolorit begleitet. Am Buchende findet sich eine Charakterbeschreibung der handelnden Protagonisten. Diese habe ich leider erst am Ende entdeckt; aber auch ohne die Beschreibungen kann man sich ein sehr gutes und lebendiges Bild von jeder Person machen. 


"La Lotse verstand generationsbedingt nur Bahnhof. Hauptbahnhof. Er hatte sich selbst regelrecht stolz mal als Digital-Deppen bezeichnet. Mit dem Zusatz: Und das ist auch gut so."

Thies Knudsen, der leitende Ermittler im LKA, wirkt sehr sympathisch und bodenständig. Seine heimlichen Gefühle für Kollegin Dörte Eichhorn versteckt er ihr gegenüber durch trockenen und bissigen Humor. Da geht bestimmt noch was in den Folgebänden. Anders verhält es sich bei der Freundschaft zum ehemaligen Lotsen und Kapitän Oke Andersen, genannt La Lotse. Die Männerfreundschaft ist warmherzig und unkompliziert. Hier haben sich zwei gesucht und gefunden. 

Anders als bei anderen Morden werden keine Leichen versteckt, sondern zur Schau gestellt. Der Täter will Aufmerksamkeit um jeden Preis. Seine plastinierten Leichen stellt er mitten in Hamburg an öffentlichen Plätzen aus. Sie wirken so täuschend echt, dass erst nach dem zweiten Blick klar wird, welche grauenhaften Statuen in der Stadt auftauchen. Gänsehaut ist hier garantiert. Man fragt sich bald nur noch, wie viele es noch werden, denn der Täter scheint sich regelrecht mit Leichen bevorratet zu haben.

Obwohl der Schreibstil locker ist, wird die Handlung zunehmend düsterer. Gefährliche Situationen nehmen zu und die Polizei muss mit wenigen Hinweisen auskommen.

Bis zur letzten Seite war es ein unterhaltsamer und kurzweiliger Krimi. Dann kam die ungelöste Schlüsselszene, die bei der Bewertung zum Punktabzug geführt hat. 

Einen Krimi unangekündigt über mehrere Bände zu ziehen, empfinde ich immer als unfair. Wenn man vom Autoren fast gezwungen wird, die Fortsetzung zu lesen, ist das für mich immer die schlechteste Entscheidung für ein Ende. 

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