Aurélie ist neunzehn Jahre alt, ihre Familie ist arm und sie will raus. Sie will mehr vom Leben, hat keine Lust sich damit abzufinden, dass es das jetzt sein soll. Sie beginnt, Jura zu studieren und lernt bei einem Nebenjob Alejandro kennen. Der kommt aus Kolumbien und findet Frankreich furchtbar. Franzosen sind arrogant, verwöhnt und perspektivlos. Trotzdem immer noch besser als dort, wo er her kommt. Nachdem diese scheinbar einseitige Liebe scheitert, will Aurélie nur noch weg und zieht von Grenoble nach Paris.
Im Klappentext steht, dass Messina mit "unverstellter Härte ins Innerste einer neuen verlorenen Generation" blickt, ein "Roman voller Zorn, Klarsicht und gnadenloser Ironie". Genau das ist es. Meines Erachtens mehr Sozialstudie als Roman, aber ihre Beschreibungen sind hart, erbarmungslos und treffen ins Schwarze.
So, wie Messina es schreibt, empfinde ich diese Gesellschaft zuweilen, nicht nur in Frankreich, auch in deutschen Großstädten. Wir behaupten, in einem modernen, hochentwickelten, gleichberechtigenden System zu leben. Uns wird die Möglichkeit vorgegaukelt, alles erreichen zu können, wenn wir uns nur genug anstrengen. Wir bemerken nicht, dass so viele Wege schon zum Zeitpunkt unserer Geburt durch das Milieu, in welches wir geboren werden, versperrt sind. So ein tolerantes, solidarisches und auf Chancengleichheit gepoltes Wunderland sind wir nicht. Und genau dieses Dilemma, die Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität, beschreibt die Autorin in einer klaren, zynischen und bissigen Sprache.
Es wird Menschen geben, die meinen, diese Darstellung sei überzogen. Werden die Trostlosigkeit auf Aurélie schieben und ihr unterstellen, sie sei einfach nicht motiviert genug, zu depressiv, zu introvertiert. Der Roman sei zu düster und das Bild, dass er zeichnet, zu weit weg von der Realität. Genau solche Reaktionen zeigen, wie nah er an der Realität dran ist. Die Verweigerung, es zu sehen, die Verleumdung der eigenen Privilegien, die Schuldzuweisung an die betroffenen Personen und nicht an das krankende System. Genau so empfinde ich die derzeitige Realität im Umgang mit benachteiligten Personen, sei es wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, sozialem Milieu, Bildungsstatus.
Von daher bin ich großer Fan dieses Buches und kann es nur empfehlen.