Ronan, Sohn des Königs von Raukland, einer Insel im Nordmeer, wird vor einer Schlacht böse hereingelegt. Raukland verliert die Schlacht, und Ronan wird mit 20 Peitschenhieben bestraft. Sein grausamer Vater schickt ihn außerdem auf das weit entfernte Eiland Lannoch. Raukland möchte Lannoch gerne wegen der guten strategischen Lage besitzen. Doch König auf Lannoch wird nur der, wer eine Reihe von Prüfungen ablegt. Und genau das soll Ronan tun. Schafft er es nicht, braucht er gar nicht nach Raukland zurückzukehren.
Auf Lannoch angekommen, stellen sich die Prüfungen als ganz anders heraus, als Ronan gedacht hatte. Und schon die erste bringt ihn fast zur Verzweifelung: Er braucht einen Freund. Er, der bisher nur als Einzelgänger und Krieger durch die Lande zog, soll auf einer Insel von Bauern, Hirten und Fischern einen Freund finden. Weiß Ronan überhaupt was ein Freund ist?
Der Anfang des Buches ist recht drastisch: Die Bestrafung von Ronan mit Peitschenhieben und dem Brandzeichen ist sehr eindringlich geschrieben. Doch ist der Rest des Buches keineswegs so drastisch, blutig oder brutal.
Vielmehr erweckt der Stil von Jordis Lank in dem Leser Bilder von wunderbarer Klarheit. Sei es der Sand, in den sich eine Hand krallt, seien es die Möwen am Strand von Lannoch, der Wind, der über die Wiesen fegt, die Insel im Verlaufe eines Jahres oder die Segel der Schiffe am Horizont, alles das beschreibt Jordis Lank intensiv und erlebbar, aber niemals aufdringlich oder ablenkend. Man merkt, die Autorin hat ein sehr gutes Auge für die kleinen Details. Das Buch ist Kino zum Lesen in seiner besten Form!
Auch die Geschichte ist faszinierend und mitreissend. Es geht – wie bei jeder guten Geschichte – um Konflikte, um Gegensätze. Und hiervon gibt es eine ganze Menge: Auf der einen Seite Ronan, der Kämpfer aus dem hochstehenden Raukland mit seinen quirligen Städten und den andauernden Kriegen, auf der anderen Seite die Insel Lannoch, mit ihren Bauern und Fischern und einer Ruhe, die Ronan noch nie hat erfahren dürfen. Auf der einen Seite der hitzköpfige und stolze Ronan, auf der anderen Seite der introvertierte und ängstliche Liam, der zunächst für Ronan nur das Aushängeschild eines Freundes ist, sich aber im Laufe des Buches zu der wichtigsten Stütze entwickelt, die er bei der Erfüllung seiner Aufgaben hat. Und noch viele Gegensätze mehr.
Das alles mag stereotyp klingen, ist es aber nicht. Ronan und Liam sind beide nicht dumm. Auch die Bauern von Lannoch sind nicht dumm, wenngleich sie wenig gebildet sind. Jede Figur macht eine persönliche und nachvollziehbare Entwicklung durch, am Ende sind Lannoch und Ronan nicht mehr, wie sie vorher waren. Doch zu keinem Zeitpunkt driftet die Story ins kitschige oder allzu vorhersehbare. Selbst dann nicht, wenn schon früh am Anfang klar wird, dass die Enkelin des amtierenden Königs von Lannoch Ronan gegenüber nicht so ablehnend bleiben wird, wie sie es noch am Anfang ist …
»Rauklands Sohn« hat wunderbar Spaß gemacht. Es ist eine toller historischer Roman um Freundschaft, Mut und Toleranz. Und darum, dass der Sohn nicht so sein muss wie der Vater.
