Gretchenfrages avatar

Gretchenfrage

  • Mitglied seit 18.03.2013
  • 70 Bücher
  • 4 Rezensionen
  • 60 Bewertungen (Ø 3,2)

Rezensionen und Bewertungen

Filtern:
  • 5 Sterne7
  • 4 Sterne20
  • 3 Sterne17
  • 2 Sterne10
  • 1 Stern6
Sortieren:
Cover des Buches Solar (ISBN: 9783257241747)

Bewertung zu "Solar" von Ian McEwan

Solar
Gretchenfragevor 8 Jahren
Der langsame Niedergang des Physikers Michael Beard

Der Name „Ian McEwan“ gleicht für mich einem Versprechen: Wenn er auf dem Cover eines Buches prangt, weiß ich sofort, dass mich eine interessante und gut geschriebene Lektüre erwarten wird. McEwans Bücher sind vielleicht nicht so spannend wie Thriller oder Krimis. Aber sie ziehen mich dennoch durch ihre vielschichtigen Protagonisten und die differenzierte Darstellung der zwischenmenschlichen Beziehungen jedes Mal schnell in ihren Bann. Außerdem schreibt McEwan einfach wunderschöne, klare Prosa. Es war daher für mich nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder einmal zu seinem Werk zurückkehren würde. Vier Romane des Briten habe ich in der Vergangenheit bereits mit Begeisterung gelesen. Solar sollte nun anlässlich meines Vorsatzes, nur noch gute Bücher zu lesen, endlich Nummer 5 werden.

Im Mittelpunkt von Solar steht der alternde Physiker Michael Beard. Klein und dick, wie er ist, kann Beard nicht gerade als attraktiv beschrieben werden. Seiner Beliebtheit bei den Frauen tut dies jedoch keinen Abbruch: Er reiht Affäre an Affäre und Ehe an Ehe. Zu Beginn der Romanhandlung steht Scheidung Nummer 5 unmittelbar bevor. Denn auch die Ehe mit der wesentlich jüngeren Lehrerin Patrice liegt auf Grund seiner ständigen Affären in Trümmern. Man wohnt zwar noch zusammen im gemeinsamen Haus, ignoriert sich aber weitestgehend, was für Beard ein ziemliches Problem darstellt. Denn nun da das Ende ihrer Beziehung unausweichlich scheint und seine Frau einen Geliebten hat, fühlt er sich plötzlich wieder zu seiner Patrice hingezogen und will sie gerne zurückgewinnen.

Ähnlich unbeständig wie sein Liebesleben verläuft auch Beards Karriere. Nachdem er als junger Forscher für seine Weiterentwicklung von Einsteins Theorem für Photovoltaik mit dem Nobelpreis geehrt wurde, zehrt Beard rund 20 Jahre später immer noch von der Strahlkraft dieser Auszeichnung und verdient sein Geld im Wesentlichen mit Vorträgen oder als Schirmherr. Sein Forscherdrang ist mit Anfang Fünfzig ebenso erloschen wie sein Interesse an Neuerungen innerhalb seines Faches. Dennoch ergattert Beard auf Grund seiner früheren Erfolge den Posten als Leiter eines staatlich geförderten Instituts für erneuerbare Energien. Für ihn ist der Posten jedoch bloß eine weitere Einnahmequelle; der Erfolg des Instituts interessiert ihn ebenso wenig wie der Kampf gegen den Klimawandel, dem sich das Institut verschrieben hat. Den Idealismus, den manche seiner jungen wissenschaftlichen Mitarbeiter bei der Arbeit an den Tag legen, kann er daher nur belächeln – bis einer von ihnen einen brillanten Einfall hat und Beard nach einem bizarren Unfall die Chance wittert, noch einmal in seinem Leben einen ganz großen Wurf zu landen.

Die Handlung von Solar erstreckt sich über insgesamt neun Jahre. Obwohl man Beards Entwicklung also über einen langen Zeitraum begleitet, ist es für mich schwer, Zugang zu diesem eigenwilligen Charakter zu finden. Gier und Eitelkeit scheinen seine einzigen Triebfedern zu sein, sodass ich trotz Beards allzu menschlichen Schwächen kaum Sympathie für ihn empfinden kann. Ebenso wenig taugt Michael Beard jedoch als Antiheld, was zum einen daran liegt, dass McEwan sich größte Mühe gibt, ihn zu demontieren. Spätestens als Beard während einer Polarexpedition beim Pinkeln beinahe der Penis abfriert, hatte er für mich jede Glaubwürdigkeit verloren. Das zweite Problem mit ihm als Antihelden besteht darin, dass der Reiz, der einen Antihelden typischerweise ausmacht, Beard meines Erachtens komplett fehlt. Weder erkennt man sich in ihm wieder noch stimmt man ihm zuweilen heimlich zu. Michael Beard ist, um es in einem Wort zu sagen, einfach nur uninteressant.

Da Solar von Beards Niedergang erzählt und seine Entwicklung das Herz der Handlung war, hat mich der Roman leider streckenweise sehr gelangweilt. Mir war es leider völlig gleichgültig, was aus dem Physiker werden würde. Denn auch wenn ich mit der Figur nichts anfangen konnte, war meine Abneigung doch nicht groß genug, um wenigstens sein Scheitern herbeizusehnen. Das einzige, das ich tatsächlich herbeisehnte, war das Ende des Buches. Selten habe ich mich so sehr gelangweilt wie während der Lektüre von Solar. Der Gedanke, das Buch einfach abzubrechen, war daher allgegenwärtig. Das einzige, was mich davon abhielt, waren McEwans handwerklichen Fähigkeiten als Autor, die mich dieses Mal jedoch auch nicht zu 100 Prozent überzeugen konnten. McEwan versucht in Solar nämlich mehrfach lustig zu sein. Das Problem daran ist: Er kann’s nicht. Ich habe mich dabei erwischt, wie ich mich für seinen Humor geschämt habe. Der Penis mit Gefrierbrand ist nämlich leider nur der Gipfel des Eisbergs.

Alles in allem war Solar also eine ziemliche Enttäuschung. Im Vergleich zu vielen anderen Büchern ist es wahrscheinlich immer noch ein ganz passabler Roman. Aber von dem Autor, der Abbitte (engl. Atonement) und Liebeswahn (engl. Enduring Love) geschrieben hat, erwarte ich einfach mehr als das.

Cover des Buches Shades of Grey (ISBN: 9780340963067)

Bewertung zu "Shades of Grey" von Jasper Fforde

Shades of Grey
Gretchenfragevor 8 Jahren
Cover des Buches Das geraubte Leben des Waisen Jun Do (ISBN: 9783518464250)

Bewertung zu "Das geraubte Leben des Waisen Jun Do" von Adam Johnson

Das geraubte Leben des Waisen Jun Do
Gretchenfragevor 11 Jahren
Cover des Buches Meine Antonia (ISBN: 9783442739981)

Bewertung zu "Meine Antonia" von Willa Cather

Meine Antonia
Gretchenfragevor 11 Jahren
Cover des Buches Das Halsband der Königin (ISBN: 9783423133654)

Bewertung zu "Das Halsband der Königin" von Antal Szerb

Das Halsband der Königin
Gretchenfragevor 11 Jahren
Cover des Buches Der Meister und Margarita (ISBN: 9783630620930)

Bewertung zu "Der Meister und Margarita" von Michail Bulgakow

Der Meister und Margarita
Gretchenfragevor 11 Jahren
Cover des Buches Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand (ISBN: 9783570585016)

Bewertung zu "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" von Jonas Jonasson

Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
Gretchenfragevor 11 Jahren
Cover des Buches Reisen im Skriptorium (ISBN: 9783499243417)

Bewertung zu "Reisen im Skriptorium" von Paul Auster

Reisen im Skriptorium
Gretchenfragevor 11 Jahren
Reisen im Skriptorium - Ein Verwirrspiel

Ein alter Mann sitzt allein in einem kleinen Zimmer. Er weiß weder, wer er ist, noch, wo er sich befindet. Der Erzähler nennt ihn zwar Mr. Blank. Aber der Name soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der alte Mann wie ein unbeschriebenes Blatt – a blank page – vor uns steht. Wir kennen ihn eigentlich ebenso wenig wie er sich selbst. Sein Nachname ist nämlich nur eine Erfindung des Erzählers, ein Hilfskonstrukt, um Mr. Blank nicht als alten Mann bezeichnen zu müssen. Alt, so der Erzähler, sei schließlich eine sehr unpräzise Beschreibung, passt sie doch zu fast jeder Person im Alter zwischen 60 und 100 Jahren.

Für Mr. Blank spielen diese Überlegungen natürlich keine Rolle. Während wir Leser wenigstens einen Namen haben, an dem wir uns festhalten können, bleiben Mr. Blank nur das unbestimmte Wörtchen „Ich“ und ein alter Körper, der allmählich den Dienst quittiert. Die Frage, wer er ist, quält ihn. Doch die Erinnerungen an sein früheres Leben kehren nur langsam und sehr vage zurück. Denn sein Gedächtnis will einfach nicht richtig funktionieren. Sogar die Namen, die durch andere Menschen – das Pflegepersonal vielleicht? – an ihn herangetragen werden, muss sich Mr. Blank notieren.

Die Personen, die im Laufe des Tages in sein Zimmer treten, versuchen Mr. Blank zu beruhigen. Der Gedächtnisverlust sei völlig normal und zeige nur, dass die Therapie funktioniere, erklären sie ihm. Aber der alte Mann kann sich an keine Therapie erinnern. Er versucht sich dennoch voranzutasten und seine Vergangenheit zurückzuerobern. Vor manchen Antwortmöglichkeiten schreckt jedoch er zurück: Könnte es sein, dass er ein Gefangener ist? Oder gibt es vielleicht einen anderen triftigen Grund dafür, dass man sein Gedächtnis gelöscht hat?

„Reisen im Skriptorium“ wirft eine Menge solcher Fragen auf. Doch ein Kapitel, das einem den Schlüssel zur Geschichte in die Hand gibt, existiert nicht. Das ist natürlich erst einmal nichts Schlechtes. Ein Buch muss schließlich nicht linear von A nach B führen und am Ende in einem bombastischen Finale den Knoten lösen, den der Autor über viele Seite geknüpft hat. Im Falle der „Reisen“ bin ich dennoch geneigt zu sagen, dass ein solches Kapitel gefehlt hat. Am Ende des Buches wusste ich zwar, wer Mr. Blank sein soll. Es blieben aber trotzdem viel zu viele Fragen offen, deren Antworten ich in den anderen Romanen von Paul Auster suchen müsste. Denn: Paul Auster zitiert sich, wenn ich den Rezensionen auf Amazon und LovelyBooks Glauben schenken darf, fleißig selbst.

Eigentlich ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn Autoren sich und andere zitieren. Eher im Gegenteil: Gekonnt angewendet bereichern Zitate ein Buch und verleihen ihm Tiefe, da ein Autor sein Buch auf diese Weise in eine Tradition mit anderen Titel stellt – was, wenn man sich auskennt, sehr spannend sein kann. Schwierig wird es jedoch, wenn den Referenzen ein zu großer Raum zugestanden wird. So wie in – ihr ahnt es schon – Paul Austers „Reisen im Skriptorium“. Da ich bislang nur Austers „Moon Palace“ kenne, kann ich das Ausmaß der Selbstreferenz leider nicht einschätzen. Aber ich hatte beim Lesen oft das Gefühl, das mir etwas Wesentliches vorenthalten wird. Fast wie bei einem Insider-Joke, der den Autor und eingeweihte Leser zum Lachen bringt, mich hingegen ratlos zurücklässt. Und nein: Das ist kein sehr schönes Gefühl. Ich hätte es bevorzugt, wenn sich Paul Auster die Mühe gemacht hätte, „Reisen im Skriptorium“ so zu gestalten, dass es auch für Auster-Einsteiger gut lesbar ist.

Und trotzdem fand ich „Reisen im Skriptorium“ irgendwie ganz brauchbar und hatte, bis ich bemerkt habe, dass ich dumm sterben würde, meinen Spaß dabei, gemeinsam mit Mr. Blank die Wahrheit zu ergründen. Denn Paul Auster schreibt einfach unvergleichlich gut. Er drückt sich einerseits sehr klar und unprätentiös aus, sodass man zu keinem Zeitpunkt glaubt, das Buch eines Intellektuellen zu lesen. Andererseits beschwört er mit seinen Worten leuchtende, detaillierte Bilder herauf, die man ihm aufgrund der relativen Schlichtheit nicht zutrauen würde. Man liest und liest und plötzlich fragt man sich: „Wow, wo nimmt er das bloß her? Diese Intensität…! Diese Farben…!“  

Wobei: An manchen Stellen hätte es auch etwas weniger von dieser tollen Sprache getan. Ich stehe beispielsweise nicht so sehr darauf, eine detaillierte Beschreibung des Toilettenganges zu lesen, um nur eines von mehreren Beispielen zu nennen. Aber das ist letztendlich wohl Geschmackssache. Ich bin in diesem Punkt eher prüde und verzichte mit Freuden auf detailliertere Angaben, die im Deutschen meist ohnehin eher eigenartig klingen. Finde ich zumindest.

Im Großen und Ganzen ist „Reisen im Skriptorium“ also ein eher durchwachsenes Lesevergnügen, das ich nur Paul-Auster-Fans bedenkenlos ans Herz legen kann. Diejenigen, die in sein Werk hineinschnuppern möchten, sind mit seinen anderen Romanen weitaus besser beraten.

Cover des Buches The Road (ISBN: B005IT58EG)

Bewertung zu "The Road" von Cormac McCarthy

The Road
Gretchenfragevor 11 Jahren
Cover des Buches Water for Elephants (ISBN: 1565125606)

Bewertung zu "Water for Elephants" von Sara Gruen

Water for Elephants
Gretchenfragevor 11 Jahren

Über mich

Lieblingsgenres

Fantasy, Science-Fiction, Sachbücher, Literatur, Unterhaltung

Freund*innen

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks