Um ehrlich zu sein: Die Leseprobe dieses Buches konnte mich zuerst nicht überzeugen. Trotzdem habe ich dem Buch eine Chance gegeben, denn wie oft liest man das Buch eines israelischen Autors, in dem er die High Society und die queere Gesellschaft Israels thematisiert? Ich hatte kaum Vorstellungen vom Leben in Israel und die, die ich hatte, waren sehr religiös geprägt, da passte diese Handlung nicht wirklich hinein - aber Sangiv überzeugt die Leser:innen und lässt sie in Bereiche der israelischen Kultur blicken, die sonst kaum im Rampenlicht stehen.
Der Schreibstil orientiert sich stark an der Persönlichkeit Odeds, was am Anfang anstrengend sein kann. Mit der Zeit gewöhnt man sich jedoch daran und man fühlt sich Oded durch den sehr eigenen Schreibstil sehr nahe. Spannend ist auch, die Geschlechtlichkeit Odeds, bezeichnet er sich doch selbst oft mit weiblichen Beschreibungen, fasst kommt das Gefühl auf, der Charakter könnte genderfluid sein - auf die Geschlechlichkeit wird im Roman selber jedoch nie genau eingegangen, was auch daran liegen könnte, dass es eigentlich schon der dritte Roman mit dem Ermittler Oded ist, jedoch der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde... Hebräisch kann ich leider nicht lesen und so bleibt meine Frage offen, ob es in einem früheren Roman Thema ist, ob es an der Übersetzung liegt oder ob ich zu viel hineinlese... Sollte Oded wirklich genderfluid gelesen werden, und für mich ist es nun so, ist das ein Grund das Buch zu feiern, denn das ist ein großer und wichtiger Schritt in eine tolerantere Zeit!
HarleyQ
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HarleyQs Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Bewertung zu "Die Wächterinnen von New York" von N.K. Jemisin
Die Wächterinnen von New York beginnt sehr stark, mit einem unkonventionellen Prolog, der aus Ich-Perspektive eines jugendlichen Protagonisten geschrieben ist und vor Ironie und Zynismus nur so beißt. Der Prolog verspricht viel und als Leser:innen möchte man mehr davon. Doch der Roman wechselt danach zu einem auktorialen Erzähler und einem komplett anderem Erzähltempo.
Nach dem Perspektivenwechsel wirkt die Erzählstimme oft höchst rassistisch, sexistisch und homophob. Auch wenn dies vermutlich nicht von der Autorin beabsichtigt war, kommt dies vor allem durch den Wechsel von Ich-Erzähler auf auktorialen Erzähler, der von Leser:innen viel objektiver wahrgenommen wird und dem deshalb Stilelemente wie Ironie und Zynismus nicht so einfach zuzuschreiben sind.
Zusätzlich nimmt das Tempo rasant ab und nach der Hälfte des Romans hat die Handlung noch immer nicht wirklich begonnen und es ist nicht wirklich absehbar, wie die Handlung innerhalb der verbleibenden Zeit zufriedenstellend beendet werden kann.
die Stadt New York, die sich im Prolog noch so lebendig angefühlt hat, fühlt sich im weiteren Verlauf einfach nur noch fremd an und man möchte sie nicht wirklich kennen lernen - genau so möchte man das Buch nach einer Pause nicht unbedingt wieder aufnehmen.
Bewertung zu "Die sieben Männer der Evelyn Hugo" von Taylor Jenkins Reid
Mit "Die sieben Ehemänner der Evelyn Hugo" habe ich mich in ein für mich neues bzw. sehr selten gelesenes Genre vorgewagt und ich kann nicht sagen, dass das der Stein des Antoßes war, um wieder und wieder zu diesem Genre zurückzukehren.
Taylor Jenkins Reed beschreibt das Leben einer Hollywood-Diva, die einer jungen Journalistin ein Exklusivinterview gibt. So wie das Buch gehyped wird, denkt man, da kommen die großen Geheimnisse ans Licht und man wird wieder und wieder von Wendungen und Ereignissen schockiert. Dem ist aber nicht so, wirklich etwas besonderes, stellt das Leben der Evelyn Hugo nicht dar. Dafür zeichnet ihre Lebensgeschichte ein wunderbares Porträt Hollywoods und vorallem der Rolle der Frau im Filmgeschäft. Das ist jedoch für mich das einzige lobenswerte.
Der Schreibstil ist nichts besonderes, durch die Perspektivenwechsel kommt man leicht durcheinander, wenn man mal mittendrin unterbrechen muss und wirklich fesseln, konnte mich das Buch zu keinem Zeitpunkt.
Ein Buch über Agatha Christie und Oskar Kokoschka? Klingt doch perfekt für eine kunstliebende Büchernärrin aus Wien, deren Herz halb in London lebt... Obwohl mich der Anfang nicht sehr überzeugt hat und ich von fehlenden Satzzeichen (in diesem Fall Anführungszeichen bei der direkten Rede) im Normalfall abgeschreckt werde, habe ich mich wegen der Kürze an dieses Buch gewagt.
Im Nachhinein kann ich sagen, ich bereue es nicht. An den Schreibstil gewöhnt man sich schnell und es ist immer klar, ob gerade jemand spricht und wer es ist. Gegen Ende kommt zwar noch etwas Verwirrung auf, denn plötzlich wird ohne besondere Formatierung der genaue Wortlaut eines Briefes wiedergegeben, aber aufmerksame Leser:innen schaffen auch das.
Wir lernen Christie und Kokoschka am Ende ihres Lebens kennen und nur durch deren Gespräche an sechs Tagen erfahren wir mehr über ihr Leben und ihren Charakter. Leider ist das natürlich nur ein Scheinwerferlicht, das auf einzelne Ausschnitte gestrahlt wird. Andere Augenblicke bleiben komplett im Dunkel oder werden nur kurz gestriffen. Dass bei Ausschnitten aus Kokoschka viele berühmte Namen fallen werden, war klar, jedoch kann ich nicht sagen, ob es Leser:innen, die diese Menschen nicht kennen, zu viel wäre und die Beschreibungen zu allgemein. Man erfährt gerade einmal über Loos genaueres, andere berühmte Persönlichkeiten werden kurz als Maler bezeichnet, mehr Informationen erhalten die Leser:innen jedoch nicht.
Wenn man schon etwas Vorwissen über die Künstlerelite Wiens des 19. Jahrhunderts hat, kein Problem mit fehlenden Anführungszeichen und an den Leben berühmter Persönlichkeiten interessiert ist, sollte dieses Buch auf jeden Fall lesen. Sonst ist es ein Buch, bei dem man nichts verpasst hat, aber man vergeudet an ihm auch keine Zeit, wenn man es liest.
Patrick McGuinness verbindet in "Den Wölfen zum Fraß" alles was Großbritannien ausmacht, mit allem was wir aus hard bioled crimis kennen. Das bedeutet es fließt viel Tee und wir haben düstere, melancholische und sehr lange Monologe, die teilweise sehr weit vom eigentlichen Geschehen abschweifen. Doch dem Autor gelingt es, dass dies nicht stört. Überhaupt nicht, als Leser:in verfolgt man gerne die Gedankengänge Anders, tauscht mit ihm in seine Vergangenheit und die gesellschaftlichen Probleme Englands nach und vor dem Brexit ein. Dabei schafft McGuinness es auch sehr viele Themen anzusprechen: die Macht der Medien, die Gefahren eine Frau zu sein und wieso Männer es in der Datingwelt "einfacher" haben, englische Privatschulen, und, und, und... Trotzdem bildet der Roman ein abgeschlossenes Ganzes, ohne lose Enden, ohne unnötigen Ballast. Manchmal werden Absätze vielleicht etwas zu lang und die Gedanken drohen beim Lesen abzuschweifen, aber der Autor schafft es einen immer wieder zurückzuholen und ans Buch zu fesseln.
Ander ist ein sympathischer Hauptcharakter, der sich selbst nicht immer sicher ist. Ein Protagonist, der eine gemeinsame Vergangenheit mit dem vermeindlichen Mörder hat. Ein Protagonist, dem vielleicht nicht ganz zu trauen ist.
"Den Wölfen zum Fraß" ist kein actionreicher Thriller mit viel Blut und ekelerregenden Leichenbeschreibungen. Es ist eher ein sanft beginnender Wind, der unbemerkt zu einem Sturm anwächst und bei dem die Leser:innen nicht mehr wissen, was sie glauben sollen, wem sie Mitleid schenken sollen und auf welches Ende sie hoffen sollen... Alles in allem also ein gelungener Roman, den es so nicht mehr oft gibt und der auch Nicht-Krimifans zu empfehlen ist, denn die Leiche ist hier nur Mittel zum Zweck um viel wichtigere Themen anzusprechen.
Bewertung zu "Die Gezeiten gehören uns" von Vendela Vida
Die dreizehnjährige Eulabee und ihre Freundin Maria Fabiola beherrschen die Gezeiten in Sea Cliff. Sie wissen genau, wann sie die Bucht überqueren können und wann nicht, bis ein schreckliches Ereignis ihre Freundschaft erschüttert, und dann noch eins, und noch eins,...
Die Handlung des Romans ist selbst wie die Gezeiten des Meeres. Sie beginnt sanft, fast verträumt und ganz schnell und unerwartet nimmt sie plötzlich Fahrt auf und es wird gefährlich, nur um wieder abzuebben, schöne Momente möglich zu machen, die wieder aufschäumen und an den Klippen von den hohen Wellen der Flut zerschlagen werden.
Der Schreibstil ist passend gewählt, ein nostalgisches Zurückerinnern an eine Zeit, die Gott sei Dank überstanden ist und jetzt ohne größeren Schaden zu nehmen betrachtet werden kann... wenn man sie, wie die Protagonistin schon einmal erlebt hat und nicht wie die Leser:innen von den Ereignissen immer wieder von neuem überrascht wird und die Gefahr droht in der Flut unterzugehen.
Die Gezeiten gehören uns ist ein meisterhaft komponierter Roman, dem am Ende nichts fehlt und der einem selbst das Gefühl gibt ein junger Teenager in den 80er Jahren in San Francisco zu sein. Die selben Probleme wie Eulabee möchte man zwar nicht haben, aber deshalb ist es ja gut, dass es nur ein Roman ist.
In Erschütterung lernen die Leser:innen Zach Wells kennen, Paläontologe, kennen und irgendwie kommt er vielen vermutlich bekannt vor. Zach erinnert nämlich an Max Frischs Homo Faber, auch wenn der Autor Percival Everett wohl kaum den schweizer Autoren gelesen haben wird. Das Problem jedoch: Homo Faber ist höchst unsympathisch und nicht in der Lage Gefühle zu vermitteln - so war es zumindst für mich. Zach Wells ist zwar nicht so schlimm, aber ähnlich. Vor seinen Gefühlen flüchtet er in die Wissenschaft oder lebensmüde Nebenmissionen, die das Leben für ihn bereit hält. Zwischen Seite 200 und 210 kommen vielleicht kurz starke Gefühle auf, aber die kommen leider zu spät und flachen auch schnell wieder ab.
Der Gesamtaufbau des Buches im Sinne einer Collage - indem die kurzen inhaltlichen Passagen unterbrochen werden von diversen Textschnipsel - ist einen Versuch wert, mehr aber auch nicht. Wirklich verstanden habe ich es am Ende nicht, was der Autor damit bewirken möchte, ich habe es aber, ehrlich gesagt, nicht wirklich versucht. Bestimmt versteckt sich hinter diesen Textausschnitten ein größer Sinn und das ganze Buch eröffnet sich mir erst, wenn ich das doch verstehen würde... Aber ich wollte nicht wirklich noch mehr Zeit mit Zach Wells verbringen!
Es braucht schon viel, dass die Leser:innen von einem so ernsten und traurigen Thema nicht berührt werden. aber bei mir hat der Autor das geschafft.
Hanya Yanagihara hat wieder einen Roman geschrieben und das Warten hat sich gelohnt. Auf knapp 900 Seiten erzählt die Autorin fünf Lebensgeschichten und trotz der Komplexität geht kein bisschen das Gefühl verloren.
Dadurch, dass der Schreibstil immer harmonisch auf den:die Protagonist:in abgestimmt ist und immer kleine Eigenheiten zeigt, können sich die Leser:innen schnell und einfach auf die neuen Personen einstellen und besteht keine Verwechslungsgefahr, gleichzeitig haben sie auch Gemeinsamkeiten, die sich schon alleine im Erzählstil finden und die aus dem Buch ein gelungenes Ganzes machen.
Yanagihara versteht es Geschichten miteinander zu verkmüpfen, obwohl sie ganz unterschiedliche Schicksale erzählt. Sie schafft es auch die Leser:innen vor große Fragen und Rätsel zu stellen, sodass es fast notwendig wird zwischen den Zeilen zu lesen um an alle Geheimnisse des Buches ranzukommen.
Am Ende wird klar: Amerika kann das Paradies sein, jedoch nur wenn du zur Norm gehörst.
Das Buch ist eine wunderschöne Lektüre, wenn auch nicht immer leicht zu verdauen (aber dafür ist Yanagihara bekannt und dafür wird sie geliebt). Es empfiehlt sich das Buch im Austausch mit anderen Leser:innen zu lesen und zu diskutieren, denn dadurch eröffnen sich weitaus mehr Perspektiven und die Leseerfahrung wird um einiges reicher!
Thomas Mulitzer hat in seinem Roman "Pop ist tot" eine besondere Atmosphäre geschaffen, die in Harmonie mit dem Thema und der Sprache ein gelungenes Werk schaffen, für alle Leser*innen, die bereit sind, sich auch einmal auf etwas anderes einzulassen.
Die in die Jahre gekommenen Mitglieder der österreichischen Punk-Band Pop ist tot sind authentisch und damit auch liebenswert, teils sympathisch, teils unsympathisch und manchmal auch ziemlich nervig. Charaktere, die sich auf den wenigen Seiten zwar nicht viel weiterentwickeln, aber ihre Vielschichtigkeit in allen Farben präsentieren und feiern.
Mit dem Stil hat Mulitzer ins Schwarze getroffen. Er mag vielleicht nicht groß poetisch sein, oder die hochtrabendsten Begriffe verwenden, aber das hätte zu diesem Buch auch nicht gepasst.
"Pop ist tot" ist auf jeden Fall jede Minute wert, die man an Zeit investiert, denn dieses Buch weckt in einem den kleinen Punk und lässt die Jugend wieder hochleben. Eine kleine Überraschung mit großem Potenzial.
Mit Band 2 "Stadt des Zorns" wollte Marc Meller noch mal eins drauf setzen und seinen erfolgreichen Erstling "Raum der Angst" fortsetzen, dabei ist aber leider einiges schiefgegangen.
Das Buch startet zwar schnell in die Handlung, die Action beginnt sofort und man ist sofort wieder in der vertrauten Atmosphäre des ersten Bandes. In den ersten Kapiteln wird auch genug wiederholt, um sich wieder daran zu erinnern, bzw. um interessiert genug zu sein, um den ersten Band danach als Prequel zu lesen. Gleichzeitig wird aber vage genug über die Ereignisse von Band 1 gesprochen, dass es nicht zu sehr nervt, wenn man schon alles kennt.
Dann fällt die Spannung aber schnell wieder ab, der "Escape Room", wie er vom Genre her angekündigt wird, kommt nicht richtig in die Gänge, als Leser*in fragt man sich immer wieder, ob das denn nun schon der Escape Room ist oder ob sie dort noch hinkommen. Wirkliche Rätsel, wie im ersten Band, gibt es kaum.
Die Charaktere, die im Escape Room mit Hannah gefangen sind, wirken einseitig und überzeichnet. Am Ende bekommen sie noch etwas Hintergrund dazu, damit ein letztes Rätsel aufgeht und wir vielleicht im letzten Moment noch Gefühle für sie entwickeln können und auch da müssen wir natürlich möglichst dramatisch sein.
Dazu kommt ein leicht zu lesender, aber eben auch flacher Schreibstil, bei dem der Autor sich teilweise bis zu fünf mal wiederholt - und zwar Dinge, die schon im ersten Band zum Erbrechen erwähnt wurden - und der mit kleinen fehlerhaften Details gespickt ist.
Ich hatte große Hoffnungen in dieses Buch, aber anscheinend wollte man nur den Erfolg des ersten Bandes wiederholen, ohne ausreichend Arbeit und Hingebung in dieses Projekt zu stecken.