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HowardJ

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Wofür stehst du? (ISBN: 9783462042412)

Bewertung zu "Wofür stehst du?" von Axel Hacke

Wofür stehst du?
HowardJvor 12 Jahren
Cover des Buches Love to Love You, Baby (ISBN: 9783896560735)

Bewertung zu "Love to Love You, Baby" von Jan Stressenreuter

Love to Love You, Baby
HowardJvor 12 Jahren
Cover des Buches Mit seinen Augen (ISBN: 9783896561510)

Bewertung zu "Mit seinen Augen" von Jan Stressenreuter

Mit seinen Augen
HowardJvor 12 Jahren
Rezension zu "Mit seinen Augen" von Jan Stressenreuter

Eine Lesung anlässlich der Vorstellung eines neuen Buches ist nichts Besonderes. Dass sie in Köln stattfindet, auch nicht. Wenn es sich um das neue Buch von Jan Stressenreuter handelt, der jahrelang im Englisch-Leistungskurs neben mir gesessen hat und ebenso verzweifelt versuchte, Gedichte von T.S.Elliot zu verstehen, Songtexte von Don McLean zu interpretieren oder Artikel aus der Newsweek zu analysieren, dann schon eher. Und wenn die Buchpremiere dann noch bei Brunos (www.brunos.de) steigt, dann rückt das Ganze schon etwas näher an das Besondere heran. Zumindest für mich.

Ich gebe zu, dass ich mit einem etwas mulmigen Gefühl in die Kettengasse nach Köln kam. Warum eigentlich? Homosexualität ist nichts Unnormales. Dennoch habe ich das Gefühl, in eine fremde Welt zu kommen. Eben weil die Gay-Shops nicht meine Welt sind. Eben weil es doch kein ganz normaler Buchladen ist, in dem die Lesung stattfindet. Das hat weniger was mit den Themen der Bücher zu tun, die hier verkauft werden. Auch das Ambiente ist hell, offen, freundlich. Es sind eher solche Gimmicks wie die Plastik-Schniepel, die neben den Ralf König-Comics feilgeboten werden, und die mir ein ungewolltes Grinsen aufs Gesicht treiben.

Damit hört das Außergewöhnliche aber auch schon auf. Zur Begrüßung wird ein Glas Prosecco gereicht, ich wechsel’ ein paar Worte mit Jan, setze mich dann in die dritte Reihe und warte, dass es los geht.

Bevor er anfängt sagt Jan, dass er nervös sei. Aber das kann er offenbar gut verbergen. Auch diese Koketterie: normal.

Aus dem Klappentext weiß ich, dass der Roman von Felix, Mitte 40, handelt, der auf dem Dachboden Fotos, Briefe und Tagebücher seines früh verstorbenen Vaters findet. Daraus erfährt er, dass sein Vater ein Verhältnis zu einem anderen Mann hatte.

Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen, die geschickt mit einander verknüpft werden. Dank sehr guter Recherche wird besonders die Adenauer-Ära plastisch herausgearbeitet. Die Szenen rund um Anstand, Moral und Paragraph 175 lassen den Geist dieser Jahre spüren. Es wird klar, dass der Weg weg von der Nazizeit noch ein weiter ist.

Die im Mittelpunkt stehende Dreiecksgeschichte ist gut konstruiert, lässt den Leser mitfiebern. Der flüssige Schreibstil tut sein übriges, dass man das Buch nur ungern aus der Hand legt. Besonders die Zerrissenheit von Felix’ Vater zwischen dem Wunsch nach Anerkennung, die nur über die damals gültige Vorstellung von Normalität erreicht werden kann, und seinen Neigungen kommt eindrucksvoll herüber. Das lässt auch darüber hinweg sehen, dass nicht alle Perspektivwechsel immer nachvollziehbar sind und der ein oder andere kleinere Bruch in der Logik vorhanden ist.

Die Kapitel, die Jan für die Lesung ausgesucht hat, machen neugierig. Ich erstehe ein Exemplar, selbstverständlich mit Widmung, und gehe mit einer kurzweiligen Lektüre nach Hause.

Cover des Buches Die Vermessung der Welt (ISBN: 9783498035280)

Bewertung zu "Die Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann

Die Vermessung der Welt
HowardJvor 12 Jahren
Cover des Buches Zwei an einem Tag (ISBN: 9783036955421)

Bewertung zu "Zwei an einem Tag" von David Nicholls

Zwei an einem Tag
HowardJvor 12 Jahren
Cover des Buches Achilles' Verse (ISBN: 9783453600348)

Bewertung zu "Achilles' Verse" von Achim Achilles

Achilles' Verse
HowardJvor 12 Jahren
Rezension zu "Achilles' Verse" von Achim Achilles

Achim Achilles ist Läufer. Kein Top-Star, kein Wunderläufer, sondern einer wie du und ich. Einer der -wie ich- durch eine kleine Krise um die 40 zum Laufen gekommen ist. Und seit der Entschluss gefasst ist, der Krise durch mehr Bewegung zu begegnen, werden die Erlebnisse Woche für Woche als Kolumne auf Spiegel-Online veröffentlicht. Die besten davon sind im März 2006 als Taschenbuch erschienen.

Und dieses Buch ist eine echte Qual. Und zwar für die Bauchmuskeln. Drei Versuche habe ich unternommen, mir die Erlebnisse auf der Fahrt zur Arbeit in der S-Bahn zu Gemüte zu führen. Verständnislose Blicke aller Mitreisenden ob meiner Lachkrämpfe waren das Ergebnis, so dass ich das Buch schnell wieder in der Aktenmappe verschwinden ließ.

Achilles’ Verse ist keiner der unzähligen Ratgeber, die auf dem schier endlose scheinenden Laufratgebermarkt feilgeboten werden. Im Gegenteil. Die bekommen nämlich ordentlich ihr Fett weg. Seien es die Laufgurus Steffny, Karraß, Petersen, Greif oder vor allem der vor einigen Jahren aus jeder Talkshow bekannte „Doktor Strunz, Papst des Vorderfußlaufs, broilerbrauner, kunstzahniger Aktivbolzen, das Dolly Buster der Laufszene.“ (Wobei Achilles sich postwendend bei Dolly Buster entschuldigt und seinen Vergleich mit Roy Black zieht.) Einfach Klasse.

Achim schildert seine Probleme als und die Eigenarten der Läufer auf eine gelungene, bissig-humorige Art, die Spaß macht. Großen Spaß. Umso mehr, als dass der normalsterbliche Läufer vermutlich einen hohen Grad an Übereinstimmung mit Achims Erlebnissen findet. Wenn die glitzernde Konsumwelt der Freizeitindustrie auf’s Korn genommen wird, bleibt zumindest mein Auge nicht trocken. Und mit den Nordic Walkern, diesen hüftgoldwackelnden Stock-Terroristen, geht es mir genauso. Die Bilder werden so wunderschön pointiert gezeichnet, dass sich selbst die Anhänger dieser „Sport“art amüsieren werden. Ganz Bestimmt.

Zu meinen Lieblingskapiteln gehört das über die Dehydrierungsphobiker, die -ähnlich wie Django mit seinen Patronengurten- mit einem Gürtel voller Nuckelflaschen bewaffnet durch den Wald hetzen. (Und zu denen ich mich auch zähle, zumindest bei Läufen über 2 Stunden.) „Flaschenläufer sind wie Uschis“.

Und jenes Kapitel über das unausgesprochene und niemals erwähnte Problem aller Läufer, die Peristaltik. Grandios! Lesen!

Achim Achilles ist eine Erfindung des Journalisten Hajo Schumacher. Und gleichzeitig sein Pseudonym. Jedenfalls ist das Buch nicht nur für Läufer ungemein erheiternd, sondern auch für alle aus deren Umfeld oder auch für diejenigen, die die „wachsenden Horden karnevalsbunter Strammwaden im deutschen Unterholz verständnislos oder amüsiert beobachten“.

Cover des Buches Alle meine Freunde sind Superhelden (ISBN: 9783630621340)

Bewertung zu "Alle meine Freunde sind Superhelden" von Andrew Kaufman

Alle meine Freunde sind Superhelden
HowardJvor 12 Jahren
Cover des Buches Britannica & ich (ISBN: 9783471795132)

Bewertung zu "Britannica & ich" von A. J. Jacobs

Britannica & ich
HowardJvor 12 Jahren
Rezension zu "Britannica & ich" von A. J. Jacobs

A. J. Jacobs ist amerikanischer Autor und Redakteur des Esquire-Magazins. Da er nach eigener Aussage in seinem Leben endlich mal was schaffen möchte, beschließt er, die Encyclopaedia Britannica zu lesen. Dieses Nachschlagewerk beansprucht für sich, das Wissen der Menschheit möglichst vollständig zu vereinen. Folglich ist Jacobs' hehres Ziel, der klügste Mann der Welt zu werden. Doch insgeheim wollte er nur seinem Vater eins auswischen. Der kam beim selben Vorhaben nämlich nur bis Borneo.

Die Encyclopaedia Britannica , oder kurz die Britannica, das sind schlappe 33.000 Seiten, 65.000 Artikel und 24.000 Abbildungen verteilt auf 32 Bände. Und Jacobs beschreibt den Weg dadurch von A bis Z. Oder besser gesagt von A'ak bis Zywiec. Und 521 Begriffen dazwischen. Verteilt auf 400 Seiten. Und das auch noch durchaus witzig.

A'ak ist übrigens die Klassische Musik Ostasiens Das ist gut zu wissen. Für den Small-Talk auf der nächsten Party zum Beispiel:

Haydns Wiener Klassik ist mir ein wenig zu populär, da hat A'ak schon einen ganz anderen Anspruch.

Und so geht es weiter. Stichwort für Stichwort. Jacobs pickt bestimmte Begriffe aus der Britannica heraus, zu denen entweder skurrile Informationen und Kommentare gegeben werden oder die ihn Anekdoten aus seinem Leben erzählen lassen. Alles mit einem sehr feinen, hintergründigen und augenzwinkernden Humor gewürzt.

Das Buch bewegt sich auf diese formale Weise mehr oder weniger schnell alphabetisch nach vorne. Drei Handlungsstränge bilden sich dabei nach kurzer Zeit heraus.

1. Jacobs möchte unbedingt in den Mensa-Club (Verein aller Menschen, deren IQ über dem von 98% der Bevölkerung liegt) aufgenommen werden.
2. Jacobs möchte unbedingt bei den Fernseh-Shows Jeopardy und Millionaire (bei uns: Wer wird Millionär) auftreten.
3. Jacobs und seine Frau Julie möchten unbedingt ein Kind.

Bis er alle Ziele erreicht, gibt es jede Menge zum Schmunzeln. Die Aufnahme in den Mensa-Club gelingt ihm nur über den Umweg eines Gutachtens aus dem Gymnasium (Die wörtliche Übersetzung lautet „Anstalt für Leibesübungen mit nacktem Körper“. Jacobs fügt trocken hinzu: Weshalb es sich empfiehlt, den Hometrainer vor Gebrauch gründlich abzuwischen.)

Bei Jeopardy darf er zwar nicht teilnehmen. (Im Rahmen seiner Redakteurs-Tätigkeit interviewt er nämlich den Moderator der Sendung und die Spielregeln schließen Kandidaten aus, die diesem persönlich bekannt sind.) Aber seine Zähigkeit verhilft ihm immerhin nach einer langwierigen Castingprozedur auf den heißen Stuhl bei Millionaire.

Als Höhepunkt muss er im Kapitel Vital Fluid (Körperflüssigkeit) allerdings sein Scheitern an der 32.000$-Frage (Gewinnstufe) beschreiben. Welcher Bestandteil des Blutes wird auch Erythrozyt genannt? Rote und weiße Blutkörperchen stehen neben Blutplättchen und Serum zur Wahl. Seinen Telefon-Joker bringt er durch umständliches Buchstabieren aus dem Konzept und verbockt es dann schließlich selbst, als er sich nach dem Fifty-fifty-Joker für Serum entscheidet und auf 1.000$ zurückfällt.

Macht alles nix, denn mit dem dritten Ziel klappt es auf ganzer Linie. Wird in den ersten zwei Dritteln des Buches beschrieben, wie sich der Freundeskreis rundherum vermehrt während bei den Jacobs der Frust ob der vergeblichen Zeugungsbemühungen wächst

(Stichwort: Mammals (Säugetiere): Beim Elefanten dauert der Geschlechtsakt nur zwanzig Sekunden. Das dürften viele Männer als Erleichterung empfinden.),

so heißt es schließlich unter Sharks (Haie): Während der Menstruation erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Haiangriffs. Noch ein Grund mehr, sich über Julies Schwangerschaft zu freuen.

Glückwunsch!

Das Buch hat mir Spaß bereitet.

Schon es in die Hand zu nehmen, ist eine kleine Freude, hat es doch den Britannica-typischen Goldschnitt am oberen Seitenrand sowie die Britannica-Distel als Reliefdruck auf der Vorderseite. Ein durchaus haptisches Vergnügen.

Auf den ersten Seiten stand ich dem Buch zwar noch skeptisch gegenüber, aber alsbald hat sich auch hier die Freude durchgesetzt. Freude über witzig kommentierte Lexikoneinträge und feine Geschichten zwischen Erfolg und Scheitern im Alltag und wie sich beides die Waage hält bzw. schließlich doch zum Guten neigt. Irgendwie.

Cover des Buches Ich bin dann mal weg (ISBN: 9783890293127)

Bewertung zu "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling

Ich bin dann mal weg
HowardJvor 12 Jahren
Rezension zu "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling

Ich mochte Hape Kerkeling schon zu Zeiten, als er als blutjunger Kerl noch mit Känguru auf Sendung ging. Nach Total normal habe ich ihn etwas aus den Augen verloren. Aber dann war er ja wieder da. Als Pilger auf dem Jakobsweg ist er mir an der Spitze der Sachbuch-Hitlisten begegnet. Wochenlang stand er da oben. Alle Welt redete davon. Und auch wenn ich mir das Buch nie selbst gekauft hätte, war es nur eine Frage der Zeit, bis es auf dem Geburtstags- oder Weihnachtsgabentisch lag.

Kerkeling beschreibt, wie er sich nach gesundheitlichen Problemen wegen Überarbeitung eine Auszeit nimmt, um die letzten 800 Kilometer des Jakobswegs nach Santiago de Compostela zu pilgern. Er ist dabei auf der Suche nach Sinn, nach sich selbst, nach Gott.

Ein tolles Buch. So ehrlich. So unkonventionell, wie er seinen Glauben findet. Hieß es.

So weit, so gut.

Der Anfang liest sich auch nicht schlecht. Das Buch kommt locker und flüssig rüber und verknüpft eine sachliche Ebene gut mit Unterhaltung. Aber spätestens ab der Hälfte fängt es an, sich zu wiederholen. Dabei stört nicht so sehr das Gefühl, alles schon mal gelesen zu haben, als die unterschwellig transportierte Einstellung, die anderen, „echten“ Pilger, also die, die auch sonst sonntags in die Kirche gehen, wären nicht echt bei der Sache, würden den Weg nur gehen, weil es von außen vorgeschrieben sei. Er dagegen, der sich von der Institution Kirche gelöst habe und aus anderem Antrieb unterwegs sei, hätte den besseren Zugang.

Gerade die Beschreibung der Begegnungen mit dem schrulligen hessischen(?) Ehepaar Schnabbel und Gerd hinterlässt bei mir durch die gewisse Portion Überheblichkeit einen sehr faden Beigeschmack. Das apostrophierte e nach dem G, mit dem der Dialekt der österreichischen Pilgerin, die ständig ein G’schäfterl sucht, karikiert wird, nervt ebenfalls nach der zweiten Wiederholung.

Zwischen den Zeilen seines Fazits, in dem er sagt, dass Gott ihn tatgtäglich in die Luft geworfen und wieder aufgefangen habe, steckt ein verstecktes: „Tschakka, ich hab’s erfahren, auch wenn ich nicht in der Kirche bin. Ätsch! Geht auch so!“ Für mich klingt es, als glaube er, was anderes oder gar besseres zu sein. Und das Nachwort, das das gleichzeitige transzendente Glöckchenläuten bei ihm und seinen Pilgerfreundinnen beschreibt, ist für den Nichtesoteriker auch nur schwer erträglich.

Cover des Buches Neue Vahr Süd (ISBN: 9783821807430)

Bewertung zu "Neue Vahr Süd" von Sven Regener

Neue Vahr Süd
HowardJvor 12 Jahren
Rezension zu "Neue Vahr Süd" von Sven Regener

Ich stand dem Wehrpflichtprinzip grundsätzlich ja nicht ablehnend gegenüber. Und weil das so war, musste ich da konsequenterweise auch durch. Irgendwie. Mit Augen zu.

Jedenfalls war meine Bundeswehrzeit durch zwei Eckpfeiler gesäumt. Der deutschen Erstausstrahlung von „Dallas“ am Vorabend der Einberufung und dem Wechsel von Kanzler Schmidt zu Kanzler Kohl am Tag nach der Entlassung.

Über die Zeit dazwischen hat sich ein schwerer, milchiger Schleier des Vergessens gelegt. Nicht, dass die Zeit für mich eisenhart gewesen wäre. Nein. Aber es war einfach nicht meine Welt. Der Prozentsatz an menschlichen Arschlöchern, die es im Angesicht der nahen „Zonengrenze“ subtil verstanden, mit der Angst vor den neben an zu stationierenden SS20 zu spielen, war beachtlich. Da hilft nur Verdrängungsstrategie (die ich noch heute perfekt beherrsche). Lediglich der kleine, dicke Hauptfeldwebel ist mir noch positiv im Gedächtnis geblieben, der zum Marschieren kein zackiges Soldatenlied anstimmen ließ sondern „Kreuzberger Nächte“ von den Gebrüdern Blattschuss (wie sinnig). Der Rest war Vergessen.

Bis ich letztes Jahr das Buch „Neue Vahr Süd“ von Sven Regener geschenkt bekam. Dessen Lektüre führte zu einem Flashback der besonderen Art. Ich fühlte mich schlagartig 25 Jahre zurückversetzt und der milchige Schleier war wie weggeblasen. Als ob es gestern gewesen wäre, nahmen die ganzen grotesken Erlebnisse von bürokratischem Schwachsinn, sinnfreien Befehl-und-Gehorsam-Dialogen sowie der gigantischen Vernichtung von Zeit wieder Gestalt an. Wäre es tatsächlich gestern gewesen, hätte es mir womöglich Schauer über den Rücken gejagt. Aber so, mit den 25 Jahren dazwischen, bereitete mir das Buch mit seinen zahllosen und mit Liebe zum Detail beschriebenen Szenen einfach nur großen Spaß. Das muss „meine“ Kaserne gewesen sein, die da beschrieben wird. Da ich aber nicht in Dörverden/Barme stationiert war, bleibt nur der (zugegebenermaßen unzulässige) Schluss, dass es zu der Zeit überall so war wie bei mir. Gut, dass das der Ivan nicht mitgekriegt hat.

Ca. 630 Seiten ist das Buch stark. Und die Geschichte darin pendelt hin und her zwischen dem Bemühen des Protagonisten Frank Lehmann, sich mit dem Kasernenalltag auseinander respektive zu widersetzen, und seinen Versuchen, sich in seiner frisch bezogenen Anarcho-Wohngemeinschaft zurecht zufinden. Zweiteres ist nicht minder komisch, beschreibt es doch wunderbar pointiert die ambivalenten Verhaltensweisen der Anhänger verschiedener Linksgruppierungen zwischen Theorie und Praxis. Die Szenen sind nicht weniger bizarr als die beim Bund.

Abgerundet wird das Buch durch Franks Bemühen um Sibille. Inclusive des Umwegs über Birgit. Dass diese Liebesgeschichte kein Happy End hat, ist nicht tragisch. Wahrscheinlich sogar besser. Jedenfalls habe ich selten so eine schöne und authentische gelesen. Und der Schluss hat fast etwas von Wildwest-Romantik, wenn der Held mit seinem Kadett gen Berlin aufbricht, wo 8 Jahre später der chronologisch folgende, aber eher erschienene und bekanntere Roman „Herr Lehmann“ aufsetzt.

Und wie bekomme ich jetzt die Kurve wieder zum Anfang und zu meiner Zeit beim Bund? Am besten gar nicht.

Über mich

  • 06.03.2012

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