Huebner
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Huebners Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Bewertung zu "Vom Ende einer Geschichte" von Julian Barnes
Bewertung zu "Die Tyrannei des Schmetterlings" von Frank Schätzing
Bewertung zu "Die Geschichte des Wassers" von Maja Lunde
Bewertung zu "Die Mutter meiner Mutter" von Sabine Rennefanz
Wien, jetzt und damals.
Elisabetta Schapiro, Kobold, Tochter eines jüdischen Arztes und einer Opernsängerin, jüngste dreier Schwestern, ist womöglich das Marillenmädchen, das jedes Jahr getreulich die Früchte des Baumes in ihrem Garten einkocht. Ein Baum, der mit ihr gealtert ist, sie begleitet hat wie die - vorübergehend verschollene - Schildkröte Hitler. Wer hinter dieser Geschichte einen Klamauk vermutet, wird zu Recht enttäuscht.
Elisabetta wird als alte Dame vorgestellt, die ihr Leben Revue passieren lässt. Ein bisschen schrullig wird ihr von ihren Schwestern Gesellschaft geleistet. Doch die beiden - Judith und Rahel - weilen längst nicht mehr unter den Lebenden. Sie wurden gemeinsam mit den Eltern ausgang des Krieges deportiert. Gerade noch so, was dem Ganzen eine gewisse Tragik verleiht. Elisabetta kommt davon, weil sie mit ihrem Jugendfreund und Hassliebe Franz in den Trümmern der Stadt herumstreunt, wird jedoch Zeugin der Verschleppung ihrer Familie und wird nie darüber hinweg kommen. Franz wird sich von Elisabetta abwenden, eine deutsche, blonde Frau heiraten und ihr die Ehe brechen. Elisabetta wird eine Tochter von ihm bekommen und eine Enkeltochter, die Rahel genannt wird. Ihre Familie wird ein jüdisches Restaurant betreiben, es Shalom nennen und hier wird die Tragödie ihren Lauf nehmen.
Hanika zeichnet auf ganz fantastische Weise Parallelen des jüdischen Lebens zur Zeit des 3.Reiches und unserer Gegenwart. Schmerzhafte, ehrliche Assoziationen, die die Neonazi-Szene beleuchtet und mit "dem Mädchen" Pola, ihrem Bruder und dessen faschistischem Netzwerk eine Bühne geben. Pola und Rahel werden ein Liebespaar, was nicht sein sollte, weiß man, in welchen Kreisen Pola verkehrt.
Hanika verquickt Sentenzen der jungen und der alten Elisabetta so raffiniert, sodass die Entwicklung der Geschichte nicht vorhersehbar und doch hinter jeder Buchseite Überraschungen stecken,
Ein wichtiges Buch. Eine großartige, traurige und ehrliche Geschichte, die uns zum Nachdenken anregt, uns noch lange nach dem letzten Satz schweigend innehalten lässt.
Ivonne Hübner
Febr. 2018
Bewertung zu "Asche zu Asche, Sterne zu Staub" von Wiebke Schmidt-Reyer
Selten habe ich so lange für einen Roman gebraucht wie für diesen. Der Austausch mit der Autorin in der Leserunde sollte mich durch die Ansammlung von geschilderten Ereignissen in einem Wust von Namen, Generationen und Belanglosigkeiten manövrieren und dennoch bleibt ein ganz schaler, farbloser Eindruck vom Roman zurück, wobei der Klappentext so viel verspricht.
Was die Autorin - immer wieder in der Leserunde wurde dies beteuert - mit "Magischem Realismus" in ihrem Buch belegen möchte, kann ich nicht entdecken.
Die Autorin versucht mit ellenlangen Schachtelsätzen zu überzeugen, dass sie erzählen kann. Das hätte ich ihr auch mit einer leserfreundlichen Stilistik auch geglaubt. Die Aneinanderreihung von Hypotaxen ist heut längst nicht mehr notwendig - gemessen am modernen, zeitgenössischen Erzählen; Schachtelsätze, die auch im historischen Roman eher altbacken und hinderlich wirken. Es wird in die Länge gezogen. Ein roter Faden, ein Handlungsstrang, der Spannung aufbaut und Neugier weckt, war mir leider nicht gegeben, die unübersichtliche Flut an Personen, die Aneinanderreihung von Berichten wirkt ermüdend.
Der Inhalt ist in einem Satz erzählt: Da gibt es Kim, die von ihrer Familie, auch von ihrer Großmutter Auguste berichtet und jene Auguste berichtet von Kim in einer Art Rückblende, denn Auguste stirbt und ihr Nachlass muss geregelt werden. Erzählhaltungen variieren hier vom Präs. in en Prät., was in einem Dafürhalten auch nicht für Systematik gesorgt hat. Es wird ein Familiengeheimnis gelüftet, das vorhersehbar ist, nicht wirklich überrascht, wenn man "Asche zu Asche ..." in die Reihe der Familiengeschichten seit Julia Frank stellen möchte. Es gibt kleine erzählerische Lichtblicke, wenn das Sterben thematisiert wird, aber auch das ohne inhaltlich stringenten Konsens.
Layout: leserunfreundlich, weil sehr enger Satz mit einer kleinen Type, sehr schmale Seitenränder, klobiges handling, sehr lange Absätze, die die oben geschilderten Schachtelsätze schier unbezwingbar machen.
Fazit: Ich finde es schade, dass hier das Vorurteil des mangelhaft überarbeiteten Self-publishings bestätigt wird. Man muss wissen, wie viel Mühe, Fleiß, Geduld, Kreativität der Selbstverlag abverlangt und leider wurde Wiebke Schmidt-Reyer hier schlecht beraten. HIer zeigt sich, wie wichtig professionelles Korrektorat und Lektorat sind.
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