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Ignacio_Mendez

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Römische Vergeltung (ISBN: 9783732557752)

Bewertung zu "Römische Vergeltung" von Bianca Palma

Römische Vergeltung
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Casellis persõnlichster Fall!

"Römische Vergeltung" wird als Casellis persönlichster Fall angekündigt, und es ist des Commissarios persõnlichster Fall. Caselli hat dieses Mal an vielen Fronten zu kämpfen, doch die härteste Front ist seine eigene.

Bianca Palma hat mit ihren bisherigen Krimis aus der Caselli-Reihe einen durchaus charmanten Commissario erschaffen, der den Leserinnen und Lesern ans Herz gewachsen ist. Caselli ist ein Gentleman der alten Schule. Sein Wertesystem beinhaltet den respektvollen Umgang mit anderen Menschen. Genauso erwartet er aber auch seiner Person gegenüber Respekt.

Caselli ist ein Macher. Er möchte gerne "die Schulter zum Anlehnen" bieten. Er hat ein klares Rollenverständnis, als Mann fühlt er sich zur Verantwortung berufen, er ist durchaus ein "Beschützertyp". 

Und auf einmal gerät seine Welt ins Wanken. Er kann nicht mehr beschützen und beginnt an sich zu zweifeln. Mehr noch, er selber wird zum Gejagten, sein ganzes Umfeld gerät in Gefahr. Doch Caselli versucht zunächst ganz cool zu bleiben. Zumindest nach Außen hin. Seine eigenen Gefühle und Ängste unterdrückt er. Dazu kommt es ganz passend, dass er sich in die bildhübsche Chantal verliebt, welche ihn wiederum in die Welt der oberen Zehntausend einführt. In eine Welt voller "Schall und Rauch", eine Welt in der die Oberflächlichkeit den Ton angibt.

Bianca Palma baut immer wieder solche Gespräche und Momente ein, an denen die Scheinwelt sich in vollem Glanze prasentiert. Durchaus tiefgründige Gespräche werden totgeschwiegen oder einfach ignoriert, wenn beispielsweise ein seelisch traumatisierter Mann versucht über seinen grauenvollen Einsatz in Syrien zu berichten. Die Zuhörer reagieren kurz mit Entsetzen, um sich dann wieder dem Buffet zu widmen. Caselli zieht es in diese Gesellschaft. Sie verlangt nicht nach großer Selbstreflexion, was zählt ist der Moment. Notfalls hilft man ein wenig mit Kokain und Alkohol nach. 

In diesen Kreisen kommt der Commissario erstmals intensiver mit gleichgeschlechtlich Liebenden, Travestiten und Trans in Berührung. Zu einem schwulen Mann entwickelt sich eine sehr spannend zu verfolgende Beziehung. Spannend, weil Caselli mit seinem eigenen Rollenverständnis kämpft. Immer wieder greift die Autorin dieses Thema auf, teilweise beschreibt sie diskussionswürdige Erklärungsmuster. Für mich bleibt die Erkenntnis, dass jeder Mensch eine Laune, ein Wunsch der Natur ist, so wie er/ sie ist einzigartig und für sich lebens- und liebenswert.

Für mich als Caselli-Fan, ist "Römische Vergeltung" eines der lesenswertesten Bücher aus der Reihe. Mag sein, dass das Kriminalistische in diesem Krimi etwas nach hinten fällt. Ich habe es beim Lesen sehr gerne in Kauf genommen. Die Auseinanderzusetzung mit Casellis "Dämonen" ist absolut gelungen und hat Freude beim Lesen bereitet. Wer außerdem Bianca Palma kennt, wird wissen, dass ihr immer viel an der Beschreibung der Umgebung, der Menschen, usw. liegt. Ein Abtauchen in die Weltstadt Rom ist dabei garantiert! 

Cover des Buches Drei sind ein Dorf (ISBN: 9783866482869)

Bewertung zu "Drei sind ein Dorf" von Dina Nayeri

Drei sind ein Dorf
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Schmerzlich (schön) berührend

Es macht einfach zusätzlich Freude, wenn die äußere Verpackung mit den "inneren Werten" übereinstimmt! Dass ist immer meine Erfahrung mit den Büchern vom Mareverlag, denn sie sind durchweg schön gestaltet. Zumindest trifft das für alle Bücher zu, die ich bisher von diesem Verlag gelesen habe.

So auch beim vorliegenden Buch "Drei sind ein Dorf" von Dina Nayeri. Das entsprechende Cover, die lebendigen Farben, haben mich sofort angesprochen. Es "fühlt" sich besser an, wenn soviel Liebe und Ehrgeiz in die Verarbeitung eines Buches investiert wurde.

Nun aber genug zu den Äußerlichkeiten, letztendlich lesen wir doch die Bücher wegen ihrer "inneren Werte"! Und derer habe ich in diesem Buch vieler gefunden. Es ist eine sehr emotionale Geschichte, welche uns die junge Autorin erzählt. Eine Geschichte einer ständigen Reise auf der Suche nach dem Angekommensein, nach den eigenen Wurzeln, nach Heimat. Nayeri erzählt diese Geschichte anhand einer Biografie realistisch und dadurch zutiefst berührend. Ein Stück weit ist es Nayeri Geschichte selbst, emigrierte sie doch als 10-jährige aus dem Iran in die USA.

Nayeri greift ein Thema auf, welches heute sehr viele und zukünftig immer mehr Menschen betrifft. Millionen von Menschen sind auf der Flucht, Millionen von Menschen leben fernab ihrer Herkunft, Millionen von Menschen haben einen Migrationshintergrund. Ein Jeder stellt sich im Laufe seines Lebens die Frage nach der eigenen Herkunft, nach der Heimat. Diese Frage, bzw. daraus resultierende Gedanken und Handlungen, sind maßgeblich von Bedeutung für die Bildung einer eigenen Identität, für die Bildung der Persönlichkeit. Es ist durchaus eine anerkennenswerte Leistung, wenn Menschen mehrere Einflüsse, usw. in ihre Persönlichkeit positiv integriert haben. Ich erkenne darin einen Gewinn für das Individuum und die Gesellschaft.

Dieser Prozess geht aber nicht so einfach "von der Hand". Er ist oft mühsam und von Rückschlägen gekennzeichnet. Immer wieder muss sich dieser Mensch hinterfragen, oft nehmen Zweifel die Oberhand. Auch diese Momente beschreibt die Autorin eindrucksvoll, wenn es, z. B. um bestimmte Zwänge geht, um Erwartungen von Anderen die zu erfüllen sind.

Dabei könnte so vieles so viel einfacher sein. Würden wir tatsächlich in einen Austausch der Kulturen treten, so würden wir sehr viele Gemeinsamkeiten kennenlernen. Es gibt nämlich durchaus mehr was uns verbindet, als was uns voneinander trennt. Wir könnten beobachten, wie andere Menschen mit ähnlichen Herausforderungen und Problemen umgehen und voneinander lernen. Ein anderer Mensch ist keine Konkurrenz zu mir, ein anderer Mensch ist eine Ergänzung in meinem Leben.

"Drei sind ein Dorf" hat mich, mal wieder, zum Nachdenken über die Themen Heimat, Herkunft, Familie gebracht. "Mal wieder", weil ich diese Themen nie als vollkommen abgeschlossen erlebe. Diese Fragen haben mich in meiner Jugend durchaus noch stärker bewegt als heute, viele Fragen habe ich für mich persönlich beantwortet. Und, dennoch, immer wieder treten Gedanken in dieser Richtung bei mir auf. Mag sein, dass diese häufig von außen angestoßen werden, durch elendige und sich immer wieder wiederholende politische Diskussionen. Was auch immer der genaue Grund sein mag, sie bleiben ein Begleiter im Leben. Literatur, wie dieses Buch, verdeutlichen mir, dass ich mit diesen Fragen nicht alleine stehe. So wird aus einem Buch ein Wegbegleiter, ein freundschaftlicher Ratgeber.


Cover des Buches Das Weingut - In stürmischen Zeiten (ISBN: 9783442205547)

Bewertung zu "Das Weingut - In stürmischen Zeiten" von Marie Lacrosse

Das Weingut - In stürmischen Zeiten
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Freud und Leid liegen oft nah beieinander, ob die Liebe gewinnt?

Zunächst möchte ich einige Aspekte der Buchgestaltung, des "Drumherums" benennen, da sie mich sehr angesprochen haben. In den ersten Seiten finden sich Karten und ein Personenregister. Die Karten helfen der örtlichen Orientierung in der Region um den Elsass zur Zeit des Ende des 19. Jahrhunderts. Sehr hilfreich. Aber auch das Personenregister kam mir sehr entgegen. Besonders in den ersten Seiten komme ich häufiger mit den Namen durcheinander, gerade wenn es viele unterschiedliche Protagonisten sind. Hier ist also ein kurzer Blick ins Personenregister sehr dienlich.

Ebenso nennenswert finde ich das Glossar am Ende des Buches und ein historisch hervorragend erarbeiteter Anhang mit weiteren Details und Informationen.

All das werten diesen eh schon sehr lesenswerten Roman weiter auf. Anfangs setze ich mich als Leser mit den Rollenverteilungen und dem Rollenverständnis zu dieser Zeit auseinander. Deutlich zeigen sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern und den sozialen Schichten. Die Autorin gewährt uns Einblick in die Lebenswelten sowohl der Dienerschaft wie auch der Partiarchen. Die herrschende Ungleichbehandlung und Ungerechtigkeit wird sehr deutlich.

In dieser klar hierarchisch strukturierten Gesellschaft kommt es zu einer Liebe die nicht sein darf. Sehr schnell habe ich Sympathien zu dem jungen Paar entwickelt. Es ist bewegend zu erfassen, zu welchen Leistungen die Liebe fähig ist.

Die Autorin Marie Lacrosse, vielen Lesern historischer Romane auch als Marita Spangenberg bekannt, verschont uns nicht mit den Grausamkeiten des Krieges, welcher 1870 zwischen Deutschland und Frankreich ausbricht und unzählige Opfer hinterlässt. Obwohl im Anhang die Autorin verrät, dass sie besonders drastische Beschreibungen den Lesers ersparen wollte, wird einem das Elend trotzdem sehr bewusst. Es sind nicht nur die Toten, die Eltern die verzweifelt auf ihre Söhne warten, die Kinder und Ehefrauen die auf ihre Väter und Ehemänner warten. Es sind auch die vielen Kriegsverletzte, die für ihr Leben körperlich und seelisch gekennzeichnet bleiben. Immer wieder baut die Autorin Momente von Menschlichkeit ein, Situationen in denen das Freund-Feind-Bild für einen Augenblick aufbricht. Diese Passagen haben mich besonders berührt.

"Das Weingut - In stürmischen Zeiten" hat mich von Beginn an in seinen Bann gezogen. Nun bin ich gespannt auf die Fortführung der Geschichte, denn das vorliegende Buch ist der erste Teil einer Reihe. In "Das Weingut - Aufbruch in ein neues Leben" geht es mit dem Dienstmädchen Irene und dem reichen Erben Franz weiter. Ich freue mich drauf!

Cover des Buches Die Tochter des Pianisten (ISBN: B07DTJ5KNT)

Bewertung zu "Die Tochter des Pianisten" von Lilian Kim

Die Tochter des Pianisten
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Gelungenes Debüt!

Beim Lesen von "Der Tochter des Pianisten" musste ich mir zunächst etwas eingestehen. Vermutlich nicht nur ich. Denn nüchtern betrachtet, verschließen wir, sprich der Westen, seit Jahrzehnten die Augen vor den Greueltaten des nordkoreanischen Unrechtsregimes.

Natürlich, einige grauenhafte Taten sind uns bekannt, wir haben von Konzentrationslagern gehört, wir wissen um Millionen von Hungerstoten in den 1990er Jahren. Viel mehr aber eigentlich auch nicht, und in der Tiefe schonmal gar nicht. Bedauernswert. Sehr bedauernswert.

Lilian Kim verleiht all diesen Opfern eine Stimme. Sie durchbricht die Mauer des Schweigens und gedenkt mit ihrem Werk den Verstorbenen, den Opfern  und derer Angehörigen. Unmöglich alle Grausamkeiten in einem zusammenzufassen, Lilian Kim befasst sich mit einer besonders abscheulichen Praxis, welche seit Jahrzehnten das Leben vieler Familien zerstört. Eigentlich unvorstellbar, da werden unbescholtene Bürger, Japaner, plötzlich und wie aus dem Nichts aus ihrem Alltag entrissen. Entführt vom nordkoreanischen Geheimdienst, werden sie nach Nordkorea verschleppt, um dort dem Regime von Nutzen zu sein. Bis heute befinden sich so noch etliche Japaner in den Händen der Nordkoreaner. Widerstand ist zwecklos, es drohen Folterung und Tod. So geschieht es auch einer der Hauptprotagonisten dieses Romans. Für sie beginnt mit der Entführung ein Martyrium. In der Zeit ihrer Festnahme entsteht aus einer Liebesbeziehung ein Kind, Sarah. Für die Mutter gibt es nur noch ein Ziel, dieses geliebte Kind in Sicherheit zu bringen. Jahre später wird sich diese Tochter auf die Suche nach ihren leiblichen Eltern begeben. 

Im Gespräch mit der jungen Autorin, teilte diese mir einen sehr bewegenden Satz mit: No day shall erase you from the memory of time. Dieser Satz sagt soviel aus und beschreibt welche Intention hinter Kiams Roman steckt. 

Etwas verdaulicher gestaltet sich das Buch durch die zusätzliche Beschreibung einer Liebesbeziehung zweier wunderbarer Menschen. Wahrend Teil 1 des Buches überwiegend politisch ausfällt, beschäftigt sich der zweite Teil liebevoll um Herzensangelegenheiten. Beide Teile haben mich gleichermaßen berührt.

Lilian Kim hat mir verraten, dass sie bereits an einer Fortführung des Romans arbeitet. Sehr zu meiner Freude! Ich hoffe, sie wird schon bald ihren zweiten Roman veröffentlichen, da ich mit großem Interesse die weitere Entwicklung der Protagonisten verfolge. In ein Genre lässt sich Kiams Werk nicht wirklich einordnen, irgendwie ist es ein wenig Thriller, ein wenig historischer Roman, ein wenig Liebesgeschichte. Es ist halt Lilian Kims Werk. Und dieses Werk ist sehr gelungen!

Cover des Buches Donaudämmerung (ISBN: 9783709978849)

Bewertung zu "Donaudämmerung" von Thomas Buchner

Donaudämmerung
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Sehr lesenswert, tolle MiscgMisaus historischen Roman und Krimi

So liebe ich Bücher! Direkt nach den ersten Seiten befinde ich mich im gewünschten Szenario und mag dieses nicht verlassen, bevor ich nicht die letzte Seite gelesen habe!

Und selbst dann verlasse ich diesen Ort mit etwas Bedauern. Bis dahin habe ich eine Beziehung zur Handlung und zu einigen Akteuren aufgebaut, wie bei der jetzt zu beurteilenden Lektüre geschehen. Thomas Buchner beschreibt Alltagsmenschen, wie Du und Ich. Er setzt sich mit ihren Hoffnungen und Ängsten auseinander, bringt ihre Art zu Denken und zu Leben dem Leser sehr nahe. Dadurch habe ich mich häufig bei der Frage wahrgenommen, wie ich mich wohl in der ein oder anderen beschriebenen Situation verhalten hätte.

Natürlich, mit dem Wissen von heute, mit meinen Erfahrungen und meinem Gefühl von Selbstvertrauen, würde ich immer die Frage sehr eindeutig beantworten: Nein, ich hätte mich nicht vergiften lassen, und, nein, ich kann die Augen nicht vor Verbrechen verschließen. Doch, ganz ehrlich, wie lange könnte ich einem Terrorregime und seiner Propaganda die Stirn bieten?! Unweigerlich beschäftigt mich immer diese Frage, wenn ich lesend in die NS-Zeit eintauche. Dass der Autor Charaktere "mitten aus dem Leben" ausgewählt hat, haben in diesem Fall verstärkt zu dieser Auseinanderzusetzung beigetragen.

Überhaupt ist die ganze Handlung sehr spannend. Für mich eigentlich schwer vorstellbar, wie Gerechtigkeit in einem Unrechtsregime zur Geltung kommen soll. Entsprechend laufen die Ermittlungen in einem Mordfall einer möglichen Tante Hermann Görings nur in eine Richtung, möglichst schnell einen Täter dingfest zu machen. Als sich dann auch noch die Gestapo in die Ermittlungen einmischt, scheint das Ende bereits besiegelt zu sein. Ein regimekritischer "Täter" ist schnell gefunden. Der Fall scheint gelöst. Wäre da nicht eine motivierte, junge Kriminalassistentin, die der Sache doch etwas genauer auf dem Grund gehen möchte...

Für mich ist "Donaudämmerung" ein Glücksfall, treffen doch zwei meiner meistgeliebten Genres aufeinander, historisch und kriminalistisch. Als Geschichtswissenschaftler kennt Buchner sich aus, er konzentriert sich im Buch auf die Zeit zwischen dem Anschluss Österreichs und dem Überfall auf Polen. In diese aufgeladene Zeit, zwischen fanatischer Begeisterung und berechtigter Angst, hat der Autor zusätzlich einen spannenden Krimi gepackt. Die Mischung ist äußerst gut gelungen. 

Sein Krimidebüt feierte er bereits zwei Jahre zuvor, mit einem Linzkrimi in der Zeit der 1930er-Jahre. Die sowieso schwer verdauliche Epoche erleichtert er dem Leser durch eine feine Art des Humors. Ich hoffe in Zukunft weitere historische Krimis von diesem Autor lesen zu dürfen!

Cover des Buches Versuchspersonen (ISBN: 9781980494829)

Bewertung zu "Versuchspersonen" von Hartmut Behrens

Versuchspersonen
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Ein Versuch der keine Überlebende duldet

Titel und Klappentext haben mich einen bewegenden Thriller erwarten lassen. Ein Experiment im Geheimen, als Versuchsgegenstand Menschen und deren Abgründe. Gruselig allein die Vorstellung, schnell werden in Erinnerung Mengeles abscheuliche Menschenversuche gerufen, oder die abartigen Experimente in  der Colonia Dignidad. Geschehnisse, an denen alles Menschliche verlorengegangen zu sein scheint. Überlebende solch erlebter Barbereien, werden ihr leblang drunter leiden. 

"Versuchspersonen" zeigt, wie Menschen durch psychische und physische Gewalt an ihre Existenzgrenzen gebracht werden. Hartmut Behrens wechselt in seinem Buch ständig die Sichtweisen des Erzählenden, mal wird die Situation aus Sicht einer "Versuchsperson", mal aus Sicht eines Täters beschrieben. Die Kapitel sind leserfreundlich kurz gehalten, so dass man durchweg in den Betrachtungen hin und her switcht. Ein wenig entstand in mir das Bild einer Theateraufführung, in denen jeweils der Vorhang für eine neue Szene fällt. Vielleicht ist mein Gedankengang gar nicht so weit hergeholt, wohlwissend das Behrens für seine Theaterbücher bekannt ist. 

Diese Wechsel haben mich beim Lesen ein wenig überfordert. Es ist durchaus positiv unterschiedliche Charaktere kennenzulernen. Es ist eine spannende Frage, wie Menschen verschieden mit einer Extremsituation umgehen. Vielleicht hilft es bei der Beantwortung der Frage, wie man wohl selber in einer solcher Lage reagieren würde. Ich habe mich jedoch verheddert, wußte teilweise nicht mehr die aktuelle Charaktere in den richtigen Kontext zu setzen. Dadurch verlor ich immer wieder "den Faden", ich musste mich sehr konzentrieren. Das Ende hat mich nicht besonders überzeugt. Es bleiben irgendwie "die üblichen Verdächtigen" übrig. Hier hätte ich mir doch etwas mehr Kreativität gewünscht. 

Dass mich dieser Thriller nicht gänzlich überzeugt hat, bedeutet nicht gleichwohl dass er jemand Anderen nicht gefallen könnte. Niemand liest vorbehaltlos, wir verbinden unterbewusst mit dem Gelesenem eigene Assoziationen und Erinnerungen. Erst so ergibt sich vor unserem inneren Augen ein Gesamtbild. Diesen Zugang habe ich bei "Versuchspersonen" leider nicht gefunden.

Cover des Buches Blanca (ISBN: 9783351037017)

Bewertung zu "Blanca" von Mercedes Lauenstein

Blanca
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Dem Leben auf der Spur!

Absolut bewundernswert und erstaunlich, über welche ausgeprägten Ressourcen Blanca verfügt. Das, obwohl sie unter verwahrlosten Bedingungen aufwächst, in ständiger Sorge um ihre psychisch erkrankte Mutter, eine absolut rastlose Kindheit verlebt, umherziehend, ja, eher fliehend, von einem Ort zum anderen. Völlig unfähig Beziehungen aufzubauen, immer in Überlegung ums eigene und das Überleben der Mutter. Und doch, es gibt auf dieser Welt einen Ort, zu dem sie sich hingezogen fühlt, an dem sie so etwas wie ein "Zuhause" für einen kurzen Moment spüren durfte. Und da möchte Blanca hin, alleine, mit ein paar Euros in der Tasche und allein mit ihren Klamotten die sie am Leib trägt.

Auf Blanca warten Gefahren und Herausforderungen bei ihrem "Roadtrip des Lebens". Allzu oft packte mich beim Lesen die schiere Verzweiflung, über all das Elend mit dem sich Blanca auseinandersetzen muss. Man möchte in die Geschichte einsteigen, das Mädchen an die Hand nehmen, ihr sagen dass alles gut wird. Obwohl man weiß, ihren Weg muss auch sie gehen, begleiten ist okay, abnehmen kann ich es ihr aber nicht. Der Wunsch nach Geborgenheit, Sicherheit, Perspektive und Liebe bleibt einem ihr gegenüber.

Es stellt sich auch die Frage nach Schuld. Blanca kann so vieles und doch auch nicht. Die Mutter hat es sicherlich "gut gemeint", doch schon ihr eigenes Leben ist die reinste Zumutung, wie sehr ist es das dann erst für ein Kind. Trifft also die Mutter die Schuld? Ja und nein. Dem Leser wird irgendwann klar, dass jedes Leben seine Vorgeschichte hat. Wenn es sowas wie "Schuld" gibt, dann werden die Nachforschungen ergeben, dass die Suche endlos weitergeht, sich, wenn überhaupt, Schuld weiter vererbt. Obwohl es ihr völlig widerstrebt, so stellt Blanca gewohntes und abstoßendes Verhalten ihrer Mutter bei sich selber fest. Denn auch sie ist rastlos, auch sie begibt sich sehenden Auges in Gefahren. 

Und dennoch, oder gerade deshalb, ist dieses Buch kein Jammerlappen, keine Abkehr vom Guten. Es ist die Einladung sich auf das Leben einzulassen, sich auszuprobieren. Es lohnt sich den Weg des Lebens weiterzugehen, egal in wieviel Seitenstraßen und Sackgassen man zwischendurch abbiegen sollte. Blanca zeigt das es sich lohnt. Danke dafür, starke Blanca.

Cover des Buches Im Schatten der Arena (ISBN: 9783955422882)

Bewertung zu "Im Schatten der Arena" von Mara Pfeiffer (geb. Braun)

Im Schatten der Arena
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Nicht nur für Fusballfans geeignet!

Passend zur Fußball-WM habe ich mich auf Mara Pfeiffers Krimi besonders gefreut. Ich bin kein besonders vernarrter Fußballfan. Die bescheidene Begeisterung habe ich sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen, als Kind madrilenischer Eltern. Es ist ein wenig wie mit der Religion, selbst wenn man im Erwachsenenalter aus der Kirche austritt, der Volksglauben begleitet einen dennoch ein Leben lang. 

Dass mich mit "Im Schatten der Arena" allerdings ein Thema erwartet, welches mich zutiefst bewegt, davon bin ich nun nicht wirklich ausgegangen. Näher drauf eingehen kann ich leider nicht, ich würde den Leser dadurch "spoilern" und ihm das Lesevergnügen vermiesen. Nichts liegt mir ferner als das! Dennoch kann ich festhalten, dass Pfeiffer ein durchaus aktuelles und hochemitionales Thema aufgreift, für das die Fußballwelt leider immer noch keine richtige Antwort gefunden hat. Andere Prioritäten haben Vorrang, insbesondere finanzielle Ansprüche. Da mag dem einen oder anderen Fan schonmal die Lust am Sport verloren gehen.

Verraten darf ich aber, dass die Hauptprotagonistin Jo durch ihre natürliche und authentische Art, eine absolute Sympathieträgerin ist. Von ihrem bezaubernden Sohn Luca ganz zu schweigen, denn den kann man nicht anders als mögen! 

Mara Pfeiffers Schreibstil ist erfrischend, wie einen Dusche nach einer fordernden Sporteinheit. Aus ihr spricht Leidenschaft, keine Frage, das Herz schlägt für die 05er! Man muss kein Mainzer sein, um sich von der Begeisterung für den Verein und die Stadt anstecken zu lassen. Auch als Nicht-Mainzer habe ich mich in den Örtlichkeiten sehr gut zurecht gefunden. Dass Pfeiffer Spannung schafft und dabei gänzlich auf den "Brutalo-Faktor" verzichten kann, zähle ich als weiteren Pluspunkt. Ganz klar, "Im Schatten der Arena" ist nicht mein letztes Buch der Autorin!

Cover des Buches Fiona: Den Toten verpflichtet (ISBN: 9783499291357)

Bewertung zu "Fiona: Den Toten verpflichtet" von Harry Bingham

Fiona: Den Toten verpflichtet
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Eigensinnig und urkomisch

Dieser Moment, wenn Du auf einer Parkbank sitzt und Dich vorbeigehende Menschen irritiert anschauen, weil Du alleine Dich kringelig lachst: Du bist definitiv"Fiona" am Lesen!

Keine Frage, die beschriebenen Taten im Krimi sind äußerst erschütternd. Die Ausführung der Taten abscheulich. Eigentlich alles nur sehr schwer verdaulich, wäre da nicht "Fiona". Doch Fiona zu beschreiben, fällt mir fast unmöglich. Viel zu einmalig, viel zu besonders, erscheint mir diese junge Ermittlerin aus Wales. "Durchgeknallt" könnte es ganz gut treffen, dann aber bitte mit dem Zusatz "gesund durchgeknallt". Denn sie hat das Herz "am rechten Fleck". Obwohl ihr fast gänzlich das Gefühl für sich selbst fehlt, unfähig ist Kontakt zu sich selbst aufzunehmen, durchzieht sie ein enormes Gerechtigkeitsgefühl und findet schnell Zugang zu Menschen am Rande der Gesellschaft. 

Eigentlich ist ihre Persönlichkeit in einem Team nur schwer tragbar. Sie wird zur Eigenbrötlerin, gewollt oder nicht gewollt. Absprachen sind nicht gerade ihre Stärke. Ob eine Ermittlerin mit solchen Charakterzügen im realen System tatsächlich existieren könnte? Wohl kaum. Fiona engagiert sich über das normale Maß deutlich hinaus. Sie nimmt die Arbeit mit Nachhause, schaltet kaum ab. Realistisch hält ein solches Arbeitspensum und eine solche Nähe zu den Opfern kaum jemand länger durch. Fiona ist noch sehr jung, wir werden sehen wie sie sich weiter entwickelt.

Denn es folgen weitere Bänder, im englischen sind sie schon lange veröffentlicht. In Großbritannien erfreuen sich nicht nur Leser über diese besondere Ermittlerin. Seit Jahren strahlt das Fernsehen erfolgreich eine eigene Staffel über sie aus. Fiona hat viele Bewunderer und Freunde, wobei sie selbst das sicherlich ganz anders bewerten würde. Das ist halt Fiona. So ganz eigen. So ganz besonders.

Cover des Buches Zwischen Wahrheit und Lüge (ISBN: 9783959672139)

Bewertung zu "Zwischen Wahrheit und Lüge" von James Grippando

Zwischen Wahrheit und Lüge
Ignacio_Mendezvor 6 Jahren
Zweifel bis zum Schluss

Bis zum letzten Kapitel hadert der Leser mit der Glaubwürdigkeit der Hauptangeklagten Isa. Ist sie nun das Opfer einer abscheulichen Vergewaltigung gewesen, oder ist sie Mittäterin einer grauenhaften Hinrichtung? Oder ist sie beides?

Gerade diese Unsicherheit, diese Zweifel an Isas Unschuld, haben mich nach der Lektüre nachdenklich hinterlassen. Warum stellen wir ein Vergewaltigungsopfer in Frage? Warum muten wir den Opfern durch Untersuchungen, Prozessen, usw. im Nachhinein soviel Leid zu? Reicht es nicht, dass sie bereits Opfer einer der widerwärtigsten Taten wurden?

Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass ein Opfer Rache empfindet, Genugtuung für die an ihr begangenen Taten erfahren möchte. Ich bin ein entschiedener Gegner von Selbstjustiz, ganz gewiss möchte ich in keinem Land leben in dem Selbstjustiz an der Tagesordnung ist. Aber ich kann den Hass eines Opfers annähernd nachempfinden. Vielleicht ist es das, was mich die ganze Lektüre über hat zweifeln lassen. Tatsächlich habe ich mich immer zwischen "Wahrheit und Lüge" befunden, der Titel des Thrillers ist Programm.

Dass James Grippando ursprünglich als Anwalt gearbeitet hat, schlägt sich in seinem Büchern stark nieder. Es sind Prozessthriller, vieles spielt sich vor Gericht ab. Der hauptverantwortliche Anwalt Jack taucht bei Grippando in einem Thriller bereits 1994 auf. Mittlerweile ist Jack reifer geworden, seine Verhöre vor Gericht sind gut durchdacht. Keiner macht ihm so schnell etwas vor. Doch auch er hat seine Zweifel.

Eine Vergewaltigung hinterlässt Wunden. Tiefe, schmerzhafte Wunden. Sie verändern einen Menschen, die Wunden reichen bis in eine Partnerschaft hinein, sie verfolgen einen jahrelang. All das wird in diesem Thriller sehr deutlich. James Grippando kann auf besonders drastische oder brutale Darstellungen verzichten, ihm geht es darum der Wahrheit auf dem Grund zu gehen. Wie schwierig sich genau das darstellt, wird mit diesem Buch mehr als deutlich. Ein Buch, welches mich nachdenklich zurück lässt.

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