ImmaD

Die Schönheit und Genauigkeit der Sprache steht bei den Geschichten und Miniaturen im Vordergrund. Florian Schneider beherrscht sein Handwerk und nutzt es um uns etwas über das Thema "Mensch sein" zu erzählen. Ich habe alle Geschichten mit Vergnügen gelesen. Besonders gefallen mir "Ernte" und "Babybenz. Natürlich auf die Titel gebende Geschichte, deren Tragik sich immer wieder von hinten an mich heranschleicht. Wenn ich versuche, etwas über "Polastation" zu sagen, komme ich ins zitieren. Möchte die wohlgesetzten Sätze vorlesen. Aus Ernte den Schluss : " Sie hat wieder das leise Miauen von dem Kätzchen im Ohr, aber sie dreht sich nicht um. Sie weiß, es ist nicht da draußen, es ist nirgendwo mehr. Es ist nur in ihrem Kopf."

So geht es mir in den Texten in dem Buch "Polarstation". Ich weiß, sie sind in meinem Kopf. Sie werden mich begleiten. Unabhängig von dem Buch, werden sie bei mir bleiben, egal wohin ich gehe.  

Ein Buch, dass einen durch seine gekonnte Beschreibung der Landschaft, aber auch durch seine Handlung sofort in seinen Bann zieht. Ein 13jähriger Junge ertrinkt in der Elbe. Seine Eltern leiden unter der Tatsache, dass er sehr schwierig, aggressiv und unangepasst war, als er noch lebte. Sie wussten kaum, wie sie ihn unter Kontrolle halten sollen. Er war eine Belastung für ihre Freundschaft zu dem benachbarten Ehepaar, das auch zwei Kinder hat. 

Jetzt wo er tot ist, versuchen die Eheleute, den Schmerz, nicht nur über den Verlust, sondern auch über die Tragik, ein wenig liebenswertes Kind gehabt zu haben zu überwinden. Als eine Fremde auftaucht, kochen die Gefühle an die Oberfläche. 

Mir hat sehr gefallen, wie die Beschreibung der Landschaft mit den inneren Befindlichkeiten der Figuren harmoniert. Sie spiegelt oder kontrastiert. Die Geschichte dieser beschädigten Ehe, hat mich sehr berührt. Empfehlung.

Gleich am Anfang, auf den ersten Seiten bemerkte ich den Herzschlag, den Rhythmus des Buches. Kurze Hauptsätze wechseln mit längeren Sätzen ab und erzeugen einen schönen Beat. Ein eleganter Übergang von Vergangenheit in erlebte Gegenwart der Handlung.

Die Einschübe in kursiver Schrift erfreuen nicht nur das Auge, sondern helfen dem Leser bei der Orientierung. 

Inhaltlich gefällt mir besonders, wie der Schauplatz zum Leben erweckt wurde. Die Gegenstände wurden nicht nur in die Landschaft gestellt, sondern sind belebt, atmen. Jemand, dem diese Gegend etwas bedeutet, wird sich in dem Roman sehr wohlfühlen. Und auch als Fremdling hatte ich große Freude an diesem kleinen Ausflug an die Küste, mitten in den Corona Zeiten.  

Als das erste mal der geplante Verkauf des Hauses auftaucht, fühle ich mich direkt betroffen. Wie das zum Schluß aufgelöst wird, mit der Familie, die das Haus dann bekommt, hat mir sehr gefallen. Hier tauchen auch Ebenen auf, die über die Handlung hinaus gehen. Der Appell, Dinge, Gegenstände mit Respekt zu behandeln zum Beispiel.

Ein Buch, dass leicht und luftig wie ein Tag am Strand daher kommt. Ich wurde gut unterhalten und habe trotzdem noch ein paar schöne, tiefe Gedanken mit auf den Weg bekommen.  

Gleich zu Beginn des Buches wendet sich April, 23 an den Leser. Sie spricht uns an, fragt nach Erwartungen, die man an das Buch hat. So kennt man sich schon, als wir sie dann durch das nächtliche New York nach Hause begleiten. Sie trifft auf einen kolossal großen Roboter. Ein Kunstprojekt? Aus ihrer Wahrnehmung betrachtet, ist das die einzig logische Antwort. Sie beschließt dieser außergewöhnlichen Arbeit Tribut zu zollen und dreht mit ihrem Freund Andy ein Video von "Carl" wie sie ihn nennt. Das Video verändert ihr Leben. Sie wird über Nacht berühmt. Tritt in Talkshows auf und wird Spezialistin für Carl. Auf der ganzen Welt sind Carls aufgetaucht. Schnell stellt sich heraus, dass es sich überhaupt nicht um ein Kunstprojekt handelt, sondern die rätselhaften Männer aus unbekanntem Material aus einer anderen Welt stammen.

Ich habe das Buch gemocht. Es bildet die Situation in den vereinigten Staaten gut ab. Junge Leute, wie April, die nach einem Studium nicht wissen, wie sie Geld verdienen sollen. Gerade im künstlerischen Bereich werden Leute erbarmungslos ausgenutzt. Da die Arbeit ja " Spaß" macht. Da ist jemand bereit, seine fünf Minuten Ruhm um jeden Preis zu verlängern um die Spirale der Hoffnungslosigkeit zu verlassen. Gleichzeitig wir gezeigt, wie Polemik und aggressiver Populismus den Frieden in einem Land gefährden und zu Gewalttaten führen.
Das alles wurde mit leichter Hand erzählt. Zu keiner Zeit ist das Buch langweilig. Geschehen kann, was dem Autor gefällt. Es ist ja kein Sachbuch.
Die Dialoge sind so lebendig, dass man die Protagonisten zu kennen glaubt.
Ein Buch für junge Menschen. Mir hat es gefallen.

Zwei gut situierte Paare ziehen zusammen auf einen liebevoll restaurierten Hof im Umland Berlins. Nora hat ihren Job als Kunstagentin gerade an den Nagel gehängt, ihr Mann Alexander ist Professor der Parasitologie sie haben einen gemeinsame Sohn. Alexanders Freund aus Studienzeiten, Johannes, der Architekt mit seiner Frau Marlis. Auch wenn sich zwischen den beiden Männern gleich ungeklärte Machtkämpfe und Eifersüchteleien andeuten, scheint die Idylle perfekt. Bis die Tochter von Marlis, Livia überraschend zu Besuch kommt. Sie studiert in München Schauspiel. Verlies aber, mitten im Semester, die Schule. Ihre Mischung aus Schönheit und neurotischem Verhalten trifft das sensible Geflecht des Miteinanders wie eine Bombe. Alle Beziehungen werden "aufgemischt". 
Mir gefiel an dem Buch besonders die Sprache. Im Prolog werden die Schilderungen der Natur benutzt um die Präsenz des Todes vom ersten Satz an klar zu machen. Da ist "Schimmel an Bäumen....tote Birken". Die Natur bekommt eine Ausstrahlung, die einem Angst macht, schon vor Auffinden der Leiche ist klar, dass sei da liegen muss. 
Dann wechselt die Sprache, die Umgebung auf dem Hof ist gesund, strahlend. "Knackig die Äpfel, golden die Blätter" alles lebendig, lebensfrisch. Mit diesem sprachlichen Gegensatz spielt die Autorin souverän. Auch als Alexander, der Parasitologe von seiner Arbeit berichtet, genau schildert, wie Ameisen hilflos, von einem Parasiten befallen, wie die Zombies bei Mondschein auf Grashalme klettern, ist einer der großen Momente des Romans. Krimis haben wir ja alle schon reichlich gelesen. Schön, wenn ein Autor dem mal wieder eine neue Facette abgewinnen kann, indem die Spannung psychologisch und handwerklich gekonnt aufgebaut wird. 
Das Finale ist dann atemberaubend und furios. Aber das darf man ja nicht verraten. Das Buch liest sich schnell und angenehm. Wer über die Kunstgriffe nicht nachdenken möchte, muss das nicht. Auch das eine Beweis für das Können der Autorin.