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IngeLuett

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Cover des Buches Fünf Jahre danach (ISBN: 9783887697938)

Bewertung zu "Fünf Jahre danach" von Sandra Wöhe

Fünf Jahre danach
IngeLuettvor 10 Jahren
Kurzmeinung: Krebs kennt keine Nichtbetroffenen. Ein wichtiges Buch, das sich auch noch sehr gut lesen lässt und das Schmunzeln nicht verbietet.
Vom Wollen und Sollen - Gekonntes Lese-Muss

Diese Ijana! Kann sie Beate denn nicht einfach in Ruhe lassen? Das sollten doch Ferien werden! "Komm", hatte Ijana gesagt, "komm nach Italien. Besuch uns, Robi und mich. Ausspannen. Dolce far niente in der Nachsaison. Da wird superschön." Aber hat sich was mit superschön. Hat sich was mit Dolce far niente. Hat sich was mit Ausspannen. Kann Ijana sie nicht einfach in Ruhe lassen? Kann sie nicht. "Schreib das Buch", sagt sie. "Für mich. Du bist doch Autorin."

Autorin? War ich, sagt sich Beate. Aber was bin ich jetzt? Ich kann längst nicht mehr. Und ausgerechnet Ijana verlangt es von mir. Dabei weiß sie doch Bescheid. Gut, bei ihr ist es erst zwei Jahre her. Bei mir ist es "Fünf Jahre danach". Ich gelte als gesund. Und nun? Leben wie zuvor? Wie könnte das denn gehen? Krebs ist eine Lektion, die nicht entlernt werden kann. Und jetzt soll ich noch einmal durch diese Hölle? Freiwillig? Mich erinnern, an all das, was ich auch vergessen habe?

Ijana lässt nicht locker. Hin und her geht die Auseinandersetzung. Die beiden kämpfen mit Worten, mit Argumenten, mit Fakten und Gefühlen. Das alles findet vor idyllischer Kulisse statt. Ein Café, irgendwo in Venetien, Antipasti, Brot und Olivenöl auf dem Tisch, gegenüber vor der Kirche plätschert ein Brunnen, Mopeds knattern, wie papageienbunte Zugvögel schwärmt eine Schar Fahrradtouristen über die Piazza. Trotzdem bleiben Ijana und Beate unerbittlich. 


Bis zum Schluss bleibt offen, ob das Buch geschrieben werden wird - und ob die vier Freundschaften in diesem Roman den Nachmittag überstehen können, ist lange Zeit ebenfalls fraglich. 

Wer hätte gedacht, dass ich jemals freiwillig einen Roman über Krebs lesen würde? Es ist und bleibt ein Tabuthema - und es kennt keine Nichtbetroffenen. Wen es nicht selbst erwischt, hat jemand in der Familie, im Freundes- oder Bekanntenkreis, ist beruflich involviert oder darf als Teil der Gesellschaft sehen, dass Gesundheit eben nicht der Normalzustand ist, sondern ein Geschenk, mit der es auch bei achtsamsten Leben von heute auf heute Nachmittag vorbei sein kann.

"Fünf Jahre danach" ist kein leichtes Buch. Aber es liest sich leicht. Der Autorin Sandra Wöhe gelingt es, das schwierige Thema so zu verpacken, dass die Oberfläche der Geschichte durchsichtig wird und der Blick tief hinab gehen kann - ohne dass der Lesegenuss unnötig schwer wird. Die Atmosphäre ist aufgeladen statt überfrachtet, die Figuren sind plausibel und dermaßen plastisch, dass ich mich dabei erwische, etwas von dem lesen zu wollen, was diese Beate Berthold so geschrieben hat.

Ihre Fähigkeit, die Waage zwischen Leichte und Schwere auszuhebeln und beides als das Entscheidende zu gewichten, hat Sandra Wöhe bereits in ihrem Familienroman "Die indonesischen Schwestern", ebenfalls aus dem konkursbuchverlag Claudia Gehrke, bewiesen. Das Buch fragte nach Integration, Assimilation und Identität. Nun also Krebs. Und wieder ein Unterhaltungsroman. Frau Wöhe, Sie legen die Latte gewaltig hoch. Ist das der wahre Grund, warum Beate so zögert? 

Cover des Buches Schwimmen in der Nacht (ISBN: 9783406659393)

Bewertung zu "Schwimmen in der Nacht" von Jessica Keener

Schwimmen in der Nacht
IngeLuettvor 10 Jahren
Kurzmeinung: Kann ich mich besoffen dran lesen. Eine dichte Story, plausibel und authentisch, dreidimensionale Figuren und obendrein noch Zeitgeschichte.
Die Erinnerung braucht keine E-Mails

Es ist spät. Nur noch schnell die Mails checken und dann bald schlafen gehen, so hat sich Sarah das wohl gedacht. Morgen ist ein großer Auftritt und sie will sich ablenken. Aber dann wird es wohl doch eine lange Nacht, denn eine Mail bringt nicht nur Grüße aus der Vergangenheit, sondern lässt sie tief abtauchen in das Damals.

Damals, das war in den 60-ern. Damals, als Sarah ein Teenager war und die Welt noch heil zu sein hatte. Damals, als die Welt alles andere als heil war und Sarah die einzige Erwachsene im Haus. Wer erwartet von einem Kind, dass es die Familie zusammen hält? Nicht Sarahs drei Brüder, nicht ihre Mutter, nicht ihr Vater. Alle sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt um den Eisberg wahrnehmen zu können, auf den das Familienschiff trotz mancherlei Warnungen unbeirrbar zusteuert. Mit Alkohol halten sich die Eltern über Wasser, die Brüder haben längst ihre eigenen Welten gefunden, in die sie abtauchen. Wechselnde Haushaltshilfen können nur beobachten und sich das ihre denken – sie sind schwarz und damit noch unsichtbarer, als es Personal ohnehin schon ist.

Lange, bevor die Mutter durch einen vielleicht selbst verschuldeten Autounfall stirbt, sind Katastrophen im Hause Kunitz daheim: Sei es der gescheiterte Lebensplan der Mutter, die im Bermudadreieck zwischen Rosenzucht, Tabletten und Alkohol ihrer Karriere als Geigerin nachtrauert, sei es die Ohnmacht des Vaters, der zwischen cholerischen Wutausbrüchen, erstaunlicher Nähe zu einer Kollegin und ebenfalls Alkohol sich den Weisungen der Fakultätsleitung beugen muss.

Wie in einem solchen Haus vier völlig verschiedene Kinder heranwachsen, erfahren wir aus der Perspektive von Sarah. Und diese Sarah schont niemanden, schon gar nicht sich selbst. Sie müsste uns nicht erzählen, dass sie einen antisemitischen Angriff in der Schule durch Ladendiebstahl kompensiert. Aber sie tut es. Und wie sie es tut, ist ein Lesegenuss sondergleichen. Sarah erzählt in einer gleichzeitig lakonischen und doch bildreichen, poetischen Sprache. Sie erklärt kaum etwas und rechtfertigt noch weniger. Sie zeigt nur und lässt uns unsere eigenen Schlüsse ziehen.

Diese sehr persönliche Schilderung birgt natürlich auch eine gewisse Gefahr in sich. Es ist ein Leichtes zu glauben, die Autorin erzähle aus ihrer eigenen Familiengeschichte und habe sich nur eben ein bisschen umbenannt. Wenn jemand achtzehn Jahre Lebenszeit an ein einziges Buch aufgewendet hat, dann muss es auch persönlich sein – die naheliegende Schlussfolgerung lässt allerdings außer Acht, dass wir ja nicht wissen können - und es vielleicht auch gar nicht erfahren wollen -, was alles sonst noch geschrieben, getan, gelebt wurde.

"Schwimmen in der Nacht" oder Der Aufstieg und Fall der Kunitz‘ ist meiner Meinung nach packend genug, ohne ein weiteres Drama noch in die gleiche Schleife mit einzubinden. Ob es eine wahre Geschichte ist oder eine Reihe von anekdotischen Episoden dahinter stehen, was hat das mit der Qualität des Buchs zu tun? Eines ist Jessica Keener mit Sicherheit gelungen: Eine plausible Story, die außerordentlich authentisch „rüberkommt“ mit ihren dreidimensionalen Figuren, die mich so schnell nicht loslassen.

Trotz einiger Flüchtigkeiten in der Übersetzung: „Schwimmen in der Nacht“ hat mich so überzeugt, dass ich mir gleich anschließend Jessica Keeners Kurzgeschichtenband „Women in Bed“ beschafft habe. Auch diesen habe ich mit großem Genuss gelesen und freue mich darauf, wieder etwas von dieser Autorin zu lesen. Hoffentlich dauert es nicht wieder achtzehn Jahre. 

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