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Joeni

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Cover des Buches Bismarck (ISBN: 9783570552896)

Bewertung zu "Bismarck" von Ernst Engelberg

Bismarck
Joenivor 6 Jahren
Kurzmeinung: Wer sich für die Person Ottos von Bismarck interessiert, dem empfehle ich diese Biographie sehr.
Bismarck: Sturm über Europa

Geschichte
kann so spannend sein! Gerade dann, wenn das Leben eines Autors mit
dem von ihm Geschriebenen verknüpft ist. Der Großvater von Ernst
Engelberg hatte die Revolution von 1848 miterlebt und in deren Zuge
das adlige „von“ abgelegt. Der Vater hatte 1898 den
SPD-Ortsverein von Haslach im Kinzigtal ins Leben gerufen. Engelberg
selbst gehörte der KPD an, lebte während des Dritten Reichs im Exil
und lehrte später in der DDR, wo er Mitglied der SED und nach dem
Mauerfall der PDS war. Von der Biographie Bismarcks erschien 1985 der
erste von den zwei Bänden – und zwar als eines der ganz wenigen
Bücher zeitgleich im Osten und im Westen des damals noch geteilten
Deutschlands. Der Sohn, Achim Engelberg, hat nach dem Tod seines
Vaters dessen Archive übernommen und eine gekürzte einbändige
Fassung der Biographie für die Veröffentlichung vorbereitet. Vier
Generationen in einer solchen Verbundenheit, da ist das Ergebnis sehr
interessant.





Engelberg
beschreibt das Leben Ottos von Bismarck sehr lebendig und farbenfroh.
Der Leser meint immer wieder, selbst mitten im Geschehen zu stehen,
die Fragen beantworten zu müssen, denen sich der erste Reichskanzler
stellen muss. Es ist in erzählerischer Sicht ein wahrer Genuss,
dieses ausführliche und doch so kompakte Buch zu lesen. Engelberg
erzählt von der Familie, in welche Bismarck hineingeboren wurde; es
war eine Familie von Gutsbesitzern, Landjunkern und Beamten in
Pommern. Nach einer Kindheit auf dem Lande besuchte er das Gymnasium
in Berlin, wo er in der Stadtwohnung seiner Familie lebte. Dort war
jeweils für den Winter und das Frühjahr auch „Onkel Fritz“ zu
Hause, der immer wieder hochgestellte Persönlichkeiten zu Besuch
hatte. Nach einem Studium und Referendariat kehrte Bismarck zurück
ins Pommersche, wo er mithalf, den elterlichen Kniephof zu
modernisieren. Dort machte er nun auch vermehrt die Bekanntschaft mit
den Vertretern der Pommerschen Erweckungsbewegung um Adolf von
Thadden-Trieglaff, der wiederum die Berliner Brüder Ludwig und
Leopold von Gerlach beeinflusste, und letztlich war es Ludwig von
Gerlach, der Bismarck in die Politik zu bringen vermochte.





An
der Stelle muss ich Engelberg ein großes Lob aussprechen. Es ist ihm
gelungen, eine Biographie zu schreiben, welche die damalige
geistliche Entwicklung der Regionen Pommern und Berlin ernst nimmt.
Das findet man selten – und das gerade von einem ziemlich links
orientierten Historiker. Und doch schafft er es, die Ansichten der
Hochkonservativen ernst zu nehmen und zu würdigen. Davon dürfte es
ruhig mehr geben. Das habe ich richtig genießen können beim Lesen.
Auch dass Engelberg diese so oft stiefmütterlich behandelten
pietistischen Erweckungskreise wieder zur Sprache bringt, rechne ich
ihm hoch an. Zuweilen gibt es aber auch leichte Spitzen seinerseits
gegen manche der Sichtweisen der Pietisten, wie etwa hier: „Die
Abwendung von der Aufklärung drückte sich bei den Neupietisten
manchmal recht drastisch aus, so wenn Gustav von Below einmal
schrieb, man müsse den 'gewaltigen Teufel von geistiger
Verstandeshoffart' bekämpfen.“ (S. 78)





Wie
schätzte Engelberg den Glauben Bismarcks ein? Auch hierzu ein kurzes
Zitat aus dem Buch: „Sein Verhältnis zu Gott ist von Anfang an
eigenständig, aktiv und jeder Form passiver Gottergebenheit geradezu
feind. Dem Bruder gegenüber sagte er es am 31. Januar 1847, als er
über sein Verhältnis zu Johanna schrieb, am deutlichsten: 'In
Glaubenssachen gehen wir, mehr zu ihrem als zu meinem Leidwesen,
etwas auseinander, wenn auch nicht so sehr als Du meinesteils glauben
magst, denn mancherlei innre und äußre Ereignisse haben in letzter
Zeit Veränderungen in mir hervorgebracht, durch die ich mich, was
früher, wie Du weißt, nicht der Fall war, berechtigt halte, mich
den Bekennern der christlichen Religion beizuzählen.'“ (S.
114) Man mag darüber nun selbst denken wie man mag, aber ich schätze
an dieser Biographie die Offenheit, mit welcher sich der Autor diesen
Dingen widmet.





Bismarck
erlebte die Revolution von 1848, ja, er erlebte sie nicht nur,
sondern beteiligte sich im Lager der Konservativen an ihr, das heißt,
er wandte sich gegen das Revolutionäre an ihr und für die bisherige
Machtverteilung. Schließlich war er ein Preuße von ganzem Herzen,
und so setzte er sich für dieses sein altbekanntes Preußen ein. Mit
den Gebrüdern von Gerlach besprach er sich des Öfteren, und machte
durchaus auch mal Geschäfte hinter dem Rücken des Königs Friedrich
Wilhelm IV, da auf diesen zuweilen kein Verlass war. Wie es wohl
nicht anders geht, nimmt auch der Erfolg Bismarcks mit den Gesetzen
zur Unfall- und Krankenversicherung der Arbeiter ein Kapitel bei
Engelberg ein. Schließlich konnten so die Sozialdemokraten, aus
welchen seine Familie stammt, Punkte sammeln.





Man
merkt an vielen Stellen dem Autor seine politische Herkunft an, was
allerdings in Ordnung ist. Schließlich lässt er auch die andere
Seite zu Wort kommen. So entsteht ein rundes Ganzes, ein Buch, das
man gerne liest, und eine Schilderung, die den Leser in die Zeit
hinein nimmt, in welcher sie spielt. Wer sich für die Person Ottos
von Bismarck interessiert, dem empfehle ich diese Biographie sehr.
Mir hat auch das Nachwort gefallen, in welchem die Herkunft des
Autors sowie die Entstehungsgeschichte der Biographie noch näher
erläutert wird.





Ich
gebe dem Buch deshalb fünf von fünf Sternen.




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