Was ist Wirklichkeit? Was ist Illusion? Diese, die Menschheit seit Zhuangzis Schmetterlingstraum oder Platons Höhlengleichnis beschäftigende Fragen ist Grundthema auch dieses Buches, welches sich damit rein thematisch in eine Reihe mit Werken wie "Simulacron 3", "Silo" oder "Matrix" stellen lässt.
Und doch ist es besonders die Variation, die diesem Roman innewohnt, die mich neugierig hat lesen lassen. Denn sind sich in den bekannten Titeln die Bewohner der Simulation (zunächst) nicht bewusst in einer solchen zu sein, wissen die Menschen in Algorytmica eben um diesen Umstand - den dauerhaften Aufenthalt in einer simulierten Welt - nur allzu gut Bescheid. Es steht gar das Vorhaben im Raum sich tiefer mit der der Illusion zu verbinden.
Was ist Wirklichkeit? Was ist Illusion? Trotz dieses weiten Themas, welches nicht nur die Frage nach der Echtheit der Welt behandeln könnte, sondern auch die Frage nach der Tatsächlichkeit von Wahrnehmungen und Gefühlen, lässt die Autorin nur in wenigen Sätzen eine Auseinandersetzung mit derlei Gedanken erkennen, die mittlerweile als Simulationstheorie längst auch in die Wissenschaft Eingang gefunden haben und mehr sience als fiction sind. Jedoch bleibt all dies nur Staffage für einen oft bearbeiteten Plot: Wissenschaftler verfolgt ohne Rücksicht ehrgeizige Ziele zu eigenem Ruhm und verkauft diese als Fortschritt. Die vernachlässigte Tochter eben jenes Wissenschaftlers sieht sich in Konkurrenz zur intelligenteren, kreativeren, in allem besser scheinenden "Schwester", die mit in der Familie lebt. Der zunächst kritisch betrachtete Kommilitone erweist sich schnell als der Rebellenführer und damit genau das Werkzeug, um die perfiden Pläne des eigenen Vaters zu hintertreiben.
Keine Frage - alles spannend geschrieben, nicht immer vorhersehbar und mit manch interessanter Idee. Und doch hätte das Thema so viel mehr zugelassen als nur Vaterkonflikt, Rebellion der Jugend, Missbrauch von Wissen und Macht. Der Stoff hätte an den großen Fragen kratzen können: "Was ist Wirklichkeit? Was ist Illusion?"
"Diese Welt mochte nur eine Illusion sein, doch die Gefühle, die sie verursachte, waren echt. Freude, Schmerz, Liebe und Hass..." - und kann/muss damit nicht das, was jene Gefühle erzeugt, auch real sein?