Ein Kontinent verliert seine Unschuld
und stellvertretend mit ihm der junge Mene. Aufgewachsen in einem kleinen afrikanischen Dorf, besitzt er eine beispielslose Naivität. Die Welt und die Ereignisse, die in ihr stattfinden, betrachtet er mit großen, staunenden Augen.
In der scheinbar heilen Welt des Dorfes gerät er eines Tages zwischen die Mahlsteine einer machoistischen Gedankenwelt: Was ist ein Mann? Was macht einen Mann aus? Für die Männer wie für die Frauen des Dorfes steht wider besseren Wissens fest: Ein richtiger Mann kann Familie und Dorfgemeinschaft im Streitfall beschützen. Diese Anforderung kristallisiert sich in der Gestalt des Sozaboys – der Soldatenjunge. Mene beugt sich, wird Soza und geht seiner persönlichen Hölle entgegen. Er kann sich nicht vorstellen, was „Krieg“ bedeutet und der Einzige, der es ihm erklären könnte, schweigt aus Scham. Zaza, ein schwer traumatisierter Kriegsveteran ermutigt Mene genau wie die anderen, sich als Soza zu melden.
Die Schrecken, die Sozaboy in diesem namenlos bleibenden Krieg erlebt, sieht er ebenfalls aus der Perspektive eines Unwissenden. In diesem Punkt erinnert Ken Saro-Wiwas Roman eindrücklich an Imre Kertesz’ s „Roman eine Schicksalslosen“. Das Entsetzen vor Gewalt und Diktatur sind an keine Zeit und keinen Ort gebunden, sondern offenbar die ewige Wiederholung des Immergleichen. Dabei spricht Ken Saro-Wiwa ein reelles Ereignis an: den nigerianischen Bürgerkrieg von 1967-1970, der einer der ersten schweren militärischen Konflikte im nachkolonialen Afrika war. Er kostete etwa einer Million Menschen das Leben.
„Sozaboy“ verstört, macht traurig und betroffen. Aber Ken Saro-Wiwa hat mit Mene eine ungemein sympathische Hauptfigur geschaffen, über dessen naive Weltsicht man oft schmunzeln kann, manchmal sogar herzhaft lachen. Lachen und Weinen liegen in diesem Buch sehr nah beieinander – wie im richtigen Leben auch.