Die schöne Hollis kann es nicht glauben: König Jameson von Coroa scheint sie tatsächlich zur Frau zu wollen. Die Königinnenkrone ist in greifbarer Nähe und der Neid aller Mädchen im Königreich ist Hollis sicher. Nun muss sie sich nur beim Besuch des Königs von Isolter souverän zeigen. Doch da begegnet ihr Silas, ursprünglich aus dem Nachbarland Isolte, ist er mit seiner Familie von dort geflohen. Hollis muss sich entscheiden: zwischen dem attraktiven König, der sie quasi schon zur Königin erklärt hat und Silas.
An dieser Stelle müsste gemäß Sandwich-Kritik-Methode etwas Positives zum Roman gesagt werden, nur müsste ich das erfinden. Erzählerisch ist es nämlich ein einziger Reinfall. Aufgeregt hat mich zum einen, dass es für mich keine Sympathieträger gibt. Protagonistin Hollis ist schön, schön und - habe ich es schon erwähnt? - schön. Ansonsten ist Hollis faul, naiv bis zur Schmerzgrenze und dumm obendrein. Ironischerweise sagt sie es mehr oder weniger selbst manchmal im Text.Hinzu kommt, dass sie eine oberflächliche Barbie ist, bei der sich alles nur um Juwelen, Kleider und Vergnügen dreht, von Politik hat sie keine Ahnung und da sie die Ich-Erzählerin ist hat eigentlich auch der Leser keine Chance, sich das World Building vorzustellen. Alles spielt sich in einem pseudo-Mittelalter Setting ab, kommt aber ohne Fantasy aus (ähnlich wie Selection). Dass Hollis Jameson nicht liebt, sondern ihr nur die Vorstellung gefällt, bewundert und beneidet zu werden ist spätestens nach 10 Seiten klar. Das wäre an sich ja noch zu verkraften, wenn es wenigstens konsequent durchgehalten wird. Aber beim Lesen hat man das Gefühl, dass Hollis sich selbst belügt und meint, Jameson zu lieben, obwohl sie zwei Absätze später schon wieder sehr berechnend über ihre Zukunft mit ihm denkt. Auch Delia Grace, ihre Zofe und ehemalige Adelstochter mit schlechtem Ruf, ist ähnlich berechnend und es ist bizarr, dass Hollis sie als ihre Freundin bezeichnet, obwohl ihr Delia Grace quasi ins Gesicht sagt, dass sie dumm ist.
Im letzten Drittel nimmt der Plot so absurde Wendungen, dass ich manchmal fast lachen musste. Die Reaktionen der Protagonistin auf einschneidende Ereignisse wirken emotionslos und nüchtern. Auch Jamesons Gelassenheit, als Hollis ihre Zweifel zu ihrer Zukunft äußert, sind maximal unglaubwürdig, schließlich hat er schon Münzen mit ihrem Abbild prägen lassen. Erzählerisch ist der Roman auch eine Zumutung. Erzählstränge mit Potenzial (Hollis zerrüttete Beziehung zu ihren Eltern z.B.) werden plötzlich in Wohlgefallen aufgelöst und auch das Verhalten ihrer Eltern ist total inkosistent. Und dieses Schema setzt sich mehrmals fort. Krisen werden so schnell bewältigt, dass die Spannung gleich null ist. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, triefen einige Szenen vor Pathos und sind so dermaßen kitschig, dass einem schon schlecht wird. Vormalige Unsympathen sind plötzlich die besten Freunde. Die Romance ist ebenso flau wie der restliche Plot und Silas bleibt auch eher farblos.
Fazit: Ein Reinfall, bei dem sich der amerikanische Verlag vermutlich das Lektorat gespart hat. Hier gibt es keinen Balken, der gerade hängt und keinen Protagonisten, der nur einen Funken Sympathie aufkommen lässt. Alles ist so lieblos und wirkt dahingerotzt und Cass' vormalige Stärke von liebevoll gezeichneten Charakteren mit etwas Tiefe ist hier vollkommen flöten gegangen. War in Selection das World Building schon nicht so innovativ, ist es hier nun vollkommen den Bach runtergegangen. Band 2 werde ich mir schenken.
PS: SPOILER: Was mich absolut fassunglos gemacht hat, war Hollis' Reaktion, als ihre neue Schwiegermutter ihr gesagt hat, dass alle tot sind. Ich meine, da ist sie gerade gefühlt 5 Minuten verheiratet mit dem Mann, den sie angeblich unsterblich liebt, und dann will sie nicht mal seine Leiche sehen und sich verabschieden!? (auch wenn ich ziemlich sicher, dass er nicht tot ist, sonst wäre die Geschichte ja wirklich auf dem atomaren Nullpunkt angekommen). Aber hier bleibt die Logik einfach auf der Strecke ...