Bewertung zu "Isis, die Fürstin der Nacht" von Karin Jäckel
Vor einiger Zeit bekam ich dieses Buch von einer Freundin geschenkt und las es mit großem Interesse.
Karin Jäckel erzählt darin die Geschichte einer jungen Frau, die in eine Satanssekte hineingeboren wurde und darin aufgewuchs. Aus Angst vor erneuten Übergriffen, bleibt sie anonym.
Als Tochter der Hohen Priesterin und des Hohen Priesters, ist Isis schon vor ihrer Geburt dazu auserkoren, Satan geweiht zu werden. Für das Mädchen beginnt ein Leidensweg mit unvorstellbar qualvollen Ritualen, die sie auf ihre spätere Rolle als Fürstin der Nacht vorbereiten sollen.
Tagsüber führt Isis ein augenscheinlich normales Leben. Dass ihre labile Konstitution durch körperliche und seelische Folter bedingt ist, kann sie niemandem sagen. Denn immer wieder wird ihr nachhaltig eingebläut, sie würde dafür mit dem Tod bestraft.
Ein erster Versuch, aus diesem Teufelskreis auszubrechen, scheitert – mit dramatischen Folgen. Die seinerzeit Neunjährige muss erfahren, dass selbst die Polizei, die sie aufgreift, ihr nicht glaubt, welche Höllenqualen sie durchmacht. Schließlich gehören angesehene Bürger zu ihrer Familie, die einen praktisch unangreifbaren Einflussreichtum besitzt. Dieser ermöglicht ihr, ein weites Netzwerk zu spinnen, aus dem es kein Entrinnen gibt – eine geradezu kafkaeske Situation.
Erst, als sie sich mit fünfzehn, im Rahmen einer Lehre, in einen jungen Mann verliebt und von ihm schwanger wird, findet Isis erneut den Mut, sich über die Gebote der Sekte hinwegzusetzen. Antriebsfeder dazu ist ihr noch ungeborenes Kind, das von der Familie bereits verplant wird. Ihm will sie ein vergleichbares Schicksal unter allen Umständen ersparen.
Das Buch sprach mich sehr an, auch weil ich mich vor einigen Jahren intensiv mit dieser Thematik auseinandergesetzt habe, für Recherchen zu meinem historischen Roman über Kinderhexenprozesse: "Teufelsbrut – Die Kinderhexen von Bärenbrück"
Leider wird der Glaube an Teufel und Hexen bis heute immer noch instrumentalisiert, z. B. um sadistische Neigungen auszuleben. Ohne therapeutische Behandlung werden Kinder, die Misshandlungen und/oder sexuellen Missbrauch am eigenen Leib erfahren müssen, später oft zu Tätern.
Karin Jäckel schlüpft überzeugend in Isis' Haut und erzählt deren Geschichte sehr eindrucksvoll und spannend, zuweilen bis an die Grenze des Erträglichen. Man könnte fast glauben, sie hätte alles selbst erlebt. Insbesondere, dass es einer Sekte möglich ist, innerhalb der "normalen" menschlichen Gesellschaft unbemerkt einen solchen Satanskult zu betreiben, finde ich überaus erschreckend.
Es versteht sich von selbst, dass Isis ihr Leben nur durch eine intensive therapeutische Begleitung bewältigen kann. Dazu gehört natürlich u. a. die Aufarbeitung ihrer Beziehung zu den Eltern. Allerdings hat es mich schon ein bisschen überrascht, dass sie als Erwachsene freiwillig direkten Kontakt zu ihnen hielt. Und das, obwohl doch nach wie vor das Damoklesschwert der Rache über ihr schwebt.
Isis konfrontierte die Mutter mit Fragen und besuchte den Vater im Seniorenheim, fuhr ihn im Rollstuhl spazieren. Sicher, seine beginnende Demenz mochte ihm einen Großteil der einstigen Bedrohlichkeit genommen haben, aber das reicht mir als Erklärung nicht aus.
Auch, dass das immer wieder massiv sexuell missbrauchte Mädchen sich mit fünfzehn aus freien Stücken auf eine intime Beziehung einlassen konnte, erscheint mir schwer nachvollziehbar – zumal sie damals noch nicht therapeutisch betreut wurde.
Nichtsdestotrotz ist "Isis, die Fürstin der Nacht" ein lesenswertes und aufschlussreiches Buch. Abschließend möchte ich noch anmerken, dass ich das Nachwort mit den fachlichen Erläuterungen sehr hilfreich finde.