Korikos avatar

Koriko

  • Mitglied seit 04.06.2008
  • 97 Freund*innen
  • 1.015 Bücher
  • 601 Rezensionen
  • 965 Bewertungen (Ø 3,84)

Rezensionen und Bewertungen

Filtern:
  • 5 Sterne239
  • 4 Sterne452
  • 3 Sterne182
  • 2 Sterne63
  • 1 Stern29
Sortieren:
Cover des Buches United Queerdom (ISBN: 9783551762788)

Bewertung zu "United Queerdom" von Kate Charlesworth

United Queerdom
Korikovor 6 Tagen
Teils sehr verworren, trotz spannender Grundidee

Inhalt:
Kate Charlesworth wird 1950 in Groß Britannien geboren und wächst in einem konservativen Umfeld auf. Früh bemerkt sie, dass sie anders ist und als lesbisches Mädchen vieles geheim halten muss, denn für ihr Umfeld ist es undenkbar, dass sie queer ist. Als Künstlerin findet sie jedoch im Laufe der Zeit Mitte und Wege, um sich auszudrücken und entdeckt eine blühende, queere Gemeinschaft, die zumeist im Verborgenen existiert, denn Homosexualität ist in Groß Britannien lange strafbar. Über viele Jahrzehnte erlebt Kate die queere Bewegung hautnah, zeigt, welche Fort- und teilweise Rückschritte sie miterlebt hat und welche Auswirkungen dies alles auf ihr eigenes, von Höhen und Tiefen geprägtes Leben hat …

Eigene Meinung:
Das 320 Seiten starke Buch „United Queerdom“ erschien erstmals 2019 unter dem Titel „Sensible Footwear: A Girl’s Guide“ in Großbritannien und ist eine Mischung aus einem historischen Sachbuch und einer Biografie der Künstlerin, aufbereitet in einer künstlerischen Form, mal als Collage, mal als Comic. Die deutsche Ausgabe erschien im Herbst 2023 im Carlsen Verlag und schlägt mit 32,-€ zu Buche.

Das Buch ist in verschiedene Zeitepochen aufgeteilt und beginnt ca. 1950, dem Jahr in dem die Künstlerin zur Welt kam. Auszugsweise erfährt man etwas über ihre Kindheit und Jugend, ihre Familie und ihr Leben in einem kleinen, konservativen Dorf in Groß Britannien. Während Kate nach und nach heranwächst, bekommt man auch Einblicke in die allgemeine Entwicklung der queeren Kultur, die aufgrund diverser Verbote im Verborgenen ausgelebt wird. Viele bekannte Persönlichkeiten finden in den Collagen Erwähnungen, die die verschiedenen Etappen aus dem Leben der Künstlerin einläuten – aber auch unbekanntere Personen, Ereignisse und Gruppierungen, finden einen Platz in „United Queerdom“. Dies gibt Lesenden die Möglichkeit ein wenig tiefer in die queere Geschichte Groß Britanniens einzutauchen und eine neue Sicht auf die Entwicklung zu gewinnen. Zudem erfährt man auch mehr von Kate Charlesworth, denn ihre Vergangenheit steht im Fokus der eigentlichen Geschichte – ihr Heranwachsen, ihr Leben als Künstlerin, die vielen Berührungspunkte, die sie mit der queeren Szene ab den 70er Jahren hatte. Es ist durchaus spannend, sie auf ihrem Weg zu begleiten und durch ihre Augen die Entwicklung der queeren Szene zu erleben.

Was die Lektüre ein wenig anstrengend macht, sind allerdings die Zeichnungen. Kate Charlesworth hat einen sehr eigenen, kantigen, teils skizzenhaften Stil, der es Lesenden mitunter nicht leicht macht, den Ereignissen zu folgen, zumal die Künstlerin keine kontinuierliche Geschichte erzählt. Stattdessen gibt sie kurze Einblicke in ihr Leben – mal sind es wichtige Gespräche mit Eltern, Freunden oder Bekannten, mal prägende oder besondere Ereignisse. Diese werden je nach Umfang auf wenigen Seiten dargestellt, teils mit sehr vielen Panelen, was einige Seiten recht voll und unübersichtlich wirken lässt. Auch fällt es schwer, die einzelnen Personen auseinander zu halten oder im Gedächtnis zu behalten, so dass man mit der Fülle an Namen, die genannt werden auch in Verbindung mit den Illustrationen wenig anfangen kann. Hinzu kommen die zeitlichen Sprünge ins Jahr 2019, in der sich die Künstlerin mit ihren Freund*innen an die Zeiten zurückerinnert, als sie jünger waren, wen sie gekannt hatten und wie sie die Zeit erlebt haben. So interessant diese Gespräche grundsätzlich sind, sorgen sie doch für zusätzliche Verwirrung, da man gar nicht so genau weiß, um wen es sich bei den Figuren handelt.
Auch die Collagen, die neue Abschnitte einläuten wirken mitunter sehr voll gestopft – optisch (durch teils realistische teils comichafte Bilder) und sprachlich (viel Text, der kreuz und quer gesetzt wurde). Die Fülle an Informationen sind mit der Zeit erschlagend, was zur Folge hat, dass nur wenig von den teils interessanten Fakten wirklich im Gedächtnis bleibt. Hier wäre es schöner gewesen, den Seiten mehr Struktur zu geben und sie übersichtlicher zu gestalten und den ein oder anderen Fakt ein wenig ausführlicher zu gestalten, anstatt möglichst viele Punkte auf einer Doppelseite abzuhandeln.

Fazit:
„United Queerdom“ von Kate Charlesworth bietet eine interessante Mischung aus Graphic/Comic Biografie und der LGBTQIA+-Geschichte von 1950 bis heute, die vom Grundkonzept her durchaus spannend und innovativ ist, jedoch in der Umsetzung nur bedingt überzeugen kann. So schön es ist, mehr über unbekanntere Persönlichkeiten und Ereignisse der queeren Entwicklung bzw. Szene von Groß Britannien zu erfahren, so schwer fällt es Lesenden der Geschichte zu folgen, die Personen auseinander zu halten und den Ereignissen zu folgen. Insgesamt wäre es besser gewesen, hätte die Künstlerin auf die oder andere kleine Geschichte verzichtet und sich stattdessen auf einige, wenige Schwerpunkte aus ihrem Leben konzentriert, anstatt die Graphic Novel so voll zu packen.
Wer dennoch Interesse an der Entwicklung der britischen, queeren Szene hat und gerne einige unbekanntere, schillernder Persönlichkeiten kennen lernen will, sollte dennoch zugreifen – „United Queerdom“ enthält einen Fundus an spannenden, informativen Einblicken, die kaum ein anderes historisches Sachbuch zu bieten hat.

Cover des Buches Amberlough – Stadt der Sünde (ISBN: 9783986663285)

Bewertung zu "Amberlough – Stadt der Sünde" von Lara Elena Donnelly

Amberlough – Stadt der Sünde
Korikovor 6 Tagen
Spannender Auftaktband mit kleinen Schwächen

Story:
In Amberlough leben die Menschen dank einer demokratischen Regierung weitestgehend frei und ungezwungen – das schrille Nachtleben boomt, ebenso der Schmuggel und Handel mit seltenen, fremdländischen Waren und Drogen, wovon insbesondere Aristide Makricosta als gefeierter Conférencier des Cabaret-Theaters Bumble Bee profitiert, ebenso wie die Burlesque Tänzerin Cordelia Lehane. Doch in Teilen des Landes ergreifen die Ospies, eine nationalistische Partei, die Macht und streben danach, ihre ultrakonservative Richtlinien allen aufzuzwingen, die alles Fremdländische ausmerzen wollen. Aus diesem Grunde wird Aristides Liebhaber und Spion Cyril DePaul losgeschickt, um die Opsies auszuspionieren, gerät jedoch schnell in die Fänge der Partei, die ihn vor die Wahl stellen, sie zu unterstützen oder zu sterben. Cyril beschließt ihnen zu helfen, um Aristide und sich zu retten und wird damit zum Wegbereiter der Nationalisten um Amberlough einzunehmen …

Eigene Meinung:
Mit dem Roman „Amberlough – Stadt der Sünde“ legt Lara Elena Donnelly den ersten Band ihrer Spionage Thriller Reihe vor, der in einer Welt spielt, die stark an Deutschland in der 30er Jahren erinnert und einen ähnlichen geschichtlichen Hintergrund hat. Der 464-seitige Roman erschien im Sommer 2023 bei Cross Cult und wird Anfang April mit der Veröffentlichung von „Armistice – Schweigen der Waffen“ fortgesetzt. Der finale Band „Amnesty – Ruf nach Gerechtigkeit“ soll im August 2024 auf den deutschen Markt kommen und die Geschichte um Aristide, Cyril und Cordelia abschließen.

Die Geschichte ist in einer Welt angesiedelt, die Deutschland in den 20er/30er Jahren entspricht und in der ein ähnlich angespanntes, politisches Kima herrscht. Die Stadt Amberlough nimmt hierbei die Stelle von Berlin ein, in der vor dem Aufstieg der Nationalsozialisten das Leben pulsierte und die Menschen weitestgehend frei leben konnten. Der Einstieg fällt zu Beginn ein wenig schwer, insbesondere wenn man selten historische Romane liest und sich von den vielen verschiedenen, schillernden Figuren etwas überfordert fühlt. Je tiefer man jedoch in die Geschichte einsteigt und je besser man die drei tragenden Figuren Cyril, Ari und Cordelia kennenlernt, desto schwerer fällt es „Amberlough“ aus der Hand zu legen. Sicher gibt es immer wieder Szenen, die sehr sperrig und unverständlich formuliert sind, doch man kann in die Ereignisse eintauchen und fiebert mit den Menschen mit, die den Wandel innerhalb der Politik nur sehr schwer verstehen können. Lara Elena Donnelly nimmt sich viel Zeit ihre Welt und den politischen Wandel zu beschreiben, lässt ihre Figuren diesen aktiv mitgestalten, egal wie sehr sie sich dagegen sträuben. In vielen Punkten fühlt man sich an die realen Ereignisse der 30er Jahre erinnert – da die Autorin diese jedoch in einer fiktiven Welt ansiedelt, in denen man es mit anderen Ländern, Städten und Persönlichkeiten zu tun hat, kann man nicht sofort sagen, wer welchen Part einnimmt und wie sich das Ganze entwickelt. So schafft sie es, dass man einerseits ahnt, was passiert, man als Leser*in aber nicht sagen kann, wie die genauen Abläufe sind (was bei rein historischen Büchern nicht der Fall ist) – so bietet „Amberlough – Stadt der Sünde“ durchaus die ein oder andere Überraschung und man steht der Geschichte ein wenig unvoreingenommener gegenüber.

Die drei Hauptfiguren sind gut ausgearbeitet, handeln realistisch und nachvollziehbar und führen die Leser*innen durch die Geschichte. Cyril arbeitet als Spion für die Regierung, gerät jedoch bei einem Einsatz in die Bredouille und ist gezwungen für Menschen zu arbeiten, die er zutiefst verabscheut. Die Tatsache, dass er schwul ist und eine Beziehung zu Aristide Makricosta pflegt, erschwert seine Situation zusätzlich. Auf Anraten von Aristide wird Cordelia seine Scheinfreundin, womit diese ebenfalls in die Ereignisse gezogen wird und den politischen Umbruch hautnah miterlebt.
Neben den Hauptfiguren, aus dessen Sicht die Ereignisse erzählt werden, gibt es viele verschiedene, schillernde Nebenfiguren, die der Geschichte und den Held*innen den passenden Rahmen gaben. Die Mitglieder der Ospies, die verschiedenen Besucher des Bumble Bee und die anderen Spione und Regierungsmitarbeiter – sie alle versuchen ihr Bestes um ihre Ziele zu erreichen und im politischen Erdbeben nicht unterzugehen.

Stilistisch legt Lara Elena Donnelly einen gut geschrieben, spannenden Spionage Thriller vor, bei dem die Geschichte vorwiegend durch die Figuren und de Entscheidungen getragen wird. Mit ihnen erlebt man die Ereignisse, kann ihre Ängste und Sorgen nachvollziehen und ist gespannt, wie es im zweiten Band der Reihe mit ihnen weitergehen wird. Ein wenig schwächer ist das Worldbuidling, da man sich die Welt mit all den verschiedenen Ländern, Städten und Menschen nur schwer vorstellen kann. Dafür bleiben andere Orte zu blass, andere Kulturen und Ethnien werden nur am Rande beschrieben, wodurch es Lesenden schwer fällt, das große Ganze zu erfassen. Vielleicht erfährt man im zweiten Band mehr über die Welt und lernt die Hintergründe der Länder und Menschen besser kennen.

Fazit:
Trotz kleiner Schwächen hinsichtlich des Worldbuildings ist „Amberlough – Stadt der Sünde“ ein gelungener Auftakt und bietet neben Spannung, Intrigen und einer queeren Romanze, auch starke, authentische Figuren und einen soliden Schreibstil. Lara Elena Donnelly hat eine Welt erschaffen, die sich stark an Deutschland der 30er Jahre orientiert, was einerseits faszinierend ist, andererseits aber auch Verwirrung stiftet, denn so spannend der Mix aus Drama, Spionage, Glamour und politischen Intrigen auch ist, mitunter verliert man den roten Faden, da man zu oft Parallelen zu den realen, historischen Ereignissen und Personen zieht, die man unter anderem Namen kennt. Wen das nicht stört, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren, denn trotz der Kritikpunkte begleitet man Cyril, Ari und Cordelia sehr gerne und ist gespannt, was sich die Autorin für die Fortsetzung ausgedacht hat.

Cover des Buches Paranuit (ISBN: 9783757982812)

Bewertung zu "Paranuit" von Romy Wächter

Paranuit
Korikovor 13 Tagen
Cover des Buches An Nachteule von Sternhai (ISBN: 9783446264328)

Bewertung zu "An Nachteule von Sternhai" von Holly Goldberg Sloan

An Nachteule von Sternhai
Korikovor einem Monat
Briefroman über über Freundschaft, Familie und Zusammengehörigkeit

Story:
Bett und Avery sind grundverschieden und hätten sich unter normalen Umständen nie kennengelernt. Das ändert sich, als ihre beiden alleinerziehenden Väter sich kennen und lieben lernen und beschließen, dass sie eine Familie werden könnten. Bett kontaktiert Avery via Mail und es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Mail-Freundschaft zweier Mädchen, die sich anfangs nicht leiden können, die jedoch ein Ziel verbindet – ihre Väter müssen aufhören, sich zu lieben. Als die beiden Männer beschließen, die beiden ins selbe Sommercamp zu schicken, damit sie sich näher kommen, scheint ihr Plan aufzugehen, denn auch wenn die beiden Mädchen sich trotz allem vorwiegend Mails schreiben, teilen sie inzwischen ihre intimsten Gedanken und Gefühle, uns so abwegig scheint eine große Familie für Bett und Avery nicht mehr zu sein. Doch dann taucht Averys leibliche Mutter auf und sorgt für reichlich Wirbel und der gemeinsam Trip der Männer nach China offenbart, dass sie nicht ganz so gut miteinander harmonieren, wie erhofft …

Eigene Meinung:
Mit „An Nachteule von Sternhai“ erschien 2019 das gemeinsam geschriebene Kinderbuch von Holly Goldberg Sloan und Meg Wolitzer im Hanser Verlag. Das Buch fällt aufgrund der Tatsache, dass die Geschichte rein durch E-Mails und Briefe erzählt wird, aus dem Rahmen und spricht neben einigen queeren Themen auch das Erwachsenwerden und die Probleme von Kindern an.

Die Geschichte beginnt mit der ersten Mail, die Bett an Avery schreibt und man erfährt nach und nach ihr familiären Hintergründe, wo sie leben und welche Stärken und Schwächen sie haben. Durch die vielen Mails, die die beiden miteinander austauschen, kommen sie sich unweigerlich näher und lernen die jeweils andere besser kennen, bis sie zu Freundinnen irgendwann sogar zu Schwestern werden. Auch die übrigen Figuren kommen mit der Zeit in Mails und Briefen zu Wort – die beiden Männer, die auf eine gemeinsame Familie gehofft haben, bis sie merken, dass sie zu unterschiedlich sind; Betts Großmutter, die einen gänzlich neuen Weg geht als sie Averys Mutter, eine bekannte Theaterregisseurin, kennenlernt, weitere Kinder, die Bett und Avery mit der Zeit kennenlernen. Es ist spannend, wie schnell man in der Geschichte ist und wie gut man die Handlung nachvollziehen kann, obwohl es sich nur um Mails und Briefe handelt. Natürlich fehlen an einigen Stellen stimmungsvolle Beschreibungen der Umgebungen, hin und wieder vermisst man bei einigen Themen die reale Interaktion der Figuren miteinander, doch es ist erstaunlich, wie viel die beiden Autorinnen mittels Mails vermitteln. Auch lernen junge Leser*innen die beiden Mädchen sehr gut kennen, denn die beiden vertrauen sich alles an, was sie beschäftigt – ihre Ängste und Sorgen, ihre Wünsche und Hoffnungen. Auf diese Art ist man Avery und Bett stets sehr nah und erlebt die Geschehnisse trotz der Distanz durch Mails und Briefen hautnah.
Die queeren Themen werden dabei sehr natürlich behandelt, ohne sie besonders hervorzuheben. Sowohl Bett als auch Avery sind von Menschen umgeben, die keinerlei Probleme damit haben, dass ihre Väter schwul sind. Manchmal hätte man sich gewünscht mehr von den beiden Männern zu erfahren, doch da Avery und Bett davon nur wenig mitbekommen, hat man als Leser*in leider nur wenig Einblick in die Beziehung der Männer. Auch einige weitere Themen, die spannend gewesen wären (z. B. der Sorgerechtsstreit zwischen Averys leiblicher Mutter und ihrem Vater) wird leider nur am Rande behandelt.

Die Figuren sind sehr sympathisch und authentisch. Avery und Bett sind grundverschieden, denn jede hat ihre Stärken und Schwächen. Wo Avery der introvertierte, zurückgezogene Bücherwurm ist, der alles durchdenkt, ist Bett spontan, extrovertiert und am liebsten draußen unterwegs. Kein Berg ist zu hoch, kein Fluss zu breit. Trotzdem haben die beiden viele Gemeinsamkeiten und ergänzen sich mit der Zeit – Avery wird mutiger, Bett etwas ruhiger. Es ist spannend zu sehen, wie sie sich mit jeder Mail aufeinander zu bewegen und beginnen sich zu vertrauen. Die übrigen Figuren lernt man am meisten durch die Mails der beiden Mädchen kennen, hin und wieder kommen sie selbst zu Wort. Den stärksten Eindruck vermittelt hierbei Betts Großmutter, die einen gänzlich neuen Lebensweg einschlägt. Leider bleiben die Väter ein wenig blass obwohl sie die ganze Sache ins Rollen gebracht haben.

Stilistisch fällt „An Nachteule von Sternhai“ ein wenig aus dem Rahmen, da die Geschichte nur durch Mails und Briefe erzählt wird und weitere Beschreibungen und Dialoge fehlen. Das ist zu Beginn ein wenig gewöhnungsbedürftig, doch mit der Zeit kommt man gut damit klar, dass die Handlung auf diese Art vorangetrieben wird und man die Entwicklung der Figuren nur durch die Mails und Briefe mitbekommt. Holly Goldberg Sloan und Meg Wolitzer ergänzen sich dabei hervorragend – man kann davon ausgehen, dass eine der beiden Autorinnen aus Averys, die andere aus Betts Perspektive geschrieben hat. Beide Mädchen haben dadurch ihre eigene Stimme und ihre eigene Persönlichkeit, die sich im Laufe der Geschichte weiterentwickelt.

Fazit:
Mit dem Kinderbuch „An Nachteule von Sternhai“ legen Holly Goldberg Sloan und Meg Wolitzer eine schöne Geschichte über Freundschaft, Familie und Zusammengehörigkeit vor, die wichtige Themen kindgerecht, humorvoll und spannend vermittelt. Die Figuren wachsen einem schnell ans Herz, man begleitet Avery und Bett sehr gerne auf ihrem Weg Bekannte, Freundinnen und schließlich Schwestern zu werden und durch den Trubel des Erwachsenwerdens. Auch du Aufmachung des Buches kann überzeugen – vom Cover über die Gestaltung der Mails und Briefe – alles ist wie aus einem Guss, was das Lesen zu einem wahren Vergnügen macht. Wer Kinderbücher mag, in denen auch queere Themen behandelt werden, sollte einen Blick riskieren und „An Nachteule von Sternhai“ eine Chance geben.

Cover des Buches A Midsummer's Nightmare (ISBN: 9783426530177)

Bewertung zu "A Midsummer's Nightmare" von Noah Stoffers

A Midsummer's Nightmare
Korikovor einem Monat
Atmosphärischer, queerer Urban Fantasy Roman

Story:
Als hätte Ari seit deren Coming-Out als nonbinärer, transmaskuliner Mensch und den anstehenden Prüfungen an einer Elite-Universität auf der schottischen Insel Hilma nicht genug um die Ohren, kann dey plötzlich Geister sehen und mit ihnen kommunizieren. Auch Aris Freund*innen scheinen übernatürliche Fähigkeiten zu entwickeln, die sie sich weder erklären können, noch wissen, was das für sie und ihr zukünftiges Leben bedeutet. Neben Lernsessions in der Bibliothek und Proben für das Shakespeare Stück „Ein Sommernachtstraum“ ergründen Ari und deren Freund*innen nach und nach, was mit ihnen passiert und welche Geheimnisse die Insel zu verbergen hat. Dabei stoßen sie nicht nur auf das ein oder andere Monster, ihr*e Gegner*in scheint auch vor Mord nicht zurückzuschrecken …

Eigene Meinung:
Mit „A Midsummer’s Nightmare“ erschien Anfang Februar 2024 ein neuer Roman von Autor*in Noah Stoffers beim Knaur Verlag. Der in Schottland spielende, queere Urban Fantasy Roman mit Dark Academia Vibes und Anleihen an Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ ist in sich abgeschlossen, wenngleich er durchaus Potenzial für eine Fortsetzung hat.

Die Geschichte setzt im letzten, prüfungsintensiven Trimester an der Elite-Universität Murray an  für Ari nun deren Freund*innen steht der Bachelor an, was viel Druck und einen hohen Prüfungsstress bedeutet. Die Tatsache, dass Ari Geister sehen kann, insbesondere den eines jungen Mädchens, macht dey zu schaffen, dennoch weiht dey deren Freund*innen nicht ein. Mit der Zeit wird jedoch deutlich, dass nicht nur Ari sich verändert, sondern auch deren bester Freund Ren, die kluge, toughe Rayna und der freiheitsliebende, ungezwungene Spross einer Adelsfamilie Jamie. Zudem scheint die Insel Hilma wie ein Tor zur Anderswelt zu wirken, denn die seltsame Zufälle häufen sich und gipfeln im Verschwinden von Jamies Freund Ben. Nach und nach kommen sie der Wahrheit auf die Spur, denn die Tatsache, dass Studierende verschwinden oder bei scheinbaren Unfällen zu Tode kommen, ist keine Seltenheit und scheint System zu haben.
Noah Stoffers entführt Leser*innen in eine Urban Fantasy Welt, die sich stark an die schottische Folklore und das Feenreich anlehnt, denn Fae haben einen großen Einfluss auf die Dinge, die auf der Insel Hilma passieren. Erst tauchen diese Elemente nur vereinzelt auf, verdichten sich jedoch im Laufe der Geschichte und gewinnen immer stärker an Präsenz. Das merkt man deutlich daran, wie sich Ren, Rayna und Jamie entwickeln und wie ihre übernatürlichen Fähigkeiten immer deutlicher zu Tage treten. Neben dem Hauptplot rund um die Geheimnisse der Insel, die Hintergründe des Murray Colleges und längst zurückliegende Vermissten- und Todesfälle, kommen auch queere Themen nicht zu kurz, denn obwohl Ari geoutet ist, hat dey mit den üblichen klischeehaften, konservativen Vorstellungen zu kämpfen. Diese Probleme fließen immer wieder am Rande ein ohne die eigentliche Geschichte zu überlagern – sie sind ein selbstverständlicher Teil von Aris Persönlichkeit ohne dass Noah Stoffers die eigentliche Handlung aus den Augen verliert. Es ist toll, dass Verlage mutiger werden und queere Repräsentation vorantreiben – mit Büchern, die von Own Voice Autor*innen geschrieben werden.

Die Figuren sind sehr authentisch und nachvollziehbar in Szene gesetzt – Ari ist ein*e starke*r, queere*r Protagonist*in. Leser*innen sind hautnah bei Ari, bekommen deren Ängste, Sorgen und Probleme mit und können sich sehr gut mit dey identifizieren. Es macht Spaß Ari auf deren Weg zu begleiten und mit dey die Geheimnisse der Insel zu ergründen. Auch deren Freunde sind sympathisch, wenngleich jede*r von ihnen Ecken und Kanten hat – Ren ist der liebe, gutmütige Freund, zu dem Ari mit der Zeit mehr als Freundschaft empfindet, Rayna die starke, bestrebte Studentin, für die die Prüfungen an erster Stelle stehen, ganz gleich welche Kräfte sie plötzlich entwickelt und Jamie nimmt die meiste Zeit nichts ernst, ist locker und wirkt mit seinem Schabernack mehr wie ein Feenwesen denn wie ein Mensch. Noah Stoffers hat eine Gruppe von Außenseitern auf eine fantastische Reise geschickt, bei der sich die verschiedenen Persönlichkeiten hervorragend ergänzen.

Stilistisch legt Noah Stoffers einen spannenden Urban Fantasy vor, der vor allem durch ansprechende, atmosphärische Beschreibungen, stimmungsvolle Dialoge und eine Vielzahl gelungener Wendungen besticht. Die Geschichte wird komplett aus Aris Sicht geschrieben, denn dey steht im Zentrum des Geschehens, weswegen man dey am besten kennenlernt. Einzig die Tatsache, dass man sich die fiktive, schottische Insel, insbesondere deren Größe und die Bewohner nur grob vorstellen kann, ist schade, denn trotz aller Beschreibungen fällt  es nicht leicht sich ein wirkliches Bild des Handlungsortes zu machen.

Fazit:
„A Midsummer’s Nightmare“ ist ein gelungener, atmosphärischer Urban Fantasy Roman, der durch eine spannende Handlung, starke queere Figuren und einem bildhaften Schreibstil besticht. Noah Stoffers gelingt es das Genre Dark Academia mit alten, schottischen Legenden über das Feenreich zu verknüpfen und die Held*innen nicht nur ihre eigenen übernatürlichen Fähigkeiten entdecken zu lassen, sondern sie auch auf die Suche nach den Geheimnissen der Insel und den Hintergründen zu unzähligen Vermissten- und Mordfällen zu schicken. Wer ungewöhnliche, queere Urban Fantasy Romane mag und wem Dark Academia Vibes gefallen, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren. Sehr zu empfehlen.

Cover des Buches The Charm Offensive (ISBN: 9783734112355)

Bewertung zu "The Charm Offensive" von Alison Cochrun

The Charm Offensive
Korikovor einem Monat
gelungener, atmosphärischer Gay Romance mit Fokus auf Mental Health

Story:
Für Dev Deshpande geht romantische, wahre Liebe über alles – aus diesem Grund arbeitet er als Produzent bei der Reality-Dating-Show „Ever After“ mit, in der 20 Kandidatinnen um ihren Traummann buhlen. Der neue, reiche Tramprinz Charlie Winshaw stellt ihn jedoch vor unerwartete Hürden, ist es doch steif, unsicher, tollpatschig und glaubt nicht an die Liebe. Prompt wird Dev ihm als Coach zugewiesen, was bedeutet rund um die Uhr zusammen zu sein, um ihn bei seinen Dates zu unterstützen. Und während die Dreharbeiten rund um die Welt ihren Lauf nehmen, begleitet von den üblichen, inszenierten Dramen, kommen sich die beiden näher. Dabei erkennt Dev, dass Charlie nicht nur psychische Probleme hat, er muss auch selbst erkennen, wie problematisch die Show auf vielen Ebenen ist und wie sehr sie seine eigene mentale Gesundheit angreift …

Eigene Meinung:
Mit dem Roman „The Charm Offensive – Wenn die Klappe fällt, beginnt die Liebe“ legt Blanvalet das Debüt der Autorin Alison Cochrun vor, das weit mehr zu bieten hat, als lockerleichte Gay Romance Lektüre, spricht sie doch auch ernste Themen an – insbesondere mentale Gesundheit, aber auch Queerness jenseits von schwul und lesbisch. Im Oktober 2022 erschien unter dem Titel „A Charmed Christmas“ noch eine Kurzgeschichte, die bisher nur in englischer Sprache erhältlich ist und die nach der Hauptgeschichte angesiedelt ist.

Die Geschichte entführt Leser*innen in die Welt des Trash-TV – man begleitet das Fernsehteam von „Ever After“, die Kandidatinnen und natürlich den zu erobernden Prinzen in eine Welt, die mehr Schein als Sein ist. Für Dev, der an die Liebe und romantische Happy Ends glaubt, ist die Show das Größte; für Charlie, der vorwiegend teilnimmt um sein negatives Image aufzumöbeln, ein wahrer Alptraum. Nicht nur hat er Probleme mit Berührungen, der Interaktion mit Menschen und den unmöglichen Dates, mit der Zeit kommt er eher seinem Coach Dev näher, als den hübschen Kandidatinnen. Das sorgt natürlich für Probleme, denn das Drehbuch schreibt vor, wie die Show enden soll – mit einer kitschigen Verlobung zwischen Charlie und der Gewinnerin und entsprechend viel Marketing um das neue Traumpaar.
Alison Cochrun hat sich als Handlungsort eine Welt ausgesucht, die nur schwer zu fassen ist – es bleibt offen, wie viel von dem, was sie schreibt wahr ist und wie viel Fiktion, doch man kann davon ausgehen, dass es hinter den Kulissen derartiger Shows durchaus so abläuft. Da werden Dramen inszeniert oder künstlich aufgebauscht, Menschen in Rollen gedrängt um die Zuschauenzahlen zu steigern und diejenigen unter Druck gesetzt, die vor und hinter der Kamera dabei sind. Dass es zwischen Dev und Charlie funkt und sich eine romantische Liebe zwischen den beiden anbahnt, überrascht die Leser*innen nicht, dafür jedoch die ernsten Themen, die die Autorin anspricht – mentale Probleme wie Depressionen und Angststörungen, ebenso die Reaktion anderer Menschen auf Personen, die mit derartigen Problemen zu kämpfen haben. Auch queere Themen wie Asexualität und Aromantik werden angesprochen und glaubhaft eingebaut, was die Geschichte angenehm aus der Masse üblicher Gay Romance Romane heraushebt. „The Charm Offensive“ geht mehr in die Tiefe, und wirkt wesentlich authentischer und realistischer als andere Bücher des Genres. Angenehm ist auch, dass die Autorin auf explizite Szenen verzichtet, die nicht so ganz zu den Figuren und der Geschichte gepasst hätten.

Die Figuren sind sympathisch, wirken authentisch und von ihren Handlungen her sehr realistisch. Dass Dev nicht nur der überdrehte, gutgelaunte Typ ist, sondern auch düstere, depressive Phasen hat, macht ihn sehr greifbar. Auch Charlie kann mit seinen Ängsten, Unsicherheiten und Problemen überzeugen – es ist schön mal eine Figur zu lesen, die optisch perfekt aussieht, jedoch mit mentalen Problemen zu kämpfen hat. Als Leser*in erlebt man seine Wandlung und Weiterentwicklung hautnah mit, ist dabei, wenn er allmählich Vertrauen fast und sich mehr und mehr aus seinem Schneckenhaus herauswagt.
Auch die übrigen Figuren sind toll in Szene gesetzt, sehr individuell und eigen. Sie sind die perfekten Supporter für Dev und Charlie, teils lockern sie die Geschichte auf, teils treiben sie die Hauptfiguren in die richtige Richtung.

Stilistisch gibt es wenig zu bemängeln – Alison Cochrun hat einen sehr schönen, flüssigen Schreibstil, der durch gelungene Dialoge, viel Witz und Charme, und schönen Beschreibungen besticht. Man ist schnell in der Geschichte, die abwechselnd aus Sicht von Charlie und Dev erzählt wird, so das man die beiden Figuren sehr gut kennenlernt. Auch die Romanze zwischen den beiden wird glaubhaft und nachvollziehbar gestaltet und entwickelt sich langsam und ohne Hast, was der Atmosphäre des Buchs zugute kommt.

Fazit:
„The Charm Offensive“ ist ein gelungener, atmosphärischer Gay Romance, der mehr zu bieten hat, als eine stereotype, vorhersehbare Liebesgeschichte. Stattdessen spricht die Autorin Alison Cochrun viele ernste Themen an und verleiht der Geschichte und den Figuren einen unerwarteten Tiefgang, den anhand des Klappentextes hätte man eher mit einer lockerleichten Liebesgeschichte gerechnet, anstatt mit mentaler Gesundheit, einer Abrechnung mit dem Trash-TV und Queerness jenseits des schwulen Spektrums. Das macht „The Charm Offensive“ zu einem Roman, der aus dem Rahmen fällt und gerade deswegen viel mehr Aufmerksamkeit verdient hat. Wer tiefgründige, ungewöhnliche Gay Romance jenseits stereotyper Schubladen mag, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.

Cover des Buches Drama und Dämonenjäger (ISBN: 9783989060159)

Bewertung zu "Drama und Dämonenjäger" von Louisa Masters

Drama und Dämonenjäger
Korikovor einem Monat
Zu generisch und vorhersehbar

Story:
Nachdem der Seelenfresser auf dem Mannix Estate gebannt ist, glaubt Geschäftsführer Kieran, dass im Hotel endlich Ruhe einkehrt, auch wenn das Vortex noch geöffnet ist, dass es den Geistern ermöglicht sich jedem zu zeigen. Das ändert sich schlagartig, als der Angestellte Skye von einem Wesen aus der anderen Welt besessen wird und sie gezwungen sind zu einem waschechten Dämonenjäger Kontakt aufzunehmen. Connor, der ihnen bereits aus der ferne mit dem Seelenfresser geholfen hat, ist bereit, sie dieses Mal direkt zu unterstützen. Schnell wird klar, dass er nicht nur ein Experte ist und zu einer viel größeren, Jahrhunderte alten Organisation gehört, er hat auch einen Narren an Kieran gefressen, der mit den Neckereien des Dämonenjägers so gar nichts anfangen kann …

Eigene Meinung:
Mit „Geister und Dämonenjäger“ legt der Second Chances Verlag den zweiten Teil der Gay Urban Fantasy Reihe „Geister inklusive“ von Louisa Masters vor. Wie schon in „Spuk und Schmied“ ist die Geschichte im Spukhotel Mannix Estate angesiedelt und führt die Geschichte um Josh, Kieran und die Hotelangestellten weiter. Dabei steht dieses Mal mit Kieran und Connor ein anderes Pärchen im Zentrum, während die Rahmengeschichte und auch die Hintergrundwelt weiterentwickelt wird. Zur Reihe gehören noch zwei weitere Bände, die sich auf die restlichen, vorwiegend schwulen bzw. bisexuellen Charaktere konzentrieren.

Die Geschichte ist recht generisch gehalten, da bereits beim Lesen des Klappentextes klar war, in welche Richtung die Handlung entwickelt. Sicherlich legt Louisa Masters auch Wert darauf die Rahmenhandlung weiterzuentwickeln und setzt auf die Mischung aus Fantasy, Humor und queerer Lovestory, dennoch bietet „Drama und Dämonenjäger“ wenig Spannung und Abwechslung. Das liegt vor allem daran, dass sowohl die Geister als auch die Dämonen aus der Welt jenseits des Vortex nur eine sehr untergeordnete Rolle spielen und man auf ein großes Finale, wie man es am Ende des ersten Bandes hatte, vergeblich wartet. Stattdessen liegt der Fokus auf Kieran und Connor, die so forciert in eine Liebesgeschichte hineingezwungen werden, dass man kurz davor ist, die Lust an der Geschichte zu verlieren. Das liegt vor allem an den Nebenfiguren (Menschen und Geister), deren Anwesenheit in diesem Band scheinbar nur dazu dient, die beiden Männer miteinander zu verkuppeln – durch Andeutungen, Sprüche und entsprechende Aktionen. Hauptgrund für die meisten: Der bisexuelle Kieran ist einsam und hatte ewig keine Beziehung mehr und Connor steht auf rothaarige Männer wie Kieran und ärgert ihn die meiste Zeit. Dass Kieran kein Interesse hat und die meiste Zeit von Connor genervt ist, wird wegignoriert – denn das Necken ist ja ein Ausdruck seine Gefühle für ihn. Das ist nicht nur auf so vielen Ebenen falsch, es sorgt auch dafür, dass man die sich entwickelnde Liebe der Beiden nicht wirklich nachvollziehen kann. Nichtsdestotrotz kommen Kieran und Connor zusammen, denn das ist letztendlich Ziel der Buches. Als Leser*in hat man leider das Gefühl, dass dies stark von der Autorin forciert wurde und andere Möglichkeiten nicht einmal in Erwägung gezogen wurden. Es muss ein schwules Liebespaar geben, die beiden stehen im Zentrum, also wird das bis zum bitteren Ende inklusive einigen expliziten Szenen durchgezogen. Es ist schade, dass über diese forcierte Beziehung die Hintergrundhandlung nur am Rande fortgeführt wird – sicher man erfährt einiges über die Dämonenwelt (Connor ist schließlich seit Jahren Dämonenjäger und Teil einer entsprechenden Organisation) und es werden neue Figuren eingeführt, doch die Spannung und Action, die Louisa Masters im ersten Band eingebaut hat, fehlt fast vollkommen. Man hat eher das Gefühl, als falle der Autorin auf den letzten 50 Seiten auf, dass man vielleicht noch eine Actionszene mit einem Dämon einbauen sollte, um die Urban Fantasy Leser*innen nicht ganz zu verlieren. Das ist schade, denn wer den Mix aus Fantasy, Geistern, Dämonen und Liebesgeschichte aus dem ersten Band mochte, wird enttäuscht sein.

Die Figuren sind nichtsdestotrotz sympathisch, wenngleich sie wesentlich stereotyper daher kommen und den üblichen Klischees entsprechen – natürlich sind die Hauptfiguren sexy und finden den jeweils anderen optisch ansprechend, als sei dieser Aspekt das wichtigste an dem Love Interest. Kieran ist die meiste Zeit genervt und kann Connor im Grunde nicht ausstehen (warum er einem Techtelmechtel im Doppelbett zustimmt, kann man nur schwer verstehen), Connor wiederum verhält sich recht kindisch, trägt aber viel Wissen in sich und weiß, wie man mit dem Vortex/Portal umgehen muss.
Die übrigen Figuren kommen nur am Rande vor – sie nehmen noch weniger Raum ein, als im ersten Band, was sehr schade ist, denn die Interaktionen zwischen den Menschen und den Geistern haben im zweiten Band wirklich gefehlt.

Stilistisch gibt es nichts zu bemängeln – Louisa Masters hat einen schönen, flüssigen und sicheren Schreibstil, der Leser*innen schnell in die Geschichte zieht und durch die Seiten fliegen lässt. Sie hat in Händchen für Dialoge und Beschreibungen, ebenso für ihre verschiedenen Figuren. Hin und wieder könnte der Fokus mehr auf der Fantasy Geschichte und den Geistern liegen, anstatt auf der Beziehung und der Liebesgeschichte zwischen dem Main Pairing, doch bei solch generischen Büchern sollte man sich von Anfang an darauf einstellen, dass die jeweiligen Pärchen im Mittelpunkt stehen. Bleibt zu hoffen, dass es im nächsten Teil wieder mehr um die fantastische Rahmenhandlung geht und man mehr über die daraus resultierenden Probleme erfährt, als über die Beziehung des nächsten Pärchens, das verkuppelt werden will …

Fazit:
„Drama und Dämonenjäger“ führt die „Geister inklusive Reihe“ von Louisa Masters mit viel Drama, generischer Liebe und einigen recht stereotypen Figuren fort, erreicht jedoch nicht den Witz und Charme des ersten Bandes. Dafür rückt die eigentliche Urban Fantasy Handlung zu sehr in den Hintergrund und der Fokus liegt zu stark auf dem Zusammenbringen eines Pärchens, das eigentlich nicht so wirklich zusammenpasst. Es ist schade, denn bei „Spuk und Schmied“ stimmte die Mischung, man hatte Spaß an den Figuren und wurde am Ende mit einem spannenden Kampf gegen einen Dämonen belohnt – im zweiten Band wirkt alles leider weniger stimmig, die Liebesgeschichte zu forciert. Bleibt zu hoffen, dass der dritte Teil der Reihe wieder mit einer ausgewogenen Mischung aus Fantasy, Action und Liebe punkten kann, „Drama und Dämonenjäger“ gelingt dies leider nicht …

Cover des Buches Stolen Kisses (ISBN: 9783492064255)

Bewertung zu "Stolen Kisses" von Andreas Suchanek

Stolen Kisses
Korikovor 2 Monaten
Happy End - koste es was es wolle

Story:
Während Jannis‘ Leben voller Freiheiten und Akzeptanz ist, wagt Kai es nicht einmal seinem strengen, konservativen Vater zu wiedersprechen oder auch nur über ein Coming-Out nachzudenken. Ein One-Night-Stand in einem Hotel führt die beiden grundverschiedenen Männer zusammen und obwohl es knistert, bleibt Kai nichts anderes übrig als am nächsten Morgen zu verschwinden. Unerwartet treffen die beiden sich wieder – als die Modellabels ihrer Familien bei einem Investor nach weiterem Kapital fragen, um sich in der Modewelt zu halten. Da der Investor nur eines der beiden Labels unterstützen kann, schlägt er einen Wettkampf vor – die Firma, die ihn binnen kurzer Zeit mit einer neuen Kollektion und einer Modeschau überzeugen kann, erhält das notwendige Kapitel …

Eigene Meinung:
Mit „Stolen Kisses“ legt Andreas Suchanek einen Gay New Adult Roman vor, der in Berlin spielt und Leser*innen in die Welt der Mode entführt. Die Geschichte von Jannis und Kai erschien im Sommer 2023 beim Label everlove des Piper Verlags und ist in sich abgeschlossen. Der Autor stellt immer wieder queere Haupt- und Nebenfiguren ins Zentrum und ist mit seinen Büchern in verschiedenen Genres unterwegs – von Fantasy und SciFi, über Krimi und Thriller bis hin zu Kinder- und Jugendbüchern.

Inhaltlich legt der Auto einen recht generischen Gay Romance vor, der im vom Grundplot her ein wenig an Romeo und Julia erinnert, nur dass sie in der heutigen Zeit angesiedelt sind und die Modewelt eine zentrale Rolle spielt. Neben dem Wettkampf der beiden Modelabels, die beide auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, geht es um Freundschaft, queere Akzeptanz und die Sehnsucht nach Freiheit. Gerade Kai, der es seinem Vater gefühlt nie recht machen kann, droht unter dem beständigen Druck und der hohen Verantwortung zu zerbrechen, während Jannis viele Probleme nicht nachvollziehen kann, da er in einem sehr liberalen Haushalt aufgewachsen ist. Insgesamt wirkt die Rahmenhandlung leider an den Haaren herbei gezogen, denn das Vorgehen eines Investors, zwei Modellabels Mit einem derartigen Wettbewerb zu testen, erscheint doch recht unrealistisch. Auch die Wendung zum Ende und die Offenbarung des eigentlichen „Bösen“ kann nicht wirklich überzeugen, denn das ist einfach zu viel des Guten. Hier wurde fast schon „mit dem Holzhammer“ dafür gesorgt, dass die Leser*innen ein Happy End auf so vielen Ebenen wie möglich bekommen – Jannis und Kai müssen natürlich ihre Chance bekommen, ebenso dürfen die Modelabels nicht gänzlich untergehen, da sie den Helden zu viel bedeuten. Und natürlich muss der konservative Vater Halt einen kompletten Sinneswandel durchmachen und seine moralischen Einstellungen um 180° drehen, damit nichts dem Happy End entgegensteht. Die Tatsache, dass auch noch ein Cameo von Barbara Schöneberger mit einigen Drag Queens vorkommt, wirkt sehr befremdlich, immerhin ist die Fernsehmoderatorin nicht unbedingt positiv in Erinnerung geblieben, wenn es um Drag Queens geht.
Trotz aller Kritikpunkte werden auch wichtige Themen angesprochen wie Zwangsouting und Homophobie. Gerade das Thema Zwangsouting wird sehr ausführlich dargestellt und zeigt auf, mit welchen Problemen Betroffene zu kämpfen haben.

Die Figuren sind sympathisch, entsprechen aber größtenteils der üblichen Klischees – sowohl Jannis als auch Kai bleiben recht blass, da sie die üblichen charakterlichen Punkte abdecken. An welchem Punkt sie sich ineinander verliebt haben, verpasst man als Leser*in, da die Nacht im Hotel nur in Rückblenden in die laufende Handlung eingebaut werden, was jedoch eher störend auffällt, da man aus dem Lesefluss gerissen wird. Daher fehlt ein wenig das Verständnis, warum sie so sehr am jeweils anderen hängen.
Die übrigen Figuren sind teilweise interessanter und lebendiger als die Hauptfiguren, allen voran Jannis‘ Mutter, die mit ihrer alternativen Art und ihrem Charme alle anderen in den Schatten stellt.

Stilistisch legt Andreas Suchanek einen lockerleichten Roman vor, der vor allem durch seine flapsigen, modernen Dialoge besticht und wechselnd aus Jannis‘ und Kais Sicht erzählt wird. Dadurch lernt man die Figuren und ihre Gedanken und Gefühle sehr gut kennen. Auch die Beschreibungen sind gelungen, allerdings nehmen diese manchmal sehr viel Raum ein, was die Geschichte an einigen Stellen unnötig aufbläht und in die Länge zieht – hier wäre weniger mehr gewesen.

Fazit:
„Stolen Kisses“ ist ein Gay Romance mit etlichen Schwächen, die das Lesevergnügen spürbar trüben – allen voran fällt die unlogische Handlung ins Gewicht und das übertriebene Happy End, das in der Form weder glaubwürdig ist, noch zufriedenstellen kann. Die Figuren sind recht stereotyp geraten und wirken, bis auf wenige Ausnahmen, recht statisch und unspektakulär – Andreas Suchanek bietet wenig Neues, denn die meisten Handlungselemente hat man in dieser Form schon gelesen. Auch die prickelnde Liebesgeschichte bleibt weitestgehend auf der Strecke, denn man ist nicht dabei, wenn sich Jannis und Kai näherkommen – die Rückblenden können da wenig retten. Wer lockerleicht geschriebene New Adult Bücher mit queeren Figuren mag, kann einen Blick riskieren.

Cover des Buches Top Secret: ein MM-College-Roman (ISBN: 9783948457006)

Bewertung zu "Top Secret: ein MM-College-Roman" von Sarina Bowen

Top Secret: ein MM-College-Roman
Korikovor 2 Monaten
Für Fans des Tropes „Enemy to Lover“

Story:
 Keaton hat mehrere Baustellen in seinem Leben – sein Vater ist fest davon überzeugt, dass er in seine Fußstapfen tritt und neuer Verbindungspräsident des College wird; sein Zimmernachbar Luke Bailey ist nicht nur sein Gegenkandidat, er bringt ihn auch mit seiner nervenden Art um den Verstand und seine langjährige Freundin wünscht sich zum Geburtstag einen Dreier. Zumindest letzteres nimmt er in Angriff und findet online einen geeigneten Mann. Doch die vielen Chatgespräche lassen Keaton alles andere als kalt und als sich der Fremde als Luke Bailey entpuppt, ist das Chaos perfekt, denn eigentlich verbindet sie beiden nichts … oder?

Eigene Meinung:
 Mit dem Roman „Top Secret“ legt der Second Chances Verlag einen weiteren Roman von Sarina Bowen und Elle Kennedy vor, die vor allem durch die Gay Romance Reihe „Him“ / „Us“ in Deutschland bekannt sein dürften, die inzwischen ebenfalls vom Second Chances Verlag neu aufgelegt wurde. „Top Secret“ erschien 2019 auf dem englischsprachigen Markt, in Deutschland kam die Geschichte von Keaton und Luke im Sommer 2023 heraus.

Die Geschichte nimmt sich des Tropes „Enemy to Lover“ an, denn Keaton und Luke sind zu Beginn auf mehrfacher Ebene keine Freunde – sie sind zu unterschiedlich, direkte Konkurrenten um als Amt des Verbindungspräsidenten und haben keinerlei Gemeinsamkeiten. Beide haben ihre Päckchen zu tragen, denn sowohl Keaton als auch Luke haben familiäre Probleme, die gänzlich unterschiedliche Auswirkungen haben – während Keatons Familie reich ist und ein entsprechender Druck hinsichtlich seiner beruflichen Entwicklung vorhanden ist, stammt Luke aus einfachen Verhältnissen, bei denen er sowohl mit seiner Mutter als auch mit seinem vorbestraften Bruder zu kämpfen hat. Dass die beiden erst als anonyme Chatpartner eine Verbindung zueinander aufbauen ist ein klassischer Ansatz, der viel Potenzial bietet – insbesondere bei Keaton, der sich mit dem Gedanken anfreunden muss, nicht ganz so hetero zu sein, wie gedacht. Natürlich geht das nicht ohne eine ordentliche Portion Erotik – zu Beginn in Form von sexten, später geht es dann direkt zur Sache – denn wie schon bei „Him“ und „Us“ landen die Figuren gefühlt dauerhaft im Bett, sobald sie die Hürde übersprungen haben. Die eigentlichen Probleme rücken dadurch immer wieder in den Hintergrund, obwohl die Geschichte genügend Potenzial bietet, um die Figuren besser zu beleuchten oder auch andere Themen in den Fokus zu stellen. Doch gerade Luke scheint Keaton nur auf einem Weg nahe sein zu können – wenn sie miteinander schlafen, was die Geschichte leider in die Länge zieht und dafür sorgt, dass man Szenen überblättert.

Die Figuren sind grundsätzlich sympathisch und gut gezeichnet. Leser*innen können sie sowohl mit Keaton und seinen Problemen identifizieren, als auch mit Luke, dem es schwer fällt sich einer anderen Person anzuvertrauen. Sie bilden das perfekte Paar um den Trope „Enemy to Lover“ zu bedienen, wirken fast schon klischeehaft mit ihren Unterschieden und Ansichten. Die übrigen Figuren wirken teils realistisch, teils aber auch sehr übertrieben negativ dargestellt – ganz besonders Lukes Mutter, der man nichts positives abgewinnen kann.

Stilistisch bietet „Top Secret“ solide, gut geschriebene Kost, die die Geschichte gut transportiert und auch den verschiedenen Figuren gerecht wird. Es wird wechselnd aus Lukes und Keatons Perspektive geschrieben, so dass man beide Hauptfiguren sehr gut kennenlernt, inklusive ihren Sorgen und Problemen. Auch die erotischen Passagen sind stimmig in Szene gesetzt, allerdings bleibt das Wording nahezu identisch, so dass sich mit der Zeit eine gewisse Langeweile einschleicht, wenn es darum geht den Sex der beiden Männer zu beschreiben. Was Sarina Bowen und Elle Kennedy nach wie vor beherrschen sind Dialoge und Gespräche – diese sind mal witzig, mal ernst oder auch mal dramatisch und bringen die Geschichte zumeist spürbar voran.

Fazit:
 „Top Secret“ von Sarina Bowen und Elle Kennedy ist ein solider Gay Romance Roman, der gerade Fans des Tropes „Enemy to Lover“ ansprechen wird, denn die beiden grundverschiedenen Charaktere und ihre Entwicklung machen das Buch durchaus lesenswert. Leider fallen die vielen erotischen Szenen mit der Zeit negativ ins Gewicht, da sie die Handlung ausbremsen und weder Keaton noch Luke hinsichtlich ihrer Sorgen und Probleme nicht wirklich voranbringen. Wen das nicht stört und wer auf der Suche nach leichter Lektüre für Zwischendurch ist, bekommt eine solide geschriebene Geschichte mit sympathischen Charakteren geboten. Am besten reinlesen und selbst entscheiden. 

Cover des Buches RUNED - Das verschollene Auge (ISBN: 9783982272672)

Bewertung zu "RUNED - Das verschollene Auge" von R. R. Stein

RUNED - Das verschollene Auge
Korikovor 2 Monaten
Fokus liegt gefühlt nur auf der Schatzsuche

Story:
Als der 13-jähhrige Rune und sein Bruder Willy auf dem Weg in die Bretagne sind, um dort ihre Cousine Julie zu treffen, deren Vater vor kurzem gestorben ist, ahnen sie nicht, dass ihnen das Abenteuer ihres Lebens bevorsteht. Nicht nur kann Rune plötzlich Runen auf Gräbern und in Büchern lesen, sie machen sich auch auf den Weg zu Merlins Grab, das sich als Portal in eine Welt voller Magie und magischen Geschöpfen entpuppt. Ohne zu wissen, was die drei Kinder damit auslösen, kommen sie in die Anderswelt, die von dem dunklen Magierkönig Exeter beherrscht wird und müssen mit Hilfe der Rebellen und ihren plötzlich erwachenden Fähigkeiten einen Weg nach Hause suchen – ohne Exeter den Weg in die Menschenwelt zu öffnen …

Eigene Meinung:
„Runed“ ist der Auftaktband einer Fantasy-Reihe für Kinder von R. R. Stein und kommt mit etlichen, sehr detaillierten, farbigen Illustrationen und einer medial beworbenen Schatzsuche daher, bei der man die im Buch versteckten Rätsel lösen und diese online anschließend weiterführen muss. Demjenigen, der alle Rätsel löst, winkt ein Preisgeld von 10.000,-€, was inzwischen auch gewonnen wurde, so dass die Lösungen zu den Rätseln auf der Homepage zum Buch zu finden sind. Die Geschichte soll 2025 fortgeführt werden.

Die Geschichte an sich ist leider wenig spektakulär und bietet Vielleser*innen wenig Neues – drei kindliche Helden, eine fremde Welt und ein böser König, der die dort lebenden Wesen terrorisiert. Natürlich muss es eine Widerstandsbewegung geben, die jedoch wenig macht, außer im Verborgenen zu leben und auf die Prophezeiung eines magischen Baumes zu warten, der Merlins Rückkehr vorhersagt. In diese Welt stolpern die drei Kinder – dass Rune magische Fähigkeiten hat, ist geradezu obligatorisch, ebenso dass in Willy mehr schlummert. Julie ist die einzige Figur, die sich mit Hilfe ihres Verstandes durchschlägt und ohne die ein Weg zurück nur schwer möglich wäre. Als Leser*in begleitet man die drei Kinder, begleitet von zwei Zwergen auf ihrem Weg durch die Anderswelt und ihrer Suche nach Merlins Auge, um das Portal erneut zu öffnen. Leider ist dieses Abenteuer so gehetzt und unspannend runtererzählt, dass man mit der Zeit das Interesse an der Geschichte verliert. Statt einer packenden Geschichte hetzen die Figuren von Quest zu Quest, haben kaum Zeitz die Welt wirklich kennen zu lernen und sich überhaupt mit ihrer Situation auseinander zu setzen. Dadurch wirkt auch die Fantasywelt ungemein blass und weder greifbar noch tiefgründig. Es mangelt an Beschreibungen, um als Leser*in wirklich eintauchen und die Erlebnisse der Kinder miterleben zu können. Das ist schade, denn die Grundidee ist nicht schlecht, auch wenn es viele Kinderbücher gibt, die in eine ähnliche Richtung gehen. Zum eher flachen Handlungsbogen kommt auch ein Finale, das nicht überzeugen kann – der spannende Kampf gegen Exeter ist nach wenigen Seiten vorbei, die Kinder finden einen Weg zurück. Was mit ihren neuen Freunden passiert, ist ihnen egal, ebenso was Exeter nach dem Scheitern seiner Pläne mit der fremden Welt macht.
Das Einzige, das ein wenig fesseln kann und auch junge Leser*innen begeistern dürfte sind die Rätsel, die im Buch versteckt sind – teils braucht man UV Licht, um sie zu entdecken, teils offenbaren sie sich anders. Sie zu finden und zu lösen, macht schon Spaß und ist besonders für rätselbegeisterte Kinder genau das Richtige. Allerdings sorgt es auch dafür, dass die eigentliche Geschichte noch stärker in den Hintergrund rückt und man das Abenteuer von Rune, Willy und Julie erst recht aus den Augen verliert.

Die Figuren sind leider sehr klischeehaft und decken die üblichen Stereotype ab – grundsätzlich ist das in einem Kinderbuch nicht so schlimm, dennoch hätte man sich gewünscht, dass sich gerade die Kinder ein wenig von der grauen Masse abheben oder sich entsprechend weiterentwickeln. Rune ist der typische, unsichere Jugendliche, der in der Schule gemobbt wird und sich eher im Hintergrund hält. Dass er magische Fähigkeiten hat, sorgt allerdings kaum für eine spürbare Änderung – er entwickelt sich eigentlich gar nicht weiter, auch wenn er Runen lesen und den ein oder anderen Zauber ausführen kann. Sein älterer Bruder Willy ist das Gegenteil von Rune – offen, laut und stets hungrig, letzteres bewegt sich auf einem Level, dass es mit der Zeit ernsthaft nervt. Da befinden sich die Kinder auf der Flucht und sind gerade so entkommen – Willy jammert, dass er was essen muss. Man befindet sich bei feindlich gesonnen Trollen und ist gefangen – Willys einziges Problem ist, dass er Hunger hat. Das zieht sich durch alle Kapitel und sorgt zunehmend dafür, dass man von Willy genervt ist. Er ist der Älteste und verhält sich wie ein verzogenes Kleinkind, das alle anderen mit seinen unsinnigen Aktionen in Gefahr bringt. Auch bei ihm sucht man eine charakterliche Weiterentwicklung vergeblich. Julie wiederum verhält sich der Situation angemessen, hat kluge Ideen und treibt die beiden Jungs voran. Sie verhält sich wie eine Anführerin und behält die meiste Zeit einen kühlen Kopf, was für die Kinder überlebensnotwendig ist.
Die üblichen Nebenfiguren bleiben blass und sind nur dafür da die Kinder in Szene zu setzen oder ihnen passende Hinweise zu geben – selbst über die Zwerge Maurin und Laurin, die die Kinder auf ihrem Weg begleiten, erfährt man nicht viel.

Stilistisch legt R. R. Stein ein sehr klischeehaftes, langatmiges Fantasybuch vor, dem es vor allem an einer greifbaren, packenden Handlung, sympathischen Figuren und einer authentischen Fantasywelt mangelt. Die Geschichte wirkt stark runtererzählt, als hätte man sich nur auf die Rätsel konzentriert und sich vorwiegend mit diesen auseinander gesetzt, um die stark beworbene Schatzsuche in den Fokus zu setzen. Dadurch wirkt die Handlung wie reine Makulatur, die Figuren haben keine Chance mehr zu sein, als blasse Charaktere, die man entworfen hat und die Anderswelt verkommt zu einem nicht greifbaren Gebilde. So nett die Rätsel sind, es hätte dem Buch (dessen erste Aufgabe es schließlich ist, eine spannende Geschichte zu erzählen) gut getan, wenn man ein wenig mehr Liebe und Sorgfalt in die Handlung und die Figuren gesteckt hätte, anstatt sich nur auf die Rätsel zu fokussieren. Das merkt man auch an der Homepage – da liegt der Fokus nur auf der Schatzsuche, anstatt zumindest auch die Figuren und die Welt vorzustellen.

Sehr gut gelungen sind die Illustrationen, die sehr detailliert und aufwendig gestaltet sind. Auch die Tatsache, dass sie komplett farbig sind, sorgt dafür, dass „Runed“ aus der breiten Masse illustrierter Bücher heraussticht. Laut Impressum/Nachwort zeigen sich mindestens vier Illustrator*innen für die Gestaltung verantwortlich, über die man leider im Internet nahezu nichts findet – auch hier wäre es schön, wenn diese auf der Homepage zum Buch vorgestellt werden könnten, damit man mehr über die Künstler*innen erfährt, die den Figuren ein Gesicht gegeben haben.

Fazit:
Alles in allem kann „Runed – Das verschollene Auge“ als fantastisches Kinderbuch nicht wirklich überzeugen, denn außer den schönen Illustrationen und den versteckten Rätseln hat es wenig Spannung und Abenteuer zu bieten. Die Handlung wirkt stark runtererzählt und scheint nur dazu da zu sein, die Rätsel zu verstecken, die Figuren bleiben blass und entwickeln sich so gut wie nicht weiter und auch stilistisch kann R. R. Stein nicht überzeugen, da es ihm nicht gelingt Spannung aufzubauen. Es ist wirklich schade, dass man „Runed“ rein auf eine mediale Schatzsuche reduziert hat, anstatt das zu tun, wofür solche Bücher eigentlich gedacht sind – eine spannende, fantastische Geschichte für Kinder zu erzählen und ihre Fantasie anzuregen.

Über mich

Juliane Seidel wurde 1983 in Suhl/Thüringen geboren und lebt seit mehreren Jahren in Wiesbaden. Neben ihrer Arbeit als Teamassistentin steckt sie viel Zeit und Herzblut in den queeren Rezensionsblog „Like a Dream“, organisiert Messen und Veranstaltungen (u.a. das schwullesbische Lesefestival „QUEER gelesen“) und schreibt seit knapp zehn Jahren fantastische Kinder- und Jugendbücher. Unterdessen hat sie neben den ersten Bänden der Kinderbuchreihe „Assjah“ und der im Selfpublishing erschienenen Trilogie “Nachtschatten” auch erste Veröffentlichungen im queeren Bereich vorzuweisen.

Lieblingsgenres

Fantasy, Comics, Kinderbücher, Jugendbücher, Historische Romane, Literatur, Unterhaltung

Mitgliedschaft

Freund*innen

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks