Bewertung zu "Meine Flucht aus Nordkorea" von Yeonmi Park
Die Autorin beschreibt zunächst ihre Kindheit in Nordkorea und das Leben mit ihrer Familie. Besonders interessant fand ich hierbei, dass sie selbst eigentlich noch zu einer privilegierteren Gruppe in Nordkorea gehörten. Trotzdem sind ihre kämpfen sie ums Überleben und vieles, was Teil unseres Alltags ist, ist ihnen völlig fremd. Immer wieder musste ich mich beim Lesen daran erinnern, dass Yeonmi Park zur gleichen Zeit geboren wurde wie ich, und nicht etwa am Anfang des 20. Jahrhunderts. Auf diese Weise hat es die Autorin sehr eindrücklich geschafft, dem Leser die völlig fremde Lebenswelt Nordkoreas näher zu bringen. Alltägliche Korruption, teilweise unglaubliche Armut und Hunger sowie die absurd anmutende Propaganda zeichnen ein Bild der Gesellschaft in der Diktatur.
Der zentrale Teil des Buches widmet sich dann ihrer Flucht von Nordkorea nach Südkorea. Diese fand nicht, wie man vielleicht meinen könnte, über die direkte Grenze statt. Vielmehr braucht die Familie Jahre, um zunächst nach China und dann irgendwann weiter über die Mongolei nach Südkorea zu fliehen. Dieser Abschnitt war hart zu lesen und kam mir teilweise vor wie Fiktion. Beim Lesen möchte man sich zu gerne in die Vorstellung flüchten, dass das Beschriebene nicht wirklich passiert ist: Menschenhandel, Vergewaltigungen und die ständige Angst vor der Polizei standen für Yeonmi Park und ihre Mutter auf der Tagesordnung. Das hat mich schockiert, aber gleichzeitig bewundere ich auch ihren Mut, ihre Geschichte aufzuschreiben und den Umgang mit ihrer Vergangenheit.
Schließlich geht es auch um die Zeit nach der Ankunft in Südkorea. Das Leben in Freiheit ist für die Autorin und ihre Familie nicht der erhoffte Traum, denn auch hier haben sie mit Ausgrenzung zu kämpfen und müssen sich in eine Gesellschaft einfügen, die ihnen fremd ist. So ähnlich stelle ich mir auch die Probleme von ehemaligen DDR-Bürgern nach dem Mauerfall vor, obwohl die Unterschiede zwischen Nord- und Südkorea natürlich noch viel gravierender sind. Die Parallelen zwischen der deutschen und der koreanischen geteilten Gesellschaft fand ich besonders interessant.
Den Schreibstil von Yeonmi Park habe ich generell aber eher als spannend empfunden. Anders als bei anderen (Auto-)Biografien verfällt sie nicht in ausufernde Beschreibungen, sondern lässt den Leser regelrecht „mitfiebern“, sofern man bei einem wahren Schicksal davon sprechen kann. Insgesamt hat mich das Buch sehr fasziniert, auch wenn einige Abschnitte unangenehm zu lesen waren. Man kann sich kaum vorstellen, unter welchen Bedingungen Menschen in Nordkorea leben, aber auch was sie auf ihrer Flucht erleiden müssen. Einem empfindlichen Leser würde ich hier aber zur Vorsicht raten, manche der Beschreibungen sind nicht leicht zu verdauen. Jedem anderen kann ich das Buch aber nur ans Herz legen. Ich glaube, fast jeder kann hier noch etwas über dieses Land lernen, von dem wir so wenig wissen.