Kurzmeinung: Eine schöne Grundidee, deren Umsetzung jedoch noch Luft nach oben gehabt hätte.
Ein unerfülltes Versprechen
Living Legends, der Auftaktband der Fantasy-Trilogie von Maja Köllinger, erzählt die Geschichte des jungen Studenten Niccolo, der durch einen Brand im Studentenwohnheim mit seiner eigenen Sterblichkeit konfrontiert wird. Seine Situation erscheint aussichtslos, sein Tod unabwendbar. Im letzten Moment rettet ihn jedoch eine traumhafte Erscheinung - sein Schutzgeist Lynn - vor dem flammenden Tod.
Jeder Mensch wird von Geburt an von einem unsichtbaren Wesen begleitet, welches über sie wacht und ihnen den Weg weist, Lynn ist ebendies für Nic - ein stiller Wächter seines Lebens. In seiner Kindheit konnte er sie sehen, doch als er älter wurde, verbannte er sie aus seinem Leben und Lynn musste zu ihrem unsichtbaren Dasein zurückkehren.
Die Rettung durch Lynn erweckt ungeahnte Fähigkeiten in Nic. Er kann nunmehr die verlorenen Seelen verstorbener Menschen sehen, wie sie unsichtbar und verloren zwischen den Lebenden auf der Erde wandeln. Nic wirft sein bisheriges Leben über den Haufen und macht es sich zur Lebensaufgabe diese gequälten Seelen zu erlösen. Als unerklärliche Phänomene den Himmel Venedigs heimsuchen, machen sich Lynn und Nic gemeinsam auf die Reise, um das Rätsel um die mysteriösen Wolkengebilde zu lösen.
Das anfängliche Setting in der wunderschönen Stadt Rom sowie der Ortswechsel nach Venedig bieten Material für unzählige herrliche Ortsbeschreibungen, die mit viel Detail und Beobachtergabe dargestellt werden. Diese Finesse und Sensibilität lässt bei der Gestaltung der Charaktere und der Handlungsstränge jedoch zu wünschen übrig. Beide Hauptcharaktere sind recht eindimensional konstruiert. Maja Köllinger kratzt nur an der obersten Schicht der Persönlichkeitsgestaltung. Beiden Hauptcharakteren fehlen sowohl Tiefe als auch Ecken und Kanten. Sie erscheinen unnahbar und es bleibt unklar, was sie im tiefsten Inneren antreibt, Ein Grund hierfür sind die mangelnden Hintergrundgeschichten und die Abwesenheit von zusätzlichen Charakteren, die sowohl Lynn als auch Nic eine Möglichkeit geboten hätten, neue Facetten zu offenbaren oder sich weiterzuentwickeln. Ähnliche Schwierigkeiten lassen sich auch in der Handlungskonzeption erkennen. Die Probleme, auf die Lynn und Nic während ihrer Reise stoßen, sind allesamt recht schnell gelöst und erfordern keine komplexen Strategien, Fehlschläge oder Opfer. Zusätzlich stolpert man an einigen Stellen über Ungenauigkeiten in der Beschreibung dargestellter Szenarien, welche die Realitätsillusion des Leseerlebnisses ab und an ins Wanken bringen.
Die Grundidee bietet eine Menge Potential, das leider nicht in seiner Gänze entfaltet werden konnte. So hat sich die Lektüre für mich eher als eine Herausforderung erwiesen. Wer jedoch nach einer leichten Lektüre mit einer eingewobenen Liebesgeschichte sucht, wird bei diesem Werk sicher nicht enttäuscht werden.