Nach "Kind 44" nun angeblich ein mindestens genauso gut gelungener Kriminalroman von Tom Rob Smith, wenn man dem Buchrücken glauben schenken mag.
Kolyma ist in gewisser Weise eine Fortsetzung, d.h. es spielt zeitlich nach dem ersten Buch und es treten Charaktere auf, die schon im ersten Teil eine Rolle gespielt haben. Allerdings wird der Hintergrund dieser Figuren nocheinmal aufgearbeitet, so dass es nicht zwingend notwendig ist "Kind 44" vorher zu lesen (empfiehlt sich aber trotzdem).
Der Protagonist Leo Demidow hat sich während seines Staatsdienstes beim KGB so einige Feinde gemacht, die ihm seine Denunziationen nie so richtig verziehen haben (verständlicherweise) und sich nun grausam rächen wollen. Zunächst wird seine Adoptivtochter Soja entführt und soll als Tauschobjekt dienen für einen Gefangenen im Gulag bei Kolyma im Norden Sibiriens. Mehr muss an dieser Stelle über die Geschichte nicht gesagt sein, lediglich, dass bei diesem "Kuhhandel" so einiges schief läuft.
Pluspunkte sind dafür zu verteilen, dass durch hervorragende Recherche des Autors ein sehr klares Bild von den Zuständen in der ehemaligen Sowjetunion geschaffen wird und dieser Roman deshalb ein hohes Maß an Authentizität in sich birgt. Man lebt die Geschichte in gewisser Weise mit. Auch findet man die russischen Bezeichnungen von Zeit zu Zeit in den Text eingestreut, wodurch sich die ausgezeichnete Investigation des Mr. Smith erneut bemerkbar macht. (Ich persönlich fand diese Bezeichnungen allerdings nicht wirklich hilfreich und auch nur marginal interessant). Punktabzüge gibt es für die etwas anstrengende bildhafte Ausführung jeglicher Formen der Gewalt und der Schmerzen (Die Beschreibung von nächtlicher Folter zieht sich kaugummiartig in die Länge). Ebenso scheint ganz beiläufig die Revolution Ungarns von 1956 eine Rolle zu spielen, keiner weiß wo sie herkommt und warum sie eine Rolle für die Protagonisten spielt, fast scheint es als hätte man ein Setting gehabt (Revolution) und versucht diese Geschichte von Leo und seiner (Adoptiv-)Tochter unbedingt dort hineinzupressen.
Zugutehalten kann man dem Spannungsbogen dennoch abrupte Wendungen , verbunden mit dem fingerschnippartigen Auslöschen von scheinbaren Hauptpersonen; wenn sie mich fragen ist das schon innovativ, wenn auch unfassbar (gemein).
Letzten Endes erreicht man gewissermaßen einen verbesserten Status Quo und ein durchschnittliches Buch erhält ein durchschnittliches Ende.
Fazit: 3 Sterne und die Meinung man sollte auf jeden Fall "Kind 44" lesen und dann vielleicht lieber ein anderes Buch als dieses hier
P.S.: Ich hacke ja nur ungern auf der Covergestaltung eines Buches rum...aber der Satz "Kolyma ist der Vorhof zur Hölle" erscheint mir ebenso reißerisch, wie paradox, denn meines Wissens nach ist es in Sibirien eher kalt und der Leibhaftige würde sich sicher bedanken für dieses Urteil.
Aber dies sind nur Spitzfindigkeiten und deshalb schweige ich jetzt