Niels hat alles, was man für ein gutes Leben braucht: Eine Frau und zwei Kinder (ein Junge, ein Mädchen), eine Wohnung, einen Job… sogar einen Hund. Von außen schon fast die perfekte Idylle. Und trotzdem ist das alles nicht mehr genug. In der Schule versucht Niels mehr oder weniger vergeblich, den Schülern sein Fach näherzubringen und stößt dabei hauptsächlich auf Desinteresse. Zuhause ist die Tochter bereits ausgezogen, der Sohn ist mitten in der Pubertät und kaum ansprechbar und die Ehefrau hat ihr eigenes Leben und nur wenige Berührungspunkte. Vielleicht ist es diese Krise in der Lebensmitte, die Niels zwingt, innezuhalten und festzustellen, dass das alles einmal anders geplant war.
Hilfe kommt – scheinbar – in Gestalt eines ehemaligen Schulkameraden. Michael ist hauptberuflich Fotograf und an den Krisenherden dieser Welt zuhause. Zunächst soll es nur eine einmalige Sache werden. Niels muss einfach mal raus aus seinem Alltagstrott und ein Kurztrip in den Libanon scheint die perfekte Lösung. Tatsächlich fühlt er sich endlich wieder mal richtig lebendig und kehrt zunächst mit neuem Schwung in den Alltag zurück. Doch das hält nicht lange an.
Neben Niels gibt es weitere Personen, die an den verschiedenen Kriegsorten auftauchen und sich scheinbar nur wirklich lebendig fühlen, wenn sie möglichst nahe an der Gefahr sind. Während die Einheimischen verzweifelt versuchen, zu fliegen, versuchen die Protagonisten des Buches verzweifelt, in die umkämpften Gebiete hineinzukommen.
Der Autor schreibt sehr intensiv. Man kann sich die Orte sehr gut vorstellen, auch wenn man selbst nie dort war und nie ähnliches erlebt hat. Die Gedanken von Niels kann man ebenfalls sehr gut nachvollziehen, die Geschichte ist schlüssig aufgebaut und man spürt als Leser, wie das Tempo und die Intensität zunehmen bis hin zu einem verhängnisvollen und blutigen Finale. Während man mit Niels mitleidet und seinen Frust über sein Leben gut nachvollziehen kann, hat man doch auch manchmal das dringende Bedürfnis, ihn zu schütteln und wieder zur Vernunft zu bringen. Bei Michael ist die Sache etwas anders gelagert, er ist schon lange und aus Überzeugung Kriegsfotograf. Sein ursprünglicher Grund, der Welt zu zeigen, was passiert, ist im Laufe der Zeit einer professionellen Distanz gewichen. Er sieht alles, was passiert, durch die Linse seiner Kamera und nimmt so zwar oberflächlich Dinge wahr, lässt jedoch nichts wirklich an sich heran.
Ich habe bisher noch keine Bücher mit ähnlicher Thematik gelesen. Dennoch denke ich, dass „Der Kriegstourist“ sich sehr gut eignet, wenn man sich für dieses Thema interessiert. Es gibt einige brutale Stellen, was aber zu erwarten war, immerhin ist der Leser an manchen Orten mitten im Krieg mit dabei. Das Buch macht nachdenklich und traurig zugleich. Nachdenklich, weil ich mich frage, was schiefläuft in unseren westlichen Gesellschaften, wenn die Menschen ihres bequemen Lebens so überdrüssig sind, dass sie lieber an einem Ort sein wollen, an dem ihnen die Kugeln um die Ohren fliegen? Und traurig, weil das Buch auf eine sehr direkte Weise mit dem konfrontiert, was in vielen Gegenden der Welt für die Menschen grausamer Alltag ist, während es für uns oft nur ein Bild in der Abendschau ist, bevor wir wieder zur Tagesordnung übergehen.