Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht ...
Kaum einer wüsste besser als Jens Söring, wie wahr dieser abgedroschen wirkende Spruch ist. Seit über zwanzig Jahren sitzt der Deutsche in US-Gefängnissen ein, verurteilt zu zweimal lebenslanger Haft für ein furchtbares Verbrechen, von dem er beteuert, es nicht begangen zu haben.
Wäre er doch bloß nie auf die Idee gekommen, die wahre Täterin durch ein falsches Geständnis vor dem Tod auf dem elektrischen Stuhl retten zu wollen!
Jens Söring, der als deutscher Diplomatensohn mit seiner Familie in den USA lebt, hat eine glänzende Zukunft vor sich: Der Hochbegabte erhält ein Stipendium für die University of Virginia, genießt die Freiheit fern des Elternhauses und lernt seine erste große Liebe kennen, die zwei Jahre ältere Elisabeth Haysom, eine faszinierend-schillernde, aber leider auch schwer gestörte Persönlichkeit - Letzteres ist ihm zu dieser Zeit allerdings nicht bewusst. Elisabeth Haysom erbaut die schönsten Luftschlösser für ein gemeinsames Leben, doch diese zerplatzen wie Seifenblasen, als sie im März 1985 völlig aufgelöst nachts bei Jens Söring erscheint und ihm gesteht, sie habe ihre Eltern ermordet.
Die Vorstellung, dass seine Liz für diese Tat auf dem elektrischen Stuhl "gegrillt" werden soll, ist dem jungen Mann so unerträglich, dass er beschließt, im Falle einer Verhaftung die Schuld auf sich zu nehmen - in der irrigen Annahme, durch den Status seines Vaters eine teilweise diplomatische Immunität zu genießen. Er malt sich aus, nach Deutschland überstellt und zu einer Jugendstrafe verurteilt zu werden, doch wieder einmal sieht die Realität anders aus. Nachdem er ohne anwaltlichen Beistand vor der Polizei ein grob fehlerhaftes Geständnis ablegt, wird er in den USA vor Gericht gestellt. Obwohl er sein Geständnis widerruft, am Tatort keinerlei Spuren von ihm gefunden werden und es keine Zeugen gibt, wird er in einem äußerst fragwürdigen Prozess für schuldig befunden und zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt - und in den Vereinigten Staaten bedeutet lebenslänglich tatsächlich bis zum Tode.
Söring gibt jedoch nicht auf; er beginnt vielmehr einen bis heute andauernden unermüdlichen Kampf um seine Freiheit. Nach jedem Rückschlag - und davon gibt es unzählige - schöpft er neue Hoffnung und beginnt wieder von vorn ...
Das wäre ein guter Stoff für einen spannenden Roman, doch "Nicht schuldig!" ist eine Biografie - und das verleiht dieser "Story" einen ausgesprochen bitteren Geschmack. Jens Söring beschreibt seine verhängnisvolle Beziehung zu seiner damaligen Freundin, schildert das - sein - Leben in diversen Haftanstalten, berichtet von (durch einsehbare Quellen belegten!) Ermittlungs- und Verfahrensfehlern und der Unmöglichkeit, neu erbrachte entlastende Beweise juristisch geltend machen zu können.
Einmal zur Hand genommen, lässt sich "Nicht schuldig!" nicht so leicht wieder aus der Hand legen - und lässt seine Leser auch danach nicht los. Ergreifend, erschütternd: Dieses Buch geht unter die Haut!