Es klingt wie ein Klischee, aber Paulas Leben ist wirklich der Inbegriff der Normalität. Sie ist keine Überfliegerin, kommt aber zurecht. Ihr kleiner Bruder Tim bringt Licht in ihr Leben und sorgt mit seiner steten Begeisterung für Meerestiere aller Art für immer neue Forschungsfragen zwischen den beiden.
Doch ein furchtbarer Unfall wirft Paulas Leben komplett aus der Bahn und Tim sorgt für die wohl schicksalhafteste und skurrilste Begegnung, die sich Paula überhaupt vorstellen könnte.
Jasmin Schreiber versteht sich auf Worte. Ihre Beschreibungen bringen - nicht nur bedingt durch die Handlung des Buches - eine wunderbare Melancholie zwischen den Zeilen mit sich. Irgendwie ist da immer Emotion, positiv und negativ, immer wird man direkt in die Gefühlswelt der Protagonistin Paula gezogen.
Das sorgt aber auch für ständige Gefühls-Extreme. Irgendwie passiert da nie einfach nur irgendwas - ständig leidet man als Leserin entweder intensivst mit Paula mit, oder hat diese "Aaaaw, wie schön!"-Momente. Es gibt nichts dazwischen, obwohl die Handlung teilweise überhaupt nicht vorangetrieben wird.
Das Erzähltempo im Buch (völlig sich-überschlagende Ereignisse zu Beginn und stetes Dahinplätschern im Mittelteil) und die ständige Achterbahn der Gefühle scheinen mir Kinderkrankheiten im Schreiben der Autorin zu sein; es wirkte zeitweise erzwungen. Als würde zwischen emotionalem Schreibflow und dem Zwang, einem Plot zu folgen und ein Ende zu finden, gewechselt werden. Hier hätten für mich noch Erzählpfade zusammengelegt werden können, ich hätte gerne einen gemäßigteren Einstieg gelesen und auch am Ende habe ich mich sehr aus der Handlung geworfen gefühlt (ein gemeines Ende für einen so abrupten Ausstieg).
Dabei möchte ich den Schreibstil eigentlich sehr gern! Es ist offensichtlich, dass die Beschreibung von Depression, Verlust, Trauer, aber auch diese bedingungslose, wortkarge Freundschaft, die zwischen Paula und Helmut entsteht, nicht aus dem Nichts umschrieben wird. Es sind keine leeren Worte, die da zwischen den Buchdeckeln stehen, sie scheinen mir nur noch nicht ausreichend strukturiert.
Alles in allem ist "Marianengraben" ein starkes Debüt, das durch ein sehr emotionales Thema besticht und sich herzzerreißend intensiv mit Trauerbewältigung beschäftigt. Wenn ich mit Paula in der Handlung war, habe ich absolut mitgefühlt und -gelitten. Ein Schritt zurück hat es mir zwischenzeitlich schwer gemacht, das Buch in dem Maße mitzuerleben, wie es wohl angedacht war.
Sicher ist allerdings: Von dieser Autorin erwartet uns noch einiges mehr und ich bin gespannt darauf!