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Literaturchaos

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Das Buch der verschollenen Namen (ISBN: 9783426227138)

Bewertung zu "Das Buch der verschollenen Namen" von Kristin Harmel

Das Buch der verschollenen Namen
Literaturchaosvor 2 Jahren
Kurzmeinung: Ein absolut packender historischer Roman, der von einer wahren Geschichte inspiriert wurde.
Mitreißend von der ersten Seite an


Erster Satz:

"Es ist ein Samstagmorgen, mitten in meiner Schicht in der öffentlichen Bibliothek in Winter Park, als ich es sehe."







Wir schreiben das Jahr 2005, als die Bibliotheksmitarbeiterin Eva Abrams in Florida eine Entdeckung in der New York Times macht. Eine Entdeckung, die die mittlerweile über 80jährige Eva schlagartig zurück katapultiert in ein früheres Leben, das lange her und fast vergessen ist und von dem ihre Familie nichts weiß. Ein Leben, in dem das Buch der verschollenen Namen eine große Rolle spielte und Eva fast das Leben kostete. 









Evas früheres Leben wird ab dem Jahr 1942 erzählt, als sie als jüdische Studentin an der Pariser Sorbonne schon auf der Hut sein muss, sich aber trotzdem noch einen Hauch von Leichtigkeit und Lebensfreude bewahrt hat und ihre Heimat Paris und ihre Familie ihr alles bedeuten. 


Mit dieser Lebensfreude ist es schlagartig vorbei, als Evas Vater mitten in der Nacht deportiert wird und Eva und ihre Mutter nur durch einen Zufall durch die Maschen dieser Aktion fallen. Dennoch müssen sie fliehen und finden sich schon bald im kleinen Örtchen Aurignon wieder, das im bisher nicht besetzten Teil Frankreichs liegt. 









Und hier beginnt die eigentliche Geschichte: In Aurignon kennt jeder jeden und fast das halbe Dorf unterstützt die Resistance, jene Widerstandskämpfer, die ihre Leben aufs Spiel setzten, um Juden mit falschen Papieren auszustatten und außer Landes zu schleusen.


Eva ist zeichnerisch hoch begabt und so stechen ihrer Herbergswirtin in Aurignon direkt die perfekt gefälschten Ausweise von Eva und ihrer Mutter ins Auge, die nur einen kleinen Fehler haben: Die Mutter ist dort als russische Emigrantin angegeben.... und kann kein Wort russisch.


Man könnte sagen, dass Eva angeheuert wird, fortan Pässe für jüdische Kinder zu fälschen. Und genau das ist der Grund, warum sie und ihre Mutter, die nach der Deportation des Vaters nach Auschwitz nur noch sich haben, auseinander driften.


Eva kommt mir teilweise zu brav vor, sie ist fast schon eine klassische Mitläuferin und versucht, es allen recht zu machen. In Anbetracht der Tatsache, dass sie als Jüdin jede Minute des Tages um ihr Leben bangen muss und dass sie ein Talent hat, das für viele andere Menschen unabdingbar ist, hätte ich ihr eine etwas kräftigere Stimme gewünscht. 


Evas Mutter vergräbt sich in ihrer Verzweiflung und überschüttet die Tochter mit Vorwürfen. Gibt ihr die Schuld am vermeintlichen Tod des Vaters und wirft ihr vor, ihren Glauben und ihre Familie zu verraten. Denn Eva fälscht die Pässe in einem Bibliotheksraum der katholischen Kirche und verbringt nach Meinung der Mutter viel zu viel Zeit mit diesen Papisten. Ein Graben tut sich zwischen den beiden Frauen auf, den ich nicht so ganz nachvollziehen konnte, denn sollte man sich nicht gerade in solchen schweren Zeiten gegenseitig unterstützen?







"Die vier Kinder, die Eva heute gesehen hatte, waren nur ein winziger Bruchteil der Waisen, denen ihre Eltern entrissen worden waren. Was würde aus ihnen werden? Würde ihr Leben je wieder normal? War es möglich, etwas wiederaufzubauen, wenn einem nichts geblieben war?

"Wie retten wir sie alle?", fragte sie schließlich flüsternd.

"Mit Mut, Eva." Pere Cléments Antwort kam prompt. "Und ein bisschen Glaube."

 

- Zitat Seite 213 - 






Während es zunächst in Aurignon fast schon beschaulich zugeht, spitzt sich die Lage auch hier bald drastisch zu. Immer öfter kommen Informanten mit Hiobsbotschaften, immer schwieriger wird es, an das Rohmaterial für Ausweise, Lebensmittelmarken und Reisedokumente zu kommen. Als auch Aurignon besetzt wird, setzen Eva und ihre Verbündeten täglich ihre Leben aufs Spiel.


Eva kann jedoch nicht anders, als möglichst vielen jüdischen Kindern eine Zukunft zu ermöglichen und so arbeitet sie nächtelang durch. An ihrer Seite hat sie Rémy und schon bald haben die beiden Gefühle füreinander, die einfach nicht in diese Zeit passen.









Bei ihrer Arbeit als Fälscherin hat Eva große Gewissensbisse dabei, die wahren Identitäten der vielen Kinder auszulöschen. Etliche von ihnen sind zu klein, um sich daran zu erinnern, woher sie kommen und wer sie einst waren und so legen Eva und Rémy das Buch der verschollenen Namen an. In einer alten Kirchenschrift aus dem 18. Jahrhundert werden die richtigen Namen der Kinder chiffriert hinterlegt - in der Hoffnung, eines Tages irgendwem seine wahre Identität zurück geben zu können.


Und genau dieses Buch ist es, das Eva 2005 in einem Artikel der New York Times über einen Berliner Antiquariar entdeckt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, geplünderte Bücher aus dem Zweiten Weltkrieg ihren rechtmäßigen Besitzern zurück zu geben.


Eva reist nach Berlin.... und erlebt eine Überraschung.. 


"Das Buch der verschollenen Namen" ist eine mitreißende und aufwühlende Geschichte, in der man mit den Charakteren hofft und bangt und leidet, in der man Verständnis und Sympathien aufbringt und nach der man dankbar ist, niemals einen Krieg miterlebt zu haben.


Kristin Harmel hat einen wunderbar eingängigen Schreibstil, der den Leser von Anfang bis Ende an den Seiten kleben und hoffen lässt, dass vielleicht doch noch....


Denn natürlich ist die unglückliche Liebesgeschichte zwischen Eva und Rémy, der schon bald abkommandiert wird, um jüdische Kinder zur Schweizer Grenze zu bringen, ein Faden, der sich durch das Buch zieht.


Die Hauptgeschichte ist jedoch das Fälschen der Papiere, das quasi unter den Augen der Nazis geschieht, Verbündete und Verräter hervorruft und die Gefühle des Lesers ziemlich aufwirbelt, denn die Autorin wurde hier von einer wahren Geschichte inspiriert. Von der wahren Geschichte eines kleinen französischen Ortes, der im Zweiten Weltkrieg die größte Fälscherwerkstatt des Landes betrieb. 






MEIN FAZIT:



Trotz kleiner Schwächen eine großartige Geschichte. 5 von 5 Glitzersternen und eine Leseempfehlung meinerseits.

 

 


Cover des Buches Gespenster (ISBN: 9783455011098)

Bewertung zu "Gespenster" von Dolly Alderton

Gespenster
Literaturchaosvor 3 Jahren
Kurzmeinung: Dieses Buch ist wie eine Pyjamaparty mit der besten Freundin: kurzweilig, amüsant, dramatisch, emotional, witzig, rasant und herzzerreißend
Über das Lieben, Leiden und geghosted werden eines Londoner Singles


Erster Satz:

"Am Tag meiner Geburt, dem 3. August 1986, war "The Edge of Heaven" von Wham! auf Platz eins der Charts."





 

.... was auch direkt erklärt, warum Nina Dean, die Hauptprotagonistin dieses Romans, den ungewöhnlichen zweiten Vornamen George trägt. Diese Hommage an George Michael, den Sänger der legendären Band Wham!, versinnbildlicht in gewisser Weise Ninas Verhältnis zu ihren Eltern und auch das Verhältnis ihrer Eltern zueinander und bekommt später im Buch noch einen sehr tragischen Beigeschmack.

 

Nina ist Anfang 30, hat sich vor kurzem in London eine schicke kleine Eigentumswohnung gekauft, ist Kolumnistin und Autorin von Kochbüchern und steht mit beiden Beinen fest im Leben. Sollte man meinen. 

 

Wären da nicht die alltäglichen kleinen und großen Dramen sowohl bei ihr als auch in ihrem Freundeskreis. Jene Dramen, mit denen sich der Leser identifizieren kann, die aber auch das Salz in der Suppe dieses Romans sind. 

 

Da wären Lola und Katherine, Ninas zwei besten Freundinnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Lola ist Dauersingle, dauernd am Daten und dauerhaft sowohl voller Hoffnung, DEN einen doch noch zu treffen, als auch voller Angst, ein ewiger Single zu bleiben. Als zynisch, durchgeknallt und verrückt könnte man sie beschreiben, aber auch als loyale Freundin und treue Weggefährtin Ninas. Katherine ist das komplette Gegenteil: Als Vorort-Hausfrau und Mutter von zwei Kleinkinder nimmt sie den biederen Part ein, den Part, der sie immer mehr von Nina entfernt, der irgendwann für einen großen Knall sorgt.

 

Nina steht geradezu zwischen den Stühlen und ist hin und her gerissen. Einerseits ist sie Single und nicht unbedingt verzweifelt darüber, andererseits wünscht sie sich aber doch einen festen Partner und eine Familie. Interessant sind hier jeweils die Parts ihrer Freundinnen: Lola, die sie dazu drängt, eine Dating-App herunterzuladen und Katherine, die ihr immer mehr das Gefühl gibt, ohne Mann und Kinder weniger wert zu sein.

 

Gerade letztere Komponente hat die Leserschaft dieses Romans sehr gespalten und einige junge Mütter fühlten sich ein wenig angegriffen. Hier muss ich persönlich allerdings für die Autorin in die Bresche springen, denn genau so ist es meistens wirklich! Sobald eine Freundin Mutter wird, tritt sie einem Club bei, zu dem man selbst keinen Zutritt hat. Sie wandelt sich um 180 Grad und hat kein anderes Thema mehr als den Nachwuchs und tut Dinge, über die sie sonst gelacht hat, als irrelevant ab. Kurz: Sie fühlt sich überlegen und kommt gar nicht erst auf die Idee, dass ihr Lebensglück nicht jedermanns Ziel ist. Genau so habe ich es schon häufig erlebt und genau deshalb habe ich den schwelenden Zwist zwischen Nina und Katherine mit Spannung verfolgt und Nina für das große Finale sehr gefeiert.

 

Nina, die eigentlich sehr genau weiß was sie will, ist jedoch auch nur ein Mensch. Und auch, wenn sie sehr selbstironisch und zynisch sein kann, wird der Ton des Buches ehrlich dramatisch und geradezu herzzerreißend, wenn es um ihren Vater geht. Früher Professor für englische Literatur und von seinen Schülern verehrt, verliert er nun den Kampf gegen die stetig voranschreitende Demenz. Nina fühlt sich hilflos und von ihrer Mutter, die das Problem scheinbar nicht sehen will und krampfhaft einen auf jung und ungestüm macht, allein gelassen, reagiert jedoch bei jedem neuen Drama bezüglich ihres Vaters ruhig und bedacht. Eine andere Nina kommt hier zum Vorschein, eine Nina, vor der man den Hut zieht. 

 

Und dann tritt Max in ihr Leben. Max, den sie über die Dating-App kennenlernt. Max, mit dem vom ersten Treffen an die Chemie total stimmt. Max, mit dem sie mehrere tolle Monate verbringt, in denen sie schon fast zusammen wohnen. Max, der ihr sagt, dass er sie heiraten will...... Max, der sich plötzlich von einen Tag auf den anderen nicht mehr meldet. Der sie "ghostet".

 

Ghosting, das Schlussmachen der Generation Social Media ist ein großes Thema und titelgebend in diesem Roman. Nicht nur Nina muss diese Erfahrung machen, auch Lola wird von der Autorin durch das daraus resultierende Gefühlschaos geschickt. Und man fragt sich als Leserin unweigerlich, wie man selber darauf reagieren würde. Ob man genau so wie Nina und Lola agieren würde. Viele haben Ghosting sicherlich schon selbst erfahren müssen und werden nun in ihrer Reaktion bestätigt. Oder auch nicht.

 

Ein bitteres und dennoch spannendes Thema, das uns das heutige schnelllebige und oberflächliche Miteinander einmal mehr bewusst macht. Das Miteinander der Generation, die mit zu viel Social Media und zu wenig echter Nähe, echter Freundschaft und echter Gespräche aufgewachsen ist und immer noch so lebt.

 

 

 



▪️M E I N    F A Z I T▪️




Dieser Roman ist wie eine Pyjamaparty mit der besten Freundin, bei der man mit Wein und Snacks die Nacht durchquatscht. Ein Roman, mit dem man sich identifizieren kann, ein Roman wie das echte Leben. Kurzweilig und in einem eingängigen Schreibstil, ehrlich und schonungslos offen, witzig und dramatisch.




4 von 5 Glitzersternen


Cover des Buches Es wird Zeit (ISBN: 9783805200431)

Bewertung zu "Es wird Zeit" von Ildikó von Kürthy

Es wird Zeit
Literaturchaosvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Dramatisch, zu Herzen gehend und saukomisch
Endlich ein neues Meisterwerk von Ildikó von Kürthy!

Sicherlich ist es eine belastende Situation, wenn man nach 20 Jahren an seinen Heimatort zurückkehrt, den man damals mit fliegenden Fahnen und einem schwerwiegenden Geheimnis im Gepäck verlassen hat. Noch belastender ist diese Situation ganz bestimmt, wenn einem als erstes ausgerechnet die ehemals beste Freundin über den Weg läuft. Auf dem Friedhof. Und man sich vor ihr verstecken will. Hinter dem Bewuchs eines Grabes. Und man sich dabei dermaßen ungeschickt anstellt, dass man nicht nur eine wenig elegante Figur abgibt, sondern auch noch postwendend entdeckt wird. Von der ehemals besten Freundin. Na dann: "Willkommen in der alten Heimat!"

Diese Eröffnungssequenz von "Es wird Zeit" hat mich sehr stark an eine Szene aus "Mondscheintarif" erinnert, mein damals erster Roman von Ildikó von Kürthy. Seit "Mondscheintarif" hat sich nun aber eine Menge bei der Autorin getan: Strotzten ihre ersten Romane noch vor Wortwitz und Situationskomik, wurden sie mit den Jahren ernster und bekamen Protagonisten, mit denen man sich identifizieren konnte. Nicht, dass Ihr mich falsch versteht, denn lachen muss man bei von Kürthy Romanen immer noch. Viel und laut!

"Es wird Zeit" ist nun aber nicht einfach nur die Geschichte von Judith, die, solide verheiratet mit einem langweiligen Mann, aus ihrer norddeutschen Wahlheimat zur Beerdigung ihrer Mutter zurück ins Rheinland kommt und auf die Geister ihrer Vergangenheit trifft. Es ist nicht nur die Geschichte von Anne, die, schwer krank, im Angesicht des Todes mehr lebt als jemals zuvor, es ist nicht nur die Geschichte von Erdal, Karsten und Michael, die jeder für sich sehr speziell sind. Nein, es ist die Geschichte von Freundschaft und Verrat, von Hoffnung und Verzweiflung, von Verzeihen und Entscheiden, von Wahrheit und Lüge, von Flucht und Ankommen. Und von Rache.

Schräge Situationen und schräge Vögel gibt es natürlich auch in diesem Roman der Autorin. Und dennoch enthält er soviel Wahres, dass man nicht umhinkommt, die ein oder andere Situation, den ein oder anderen Lebensumstand der Protagonisten, auf sein eigenes Leben zu projizieren. Für mich war "Es wird Zeit" nicht nur ein Roman, sondern ein Stück weit auch ein Ratgeber, der uns klarmacht, dass wir im Hier und Jetzt Leben müssen. Nicht im Gestern und nicht im Morgen. Dass wir Momente bewusst erleben und vor allem genießen müssen, um mit uns selbst im Reinen zu sein, weniger gestresst zu sein und viel entspannter.

Die Autorin hat diesem Roman nicht nur leisere, ernstere Töne verpasst, sondern auch noch ein Ende, das mir einen dicken Kloß im Hals bescherte. Trotzdem ist dieses Ende und kein anderes genau das richtige für "Es wird Zeit".

Wenn man den Klappentext liest, bekommt man mehr oder weniger die Informationen: Frau Ende 40, Lebenskrise, alte und sehr pikante Geheimnisse - und das Ganze mit einer ordentlichen Portion Ironie und Humor. Was der Klappentext jedoch nicht verrät, ist der grandiose Schreibstil der Autorin, mit dem sie die Probleme ihrer Charaktere angeht und beim Namen nennt, mit dem sie ihnen beisteht und mit dem sie den Leser durch alle Höhen und Tiefen des Romans geleitet. Mit dem sie uns allen absurde Situationen beschert, die uns viel lachen lassen, ebenso wie traurige, die uns leiden lassen.

Es wurde wirklich dringend Zeit für ein neues Buch von Ildikó von Kürthy und nun nach dieser Lektüre wird es erneut Zeit. Was ich damit sagen will: MEIN FAZIT zu "Es wird Zeit" lautet 5 VON 5 GLITZERSTERNEN. Absolute Leseempfehlung!

Cover des Buches Worüber wir schweigen (ISBN: 9783740806439)

Bewertung zu "Worüber wir schweigen" von Michaela Kastel

Worüber wir schweigen
Literaturchaosvor 4 Jahren
Kurzmeinung: Keine Spannung und ein großer Logikfehler. Für mich sehen Thriller anders aus.
Konnte mich leider gar nicht überzeugen

    

   

    Mit ihrem Erstlingswerk "So dunkel der Wald" hat die Autorin Michaela Kastel für Furore gesorgt, Preise abgeräumt und von sich reden gemacht. Dementsprechend hoch waren somit die Erwartungen zu    ihrem zweiten Buch "Worüber wir schweigen".

     

    Ich persönlich bin "unvorbelastet" an dieses zweite Werk herangegangen, da ich das erste nicht kenne. Der Klappentext hörte sich interessant an, der Plot ebenso und Thriller sind ja sowieso genau    mein Ding.

     

    Leider muss ich nun jedoch sagen, dass mich dieses Buch in keinster Weise überzeugen konnte.

     

    Fangen wir bei der Bezeichnung "Thriller" an: Ein Thriller ist für mich ein Buch, das mich alles um mich herum vergessen lässt, das mir das Blut in den Adern gefrieren lässt und das mich Seite um    Seite umblättern und weiterlesen lässt, obwohl ich eigentlich etwas ganz anderes machen müsste. Spannung ist hier das Zauberwort. Es muss spannend sein! - "Worüber wir schweigen" hat meiner    Meinung nach jedoch die Bezeichnung "Thriller" absolut nicht verdient. Bestenfalls ist es ein leichter Krimi, allerdings dann auch eher für Jugendliche. Denn um die Geschichte von vier    Jugendlichen geht es hier - wieder aufgerollt nach etwa 12 Jahren und in der heutigen Zeit, in der einer tot ist und der Rest nichts mehr miteinander zu tun hat. Die gute alte Dreiecksgeschichte    war`s, bei der die beste Freundin was mit deinem Freund hat....

     

    Die Charaktere: Hier hat die Autorin ein wenig zu tief ins Klischeetöpfchen gegriffen, denn anstatt den Protagonisten etwas mehr Tiefe zu geben, so dass man als Leser eine Beziehung zu ihnen    aufbauen kann, präsentiert sie uns einfach nur einen gestörten Haufen. Die Mutter, depressiv und drogenabhängig, die sich nicht um ihre Tochter kümmert, die Tochter, die schon in jungen Jahren    derbe einen an der Klatsche hat, der fremdgehende Vater, der gutaussehende Schulschwarm, der nicht allzu helle in der Rübe ist, die Freundin, die einfach nur eine Mitläuferin ist und über    keinerlei Selbstbewusstsein verfügt, die fremdgehende Nachbarin und der kleine Dicke, der nirgendwo dazu gehört. Na bravo! Bester Stoff für einen Teenie-Film, den man so oder so ähnlich aber wohl    schon tausend Mal gesehen hat. Frohnaturen sind sie alle miteinander nicht, was das Buch sehr grau in grau erscheinen lässt.

     

    Die Geschichte: Einer stirbt, eine wird darüber depressiv, die andere haut ab aus dem österreichischen Kaff in die große weite (österreichische) Welt. Nach Jahren kommt letztere wieder, um nun    endlich mal zu erfahren, warum damals gestorben wurde und wie das Ganze überhaupt geschehen ist. Ein Plot, aus dem man durchaus etwas hätte machen können, in dem für mich allerdings nur    Langeweile vorherrschte.

     

    Das Anteasern: Wenn mir etwas mehrmals spektakulär angekündigt wird und dabei ein ziemliches Geheimnis darum gemacht wird, dann will ich auch, dass am Ende was geliefert wird. In diesem Fall geht    es um eine ominöse Blechbox, die die Hauptprotagonistin mit sich herumschlürt und in der sich Wunder was befindet, das sie zum großen Showdown braucht. Die Auflösung.......kalter Kaffee ist    spannender.

     

    Die Logik: Mich wundert wirklich, dass das scheinbar noch niemandem aufgefallen ist, aber in dieser Geschichte gibt es einen ganz fetten Logikfehler, ausgerechnet bezogen auf den Teil des Buches,    um den sich eigentlich fast alles dreht. Leider kann ich hier nicht ins Detail gehen, da ich ansonsten spoilern müsste. Aber genau diesen Logikfehler würde man bei einem Jugendbuch wohl    verzeihen.

     

    Offene Fragen: Positiv zu erwähnen ist auf jeden Fall, dass in diesem Buch keine Fragen offen bleiben. Allerdings wird gegen Ende noch wie nebenbei etwas aufgeklärt, bei dem ich mich wirklich    fragen musste "Was soll ich jetzt mit dieser Information anfangen?". Für mich hatte das Ganze weder Hand noch Fuß.

     

    Das Cover: Ich finde es absolut großartig! Ehrlich! Es ist wunderschön und die Schrift und die Dornen schimmern sogar ein wenig. Komisch nur, dass im ganzen Buch nicht ein einziges Mal Dornen    oder Schmetterlinge auftauchen.

     

    Der Schreibstil: Hier sei absolut hervorzuheben, dass die Autorin mit Wörtern umgehen kann und einen sehr eingängigen und flüssigen Schreibstil hat. Wäre das nicht der Fall, hätte ich "Worüber    wir schweigen" vermutlich vorzeitig abgebrochen.

Cover des Buches Liebes Kind (ISBN: 9783423262293)

Bewertung zu "Liebes Kind" von Romy Hausmann

Liebes Kind
Literaturchaosvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Absolute Leseempfehlung!!!
Mitten hinein in die Abgründe der menschlichen Psyche...

Vor etwa einem Jahrzehnt noch verband man gute Thriller mit Amerika, denn die bekanntesten und besten Thrillerautoren kamen größtenteils von dort. Die deutsche Konkurrenz schlief jedoch nicht und etablierte sich nach und nach immer mehr auf den Must-Read Listen der geneigten Leserschaft und - das ist jetzt meine ganz persönliche Meinung - überholte irgendwann die Kollegen  jenseits des Atlantik. Auffällig hierbei war jedoch, dass es sich in der Mehrheit um männliche deutsche Autoren handelte.

....und nun kommt da mit Romy Hausmann eine junge Autorin daher, die mit ihrem Debütroman "Liebes Kind" gleich einen absoluten Treffer landet. Ein Treffer, der nachhallt, der betroffen und beklommen macht, der den Wunsch aufkommen lässt zu verstehen, der mitleiden und verzweifeln lässt und dem Leser die reinste Achterbahn der Gefühle beschert. Ein Treffer, der so tief in die Psyche der Menschen eintaucht, dass er den Leser mit allen Sinnen mitnimmt in ein Gefängnis, aus dem es jahrelang keinen Ausweg gibt.

Dieses Buch fängt dort an, wo andere fast schon aufhören - mit einer Flucht. Mit der Flucht einer Mutter aus einer einsamen Waldhütte, in der sie jahrelang mit ihren Kindern vom Vater der Familie eingesperrt war. Einer Hütte, die verriegelt und vernagelt war, in der der Vater über Tag und Nacht, über Essens- und Schlafenszeiten und über das restliche Familienleben bestimmte. Eine kleine abgeschiedene Welt, die für die Kinder Hannah und Jonathan normal war - weil sie nie etwas anderes kennen gelernt hatten. Ein Leben, das für die Mutter Lena die Hölle auf Erden war. Ein Dahinsiechen, bei dem die erste Chance zur Flucht genutzt wird.

Völlig überstürzt und kopflos läuft Lena bei ihrer Flucht vor ein Auto und wird schwer verletzt. Und ab da geht die Geschichte richtig los: Die bewusstlose Lena auf der Intensivstation, Lenas Eltern, die seit 14 Jahren über den Verbleib ihrer Tochter bangen und Hannah, diese seltsame  13jährige, die ihre Mutter in die Klinik begleitet. Die ein sehr intelligentes Kind ist und gefühlt ein ganzes Lexikon auswendig daher sagen kann, die theoretisch alles weiß, in der Praxis aber nie etwas anderes kennen gelernt hat, als das Innere der Hütte im Wald. Ihr Zuhause.

Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Lena, die ja eigentlich gar nicht Lena heißt, Lenas Vater Matthias und Hannah erzählt. Während es sowohl bei Lena als auch bei Matthias Rückblenden gibt, die die ganze Grausamkeit dieses unfassbaren Verbrechens aufzeigen und die Verzweiflung der Eltern, deren Kind plötzlich spurlos verschwunden ist, erzählt Hannah aus der Gegenwart und vom merkwürdigen Verhalten der Menschen, die mit ihr reden.

Romy Hausmann schafft es, den Leser vom ersten Satz an gefangen zu nehmen, mitzunehmen in die kleine Waldhütte, ihn durch sämtliche Emotionen der Protagonisten zu leiten und ihn fassungslos, aufgewühlt und voller Spannung Seite um Seite umblättern zu lassen. Geschickt streunt die Autorin immer wieder gezielt kleine subtile Hinweise, die schlußendlich ein großes logisches Ganzes ergeben.

Dieser Psychothriller taucht tief in die Abgründe der Menschlichkeit ein, offenbart ein "Warum" und vor allem ein "Wie". Wie kann man so eine lange Gefangenschaft überstehen? Wie würde man selber handeln? Könnte man überhaupt handeln? Das sind die Fragen, die man sich unweigerlich stellt, stellen muss. Auch noch Tage nach der Lektüre.

MEIN FAZIT: Ein großartiges Debüt, das einen bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Unbedingte Leseempfehlung und 5 VON 5 STERNEN!

Cover des Buches Heldensommer (ISBN: 9783455004595)

Bewertung zu "Heldensommer" von Andi Rogenhagen

Heldensommer
Literaturchaosvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Ein Roadtrip voller Klamauk und Situationskomik. Wenn nur dieses pubertäre Geschwätz nicht wäre....
Aufgeben ist keine Option!

Durchhaltevermögen! Das ist es, was man auf jeden Fall für diesen Roman braucht! Nicht im Hinblick auf eine gähnend langweilige Handlung, nein, durchaus nicht - eher im Hinblick auf die beiden Hauptprotagonisten. Denn die sind fünfzehn. Und leider sind ihre Dialoge auch dementsprechend. 

 

Nun gut, andererseits wirkt der Roman dadurch auch sehr authentisch (auch wenn der Rest der Handlung zwar unterhaltsam aber voller Klamauk und Situationskomik ist), nur braucht man wirklich eine Engelsgeduld, um das sich ständig wiederholende "Alter" oder "XY, die Sau" zu ertragen. Auch fragt man sich, wie wiederum Charakter Philipp sein Leben überhaupt erträgt, denn er findet so ziemlich alles "ekelig".

 

Philipp ist die treibende Kraft in dieser Geschichte, stiftet zu Blödsinn an und übernimmt meistens das Kommando. Dass er Angst im Dunkeln hat und in einfachen Schatten die gruseligsten Dinge vermutet, weiß natürlich keiner von seinen Freunden. Weder der dicke Borawski, der ihm folgt wie ein Hund und dabei Kette raucht, noch der dusselige Ingo, der schon ein Auto und eine Wohnung hat, was auch das einzige ist, das ihn als Freund qualifiziert.

 

Diesen Sommer wird sich jedoch alles ändern, denn Philipp plant eine großangelegte Racheaktion - im Schlepptau natürlich Borawski. Und Ingo. Weil man eben ein Auto braucht.

 

Philipps Französischlehrer Monsieur Mairasse hat ihm eine glatte Sechs gegeben, da auch nach zwei Jahren Unterricht bei Philipp so überhaupt gar nichts hängengeblieben ist. Eine glatte Sechs bedeutet jedoch auch, dass Philipp nun eine Ehrenrunde drehen muss, was ihm natürlich gar nicht in den Kram passt. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass Borawski ebenfalls sitzengeblieben ist.

 

Aus einer bekifften Bierlaune heraus entwickelt sich ein Plan, wie man sich am verhassten Französischlehrer rächen kann: Der erzählt immer voller Hingabe und mit Tränen in den Augen von seinem kleinen südfranzösischen Heimatdorf und der dort stehenden Statue seines Großvaters, der ein Kämpfer der Résistance war. Im Wohnort der Jungs steht ein Denkmal eines Wehrmachtssoldaten - wie könnte man Monsieur Mairasse also mehr schockieren, als bei beiden Statuen die Köpfe abzuschlagen und zu vertauschen?

 

Soweit der grobe Plan. - Bei der Umsetzung hapert es dann an vielen Stellen, natürlich. Was mich jedoch die ganze Zeit immens beeindruckt hat, war der unerschütterliche Wille und die Hartnäckigkeit, mit der die Jungs auch in ausweglosen Situationen vorgehen. Erst zu dritt, nach 300 Kilometern schon nur noch zu zweit, da Ingo aufgrund von Dope-Mangel keinen Bock mehr hat und Philipp und Borawski mit dem 30 kg schweren Wehrmachtskopf irgendwo in Süddeutschland einfach stehen lässt.

 

Nun heißt es also: laufen, trampen und dabei 30 kg Beton schleppen. Das Ganze mit kaum Geld in der Tasche, ohne Landkarte und ohne die geringsten Französischkenntnisse. Aberwitzige Situationen und die Begegnung mit skurrilen Typen sind auf dieser Reise natürlich an der Tagesordnung. 

 

Die beiden ziehen es tatsächlich durch und entwickeln sich im Laufe der Reise ein ganzes Stück weiter. Nehmen nicht mehr alles auf die leichte Schulter, machen sich Gedanken und festigen ihre Freundschaft. 

 

Und auch wenn schließlich in Südfrankreich die Probleme erst richtig losgehen, lassen sie sich nicht beirren. Aufgeben ist keine Option, was sich wie ein roter Faden durch das komplette Buch zieht.

 

Vom Stil her sehr einfach und schnörkellos gehalten mit teilweise (wie schon weiter oben erwähnt) grauenvollen Dialogen und der Aussage "Geht nicht gibt`s nicht!" hat mich dieses Buch recht gut unterhalten, weiterempfehlen würde ich es aber nur bedingt. Wer auf Roadtrips steht und über pubertäres Geschwätz hinwegsehen kann, keine Probleme mit Drogen, Alkohol und Selbstbefriedigung hat (Die Jungs sind fünfzehn, was denkt denn Ihr?), der wird mit dieser Geschichte sicherlich ein paar Stunden unterhalten werden.


Cover des Buches Die Zigarette danach (ISBN: 9783455650464)

Bewertung zu "Die Zigarette danach" von Antoine Laurain

Die Zigarette danach
Literaturchaosvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Bitterböse, zynisch und randvoll mit schwarzem Humor - großartig!
Antoine Laurain schafft es sogar, einen Mörder charmant darzustellen....

Erster Satz:

"Wenn ich mit einem leichten Schwindelgefühl auf mein bisheriges Leben zurückblicke, würde ich sagen, dass ich vor den Ereignissen, die es auf den Kopf gestellt haben, ein unauffälliger, ja beinahe durchschnittlicher Mann war."

 

Zunächst einmal muss ich eins zu diesem Roman anmerken: Wir alle lieben Antoine Laurains charmanten, liebevollen und typisch französischen Geschichten, in denen immer ganz viel Herz und Liebe vorkommt. Und die von der Covergestaltung her immer ähnlich aussehen. Ãhnlich schlicht und sympathisch und somit ein Blickfang im Regal. Und genau diese Tatsache sorgte zunächst für ein wenig Unruhe unter den Laurain-Lesern, denn das Cover der "Zigarette danach" sieht plötzlich so völlig anders aus. Das Buch kommt als Taschenbuch heraus - anstatt der gewohnten gebundenen Ausgabe - und hat auch ein größeres Format. Wie sieht das denn bitteschön im Regal aus? Das passt doch nicht! 

 

Werte Leserschaft, hier kann ich Entwarnung geben, denn doch! Es passt! Wie schon oben geschrieben: Normalerweise liest man beim Autor sehr charmante (Liebes)Geschichten, "Die Zigarette danach" ist jedoch eine 180Grad-Wendung. Eigentlich hätte dieses Buch auch ein Brite schreiben können, denn es ist schwarzhumorig, bitterböse und so richtig schön zynisch. Ach ja, ein paar Morde werden auch begangen. Erst zufällig, dann ...nun ja,...aus Gründen. Übrigens: Ich mochte das Buch sehr und hoffe, noch mehr in der Art von Antoine Laurain zu lesen.

 

"Als wir später an dem Abend zu Bett gingen, stellte Marie fest, dass ihre Schachtel leer war. Ich hatte alle geraucht. Wenn man für etwas Begabung hat, dann zeigt sich das sofort." - Zitat Seite 72

 

Fabrice heißt unser Raucher also. Fabrice erzählt uns sein Leben und nimmt sich dabei selber nicht so furchtbar ernst, was ihn sehr sympathisch macht. Aufgewachsen mit einem depressiven (und natürlich rauchenden) Vater, wird er mit 17 in den Ferien zu Verwandten in die Normandie geschickt und verfällt dort (durch Zufall weil ordentlich angetüddelt) den Zigaretten. Macht ja nichts, denn wir alle wissen ja, dass die Franzosen an sich begeisterte Qualmer sind. 

 

Fabrice glänzt nicht gerade durch hohe akademische Titel, arbeitet sich dennoch allein durch schnelle Auffassungsgabe und gesunden Menschenverstand an die Spitze des erfolgreichsten Headhunter-Unternehmens Paris. Mit einer Frau an seiner Seite, die eine gefragte Kuratorin ist (Zum Brüllen, was Fabrice von Kunst und Künstlern hält. Da steht dann anschließend auch schon mal "Zum Kotzen" im Gästebuch der Ausstellung. - Ehekrach vorprogrammiert.) und einer Teenie-Tochter, die gerade in der Ich-finde-alles-doof - Phase ist, könnte das Leben in relativ geregelten und vor allem in relativ (auch finanziell) gesicherten Bahnen ablaufen. Könnte. Denn eines Tages passiert Fabrices persönliches Armageddon...

 

"Der Mann, der ich fünfzehn Tage zuvor noch gewesen war, hatte eine tiefgreifende Verwandlung durchgemacht. In der Herpetologie hätte man gesagt, dass die Art mutiert und ihre natürliche Umgebung verändert worden sei. Diese Fakten führten zu einer grundlegenden Frage: Würde die Art überleben?" - Zitat Seite 102

 

In den Räumen seiner Firma, ja selbst in seinem Büro herrscht von einem Tag auf den anderen striktes Rauchverbot und die Nichtraucherfront achtet peinlich genau darauf, dass das neue Gesetz eingehalten wird. Plötzlich ist Rauchen kein Genuss mehr, sondern nur noch in Hast und unter ungemütlichen Umständen möglich. Ein willkommener Anlass für Fabrices Frau Sidonie, ihn zum Hypnotiseur zu schleifen, damit der Göttergatte endlich zum Nichtraucher wird.

 

Man mag es kaum glauben, aber die Hypnose funktioniert ab der ersten Sitzung. Fabrice raucht nicht mehr. Fabrice hat kein Verlangen mehr nach Zigaretten. Findet er selber komisch, aber gut...

 

Nee, nicht gut... denn mit der ersten Zigarette nach wochenlanger Abstinenz fangen die Probleme erst richtig an! Fabrice empfindet weder Vergnügen noch Befriedigung noch sonst irgendwas beim Rauchen. Nichts. Es ist, als ob er einfach nur atmen würde. Er spürt nichts mehr und das bestürzt ihn zutiefst.

 

Bis er eines Tages durch Zufall jemanden umbringt (die genauen Umstände erläutere ich hier nicht näher) und die Zigarette nach dem Mord genau das Gefühl in ihm wachruft, das er so lange vermisst hat. Dumm nur, dass dieses Hochgefühl gerade mal eine Zigarettenlänge anhält. Was bleibt Fabrice also anderes übrig, als weiter zu morden? Und es ist ja auch nicht so, dass er nicht den ein oder anderen geeigneten Kandidaten für dieses Vorhaben wüsste...

 

Ja, dieses Buch ist sehr sehr böse. Es ist zynisch und selbstironisch und von vorne bis hinten voll mit schwarzem Humor. Es ist nicht unbedingt ein Krimi, sondern vielmehr eine Gesellschaftsstudie, die uns - zugegebenermaßen ein wenig übertrieben - die "Probleme" des Überflusses, in dem wir leben, anzeigt. Es hat mich wunderbar unterhalten, denn der Autor schafft es zudem, dieses Mord-Thema mit geradezu poetischen Sätzen ein wenig auf die Schippe zu nehmen. Der Mörder wird hier zum Liebling der Leserschaft und auch die Nichtraucher unter uns (ich zum Beispiel) fiebern der nähsten Zigarette danach entgegen. Und eins ist mal sicher: Helmut und Loki hätten an diesem Buch ihre helle Freude gehabt! MEIN FAZIT lautet hier: 4 VON 5 STERNEN.


Cover des Buches Freak City / Hexenkessel (ISBN: 9783746779751)

Bewertung zu "Freak City / Hexenkessel" von Martin Krist

Freak City / Hexenkessel
Literaturchaosvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Authentisch, ehrlich, düster und beklemmend - kurz: einfach großartig!
Die andere Seite der Stadt...

Wohl kaum einer träumt nicht davon, einmal zum Big Apple zu reisen, zur Stadt, die niemals schläft, in jenes hippe und stylishe New York, das wir aus unzähligen Filmen und Serien kennen. Oder besser gesagt: Das wir zu kennen glauben.

 

Auch der Autor Martin Krist ist New York - Fan und hat die Stadt schon häufig besucht...und dabei mehr als einen Blick über den Tellerrand gewagt. Einen Blick auf die schäbigeren Ecken der Stadt zum Beispiel, die Ecken, in die sich keine Touristen mehr verirren, jene Subkultur in der es heißt "Friss oder stirb". Einen Blick in die dunkelsten Ecken der Metropole, in der Korruption, Gewalt und Machtmissbrauch an der Tagesordnung sind.

 

Ihr wollt nach New York reisen? - Dann kommt mit mir nach Freak City!


Mit Freak City hat der Autor sich seinen großen Wunsch erfüllt, eine Thriller-Reihe zu schreiben, die in New York angesiedelt ist. "Hexenkessel" ist der erste Teil, in dem es allerdings in keinster Weise so gemütlich zugeht wie auf meinem Rezensions-Foto. Ganz im Gegenteil: Vom ersten Satz an wird der Leser ins Geschehen geworfen und so schnell nicht mehr losgelassen.

 

In bester Martin Krist - Manier wechseln sich zwei verschiedene Handlungsstränge mit kurzen und knackigen Kapiteln ab und lassen jeweils zum Ende einen atemlosen Leser zurück, der immer mehr will, was sicherlich auch den Cliffhangern geschuldet ist, mit denen die Kapitel perfekt abgeschlossen sind. Bisweilen hatte ich bei der Lektüre von Hexenkessel das Gefühl, ich würde gar nicht lesen, sondern einen Actionfilm gucken, der gerade vor meinem inneren Auge ablief. Nägelknabbern, Herzrasen und Schockmomente inklusive...

 

Mit Pearl stellt uns der Autor einen Charakter vor, der komplett aus dem Rahmen fällt. Der hübsche Name, bei dem zumindest ich erstmal an ein pink gewandetes Chihuahua-Hündchen einer überkandidelten Teenie-Göre denken musste, täuscht komplett, denn Pearl ist groß, breit, vernarbt und äußerst introvertiert. Seine Vorfahren sind scheinbar Indianer, was sich in seinem Aussehen bemerkbar macht. Er ist kein Mann der vielen Worte, allerdings klug und bedacht und freundlich, wenn es sein muss. Sein Geld verdient er mit Schutzgelderpressungen, zu denen er die Aufträge bekommt, und als Privatdetektiv. Aber natürlich nicht offiziell. Offiziell ist hier nur der schöne Schein, der von reichen und vor allem einflußreichen New Yorkern gewahrt wird, die bis zum Hals in kriminellen Machenschaften stecken.


Ein psychopathischer Serienkiller, ein Einbrecher-Paar, das zur falschen Zeit am falschen Ort ist, ein paar Leichen, eine verschwundene Schauspielerin und Lug und Trug wohin man schaut. Mittendrin Pearl als der Lonesome Cowboy, der beobachtet aber nicht hinterfragt, der einfach nur ausführt, was man ihm aufträgt. Warum? ...fragt man sich unweigerlich und giert nach den kleinen Bröckchen aus Pearls Vergangenheit, die man vom Autor hingeworfen bekommt.

 

Ja, man nimmt Martin Krist diese düstere Seite von New York ab, denn sie wirkt authentisch und ungekünstelt. Beim Lesen der klaren und kurzen Sätze, die bisweilen stakkatoartig niederprasseln, kann man sich dieser Geschichte kaum entziehen und freut sich nach dem Ende des Buches, das in sich abgeschlossen ist, direkt auf den nächsten Teil.

 

 

MEIN FAZIT lautet hier: Ein großartiger Reihenauftakt! Authentisch, ehrlich und spannend bis in die Haarspitzen. Sorgt für Herzrasen und Schockmomente, daher gibt`s von mir 5/5 STERNEN


Cover des Buches Onkel Hassans wundersame Wiederauferstehung in einem alten Mercedes (ISBN: 9783764506292)

Bewertung zu "Onkel Hassans wundersame Wiederauferstehung in einem alten Mercedes" von Hajar Taddigs

Onkel Hassans wundersame Wiederauferstehung in einem alten Mercedes
Literaturchaosvor 5 Jahren
Kurzmeinung: Schreckliches Cover - kurzweiliger Inhalt
Schreckliches Cover - kurzweiliger Inhalt

"Wenn sie nicht sofort etwas zu essen bekäme, müsste sie verhungern, da war Selma sich sicher." - erster Satz

Nun ist es ja so, dass es schöne Cover gibt, dass es hässliche Cover gibt und dass es ganz besonders hässliche Cover gibt. Dieses hier gehört zur dritten Kategorie. Mehr noch: Für mich persönlich hat es jetzt schon den Preis für das schrecklichste Cover des Jahres 2018 inne. Ernsthaft, manchmal frage ich mich wirklich, was in den Köpfen derjenigen vorgeht, die sowas entscheiden? Im Handel hätte ich einen weiten Bogen um dieses Buch gemacht - und zwar einzig und allein aufgrund des Covers. Und hier zeige ich es Euch gar nicht erst, weil ich es nicht auf der Startseite meines Blogs sehen will. So. Klingt vielleicht etwas hart, ist aber meine persönliche Meinung.

 

Kommen wir zu etwas Erfreulicherem: dem Inhalt. Denn der ist - und da schwenkt meine persönliche Meinung dann flugs ins Gegenteil um - wirklich lesenswert. Wir lernen also: Man sollte ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen....aber okay, genug jetzt von selbigem.

 

Wir lernen im ersten Satz also Selma kennen, die kurz vorm Hungertod steht. Und das kommt so: 

 

Wir schreiben das Jahr 1984, es ist Sommer und Familie Özer möchte die Verwandtschaft in der Türkei besuchen. So weit, so gut. Nun muss man aber dazu wissen, dass die Özers in Westberlin wohnen, also somit eine sehr lange Reise und viele Grenzübergänge vor sich haben. Zu allem Übel gesellt sich auch noch Onkel Hassan zur Familie, beschließt, dass er mitfährt in die Türkei und lässt kein "Nein" gelten. Onkel Hassan, von dem keiner so genau weiß, ob er tatsächlich mit den Özers verwandt ist, ist nach eigenen Angaben der erste Türke in Berlin gewesen und sieht sich daher ganz selbstverständlich als Oberhaupt aller Berliner Türken. Steckt seine Nase überall hinein und ist definitiv der unbeliebteste Türke in ganz Berlin. 

 

Nicht nur, dass Onkel Hassan der Familie Özer sowieso schon das Leben schwer macht, muss er noch einen draufsetzen, indem er während der Reise stirbt. In der DDR. Für Beerdigungsformalitäten ist nun wirklich keine Zeit, da man rechtzeitig zu einer Hochzeit in der Türkei sein muss, außerdem gibt es ein viel größeres Problem: Man ist mit fünf Mann in die DDR eingereist, also muss man auch mit fünf Mann wieder ausreisen. 

 

Wie gut, dass die Özers in ihrer Verzweiflung auf Walter treffen, der seinerseits am Leben in der DDR und an seinem Job als Nachtwächter im größten Hühnermastbetrieb des Landes verzweifelt. Da ist die Lösung doch sehr nah, oder? Hassan wird verbuddelt und Walter wird zu Hassan.

 

"Als sie losfuhren, warf Walter noch einen Blick zurück auf die Hühnerfarm. Sie war für ihn eine perfekte Zusammenfassung der DDR. Willenlose Einwohner, eingesperrt in einem viel zu engen Hochsicherheitsgefängnis, das zum Himmel stank." - Zitat Seite 72

Nun geht der Spaß natürlich erst richtig los, denn an sämtlichen Grenzübergängen schwitzen alle Insassen des im Titel erwähnten alten Mercedes (abgekauft von Onkel Hassan....) Blut und Wasser und in der Türkei findet sich Walter in einer völlig anderen Welt wieder. 

 

Wer aber nun glaubt, dass in dieser Geschichte nur Witz und Klamauk enthalten ist, der irrt gewaltig! Natürlich geht es recht witzig zu und gerade die Personen der DDR, denen Walters spurloses Verschwinden nicht lange verborgen bleibt, werden als sehr "speziell" dargestellt. Trotzdem ist da noch so viel mehr in dieser Geschichte: Wissenswertes über das damalige Leben in und das Flüchten aus der DDR, über türkische Gastarbeiter in Deutschland und schlussendlich über türkische Bräuche und Sitten und über Essen. Viel Essen (nach der Lektüre musste ich erstmal dringend meinem türkischen Lieblingsrestaurant einen Besuch abstatten)!

 

Auch Familie Özer ist so ganz anders als es dem gängigen Klischee entspricht, mit einer resoluten und selbstbewussten Mutter, die die Hosen anhat und einem gemütlichen und schluffigen Vater, der nur nach außen hin den Schein wahrt, als hätte er das Sagen, der aber in Wirklichkeit viel zu faul ist, über die Familie zu gebieten. Mit zwei Teenagern, die sich in nichts von westlichen Teenagern unterscheiden - und nun auch noch mit Walter, Mitte 40, DDR-Flüchtling und irgendwie irgendwann fast Familienmitglied der Özers.

 

Die Herzlichkeit dieser Familie fällt dem Leser als erstes auf, ein perfektes Pendant zur Resignation Walters. Der Zusammenhalt und das "Irgendwie wird's schon gehen". Die Gastfreundlichkeit mit der Walter ganz selbstverständlich in der Türkei aufgenommen wird ...und die Dialoge, in denen immer wieder jede Menge Situationskomik zu finden ist, machen das Buch mit diesem ellenlangen Titel zu einer sehr kurzweiligen Lektüre und bekommen von mir 4/5 STERNEN.


Cover des Buches Bleib bei uns, denn der Abend kommt (ISBN: B01CK4146W)

Bewertung zu "Bleib bei uns, denn der Abend kommt" von Oliver Susami

Bleib bei uns, denn der Abend kommt
Literaturchaosvor 6 Jahren
Kurzmeinung: Spannung gepaart mit subtilem Horror. Großartig!
Die Abgründe einer Familiengeschichte

Oliver Susami ist ein Autor, den ich erst im Sommer 2018 für mich entdeckt habe. Ein Autor, der Familien- und Lebensgeschichten mit einem Hauch gruseliger Elemente bis hin zu purem Horror verbindet - Geschichten, die teilweise auf wahren Begebenheiten beruhen. Auch im Nachwort von "Bleib bei uns, denn der Abend kommt" erklärt er dem interessierten Leser, wer ihn zu diesem Buch inspiriert hat. 

 

Diese Geschichte beginnt für uns im Jahr 2015. Wir lernen den allein lebenden Journalisten Thomas Brenner kennen ... und zumindest ich mag ihn nicht. Gleicht er doch zu sehr dem Prototypen des allseits bekannten Ermittlers: Single (in diesem Fall geschieden und eine 16-jährige Tochter), mürrisch, aufbrausend, zu viel Alkohol konsumierend, kein nennenswertes Sozialleben, nicht gerade beliebt. Tausendmal schon ist mir dieser Typ Mann in Krimis und Thrillern als der einsame Polizisten-Wolf begegnet, dass ich zunächst ein genervtes "oh nee, nicht schon wieder" denke. Diesmal also ein Journalist, na gut....

 

Thomas` Tochter Jana entdeckt in einem Restaurant alte Fotografien an der Wand und macht ihren Vater darauf aufmerksam, sieht der Mann auf den Fotos doch aus wie er! Und genau diese Begebenheit bringt eine Lawine ins Rollen, treibt Thomas in die Abgründe seiner Familiengeschichte und darüber hinaus. Lässt ihn an sich und seinen Eltern zweifeln und verzweifeln. 

 

Der Mann auf den Fotos ist Thomas Vater Karl, zu dem er kein gutes Verhältnis hatte, vor dem er als kleiner Junge sogar Angst hatte, denn der Vater lebte regelrecht in einem religiösen Wahn und zwang den jungen Thomas zu Gebeten und Bibelstunden. Dass der Vater jedoch zeit seines Lebens in Angst lebte, in einer alles überschattenden Angst, die für Thomas nie greifbar wurde, ist auch nicht vergessen. Karl starb sechs Jahre zuvor und zwang Thomas noch auf dem Sterbebett das Versprechen ab, das alte Elternhaus, in dem die Familie schon lange nicht mehr wohnte, niemals zu verkaufen. Nun ja, zumindest einige Möbel verkaufte Thomas dennoch und darin waren Fotos versteckt - die nun im Restaurant als Deko an der Wand hängen.

 

Auch wenn Thomas nicht gerade liebevoll an den Vater zurückdenkt, will er doch sein Andenken ehren und kauft die Fotos - einen ganzen Stapel - zurück. Und sieht sie sich genauer an. Und stolpert geradewegs auf den Abgrund zu...

 

Auf vielen der Fotos ist in der Nähe des Vaters eine schemenhafte Gestalt zu sehen, ein Mann, den Thomas nicht kennt und der seinen journalistischen Spürsinn herausfordert. Handelt es sich hierbei um einen Geist oder wurden die Bilder manipuliert? Thomas beginnt zu recherchieren und bringt immer neue Fakten zusammen, die ihm eine Familiengeschichte offenbaren, die er besser verschlossen gehalten hätte.

 

Nach und nach beginnt der Leser zumindest etwas mit Thomas mitzufühlen und versteht, warum er so aufbrausend und jähzornig, teilweise ein seelisches Wrack kurz vor dem Zusammenbruch ist. Sympathisch wird er jedoch, wenn man liest, wie er mit seiner Tochter umgeht, wie sehr er sich um sie sorgt und bemüht, dabei jedoch nie Verbote ausspricht und immer dafür sorgt, ihr auf Augenhöhe zu begegnen. Andererseits ist die 16-jährige Jana schon sehr erwachsen für ihr Alter, macht sich Sorgen um den Vater und weist ihn auch schon mal zurecht, wenn er ein wenig über die Stränge geschlagen hat. Alles in allem haben die beiden eine sehr liebevolle und harmonische Beziehung, was Thomas nach und nach in ein besseres Licht rückt. 

 

In einigen gut platzierten Rückblenden lässt uns der Autor teilhaben an Thomas` Familiengeschichte, einer Geschichte, die im letzten Kriegsjahr ihren Anfang nahm und sich bis zu Karls Tod weiterzog. Deren ganzes unvorstellbares Ausmaß sich erst jetzt aufklärt.

 

Spannend und authentisch, mit seinem sehr angenehmen Schreibstil nimmt uns der Autor mit zu einer Familie, die in unserer Nachbarschaft leben könnte. Denn sind es nicht immer die nahe lebenden Menschen, bei denen man nichts Böses vermutet...…?

 

MEIN FAZIT lautet hier: Leichter Grusel in einer mitreißenden Geschichte, die auf 240 Seiten nicht einmal langweilig wird. 5/5 Sternen


Über mich

Buchbloggerin, -sammlerin und -süchtige, außerdem hundeverrückt, Camper-Seele, immer unterwegs, sobald sich die Möglichkeit dazu bietet und infolge dessen auch noch Reisebloggerin, Yoga-Fan und Wasserratte

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Krimis und Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Historische Romane, Biografien, Sachbücher, Literatur, Unterhaltung

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