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Little_Kunoichi

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Rezensionen und Bewertungen

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Cover des Buches Der Fuckepott: Teil 1 (ISBN: 9798832151090)

Bewertung zu "Der Fuckepott: Teil 1" von Bettina Barkhoven

Der Fuckepott: Teil 1
Little_Kunoichivor 2 Jahren
„Versunken in einer Mischung aus Egozentrik und Trauma“

Es kommt selten vor, dass mich allein der Titel eines Romans zum Lesen animiert. Ein wenig Lokalkolorit, Platz für Mehrdeutigkeit und etwas schnoddrig Raues habe ich in diesen Begriff, den ich vorher nicht kannte, hineininterpretiert. Und das trifft es irgendwie ziemlich gut. Ruhrpott, 90er, Punkrock-Szene. Dass der Titel darüber hinaus den heutigen Algorithmen einen gestreckten Mittelfinger zeigt, ist vermutlich nicht beabsichtigt, aber ein herrlicher Sidekick. Punk's not dead.

Bettina Barkhoven konfrontiert uns in diesem Setting mit einem sperrigen Protagonisten. Markos desaströses Selbstbild ist mitunter nur schwer zu ertragen. Er ist gefangen in einer Welt aus Scham und Selbstverachtung, die durch die gewählte Perspektive zur Welt der Lesenden wird. Eine Welt, die verstörend wirkt. Eine Welt, mit der man sich im Idealfall nicht identifizieren kann und möchte. 

Die Gewalt die Marko widerfahren ist wird nicht ausgeblendet, doch der Fokus liegt auf deren Folgen. Auf der Passivität, die sich daraus entwickelt hat und dem selbstzerstörerischen Verhalten. Die Gründe hierfür werden sehr genau analysiert. Persönlich hätte ich hätte die ein oder andere Erläuterung nicht so ausführlich benötigt, aber das ist sicherlich Geschmacksache, genau wie Markos romantische Ader. So ist es dann auch die Liebe, die ihm überhaupt erst die Kraft zur Entwicklung gibt. Eine Entwicklung, die uns auch sehr herzerwärmende und unbeschwerte Szenen schenkt - verpackt in wunderschönen Sprachbildern.

Als große Stärke dieses Debüts, empfinde ich die fast schon brutale Unmittelbarkeit der Perspektive. Der Tunnelblick und die damit einhergehende eingeschränkte Wahrnehmung haben meine Gefühle intensiviert. Es ist mutig von der Autorin, dem Innenleben ihres Protagonisten einen solchen Raum zu gewähren. Und es setzt Lesende voraus, die bereit sind eigene Empfindungen und Wertvorstellungen erst einmal hintenanzustellen und sich voll und ganz auf diese andere Perspektive einzulassen. Ich habe dieses „Einlassen“ als großen Gewinn empfunden.

Wer liest, um auch die weniger gefälligen Pfade zu erkunden, der sollte sich auf den Weg machen, wie auch Marko sich auf den Weg gemacht hat – auf den Weg zu sich selbst. Für ihn war und ist es keine einfache Reise. Doch während er anfänglich noch destruktiv und ziellos umherirrt, findet er „Schienen und Leitplanken“, die ihm den Weg weisen und die benötigte Stabilität bieten. Am Ende scheint er angekommen zu sein, doch ein Ende ist immer auch ein Anfang. 

Cover des Buches Marek - Ein Zuhause finden (ISBN: B0791LJGLN)

Bewertung zu "Marek - Ein Zuhause finden" von J. Walther

Marek - Ein Zuhause finden
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Weglaufen und Ankommen

In seinem Essay "Zuhause: Die Suche nach dem Ort, an dem wir leben wollen" zitiert Daniel Schreiber die amerikanische Lyrikerin Maya Angelou "Die schmerzhafte Sehnsucht nach einem Zuhause lebt in jedem von uns. Es ist die Suche nach dem Ort […], an dem wir nicht in Frage gestellt werden“.

Jana Walther erzählt eine erotisch explizite Geschichte, eine Liebesgeschichte, aber vor allem eine Geschichte über die Suche nach dem Ort, an dem wir nicht in Frage gestellt werden.

Wenn man in einer Welt lebt, in der bloßes Händehalten Mut und Überwindung erfordert, wenn das Elternhaus kein Ort der Identifikation und Zuflucht ist und das Gefühl nicht dazuzugehören fester Bestandteil der eigenen Identität ist, dann sehnt man sich nach einem Ort der Geborgenheit, einem Ort an dem man ankommen und Wurzeln schlagen kann.

Mareks Leben ist das Instandsetzen alter Häuser. Unabhängig und frei zieht er von Ort zu Ort. Er hat es sich in seinem Nomadentum gut eingerichtet und doch spürt man die Leere, die dieses Aufbrechen und nie Ankommen mit sich bringt. Eine Leere die von den verlassenen Häusern widergespiegelt wird. Es ist immer wieder grandios, wie es der Autorin gelingt, die Emotionen ihrer Protagonisten ganz subtil in Gegenstandsbeschreibungen einfließen zu lassen, ohne das es aufgesetzt wirkt. Innere Zustände werden visualisiert und das mit einer Natürlichkeit und Authentizität die mich staunen lässt.

Jana Walther erzählt sprachlich reduziert und feinfühlig von dem Moment in einer zwischenmenschlichen Beziehung, in dem es wirklich ernst wird. Einem Zeitpunkt an dem man offen gehaltene Türen schließen muss, oder weglaufen – nicht vor dem Gegenüber, vor dem Selbst und den eigenen Gefühlen. Sie zeigt uns, dass es nicht immer einfach ist Liebe anzunehmen, sich diesem Gefühl zu stellen. Eigene, diffuse Ängste hintenanzustellen kostet Kraft, auch körperlich. Und dennoch kommt diese Geschichte so leicht daher, so direkt und voller Intensität.

Wunderbar!


Cover des Buches Liebes Leben (ISBN: 9783100488329)

Bewertung zu "Liebes Leben" von Alice Munro

Liebes Leben
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Cover des Buches Der Club (ISBN: 9783036957531)

Bewertung zu "Der Club" von Takis Würger

Der Club
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Cover des Buches Vom Ende der Einsamkeit (ISBN: 9783257069587)

Bewertung zu "Vom Ende der Einsamkeit" von Benedict Wells

Vom Ende der Einsamkeit
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Cover des Buches Herrlichkeit (ISBN: 9783832163686)

Bewertung zu "Herrlichkeit" von Margaret Mazzantini

Herrlichkeit
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Herzschmerz in Perfektion!

"Alle Liebesbeziehungen entstehen aus einem Mangel, wir geben uns jemanden hin, der es versteht, sich in diesem freien, schmerzlichen Raum einzurichten und daraus zu machen, was er will, der uns Gutes tut oder uns zerstört."

Margaret Mazzantinis Roman handelt von einer außergewöhnlichen, fast schon obsessiven Liebe. Voller Pathos erzählt sie von der Kraft, die dieser innewohnt, verschweigt dabei aber nicht, dass diese Kraft auch destruktive Elemente beinhaltet. Und genau diese differenzierte Sichtweise macht "Herrlichkeit" zu einem sehr besonderen Lesegenuss.

Ich muss gestehen, Mazzantinis "Herrlichkeit" hat sich mir erst langsam erschlossen. Die blumige Süße ihrer Metaphern hat mich anfänglich irritiert. Doch die Geschichte um Guido und Costantino entfaltet einen ungeheuren Sog. Eindrücklich und beklemmend erzählt sie von dieser tiefen Verbindung, die so lebensbestimmend ist.

„Zwei Schritte vom Paradies entfernt – und einen von der Hölle“

Die rar gesäten, fragilen Momente der Herrlichkeit erschaffen zauberschöne Szenen. Es sind emotionale Eruptionen, welche für einen kurzen Augenblick die Schwere der Unmöglichkeit durchbrechen. Guido und Costantino bewegen sich in einem Spannungsfeld aus innerer Nähe und selbst erzwungener Distanz. Die Angst zu sich selbst zu stehen, ist groß. Sie kämpfen mit den Dämonen der Vergangenheit und dem Korsett der Konventionen.

Margaret Mazzantini macht uns schmerzhaft bewusst, wie sehr das Leben von äußern Faktoren abhängig ist. Sie inszeniert – mit bemerkenswerter Sensibilität – ein opulentes Drama. Eine Liebe die im Verborgenen wurzelt. Ein romantisches Ideal das sich auch von Schweigen und Projektionen nährt. Wie zerstörerisch dieses Schweigen jedoch sein kann, offenbart sie uns am Ende ihrer wundervoll anrührenden Geschichte.

"Der Mut erwägt immer eine Ungehörigkeit, einen Fehler, der auf dich einstürzt und dich zu einer neuen Wahrheit führt."


Cover des Buches Zuhause (ISBN: 9783446254749)

Bewertung zu "Zuhause" von Daniel Schreiber

Zuhause
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Cover des Buches Sieben Nächte (ISBN: 9783351050412)

Bewertung zu "Sieben Nächte" von Simon Strauß

Sieben Nächte
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Cover des Buches Nach der Flucht (ISBN: 9783103972962)

Bewertung zu "Nach der Flucht" von Ilija Trojanow

Nach der Flucht
Little_Kunoichivor 6 Jahren
Cover des Buches Im Herzen der Gewalt (ISBN: 9783103972429)

Bewertung zu "Im Herzen der Gewalt" von Édouard Louis

Im Herzen der Gewalt
Little_Kunoichivor 6 Jahren

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