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MIRA

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Cover des Buches Sag nicht, dass du Angst hast (ISBN: 9783813506518)

Bewertung zu "Sag nicht, dass du Angst hast" von Giuseppe Catozzella

Sag nicht, dass du Angst hast
MIRAvor 10 Jahren
Kurzmeinung: Samias Geschichte hat das geschafft, was die wenigsten vermögen: Sie arbeitet in mir nach, lässt mich nicht los: Ein außerordentliches Buch!
Ein Geschichte, die erzählt werden musste: Catozzella gibt Samia eine Stimme

Wie muss es sich angefühlt haben, eine Geschichte aufzuschreiben, Wort für Wort, Zeile für Zeile, die so voller Hoffnung ist? Eine Geschichte, deren trauriges und unveränderliches Ende dennoch von Beginn an feststand.

Wie wird es sich anfühlen, die Geschichte des hoffnungsvollen Mädchens zu lesen? Mit dem Wissen, dass ihre Hoffnung dazu verurteilt ist, zu sterben.

Wie muss sich für das hoffnungsvolle Mädchen wohl genau dieser Moment angefühlt haben? Die Sekunde, in der ihr bewusst wurde, dass alles umsonst gewesen ist. Als ihre Hoffnung auf ein besseres Leben schwand. Als sie langsam unterging. Und nichts zurückblieb. Nicht einmal sie selbst.

Die Geschichte “Sag nicht, dass du Angst hast”, von Giuseppe Catozzella führt unweigerlich dazu, dass sich der Leser Fragen stellt. Nicht nur jene, die ich gerade genannt habe. Noch viele weitere. Und das ist nicht verwunderlich.

Aus Sicht vieler Bewohner der “Feste Europas”, jenes sicheren, so verheißungsvollen Fleckchen Erde, sind die Dramen, die sich vor ihren Mauern abspielen, ein großes Fragezeichen. Zwar hören wir in den Nachrichten von den vielen Glücklosen, die im Mittelmeer ihr Ende finden, kurz vor dem vermeintlich sicheren Hafen. Aber was wissen wir wirklich über diese Menschen? Was wissen wir über den Hintergrund ihrer Flucht? Was wissen wir über die Situation in ihren Heimatländern? Was wissen wir über ihre Ängste, ihr Strapazen, ihre Hoffnungen? Was wissen wir darüber, was sie alles riskiert haben für die Aussicht auf ein besseren Leben? Die Antwort ist kurz: Wenn überhaupt, wissen wir wenig, so gut wie nichts.

Und genau das will Guiseppe Catozzella mit seinem Roman “Sag nicht, dass du Angst hast” ändern. Das Außerordentliche an dem Buch besteht darin, dass er die Flüchtlingsthematik nicht in einer Dokumentation aufarbeitet, die Fakten an Fakten reiht, sondern als Darstellungsform einen Roman gewählt hat: Einen Roman, erzählt aus der Ich-Perspektive. Damit schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe. Catozzella gibt den Lesern die Möglichkeit, sich mit der Geschichte zu identifizieren, sie nachzuempfinden. Er durchbricht die sichere Distanz, die Dokumentationen anhaftet und verzichtet auf den “gehobenen Zeigerfinger”, der sich in mach Sozialreportage zu nachdrücklich auf die Leser richtet. Und noch wichtiger: Mithilfe des Romans gibt Catozzella seiner Protagonistin Samia und allen anderen namenlosen Flüchtlingen ein Gesicht und eine Stimme.

In “Sag nicht, dass du Angst hast” erzählt der italienische Journalist die Lebensgeschichte der jungen Somalierin Samia, die Zeit ihres Lebens gekämpft hat: Nämlich dafür, ihrer Bestimmung zu folgen und zu laufen. Als Samia 2008 bei den Olympischen Spielen angetreten ist, ging ihr Gesicht um die Welt. Denn was hätte sich besser geeignet, um die westlichen Gemüter anzurühren, als das Märchen von der kleinen Läuferin aus dem Krisenland, dünn wir ein Ast, die die Herzen im Sturm eroberte, als sie als letzte ins Ziel gelaufen kam. Samia hatte schon damals keine Chance zu gewinnen. Wie sollte sie auch – ohne professionelles Training, ohne Muskelmasse, ohne vernünftige Ernährung, ohne Perspektive. Und auch später, als es nicht nur um den Sieg bei einem Sportwettbewerb, sondern um ein besseres Leben ging, war sie so gut wie chancenlos. Dennoch wollte sie ihr Schicksal nicht hinnehmen. Die “kleine Kriegerin” hat den weiten Weg auf sich genommen, um ihren Traum zu verwirklichen: Sie wollte laufen, sie wollte leben, frei von Zwängen, und hat letztlich dafür ihr Leben gegeben.

Eingangs habe ich gefragt, wie es sich wohl anfühlen würde, über sie zu lesen. Über das hoffnungsvolle Mädchen, dessen Träume am Schluss mit ihr selbst untergingen.

Insgesamt, so weiß ich heute, Tage nach Ende der Lektüre, war es seltsam bereichernd. Denn Samias Geschichte hat das geschafft, was die wenigsten vermögen: Sie arbeitet in mir nach, lässt mich nicht los. Ich erzähle viel über dieses Buch, denke immer wieder daran. Bin froh über die neue Perspektive, die ich gewonnen habe: Einen Blick auf das mir so fremde Somalia und dessen Menschen. Einen Blick auf deren Alltag, die ausgelassenen und fröhlichen Stunden, die immer weniger wurden. Einen Blick auf das so tapfere, Mädchen, das wahrlich den Beinamen “kleine Kriegerin” verdient. Natürlich war die Lektüre auch traurig und aufwühlend. Vor allem das letzte Drittel des Romans, die monatelange Flucht, von einem Ort zum nächsten. Das ständige Warten. Die Enge. Die Verzweiflung. Das Schwinden der Hoffnung. Der Teil, in dem Samia sich nicht mehr als Mensch fühlte. In dem sie ihre Würde, ihre Rechte verlor, der Willkür der Schlepper völlig ausgeliefert war. Doch es war wichtig, auch diesen dunklen Teil gelesen zu haben, der dem Autor eine schriftstellerische Höchstleistung abverlangte. Denn er gibt Einblick in eine Realität, vor der wir die Augen nicht verschließen sollten.

Ich bin froh, dass Guiseppe Catozzella sich dafür entschieden hat die Geschichte von Samia Yusuf Omar zu recherchieren, auch wenn die Arbeit an diesem Roman sicherlich nicht einfach war. Sie hat sich mehr als gelohnt. Schon 2008 bei den Olympischen Spielen konnte das dünne, somalische Mädchen, das kein Mitleid wollte, die Menschen vor ihren Fernsehgeräten bezaubern. Und das tut sie wieder – in diesem Buch. Ihr kurzer Ausflug ins Blitzlichtgewitter konnte ihr Schicksal nicht ändern. Aber zumindest lenkt es – hier festgehalten – die Aufmerksamkeit auf jene Namenlosen, die noch immer Tag für Tag vor Europa stranden.

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Cover des Buches Der Kuss des Wandlers (ISBN: B00K76JJU4)

Bewertung zu "Der Kuss des Wandlers" von Lena Klassen

Der Kuss des Wandlers
MIRAvor 10 Jahren
Kurzmeinung: Ein Wohlfühlbuch - Romantik, Spannung und ganz viel Magie
Ein Wohlfühlbuch - Romantik, Spannung und ganz viel Magie

Herzensprojekt - so hat Lena Klassen ihre neue Reihe "Die Wandler" auf ihrem Blog bezeichnet - und damit meine Neugier geweckt. Wie könnte man auch nicht hellhörig werden, wenn eine durchaus produktive Schriftstellerin davon spricht, dass ihr ein Werk besonders am Herzen liegt.

Was macht es aus, dieses Herzensprojekt, habe ich mich gefragt und nicht lange gefackelt. Gespannt und mit nicht geringer Erwartung habe mich auf einen Streifzug durch "Der Kuss des Wandlers" gemacht, den Auftaktroman der neuen vierbändigen Wandlerreihe. Meine volle Aufmerksamkeit war dem Buch gewiss. Denn ich wollte ihn spüren, den Puls der Geschichte.

Bevor ich zu den Einzelheiten meiner Spurensuche komme, sei eines vorweggenommen:"Der Kuss des Wandlers" ist ein Wohlfühlbuch. Wohlfühlbuch deshalb, weil Lena Klassen auf genau die richtigen Zutaten gesetzt hat: Magie, Romantik und Spannung sind es, die zu gleichen Teilen den Roman ausmachen und wohldosiert genau an den richtigen Stellen ihre Wirkung entfalten.

Müsste man den Roman jedoch inhaltlich auf den Punkt bringen, dann kommt man nicht um den Begriff "Verwandlung" herum. Denn allem voran ist die Geschichte um die junge Geigerin Kiara, die sich in ihren Erzfeid verliebt, die Geschichte einer Wandlung. Wandlung nicht nur deshalb, weil Kiara Kraft ihrer Geburt das Potenzial hat, in eine andere Gestalt zu schlüpfen - wie der Leser schon nach wenigen Seiten erfährt. Sondern weil sie sich im Laufe des Romans von der ewig durchschnittlichen grauen Maus "sprichwörtlich" in einen Schmetterling verwandelt.

Doch dieser Weg ist steinig. Kiara wird zum Spielball in einem erbitterten Kampf, bei dem es um Leben um Tod geht und die Grenzen verwischen. Wer ist Freund? Wer ist Feind? Wem kann sie trauen? Und welche Augen sind es, die von Liebe erzählen? Ist es das strahlende lichte Blau, für das Kiaras Herz schlägt? Oder doch das nachtschwarze Dunkel, in dem sie sich zu verlieren scheint? Auf der Suche nach dem König des Feindesclans findet die 16-jährige nicht nur Abgründe und Hass, Zweifel und Gewissheit, sondern auch sich selbst.

Soviel zum Inhalt, von dem ich nicht mehr verraten werde. Doch wo pocht er nun, der Puls der Geschichte. Was macht die Kraft des Romans aus?

Ist es die eigentümliche Magie, die im Akt der Verwandlung selbst liegt? Denn was könnte schöner sein, als Kiara und all die anderen jungen Wandler dabei zu beobachten, wie sich die Grenzen ihrer Körpers auflösen, aufgehen in einem Sein, das jeher in ihnen geschlummert hat. Zuzuhören, wie sie einem stillen Ruf folgen, wie sie lernen, dem Takt ihres Herzens zu lauschen? Zuzusehen, wie Kinderträume wahr werden und Kiara abhebt und die Lüfte erobert?

Oder ist es das Grauen, das immer wieder wie Spinnenbeine über die nackte Haut huscht, wenn offenbar wird, welch menschliche Abgründe sich auftun können - in Freunden, in Vertrauten, in ganz gewöhnlichen Jugendlichen. Wenn deutlich wird, dass Moral und Unrechtsbewusstsein mit einem Fingerschnippen ihre Bedeutung verlieren, wenn der Wille zur Macht sich wie eine Krankheit ausbreitet und mehr wiegt, als ein Menschenleben. Wenn ein reiner Verdacht reicht, um aus dem Fenster geworfen zu werden ...

Vielleicht ist es weder Magie noch Grauen, sondern die wunderbare Kulisse, vor der sich Kiaras Geschichte abspielt. Vielleicht ist es das faszinierende Prag, das Lena Klassen vor den Augen der Leser auferstehen lässt. Das Pulsieren der Metropole im Osten Europas. Denn wie bei den glühenden Streifzüge durch Budapest in Klassens Roman "Magyria", hört man auch in Prag an jeder Ecke das Wispern der Geschichte, das Echo der Jahrhunderte, das Flüstern einer jungen Liebe ...

Ob andere sich bei der Lektüre von "Der Kuss des Wandlers" genauso wohl fühlen wie ich, ist nicht gewiss und lässt sich nicht abschließend beantworten. Genauso wie jeder den Puls einer Geschichte an einer anderen Stelle fühlt.

Für mich hat er zu schlagen begonnen, als ich Kafka in der Geschichte gespürt habe, einen Autor der mich seit jeher fasziniert. Und als mir klar wurde, dass in der Selbstaufgabe und Selbstentfremdung Gregor Samsas der Schlüssel des Romans liegt. Die Frage ist nur, was hier zu erst da war. Die Idee, auf Kafkas Werk "Die Verwandlung" einen Fantasie-Roman aufzubauen. Oder die Idee von den Wandlern selbst.

Kafka hat es Zeit seines Lebens nicht geschafft aus seiner Haut zu schlüpfen und sich zu befreien. Genauso wie sein verwandelter Protagonist Gregor Samsa. Hier verlässt Klassen den vorgezeichneten Weg. Sie lässt ihren Protagonisten nicht untergehen. Gottse

Cover des Buches Seelenkuss (ISBN: 9783641129699)

Bewertung zu "Seelenkuss" von Lynn Raven

Seelenkuss
MIRAvor 10 Jahren
Lynn Raven ist wieder da: High-Fantasy vom Feinsten

Atemlos bin ich angekommen am Ende dieses Buches, muss mich zwingen durchzuatmen, mich zu beruhigen und zu entspannen nach diesem rasenden Ritt durch die nebelverhangenen, dunklen und gleichzeitig so leuchtenden und lebendigen Welten, die Lynn Raven mit Buchstaben geschaffen hat.

Ich bin mit großen Erwartungen an diesen Roman herangegangen, hatte ihn vorbestellt und habe noch am gleichen Abend, nachdem er auf meinen Kindle übertragen war, angefangen zu lesen. Schon allzu lange habe ich auf einen neuen High-Fantasy-Roman aus der Feder Lynn Ravens gewartet, waren für mich ihre Urban-Fantasy Romane wie "Die Blautbraut" eher ein unbefriedigendes Zwischenspiel. Und nun, nach nur wenigen glühenden Lesestunden, in denen ich die Seiten regelrecht verschlungen habe, weiß ich eins - dies ist endlich wieder ein Stoff, mit dem Lynn Raven dem gerecht wird, was sie vor Jahren in "Der Kuss des Kjer" geschaffen hat, dies ist High-Fantasy vom Feinsten.

Dennoch kann man "Der Kuss des Kjer" und "Seelenkuss" nicht wirklich vergleichen. Ersterer war in meinen Augen vor allem eine abenteuerliche Fantasy-Liebesgeschichte, das ist ist Lynn Ravens Neuerscheinung nicht.

In "Seelenkuss" hat die Autorin eine unvergleichliche, komplexe und bis ins letzte Detail ausgearbeitet Fantasy-Welt erschaffen, die mich immer wieder an den Kosmos von "Herr der Ringe" denken ließ. Hier unternimmt der Leser nicht nur einen lockere, vergnügliche Tagesreise, in die man sich ganz nach Belieben wieder ein- und ausklinken kann - nein. Dieser Roman verlangt einem die volle Aufmerksamkeit ab, belohnt dafür mit einem absolut ausgefeilten Fantasy-Universum: Da sind nicht nur die verschiedensten Völker, die detailverliebt beschrieben werden - die Jarhaal, die Korun, die Reiter-Krieger der Isarden, um nur einige wenige zu nennen - da sind Zauberer, Hexen, Seelenklingen, Nekromanten, stürmische Meere, tränende Wälder, zerklüftete Riffe, geschäftige Städte. Die Autorin hat ihren Roman mit einer Kreation an Tieren und Pflanzen belebt - die Cay Adesh mit ihrem Federschweif, die Sonnenfische, die Sisraweiden und Cinjantannen und und und, und hat mit ihren Neologismen, Legenden und Mythen ein ganz eigenes Leben geschaffen.

Vor allem aber sind da die Protagonisten, der namenlose Jarhaal, mit den Edelsteintätowierungen und den silbernen Dämonenaugen, und Darejan, die Königstochter der Korun, die sich auf einen Gewaltmarsch begeben, auf eine Flucht vor dem Bösen, den Legionen der Seelenlosen, auf der der Leser das Grauen kennenlernt. Ich höre noch immer die Stimmen der Verfolger, das Kläffen der Hunde, das Rascheln des Schilfgrases. Spüre die Dornenfesseln an meinen Händen, die ewig klammen und nassen Füße und vor allem immer wieder die Furcht, "die auf unzähligen dünnen Beinen durch die Adern stakst". Darejan und der "Verrückte", so nennt sie ihren Begleiter, der an seinem Gedächtnisverlust zu verzweifeln droht, kämpfen Seite um Seite gegen einen mächtigen Zauberer und das pure Grauen, gegen Söldner und gegen das Vergessen, gegen Feinde im Diesseits und Gefahren im Jenseits und vor allem auch gegeneinander.

Denn Zweifel, Misstrauen und Hass gegenüber Darejan, gar der Verdacht des Mordes ist es, der die wenigen Erinnerungssplitter des gefolterten und tief verzweifelten Jarhaal beherrschen. Können sie es trotzdem gemeinsam schaffen, dem Schmerz und dem Horror zu trotzen und zusammen den Untergang ihrer Welt verhindern?

Aber wo ist die Liebe geblieben in dieser Rezension? - Das könnte man sich an dieser Stelle zurecht fragen. Nun, die Liebe ist in Lynn Ravens "Seelenkuss" wie Darejans Magie, also "wie ein schwaches Glitzern in der Tiefe des Brunnens". Manchmal taucht sie kurz auf unter der Decke der Kälte, der Verzweiflung, des Schluchzens und des Schmerzes. Doch sie ist schwach und gewinnt nur langsam an Kraft. Und meiner Meinung nach bleibt sie auch am Ende ein Kompromiss. Dennoch - auch wenn sie kraftlos und flackernd ist und nur selten aufscheint, hält man über Kapitel hinweg an ihr fest - ist doch der kleinste Funke Gefühl im ewigen Dunkel wie ein Leuchtfeuer.

Dies sollte diejenigen, die sich nach mehr Romantik sehen, aber nicht davon abhalten, die atemberaubend spannende Geschichte um Darejan und den Jahaal zu lesen. Für Liebhaber der High-Fantasy ist sie ein Muss.

Cover des Buches Ein Schmetterling im November (ISBN: 9783458175810)

Bewertung zu "Ein Schmetterling im November" von Auður Ava Ólafsdóttir

Ein Schmetterling im November
MIRAvor 10 Jahren
Kurzmeinung: Belanglos und exzentrisch. Wo nur bleibt in diesem Roman Island?
In diesem Roman ist Island reiner Statist

Island - für mich ein Synonym für kristallklares Wasser, tiefschwarze Lavafelder, sattgrüne Wiesen, schneeweiße Gletscher. Island steht für ungezähmten Wind entlang der Küsten, für brodelnde Quellen, für Feuer und Eis, für reinste Luft, die man mit jedem Atemzug in seine Lungen saugt. So habe ich Island erlebt auf meiner Reise rund um die Insel am Polarkreis - und ähnlich Mitreißendes habe ich von "Ein Schmetterling im November" erwartet, ein Buch - so der Klappentext - das erzählt "von einer Reise durch das winterliche Island und von einer herzerwärmenden Freundschaft zwischen einem Jungen und einer abenteuerlichen Frau".

Voller Erwartung und Elan habe ich begonnen Adur Ava Olafsdottirs Roman zu lesen. Nach wenigen Seiten stellte sich Irritation ein, nach mehreren Kapiteln schlichtweg Enttäuschung. Mittlerweile habe ich es - ehrlicherweise mit großer Überwindung - geschafft, mich bis ans Ende "duchzuarbeiten".

"Schmetterlinge im November" und ich wurden keine Freunde. Dies liegt nicht daran, dass Audur Ava Olafsdottir nicht schreiben kann. Nein, die Autorin hat eine sehr unkonventionelle, erfrischende Art zu erzählen. Mit ihrem scharfen Beobachterauge nimmt sie ihre Figuren in den Blick, zieht sie aus bis auf ihr Innerstes, entlarvt sie - dies alles jedoch in einem Plauderton ganz nebenbei, beim Kochen, beim Sex, beim Telefonieren, bei der Arbeit. Dabei entstehen höchst Skurriles, wenn man als Leser die Welt aus Sicht von Olafsdottirs "merkwürdiger" Protagonistin erlebt: Man begleitet die 33jährige, die es als "unglaublich sinnvoll" erachtet, kein Kind zu haben, als sie einen Vierjährigen in ihre Obhut nimmt. Man begleitet eine "frisch befreite Frau" bei ihrem "Augenblicksglück", bei ihrer Partnersuche, beim Autofahren, beim Sich-selbst-Finden ... und fragt sich am Ende, worum es in diesem Roman eigentlich geht, so viel Belangloses und Skurriles reiht sich aneinander. Das Gefühl, Kapitel auslassen zu können, da hier Szenisches lose aufeinander folgt, lässt bis zum Ende nicht nach.

"Schmetterlinge im November" ist ein höchst subjektives und belangloses Buch. Im Mittelpunkt steht die Selbstfindung einer egozentrischen Mittdreißigerin. Island kommt in diesem Roman eine reine Statistenrolle zu. Wer Island liebt und erwartet, bei der Lektüre die Insel am Polarkreis erspüren, eratmen und erfühlen zu können, der wird wie ich den Roman enttäuscht schließen. Wer Lust an den skurrilen und bisweilen auch ausgefallenen "Abenteuern" einer Frau in den besten Jahren hat, der kann wohlmöglich auch an diesem Buch seinen Gefallen finden.

Übrigens: In Island hat schon fast jeder zweite Einwohner ein Buch veröffentlicht. Dass sich in Anbetracht dieser Fülle an Schreiberlingen die Geister scheiden - das verwundert nicht.


Cover des Buches Fürchte nicht das tiefe blaue Meer (ISBN: 9783570308844)

Bewertung zu "Fürchte nicht das tiefe blaue Meer" von April Genevieve Tucholke

Fürchte nicht das tiefe blaue Meer
MIRAvor 10 Jahren
Cover des Buches Die wundersame Geschichte der Faye Archer (ISBN: 9783453529922)

Bewertung zu "Die wundersame Geschichte der Faye Archer" von Christoph Marzi

Die wundersame Geschichte der Faye Archer
MIRAvor 11 Jahren
Wenn Bücher eine Seele haben

“Bücher haben eine Seele”, heißt es in Christoph Marzis Roman “Die wundersame Geschichte der Faye Archer”. Und keiner müsse sie suchen. “Die Seele des Buches findet den Leser selbst.” Schöne Worte in einem schönen Buch, könnte man denken. Aber seltsamer Weise wurden sie wahr. “Die wundersame Geschichte der Faye Archer” hat mich auf wundersame Weise gefunden: Denn eigentlich kehre ich Büchern aus Papier den Rücken zu; stattdessen lese ich Geschichten “aus Bits und Bytes”, die laut Faye Archer gar keine richtigen Bücher sind. Das sollte sich eigentlich auch so schnell nicht ändern – hat es aber dennoch.

Es passierte zufällig in einer Buchhandlung, in nur wenigen Warteminuten. Ich hab meine Blick schweifen lassen, ein buntes Cover hat meine Augen gestreichelt und schon waren alle gute Vorsätze, nicht noch weitere Bücher in meiner Wohnung anzuhäufen, passé. Faye Archer hat mir ihre Seelenverwandtschaft angetragen und ich habe sie beglückt angenommen.

Und dieses Glücksgefühl hielt bei der Lektüre des 384-Seiten dicken Buches an.
“Warum genau? Fang endlich an zu rezensieren!”, drängeln die weniger geduldigen Leser bestimmt schon. Nun, ich versuche so nachvollziehbar wie möglich zu begründen, warum Sie dieses Buch unbedingt lesen sollten, habe aber die Befürchtung, dass es mit Worten nicht immer gelingen kann, alle Facetten, Farben und Formen einer Geschichte einzufangen.

Dennoch: Die Handlung, wie ich als Vielleserin schon so oft erlebt habe, ist es nicht, die “Die wundersame Geschichte der Faye Archer” zu einem abenteuerlichen Leseerlebnis macht: Faye Archer verliebt sich in eine Satz bzw. eine Stimme. Manche Geschichten sind wie Melodien, sagt Alex Hobdon, und um Faye ist es geschehen. Sie muss ihn unbedingt kennenlernen und wagt es, ihn per Facebook zu kontaktieren. Daraus entsteht eine leidenschaftliche “Brieffreundschaft”, die Faye darauf hoffen lässt, den Richtigen gefunden zu haben. Nur blöd, dass sich Alex Mails nach und nach als Lügen herausstellen… und Faye trotzdem nicht von ihm lassen kann.

Warum ich nicht von der Geschichte lassen konnte, liegt wie gesagt nicht am Plot, sondern an Faye selbst und Alex und Mica und all den anderen. An Figuren einer Geschichte, die dir so nah und authentisch erscheinen, als würden sie nebenan wohnen. An einer Protagonistin, die nicht perfekt ist, aber dafür wunderbar, die “nicht so hübsch ist, dass sich die Männer auf der Straße reihenweise nach ihr umdrehen, aber auch nicht so unscheinbar, dass sie gar keinen Eindruck hinterlässt”. An Faye, die sich rot fühlt mit weißen Punkten, wenn sie glücklich ist, und tatsächlich überlegte, ob sie “mit den Staubkörnen, die träge im Licht schwebten, tanzen sollte”.

Kurzum, lieber Leser, es geht um die Melodie zwischen den Zeilen, um das Unausgesprochene, um Emotionen jenseits der Buchstaben, um die Seele eines Buches!

Aus diesem Grund wohl hat der Autor die Geschichte um Faye und Alex meilenweit entfernt von jeglicher Vernunft gipfeln lassen. Aber das ist nicht wichtig. Denn, um es mit den Worten von Christoph Marzi zu sagen: “Es gibt Momente, die so unwirklich sind, dass man sie nicht begreifen kann, nicht mit dem Verstand, sehr wohl aber mit dem Herzen. ” Die wundersame Geschichte der Faye Archer ist so ein Buch, dass man nur mit dem Herzen begreifen kann. Man muss sie nicht verstehen, um zu ihrer Melodie tanzen zu können! “Nein, man musste sie nur hören.” – weiß Faye am Ende.

Cover des Buches Im Land des Feuervogels (ISBN: 9783492302852)

Bewertung zu "Im Land des Feuervogels" von Susanna Kearsley

Im Land des Feuervogels
MIRAvor 11 Jahren
Märchenhaft

Die Welt der Märchen haben mich seit jeher fasziniert. Waren es in Kindertagen noch die gesammelten Hausmärchen der Brüder Grimm, die mich immer wieder von neuem bezaubern konnten, waren es später oftmals phantastische Romane. Oder Geschichten, die die Grundidee eines Märchen aufnehmen, jedoch für die Ohren von Erwachsenen erzählt werden.

"Im Land des Feuervogels" von Susanne Kearsley ist genau so ein Buch. Die Autorin hat rund um das Motiv des Feuervogel, das aus dem russischen Volksglauben stammt, nicht nur eine, nein, sogar zwei Geschichten gesponnen:  Eine Rahmenhandlung in der Gegenwart, in der ein geschnitzter Feuervogel, der zufällig in die Hände der jungen Galeristin Nicola Marter gerät, zum Ausgangspunkt einer Abenteuerreise wird. Auf dieser Reise verschwimmen Zeit und Raum jedoch allmählich, und der Leser taucht ein in eine andere, Jahrhunderte alte Geschichte, mit dem Unterschied, dass der Feuervogel in der Vergangenheit nicht Ausgangspunkt der Abenteurereise, sondern das Ziel ist. Und wie es in märchenhaften Geschichten wohl sein muss, hat Susanne Kearsley nicht nur zwei Handlungsebenen geflochten, sondern eine Sinnebene dahinter gestellt, die wiederum der Logik der Feuervogel-Märchen entspricht:

"Der Feuervogel verliert eine Feder. Und wenn man dumm genug ist, sie aufzuheben und den Vogel zu jagen, kriegt man richtig Probleme. [...]  Und erlebt viele Abenteuer. [...] Aber was man am Ende bekommt, ist eigentlich nicht das, was man gesucht hat."

Was Nicola Marter am Ende bekommt, ist wahrlich nicht, was sie gesucht hat, sondern noch viel mehr. Die Suche nach dem Feuervogel in der Zeit Zarin Katharinas bringt die Protagonistin dazu, sich ihrer selbst zu stellen, ihrem wahren Wesen und einer Gabe, mit der sie nicht umzugehen weiß und die sie vor sich selbst versteckt.

"Im Land des Feuervogels" ist sowohl Historienroman wie auch Märchen, Liebesgeschichte sowie Entwicklungsroman, mutet an manchen Stellen phantastisch an, ist aber keine Fantasy.

Vielmehr schlendert der Leser mit Susanne Kearsley durch Jahrhunderte und fremde Länder, gerät in die Wirren der Jakobitenaufstände, kämpft an Seiten der kleinen Anna und erlebt staunend das Russland unter Peter dem Großen und Katharina I.

Obwohl Susanne Kearsley in ihrem Roman "Im Land des Feuervogels" geschichtlichen Stoff gekonnt zu einer mitreißenden Geschichte komponiert, ist es nicht das "Geschichtserlebnis", das mir besonders in Erinnerung bleibt, sondern die Tatsache, dass ich problemlos von einem Handlungsstrang in den anderen getaucht bin und mich nicht entscheiden konnte, ob ich lieber auf den Spuren von Anna im historischen Sankt Peterburg wandelte oder gemeinsam mit Nicola im heutigen Russland dem Geheimnis des Feuervogels nachspürte. Dies zeigt, dass beide Geschichten ebenbürtig waren und sind.

Die Botschaft, die zwischen den Zeilen steht, ist jedoch jenseits von Zeit und Raum, Vergangenheit und Zukunft angesiedelt, sie ist zeitlos: Es ist kein Makel, anders zu sein, vielmehr ist es ein Geschenk.

 

Cover des Buches Wild (ISBN: 9783931989798)

Bewertung zu "Wild" von Lena Klassen

Wild
MIRAvor 11 Jahren
Kurzmeinung: Absolut unvorhersehbar: Mit diesem Ende rechnest Du nie!
Wild: Über die Macht und die Magie der Gefühle

Lena Klassen ist mir nach der Lektüre von Magyria über Jahre hinweg in Erinnerung geblieben. Und das als Autorin, die aus meiner Sicht einen der besten Literaturküsse zu Papier gebracht hat, den ich als Leserin je miterleben durfte. Deshalb kam ich selbstverständlich nicht umhin, mir auch ihr neues Jugendbuch "Wild" vorzunehmen. Anders als in Magyria, wo Klassens Protagonisten zwischen dem Hier und einer Fantasy-Welt pendeln, zeichnet sie mit "Wild" eine furiose Dystopie:

Ein Leben auf einer rosa Wolke: Stets glücklich und zufrieden sein, nichts hinterfragen müssen, einfach nur das machen, was von einem erwartet wird und damit die Gesellschaft nicht mit wilden, gar animalischen Gefühlen gefährden. Die Welt dreht sich langsamer in Neustadt, die natürlichen Instinkte sind stumpf: Dank einer regelmäßigen Glücksinjektion, die die Menschheit vor ihrem unvorhersehbaren, rohen Verhalten verschont. Schmerz, Wut, Neid, Krankheit oder gar Kummer sind ein Fremdwort.  Wie könnte es auch anders sein, die Gesellschaft strebt nach Perfektion, nach Schönheit, nach Vollkommenheit. Auf den natürlichen genetischen Zufall zu setzten, wenn ein neues Leben entsteht, das müssen die Reichen deshalb schon lange nicht mehr. Wie auch, so kann man wie in Peas Fall, nur ein mittelmäßiges Ergebnis erzielen. Peas scheint nicht nur äußerlich mit den Gleichaltrigen kaum mithalten zu können, sie ist auch nicht so glücklich wie ihre Freunde, verfügt über wenig Talent. Wen wundert es da, dass ihr immer noch kein Partner zugeteilt wurde und ihre Liebe zu Lucky nur ein unerfülltes Sehnen bleibt. Doch als von einem Tag auf den anderen durch einen Zufall die Glücksdroge versagt und Peas Blick durch die rosarote Brille sich schärft, will sie ihr selbstbestimmtes Leben, in dem sie fühlt, schmeckt, atmet und vor allem klar denkt, nicht mehr aufgeben ... Doch das bringt unvorstellbare Konsequenzen mit sich, den das System arbeitet anders, als den glücklichen Neustädtern vorgegaukelt wird.

Lena Klassen hat mit ihrem Roman "Wild" das Rad nicht ganz neu erfunden. Parallelen zu anderen Dystopien wie z.B. Cassia & Ky fallen klar ins Auge. Dennoch hat sie es geschafft eine Zukunftsvision zu erschaffen, die in meinen Augen durchaus lesenswert ist und stolz den Vergleich mit den berühmten Vertreter des Genres standhält.

Das liegt vor allem an dem absolut unerwarteten und für Jugendromane unkonventionellen Schluss. Ohne hier vorzugreifen, kann ich den Lesern versprechen, dass sie mit solch einem Ende nicht rechnen werden. Überhaupt ist es der zweite Teil des Romans, der in den Bann zieht, der überrascht und immer wieder erschüttert. Die erste Hälfte des Buches ist aus meiner Sicht dagegen an manchen Stellen zu langatmig und auch nicht immer überzeugend. Vor allem die Liebesgeschichte zwischen Peas und Lucky ist es, die mich nicht einnehmen konnte, zu blass ist sie, zu wenig leidenschaftlich, zu wenig "wild"! (Ganz davon zu schweigen, dass meine Erwartungen nach dem eingangs erwähnten Mattim und Hanna - Kuss Welten höher liegen)

Mittlerweile denke ich jedoch, dass dies ein Kunstgriff von Frau Klassen war, um den verwirrenden Emotionen Peas - gerade was andere männliche Figuren angeht - mehr Zündstoff zu geben.

Dies ist Lena Klassen durchaus gelungen. Ich hungere nach einem zweiten Teil und würde liebend gerne lesen, ob die Geschichte aus ihrer Feder so weitererzählt wird, wie ich sie in meinem Kopf weitergesponnen habe. Denn, lieber Leser, das Ende von "Wild" schreit nach einer Fortsetzung

www.scriba-ich-schreibe.de

Cover des Buches Wie Blüten im Wind (ISBN: 9783548284774)

Bewertung zu "Wie Blüten im Wind" von Kristin Hannah

Wie Blüten im Wind
MIRAvor 11 Jahren
Starker Tobak: Hier bleibt kein Auge trocken

Die Beziehung von Zwillingspärchen fasziniert seit jeher: Zwei Menschen, die zusammen aufwachsen, zwischen denen ein unausgesprochenens Einverständis herrscht, die von Beginn ihres Lebens an durch ein unsichtbares Band verbunden sind und kompromisslos für den anderen Einstehen - doch wie schmerzhaft muss es sein, wenn diese Geschwisterbeziehung durch einen tragischen Unfall gekappt wird und nur ein Zwilling überlebt? Wie verarbeiten Eltern einen solchen Verlust? Jeder Mensch, der Zwillinge in ihrer natürlichen Einheit erlebt hat, muss ahnen, dass sich damit ein unvorstellbarer Abgrund auftut und eine klaffende Wunde entsteht, die nie mehr wieder heilen kann.

Kristin Hannah spitzt die Tragik in ihrem Roman "Wie Blüten im Wind" jedoch noch zu. Sie erzählt die Geschichte der 18-jährigen Lexi, die ihre Kindheit mutterlos und vernachlässigt erlebt und erst lernt, was Freundschaft und Liebe bedeutet, als sie das Zwillingspaar Mia und Zach kennenlernt. Mit dem Tod Mias verliert Lexi nicht nur ihre einzige Freundin und ihre große Liebe, sie muss ohmächtig mitansehen, wie ihr ihr Leben entgleitet und der Albtraum ihrer Kindheit sie einholt.

Schon nach wenigen Seiten des Romans war ich unsicher, ob ich weiterlesen sollte. Nicht weil mir der Schreibstil und die Erzählweise Hannahs nicht zusagte - ganz im Gegenteil. Jedes ihrer wohl gewählten Worte nahm vorweg, dass sie das Leid der Protagonisten unbeindruckt und ungeschminkt offenlegen würde - doch genau das stellte mich vor die Frage: Will ich wirklich eintauchen in dieses Meer aus Schmerz und Tränen?

Ich habe mich dazu entschlossen, die Augen zuschließen und mich einfach kopfüber in die Geschichte zu stürzen, die weit vor dem Unfall einsetzt. Bevor Kristin Hannah die Bombe platzen lässt, baut sie vor den Augen ihrer Leser eine bunte Welt auf, fast perfekt, in der sich zwischen der vom Schicksal gebeutelten Lexi und der sensiblen Mia eine unumstößliche Freundschaft entwickelt. Die zarten Gefühle, die Lexi für Mias Zwillingsbruder empfindet, werden genauso glaubhaft dargestellt, wie die Liebe der Zwillingsmutter zu ihren Kindern.

Als in der Mitte des Buches das Unfassbare passiert, verkehrt sich die perfekte Welt und die Protagonisten fallen allesamt für sich allein in einen Abgrund aus Schuld und Sühe, Schmerz und Hoffnungslosigkeit. Können Sie sich gegenseitig irgendwann verzeihen und sich mit der Vergangenheit versöhnen?

Mein Fazit: Kristin Hannah ist eine äußerst talentierte Geschichtenerzählerin. Immer wieder habe ich mir Stellen markiert, die so lautmalerisch und unkonventionell sind, dass ich nicht einfach darüber hinweglesen konnte. Die große Stärke des Romans liegt wohl auch darin, dass Hannah die Geschehnisse aus unterschiedlichen Perspektiven schildert, mal aus Sicht des Bruders, mal aus Lexis Sicht und immer wieder aus der Perspektive der trauernden Eltern. Auch hat mich als Zwilling die Thematik des Romans besonders gereizt. Dennoch ist die Geschichte für meinen Geschmack einen Hauch zu dramatisch und besitzt bisweilen Längen. Ich empfehle "Wie Blüten im Wind" denjenigen, die sich nicht davor scheuen, Tränen zu vergießen. Am Ende wird das Durchalten belohnt.

www.scriba-ich-schreibe.de

Cover des Buches Liebe unter Fischen (ISBN: 9783552062092)

Bewertung zu "Liebe unter Fischen" von René Freund

Liebe unter Fischen
MIRAvor 11 Jahren
Ein österreichischer Berliner auf der Suche nach dem Glück

Fred Firneis ist ein Schöngeist wie er im Buche steht. Er beschäftigt sich nicht nur mit existentiellen Fragen, sondern steckt selbst fest in einer Existenz- und Schaffenskrise. Früher sprudelten die Worte des Erfolg-Lyrikers nur so, heute sprudelt vor allem der Alkohol. Firneis hat sich verloren, im Überfluss, in der Schnelligkeit, in der Tristesse des Alltags. Das ist ein Problem – nicht allein für Fred. Denn nicht nur der Markt lechzt nach Poesie-Nachschub des Dichters, auch seine Verlegerin, die kurz vor dem finanziellen Ruin steht. Doch wie nur kann die Schreibkrise des österreichischen Berliners überwunden werden? Wie nur kann schnellstmöglich ein neuer Gedichtband entstehen?

Die Antwort ist klar: Nur mit rabiaten Mitteln. Mehr oder weniger in die Wildnis der österreichischen Alpen ausgesetzt, soll Fred zu sich finden. Abgeschnitten von der Außenwelt findet er jedoch viel mehr. Die vermeintliche Einöde entpuppt sich als Naturparadies, verschlossene und einsilbige Einheimische als neue Freunde und eine hübsche Biologin als eine wahre Muse. Doch kann sich der Schöngeist vom bleiernen Ballast des Alltags wirklich befreien und wieder lernen richtig zu "Atmen"?

René Freunds Roman "Liebe unter Fischen" ist ein Kleinod für diejenigen, die zusammen mit Fred Firneis die Uhren ausstellen wollen und sich treiben lassen von Gedanken und Gefühlen, vom natürlichen Rhythmus des Tages und den Kräften der Natur – ein Buch also für Leser, die sich Zeit nehmen möchten, die Welt mit Kinderaugen neu zu entdecken, das Wunder des Gewöhnlichen zu bestaunen und in der Langsamkeit das Leben – das sonst rasend schnell vorbeizieht – wieder zu spüren.

Aus meiner Sicht ist es weniger der Plot, von dem "Liebe unter Fischen" lebt, sondern der einzigartige Erzählrythmus und die wunderschönen Bilder, die Fred in seinen Briefen an seine Verlegerin festhält: Ist der Ton und der Rhythmus zu Beginn des Romans noch dem Großstadtleben des Schriftstellers angeglichen, klingt alles schrill, schnell, laut. Da sind die vielen SMS der Verlegerin, die unzähligen Anrufe auf dem AB, das ungeduldige Klopfen an der Tür, der maßlose Alkoholkonsum – alles wirkt übersättigt, der Kopf dröhnt. Spätestens in der Einfachheit und Kargheit der Berghütte wechselt der Ton. Der Erzählfluss erscheint plötzlich langsamer, gemächlicher und reiner. Je mehr sich das Gemüt des Lyrikers klärt, umso länger und tiefgründiger werden seine Briefe, in denen er offen seine Gedanken, Ängste und Wünsche kommuniziert. Der Leser kann sich zurücklehnen, mit Fred Firneis das Jodeln lernen, eintauchen in die Farbe des "Juchitzers" und sich überwältigen lassen von den erst kitzelnden und später überschäumenden Gefühlen einer jungen Liebe. Und freilich gewinnt der Roman wieder an Fahrt, Schnelligkeit und Esprit, wenn die Schauplätze wiederum wechseln und Fred kopfüber eintaucht in sein "neues Leben".

Den Vergleich mit "Gut gegen Nordwind", der auf dem Buchcover gezogen wird, hält "Liebe unter Fischen" aber nicht stand – oder besser ausgedrückt: Die beiden Romane sind schlichtweg nicht vergleichbar. „Gut Gegen Nordwind“ ist ein moderner Liebesroman. In "Liebe unter Fischen" steht dagegen die Entwicklung des Autors Fred im Mittelpunkt: Die Suche nach sich selbst, die Suche nach einem Rettungsanker in einem übersättigten und von den Reizen des Technologiezeitalters überfluteten Leben, die Suche nach einem Sinn, die Suche nach dem Glück. Freilich ist auch Fred verliebt, quillt über vor Emotionen beim Gedanken an seine Mara. Dieses zarte Verliebtsein ist jedoch nie dominierend, sondern ein Baustein in des Dichters Neuanfang.

Aus meiner Sicht steht "Liebe unter Fischen" für sich und wird alle diejenigen begeistern, die die Augen öffnen für wunderschöne Bilder und sich begeistern lassen vom Witz und den ausgefeilten, zuweilen komischen Charakteren.

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