Es fällt schwer, diesem umfangreichen und durchaus gewichtigen Werk gerecht zu werden. Ich sehe darin wunderbare und auch störende Aspekte.
Als ich das Buch das erste Mal in der Hand hielt, war ich recht beeindruckt: Ein schweres Exemplar, fester und hochwertig wirkender Einband, schönes stimmiges Titelbild, anständig gesetzt. Nach einigen Wochen ist freilich der Einband, dem ein Schutzumschlag fehlt, schon recht abgenutzt, und das lag vielleicht daran, dass ich das Werk öfter aus der Hand gelegt habe.
Dorothea von Choltitz lässt die Kultur des Hochmittelalters lebendig werden und erzählt ganz aus der Sicht ihrer bemerkenswerten Titelheldin. Der Roman beschreibt acht wichtige Jahre ihres Lebens und ist in viele kurze Kapitel unterteilt, die jeweils einen Wochenspruch aus dem Kirchenjahr als Motto tragen und auch jeweils in der passenden Woche spielen. Das ist ein schöner Kunstgriff. Leider zerfällt dadurch auch die Handlung in lauter kleine Abschnitte, was sich manchmal störend auf den Handlungsfluss auswirkt. Jedes einzelne Kapitel ist wirklich schön geschrieben und ich habe noch nirgends sonst so poetisch geschriebene Liebesakte gelesen. An manchen Stellen freilich gleitet die Poesie in eine schwärmerisch-überladene Wortverliebtheit ab, die schon fast irritiert. Auch die Person der Beatrice ist für moderne Menschen schwer zu fassen. Sie verkörpert ganz den Typus der mittelalterlichen Adligen, und das Buch ist dort am stärksten, wo ihr Verhalten mit unseren Erwartungen eben nicht konform geht. Aus jeder Seite spricht gründliche und professionelle Recherche und ein professioneller Hintergrund. Das ermöglicht der Autorin, die Zeit Beatrices und Friedrichs in aller Pracht und aller Brutalität zu zeigen und dabei doch immer ganz eng an der Hauptperson zu bleiben. In dieser Hinsicht ein Genuss, für den die Höchstwertung noch zu wenig wäre.
Natürlich darf es niemandem einfallen, die Figuren nach heutigen Maßstäben zu messen. Dazu trägt auch die inbrünstige Religiosität der Beatrice bei und z.B. ihre Bewunderung für Bernhard von Clairvaux. Gerade diese Details geben dem Buch aber eine Authentizität, die ich bewundere.
Nach soviel Lob ein wenig die andere Seite: zwischen all den wunderbaren Szenen liegt vieles an Schilderung, das eher der Chronistin als der Romancière geschuldet ist, und auch einige Szenen, die vielleicht keine von beiden zwingend benötigte. Das und die kurzen, abgeschlossenen Kapitel lassen den Lesefluss immer wieder stocken, so dass ich für die fast 550 Seiten etliche Wochen benötigt habe. Es baut sich kein wirklich hoher Spannungsbogen auf, außer zum Ende hin; ähnlich wie bei einem Feuilletonroman hat jedes Kapitel für sich solch einen kurzen Bogen, aber keine Cliffhanger. Tatsächlich sind die letzten 100 Seiten vielleicht die besten oder zumindest am besten lesbaren im Buch, auch wenn sie teils brutal und dann auch weniger poetisch sind.
Was mich dabei noch gestört hat, ist die nachlässige Umsetzung. Es gibt Rechtschreib- und Grammatikfehler in großer Zahl, teils finden sich wiederholte Wörter oder halbe Sätze, die offenbar noch von einer Korrektur übrig geblieben sind. Ich habe mich gefragt, ob hier versehentlich eine unkorrigierte Version in Druck gegeben wurde. Sicher kann dies in einer zweiten Auflage beseitigt werden, deshalb habe ich es in meiner Bewertung nicht berücksichtigt. Anmerkung: Die Autorin hat freundlicherweise bereits angekündigt, dass die Taschenbuchausgabe noch einmal durchgesehen wird.
Fazit: Ein groß angelegter und ehrgeiziger Roman, mit wunderbaren Seiten, bei dem man nebenher viel lernt, aber auch mit Passagen, die Geduld benötigen. Nichts für Beckmesser; für geschichtlich Interessierte eine klare Empfehlung.