M

MangoEisHH

  • Mitglied seit 10.04.2017
  • 3 Freund*innen
  • 121 Bücher
  • 121 Rezensionen
  • 121 Bewertungen (Ø 4,68)

Rezensionen und Bewertungen

Filtern:
  • 5 Sterne87
  • 4 Sterne30
  • 3 Sterne3
  • 2 Sterne1
  • 1 Stern0
Sortieren:
Cover des Buches Because of You I Want to Stay (ISBN: 9783442206698)

Bewertung zu "Because of You I Want to Stay" von Nadine Kerger

Because of You I Want to Stay
MangoEisHHvor 10 Tagen
Nicht schon wieder! Verliebt in den eigenen Chef

In Josies Leben läuft es gerade gar nicht rund: Ihr Freund Nathan hat sie verlassen und, da er auch ihr Chef ist, ihr die Kündigung in seinem Labor nahegelegt. Frustriert und zutiefst verletzt begleitet sie ihre Freundin Liv nach Martha’s Vineyard, um dort in den Ferien zu jobben und sich über ihren weiteren Lebensweg Gedanken zu machen. Eine neue Liebe kommt in ihren Plänen eigentlich nicht vor, wäre da nicht der charismatische Blake Sullivan, alteingesessener Einheimischer. Und ihr Chef.

 

Hach und seufz! Sehr schön geschriebene Liebesgeschichte mit super sympathischen Figuren vor der wild-romantischen Kulisse der US-amerikanischen Ostküste. Die Autorin trifft genau den richtigen gefühlvollen Ton, ohne ins Kitschige abzudriften, und spickt das Ganze mit einer glaubwürdigen Prise an Irrungen und Missverständnissen, die gut zur Geschichte passen. Gut herausgearbeitete, vielschichtige Charaktere, die ein Päckchen mit sich herumtragen und denen man daher die Zweifel und manch eine eher krasse Aktion abnimmt. Sie wirken authentisch und vor allem mit Josie habe ich schön mitgelitten. Sie ist hin und hergerissen zwischen ihrem Trennungsschmerz und ihrer Anziehungskraft zu Blake und steht an einem Scheideweg in ihrem Leben. Erschwerend kommt noch die Trennung von ihren Eltern und ihrem Wunsch, es allen recht zu machen. Wunderbar in diesem Zusammenhang ist ihre beste Freundin Liv, die ihr mehr als einmal den Kopf zurechtrückt und sie zum Nachdenken und damit auf den für sie richtigen Weg bringt. Insofern macht Josie durchaus eine Entwicklung durch, sie emanzipiert sich von den Vorstellungen anderer und erkennt, dass es besser ist, das in ihren eigenen Augen Richtige zu tun.

 

Blake war mir mitunter zu schön, um wahr zu sein, doch auch er ist ein sympathischer Charakter mit Ecken und Kanten und mit Vorbelastung. An sich hätte Josie aufgrund seiner Vorgeschichte eher erkennen müssen, wie manche seiner Handlungen und Worte motiviert sind, aber das Nichterkennen ist wohl ihrer Verletzlichkeit und ihrer Selbstzweifel geschuldet. Da es aus Josies Perspektive in der Ich-Form geschrieben ist, erhält man besonders zu Josies Innenleben intime Einblicke. Sie ist wohltuend unaufgeregt und uneitel und reflektiert sehr viel. Es ist jedenfalls wunderbar zu lesen, wie die beiden sich wie zwei Satelliten umkreisen und sich einmal anziehen, ein anderes Mal wieder abstoßen. Auch die anderen Figuren sind schön beschrieben und interessant, und ich fand zudem die bildhaften Beschreibungen der Umgebung faszinierend und bekam direkt Lust hinzureisen. Der sehr flüssige und eingängige Stil der Autorin macht das Ganze zu einer vergnüglichen und kurzweiligen Lektüre und ist zum Abtauschen gut geeignet. Nebenbei erfährt man auch einiges über die anderen Sullivan-Brüder Flynn und Jacob sowie die Freundinnen Liv und Hannah und ahnt, dass sich auch da jeweils Liebesgeschichten anbahnen.

 

Fazit: Wunderbare und kurzweilige Forbidden-Love-Geschichte zum Abtauchen und Wohlfühlen mit TOP-Aussichten auf eine Enemy-to-Lovers und eine Friends-to-Lovers Geschichte, die sich gut lesen und bei der sich gut mitleben lässt. Für alle, die ein romantisches Lesevergnügen suchen. Ich freue mich jedenfalls schon auf ein Wiedersehen im wundervollen Martha‘s Vineyard mit lieb gewonnen Figuren.

Cover des Buches Paris Requiem (ISBN: 9783518473733)

Bewertung zu "Paris Requiem" von Chris Lloyd

Paris Requiem
MangoEisHHvor 2 Monaten
Von Besatzern und Kriminellen und von Vätern und Söhnen: Eddie Girals 2. Fall

Paris, Herbst 1940: Édouard „Eddie“ Giral, ein aus dem Ersten Weltkrieg traumatisiert zurückgekehrter ehemaliger Soldat, arbeitet im von den Nazis besetzen Paris bei der Polizei als Inspektor. Keine leichte Aufgabe, denn seine Ermittlungen führen ihn nicht nur in die dunkelsten Ecken der französischen Hauptstadt und aufs platte Land, in Jazz-Klubs und in die Oper, sondern auch in die Hauptquartiere der verschiedenen Behörden der deutschen Besatzer. So ist es auch in seinem neuen Fall: Ausgebremst von seiner eigenen Behörde und immer überwacht und verfolgt von der Pariser Unterwelt und den deutschen Geheimdiensten versucht er, den Mord an einem französischen Kleinkriminellen aufzudecken. Dabei stochert er nicht nur in deutschen und französischen Wespennestern herum, sondern bringt die Haute Volée der deutschen und französischen organisierten Kriminalität gegen sich auf.

 

Ein halbes Jahr nach Eddies spektakulärem ersten Fall, die Toten vom Gare d‘Austerlitz, führt ihn sein nicht weniger grausamer zweiter nun in die Pariser Jazz-Klubs. Eddie bekommt es hierbei nicht nur mit halbgaren Klubbesitzern und französischen Kleinkriminellen zu tun, sondern mit dem organisierten Verbrechen. Außerdem darf er sich erneut mit sämtlichen deutschen Behörden, der Gestapo, der Wehrmacht und der Abwehr in Gestalt seines alten Gegenspielers Major Hochstetter herumschlagen. Nicht zuletzt steht er sowohl psychisch als auch physisch immer mit einem Bein am Abgrund. Seine Kriegstraumata sind noch lange nicht überwunden und mit dem Wiederfinden seines Sohnes, dem er zur Flucht verhalf, bekommt sein Leben nun eine sehr viel persönlichere Komponente. Um seinem Sohn keinen Schaden zuzufügen, würde er alles tun. Es macht ihn aber auch erpressbar.

 

Fidelio, Beethovens einzige Oper, spielt eine Schlüsselrolle in der Geschichte und das Motiv zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Nicht zuletzt ist es ähnlich einer Oper in Ouvertüre und Akten eingeteilt. Obwohl sich die Handlung nur über etwa drei Monate erstreckt, ist die Geschichte sehr kompakt und vollgepackt mit Personen, Handlungssträngen, Nebenschauplätzen und undurchsichtigen Akteuren. Alte Bekannte wie Eddies Chef und Partner in Crime Dax tauchen ebenso auf wie neue Figuren aus Eddies Vergangenheit und Gegenwart. Der Autor bleibt seinem Stil treu und entwirft tiefschürfende Charaktere, bissige Dialoge und ein authentisches, von den Nazis besetztes Paris, das in seiner Bitterkeit und Düsternis kaum zu überbieten ist. Nahtlos übernimmt der Autor seine Komposition aus Buch eins in dieses zweite und es verwundert nicht, dass er seinen Anti-Helden erneut in Abgründe schauen lässt. 

 

Eddie als Figur polarisiert durchaus, er wie auch die anderen Charaktere bestechen durch ihre starken, komplexen Persönlichkeiten und ein jeder muss einen Weg finden zu überleben. Nichts ist nur schwarz oder weiß, niemand ist nur gut oder nur böse und jeder von ihnen hat nachvollziehbare Gründe für das, was er tut. Obwohl man tief eintaucht in die Geschichte und absolut mit Eddie mit leben kann, muss man doch mehr als einmal schlucken und sich fragen, was man wohl an seiner Stelle getan hätte. Er bewegt sich auf einem sehr schmalen Grat zwischen Recht und Gerechtigkeit und Selbstherrlichkeit, indem er beispielsweise auf der einen Seite Menschen hilft, andere jedoch in den Abgrund stößt. Indem er sie verrät, sichert er sein eigenes Überleben in der Hölle der besetzten Stadt, in der die Stimmung kippt und in der die Besatzer ihre Macht nunmehr brutal ausspielen. Sehr gut fand ich die Einführung des zu Anfang etwas zwielichtigen Polizei-Kollegen Boniface, dessen Verhältnis zu Eddie eine Entwicklung durchläuft und den ich als starke Ergänzung zu ihm empfand.

 

Fazit: Für wen die Totenmesse gelesen wird, mag jeder nach der Lektüre selbst entscheiden. Fakt ist, die Geschichte ist ein sehr spannender Fall, auf gleichbleibend hohem Niveau erzählt, mit komplexen Figuren und ebensolchen Handlungssträngen. Es ist nicht die Zeit für ein Happy End, und Eddie vermag zwar die Zusammenhänge erkennen, die wahren Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen vermag er jedoch nicht. Er löst zwar die ihm aufgebürdeten Aufgaben, zieht jedoch keine Befriedigung daraus. Vor dem Lesen dieses Buch sei auf jeden Fall die Lektüre des ersten Bandes empfohlen, man versteht die Zusammenhänge und Eddies Motive sehr viel besser. Es ist kein klassischer Whodunnit-Krimi, sondern ein Thriller in historisch ebenso düsteren wie verstörenden Zeiten, in der der Gerechtigkeit nicht zu hundert Prozent Genüge getan werden kann. 

Cover des Buches Die Mönchin (ISBN: 9783365004418)

Bewertung zu "Die Mönchin" von Peter Orontes

Die Mönchin
MangoEisHHvor 3 Monaten
Glaubenseifer und Glaubenseiferer: eine ungewöhnliche Frau und die Suche nach der Wahrheit

Im Jahr 1405 ist die lateinische Kirche geprägt von Zersplitterung und Zwiespalt. Zwei Päpste erheben Anspruch auf den Stuhl Christi, in den Klöstern herrschen lose Sitten und man streitet erbittert über diverse Glaubensfragen. Der Gelehrte Albert von Kanten etwa lehnt die gängige Dreifaltigkeitslehre ab und propagiert die Wesensähnlichkeit Jesus Christi mit Gott. Im Kloster Ennswalden soll es ein verschollenes Dokument geben, das die Kirche in ihren Grundfesten erschüttern und den Weg frei machen könnte für eine Reform. Dieses Dokument aufzuspüren entsendet er sein Mündel Adriana, die, als Mönch verkleidet, Nachforschungen anstellen soll. Ihr zur Seite steht der gelehrte Mönch Guillermo von Toledo. Außerdem bietet ihr der Bibliothekar des Klosters, wenn auch mit schlüpfrigen Hintergedanken, seine Hilfe an. Als dieser kurz nach einem Treffen mit Adriana ermordet aufgefunden wird, mit mysteriösen Zeichen auf der Stirn, und ein rätselhaftes Schriftstück auftaucht, sieht sich Adriana nicht nur mit der Suche nach dem Dokument, sondern auch mit der fast unlösbaren Aufgabe konfrontiert, den Mörder zu finden.


Papst und Gegenpapst, Gelehrsamkeit und Ignoranz, Glaube und Aberglaube, Liebe und Hass und eine mutige und gelehrte Frau, die sich als Mann, als Mönch gar, verkleidet. Diese Geschichte ist voll von Gegensätzen, und der Autor versteht es aufs Trefflichste, diese miteinander zu verknüpfen. Einer Spinne gleich verwebt er Faden um Faden und spinnt dies zu einem großen verschlungenen Netz, das jedoch bei genauem Hinsehen sein System offenbart. Ein großartiger historischer Roman und Krimi voller Klugheit und Raffinesse, von der Liebe zur Wahrheit und von Loyalität, aber auch von Ignoranz, Völlerei und Verblendung und Verderbtheit. Ein Sittengemälde der Epoche mit einer weit voraus denkenden Gelehrten, die sehr ungewöhnliche und oft gefährliche Wege gehen muss, um ihre Ziele zu erreichen.


Vom Grundthema her erinnert mich das Ganze an Der Name der Rose, ein verschollenes und geheimes Dokument und die Hüter dessen, das geheim bleiben soll, weil es die Kirche in ihren Glaubensfesten erschüttern könnte, ein abgelegenes Kloster, eine abgeschiedene Gemeinschaft und ein Gelehrter, der sich sowohl mit der Suche nach dem Schriftstück als auch nach dem Mörder beschäftigt. Auch das Damoklesschwert der Inquisition schwebt ständig über allem, von keinem geliebt, für Adriana aber eine lebensbedrohliche Gefahr. Der Bewahrung des angeblich einzig wahren Glaubens steht immer der Vorwurf der Häresie gegenüber und die Frage danach, was die wirkliche Wahrheit eigentlich ist. Im Laufe der Geschichte wird sich herausstellen, dass sich Wahrheit beugen lässt, dass man sich zur Befriedigung aller eine Wahrheit plausibel reden kann und eben nichts nur schwarz oder nur weiß ist.


In glatten 60 Kapiteln erzählt der Autor die Geschichte von Adrianas Suche nach Schriftstück und Mörder, die Haupthandlung erstreckt sich dabei auf genau einen Monat. In wohlgesetzten Worten erfährt der geneigte Leser nicht nur etwas über Kirchengeschichte und Glaubensgrundsätze, sondern auch über das Leben in Klöstern, die Stellung der Frau und die mittelalterliche Gesellschaft. Bei aller Gelehrsamkeit und lateinischen Sätzen (die zum Glück direkt übersetzt werden) kommen auch die intimen Einblicke in das Innenleben nicht zu kurz. Besonders Adrianas Angst vor Entdeckung und was ihr dann blüht spielt immer eine Rolle, über ihr schweben schließlich immer sowohl der Arm des weltlichen als auch der des kirchlichen Gesetzes. Überhaupt fand ich die Gestaltung und Beschreibung der Charaktere sehr gelungen, authentisch und glaubwürdig fügen sie sich in den historischen Kontext ein und agieren meines Erachtens ihrer Zeit gemäß, auch wenn sie ungewöhnliche Wege einschlagen. Neben Adriana ist dies, natürlich, möchte man sagen, vor allem ihr männliches Gegenstück Guillermo von Toledo. Er taucht zwar erst nach einiger Zeit auf, schlägt dann aber ein wie ein Armbrustbolzen und prägt den Fortgang der Geschichte aus verschiedenen Gründen entscheidend. Aber auch die charakteristischen Persönlichkeiten des ignoranten, machtbewussten Abtes, des wollüstigen Bibliothekars, des tumben Knechts, des zwielichtigen Sekretärs  entbehren zwar nicht nicht einer gewissen Klischeehaftigkeit, werden aber sehr pointiert und überzeugend dargestellt.


Fazit: Überzeugender und spannender historischer Krimi voller Klugheit und raffinierter Wendungen, dessen Ende ich mich nicht rühmen kann vorhergesehen zu haben und der mich von der ersten Zeile an gefesselt hat. Wer keine Angst vor lateinischen Sätzen und Exkurse in Kirchengeschichte hat und der Frauen in ungewöhnlichen Rollen mag, wird dieses Buch lieben. Der Erfolgsautor bleibt auf seinem hohem Niveau der Erzählkunst und seinem Stil treu und entführt seine Leser:innen in die Welt des Glaubenseifers und der Geheimbünde. Und so gibt es eben hier auch nicht die eine Lösung, die vollumfängliche Wahrheit, genauso wenig wie es nur einen einzigen Glauben gibt. Vollster Lesegenuss! 

Cover des Buches Run For Love (ISBN: 9783548068138)

Bewertung zu "Run For Love" von Nina Dias

Run For Love
MangoEisHHvor 4 Monaten
Selbstliebe statt Bodyshaming: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst

Luca Schmidt ist Mitte dreißig, selbständige Werbefachfrau und das, was man ein Vollblutweib nennt. Groß und üppig wie sie ist, entspricht sie ihrer Ansicht nach nicht dem gängigen Schönheitsideal. Dass ihre Mutter ihr ständig Diäten und Sport aufschwatzen will, macht es nicht besser. Als sie einem Typen, der ihre Freundin Charlotta belästigt, einen auf die Zwölf gibt und angezeigt wird, bekommt sie Sozialstunden aufgebrummt, die sie ausgerechnet in einem Jugendzentrum abarbeiten soll. Ihr dortiger Vorgesetzter entpuppt sich als knackiger Schönling mit kantigem Kinn und Sixpack, der auch noch größer ist als sie. Zu glatt und zu langweilig, befindet Luca, und außerdem überhaupt nicht ihr Typ. Wirklich?


Schöne Liebesgeschichte und vor allem die Geschichte einer Frau, die lernt, ihren Körper wahrhaftig zu akzeptieren und nicht nur so zu tun als ob. Tatsächlich nimmt die Liebesgeschichte gar nicht den größten Raum ein, Luca als Protagonistin mit all ihren Stärken und Schwächen und ihre Interaktion mit ihren Mitmenschen stehen ganz klar im Vordergrund. Ihre Arbeit, ihre Freundschaft mit Charlotta, ihr Hadern mit ihrer Figur und ihr Verhältnis zu ihrer Mutter stehen in etwa dem gleichen Verhältnis, und in dem Maße, wie sie lernt, sich von allen Zwängen zu lösen und sich selbst wirklich zu lieben, in dem Maße kann sie sich auch endlich auf Noël einlassen. Luca ist ein interessanter, wenn auch mitunter schwieriger Charakter, sie propagiert die Unabhängigkeit der Frau und den Feminismus, schwört auf Solidarität unter Frauen, steckt aber ebenso wie ihre vermeintlichen Feindbilder alle in ihren Augen hübschen und schlanken Frauen und ebensolchen Männer in eine Schublade. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, stößt sie die Menschen in ihrem Umfeld mehr als einmal ziemlich rüde vor den Kopf.


Ihr Kosmos kreist sehr um sich selbst und damit und durch ihre vorgefertigten Meinungen setzt sie ihre Freundschaft zu Charlotta, ihre Zusammenarbeit mit Amelie für die Kampagne und ihre aufkeimenden Gefühle für Noël aufs Spiel. Die Herausarbeitung ihrer Persönlichkeit fand ich nicht immer hundertprozentig überzeugend und mitunter hatte ich Schwierigkeiten, ihre Handlungen und Reaktionen nachzuvollziehen, selbst im Hinblick auf ihr mangelndes Selbstwertgefühl. Warum man so gänzlich gegen den Ritter auf dem weißen Ross sein muss, erschließt sich mir auch nicht. Meines Erachtens ist es kein Widerspruch und man ist nicht gleich willenlos, wenn man sich von einem Mann helfen lässt. Was ich aber sehr gut fand, war ihre Selbstreflektion und wie sie sich im Laufe der Geschichte von den genormten Idealvorstellungen emanzipiert. Durch ihre Arbeit mit Amelie, die mir mit zunehmender Lektüre immer sympathischer wurde, und auch durch die Jugendarbeit, bei der sie sich als empathische Mädelsversteherin erweist, lernt sie, hinter die Fassaden und Kulissen zu schauen und erkennt, worauf es wirklich ankommt: sich unabhängig zu machen von der Meinung anderer und sich von vorgefertigten Normen und Idealvorstellungen zu lösen.


Fazit: Schöne Lektüre, die sich flüssig herunter lesen lässt und einige Stunden gute Unterhaltung bietet. Wer einen Enemy-to-Lovers-Liebesroman erwartet, wird enttäuscht werden, der Fokus liegt meines Erachtens eher auf Lucas Persönlichkeitsentwicklung, die durch verschiedene Ereignisse in der Geschichte angestoßen wird und die im Laufe des Buches dazu führt, dass sie sich für eine Beziehung zu Noël öffnen kann. Dies ist allerdings schön zu lesen und mit Luca mitleben tut man allemal.

Cover des Buches Der Spion und der Verräter (ISBN: 9783458643906)

Bewertung zu "Der Spion und der Verräter" von Ben Macintyre

Der Spion und der Verräter
MangoEisHHvor 4 Monaten
Kalter Krieg, Doppelagenten und Überläufer: die wahre Welt der Spionage

Oleg Gordijewski ist ein Patriot. Geboren 1938, ist sein Weg vorgezeichnet. Sowohl sein Vater als auch sein älterer Bruder sind überzeugte Kommunisten und beide für den KGB tätig. So ist es nicht verwunderlich, dass Oleg ebenfalls eine Karriere beim russischen Geheimdienst anstrebt. Dem hochintelligenten und sportlichen jungen Mann fällt die Ausbildung leicht und er strebt nach höherem. Sein erster Auslandseinsatz führt ihn nach Dänemark, wo er die westliche Lebensart zu schätzen lernt. Der kulturell gebildete Oleg schätzt britische Literatur und klassische Musik, alles Dinge, die in Russland verboten sind. Zunehmend kommen ihm Zweifel, ob das bestehende totalitäre System seines Landes das Wahre ist. Mit dem Prager Frühling und der russischen Besetzung der Tschechoslowakei kippt seine Einstellung vollends. Er beginnt seine Fühler in Richtung westliche Geheimdienste auszustrecken. Es folgt eine beispiellose Karriere als Doppelagent und schließlich die spektakuläre Flucht aus den Fängen des KGB.


Spannend wie ein Krimi, packend wie ein Spionagethriller, fesselnd und absolut unfassbar! Man vergisst phasenweise, dass es eine wahre Geschichte ist, so unglaublich erscheinen einem als Leser die Ereignisse. Mitten im Kalten Krieg, währenddessen die Welt mehr als einmal kurz vor der atomaren Katastrophe stand, bewegt sich dieser ungewöhnliche Mann als Doppelagent zwischen den zwei gegnerischen Fronten und in zwei absolut konträren Systemen. Er führt ein Doppelleben, das ihn trotz Familie einsam macht, spielt mehrere verschiedene Rollen und ist immer in Gefahr, entdeckt zu werden und sein Leben zu verlieren. Es zeugt von Olegs hoher Intelligenz und dem großen Talent, sehr schnell rationale Entscheidungen treffen und improvisieren zu können. Dies und sein ausgeprägter Instinkt helfen ihm zu überleben.


Der britische Autor Ben Macintyre, ein Kolumnist der U.K. Times und sehr erfolgreicher Verfasser von Spionagebüchern, versteht sein Handwerk aufs Trefflichste und beweist einmal mehr, dass er Tatsachen fachlich fundiert in einem spannenden Text aufbereiten kann, welcher sich unglaublich flüssig und gut lesen lässt und bei dem zu keinem Zeitpunkt Langeweile aufkommt. Geschickt lässt er sein Buch gleich mit einer für Agententhriller typischen Aktion anfangen, nämlich dem Verwanzen von Olegs Wohnung, damit man gleich weiß, wo der Hammer hängt und am Ball bleibt. Sein Stil ist, obwohl sachlich und faktenorientiert, dennoch durchaus bildhaft, das heißt er geizt nicht mit ausdrucksstarken, wertenden Beschreibungen von Charakteren und Emotionen. Dabei ist er äußerst pointiert und humorvoll, so dass man sich ein Schmunzeln oft nicht verkneifen kann. Seine Expertise ist über jeden Zweifel erhaben, sein Wissen stammt aus umfangreichen Recherchen, Biografien und Sekundärliteratur sowie aus Interviews mit vielen involvierten Personen, nicht zuletzt mit Oleg selbst. Dass er seinem Protagonisten sehr zugetan ist und ihn bewundert, hält Macintyre nicht davon ab, auch dessen andere, nicht so freundliche Seiten zu erwähnen. So ist Oleg beispielsweise alles andere als ein Feminist und Familienmensch, sein Frauenbild ist konservativ und auch als Familienvater ist er eher abwesend. Seine Tätigkeit als Spion für das britische Königreich steht bei ihm an erster Stelle, sein Überlebenswillen bezieht sich zuerst auf ihn selbst.


Formal ist das Buch in drei Teile unterteilt, die wiederum in mehrere, fortlaufende Kapitel untergliedert sind. Thematisch gibt es pro Teil ein Hauptthema, einen roten Faden sozusagen. Teil 1 behandelt Olegs Werdegang bis zur Entsendung nach Großbritannien, da spionierte er bereits für den MI6. Teil 2 beschäftigt sich mit seiner Zeit in England bis zur Rückberufung nach Moskau. Da war er verraten worden und fuhr ins Ungewisse. Teil 3 schließlich beschreibt die Festsetzung in Moskau und die spektakuläre Flucht nach Großbritannien. In einem Epilog erfährt der geneigte Leser, was aus den freundlich und feindlich gesinnten Weggefährten Olegs und ihm selber wurde. Teil 1 und 2 enden jeweils mit einer Fotogalerie. Im Anhang nach dem Epilog folgen der ausführliche Bilder- und Zitatennachweis sowie die Liste der Aliasnamen, was äußerst hilfreich ist.


Nach der Einführung beschreibt der Autor Olegs Werdegang im KGB und sein Privatleben mit allen Hochs und Tiefs. Je mehr er westliche Luft schnuppert, desto mehr lernt die Lebensart zu schätzen. Oleg ist ein denkender Mensch, der die politischen Machtspielchen durchschaut, politische Systeme hinterfragt und sich zunehmend in seinem eigenen Regime gegängelt fühlt. Er glaubt an die Freiheit des Willens und an die Demokratie, und dies wüscht er sich auch für Russland. Insofern ist er Patriot durch und durch und seine Spionagetätigkeit für England sieht er nicht als Verrat, sondern als Akt der Rebellion an. Er will etwas verändern und er tut dies mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Fernab von James Bond Romantik, Reisen zu exotischen Orten, schnellen Autos und schönen Frauen erleben wir als Leser eine ganz andere Weit, eine Welt der Bürokratie, der Akten und der Schreibtischtäter, der Lügen und Intrigen, der Gier nach Geld und Macht, der Doppelmoral und der einsamen Kämpfer, aber auch der Loyalität und der Bereitschaft, für seine Überzeugung sein Leben zu riskieren.


Fazit: Wer Spionagethriller liebt, wird dieses Sachbuch des britischen Spionageexperten Ben Macintyre lieben. Tiefere und bessere Einblicke in die wahre Welt der Geheimagenten, Top Secret Akten und verdeckten Ermittlungen wird man kaum bekommen. Die Karriere und die Tätigkeit des Doppelagenten und für den MI6 spionierenden KGB-Oberst Oleg Gordijewski liefert den spannenden Fall eines Spions, der aus politischer Überzeugung zum Überläufer wird und der durch seine Tätigkeit den westlichen Mächten einen entscheidenden Vorteil im Kalten Krieg liefert. Die These, ob er Gorbatschows Perestroika den entscheidenden Anstoß gegeben hat, ist vielleicht etwas gewagt, aber zumindest hat seine Tätigkeit zur besseren Verständigung zwischen Großbritannien und Russland beigetragen, den diplomatischen Austausch gefördert und so den Kalten Krieg zu einem friedlichen Ende geführt.

Cover des Buches Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1) (ISBN: 9783471360576)

Bewertung zu "Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1)" von Benjamin Stevenson

Die mörderischen Cunninghams. Irgendwen haben wir doch alle auf dem Gewissen (Die mörderischen Cunninghams 1)
MangoEisHHvor 5 Monaten
Ungewöhnliches Familientreffen, bei dem nichts so ist, wie es scheint

Familientreffen bei Cunninghams: Ein abgelegenes, tief verschneites Resort in den australischen Bergen, die Matriarchin Audrey will den ältesten, frisch aus dem Knast entlassenen Sohn Michael zurück in den Schoß der Familie führen. Auch der ausgestoßene Ernest, dessen Aussage Michael vor drei Jahren in den Knast brachte, soll zu seiner eigenen Überraschung dabei sein. Michael ist jetzt mit Ernies Ex-Frau Erin zusammen und hat ungewöhnliches Gepäck bei sich. Als ein Toter gefunden wird, geht man zunächst von einem Unfall aus. Doch irgendwie glaubt Ernest das nicht. Er beginnt zu schnüffeln: Einer muss es ja machen, und schließlich schreibt er Bücher darüber, wie man Krimis schreibt. Wenn ihn das nicht qualifiziert! 

Herrlich skurrile Charaktere, verzwickt und clever konstruiert, ungewöhnliches Setting und spannender Plot! Mehr geht nicht. Der Autor verkauft seine Geschichte sehr gekonnt als wahr und das trägt nicht unwesentlich dazu bei, die Spannung auf einem stetig hohen Niveau zu halten. Der Stil ist recht ungewöhnlich, die ganze Zeit über spricht Ich-Erzähler Ernest den Leser direkt an, gibt ihm Hinweise und weist wiederholt sowohl auf die zehn goldenen Regeln des Krimi-Schreibens von Ronald Knox hin als auch auf Dinge, die er bereits erwähnt hat oder solche, die er noch erwähnen wird. Dabei gibt er sogar mehrfach die Seitenzahlen an, auf denen es Tote geben wird, bei einem eBook eher sinnlos, nichtsdestotrotz fiebert man als Leser darauf hin. Und das zurecht. Denn es bleibt konstant spannend und mehrere Wendungen sorgen immer wieder für Überraschungen. Mit seinem Stil parodiert der Autor mit einem Augenzwinkern das Genre der klassischen Kriminalgeschichte und schreibt genau deshalb eine sehr gute ebensolche.

Formal ist die Geschichte in mehrere Teile unterteilt, deren Titel mit Ernests Familienmitgliedern überschrieben und in fortlaufende Kapitel gegliedert sind. Die Charaktere sind durchweg sehr detailliert und vielschichtig beschrieben und die Story lebt zu einem großen Teil sowohl vom Verhältnis der Familienmitglieder zueinander als auch von ihrer Interaktion untereinander. Aber auch Außenstehende kommen nicht zu kurz und clever löst Ernest jedes noch so kleine Rätsel. Hier sind tatsächlich mehrere Fälle aus Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwoben und so findet Ernest nicht nur heraus, was es mit dem unbekannten Toten im Schnee auf sich hat, sondern auch was mit seinem verstorbenen Vater geschah. Nebenbei löst er das Rätsel um einen Serienkiller und findet seinen angeblich toten Bruder. Klingt kompliziert? Ist es auch. Als Leser muss man am Ball bleiben und darf in seiner Konzentration nicht nachlassen. Dank des sehr einhängigen Schreibstils fällt einem das aber nicht schwer. 


Eine ungewöhnliche Familie, in der fast jede und jeder etwas zu verbergen hat und die zusammenhalten wie Pech und Schwefel, und das besonders Außenseitern gegenüber, wozu auch der anfangs widerwillig herumschüffelnde Ernest gehört. Er bekommt mehr Hilfe von Resortchefin Juliette als von seinesgleichen. Ernests Antrieb sind meines Erachtens seine unermüdliche Neugier und der Wunsch, die Wahrheit herauszufinden. Und auch ein bisschen der Wunsch, von seiner Familie nicht mehr als Verräter abgestempelt zu werden. Ernest nimmt uns als Leser mit auf seine Reise als Ermittler und lässt uns an seinem Wissen eins zu eins teilhaben. Man weiß an sich immer genauso viel wie er und doch lange nicht genug. 


Fazit: Sehr gut konstruierter Krimi, der das Genre liebevoll auf die Schippe nimmt und ihm dadurch seine Ehrerbietung erweist. Wer gerne selbst ermittelt: Vergessen Sie es. Auch wenn der Autor Ihnen weismachen will, dass er überall Hinweise versteckt hat, es ist einfach soviel Material, dass man lieber Ernest einem die Lösung auf dem Silbertablett, sprich klassisch in der Bibliothek, servieren lässt. Da findet das große Finale mit einem Paukenschlag statt und eine ungewöhnliche, hervorragende Geschichte ihre Vollendung.

Cover des Buches Wie ein Stern in mondloser Nacht (ISBN: 9783426309100)

Bewertung zu "Wie ein Stern in mondloser Nacht" von Marie Sand

Wie ein Stern in mondloser Nacht
MangoEisHHvor 7 Monaten
Ein Leben für die Kinder

Zwei Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges lebt die junge Henriette Bartholdy, genannt Henni, im zerbombten Berlin mit ihrer Mutter und ihrem kranken Bruder in bitterer Armut. Als sie ihre Mutter auf deren Putzstelle im Haus der reichen von Rothenburgs vertritt, lernt sie den Sohn des Hauses, Ed, kennen. Die beiden verlieben sich ineinander, doch das Ganze geht nicht gut aus, denn Eds Eltern haben für ihren Sohn einen anderen Lebensweg vorgesehen. Als Henni schwanger wird, bestechen die von Rothenburgs Hennis Mutter und gemeinsam zwingen sie Henni zu einem folgenschweren Schritt.

 

Immer nach vorn, nie zurück: Das ist das Motto von Henni. Eine wundervolle Protagonistin hat die Autorin da erschaffen, eine, die das Leben trotz aller Widerstände liebt, die trotz aller Schicksalsschläge immer nach vorn schaut und ihren Prinzipien treu bleibt. Henni reift im Laufe des Buches, wird vom gebeutelten, von allen verlassenen Kriegskind zu einer Kämpferin ihrer Sache, eine, die erst für sich und dann für ihre Überzeugungen einsteht. Die Entscheidung, Hebamme zu werden, entsteht, nachdem sie ihren fruchtbarsten Moment erlebt und überstanden hat, und Henni verfolgt ihre Ziele mit aller gebotenen Hartnäckigkeit.

 

Dies ist ein wundervoller Roman über eine starke Frau in schwierigen Zeiten, die ihren Weg geht und dafür einiges in Kauf nimmt. Der Aufbau des Buches, der Stil, die Schreibe und die Figuren sind allesamt stimmig und sehr gut herausgearbeitet, es liest sich unheimlich flüssig, man ist sofort in der Geschichte drin und kann nicht mehr aufhören. Perspektivisch wechselt die Geschichte zwischen Henni in der Nachkriegszeit und Liv im Jahr 2000. Während Livs Erzählung sich über einen kurzen Zeitraum erstreckt, wird Hennis Leben fast komplett erzählt.

Die Wechsel zwischen den beiden Zeitebenen erhöhen die Spannung, auch wenn man irgendwann ahnt, wie beides zusammenhängt. Beide Frauen machen eine Entwicklung durch, sind tief emotional verbunden mit ihrer Vergangenheit und emanzipieren sich doch von ihr, streifen ab, was sie schwächt, und sehen schlussendlich nach vorn in eine hoffnungsvolle Zukunft.

 

Alle Charaktere haben sehr eigenständige, vielschichtige und gut dargestellte Persönlichkeiten, wenn auch Henni für mich der stärkste Charakter ist. Liv blieb mir in manchem fremd und zu Ed hatte ich ein sehr gespaltenes Verhältnis. Seine Liebe zu Henni ist wohl echt, jedoch egoistisch und feige, das legt er auch in späteren Jahren nicht ab. Er steht nicht zu Henni und lässt sich von seinen Eltern leiten. Seine Eifersucht und sein Selbstmitleid machten ihn nicht sympathischer, auch wenn er mit seinen Mitteln vieles für Geburtenkontrolle und Aufklärung tut. 

 

Gut fand ich, wie die Schere zwischen arm und reicht sichtbar gemacht wurde und was Armut mit Menschen machen kann, wie sie sie zum Beispiel korrumpiert, hier in der Figur von Hennis Mutter dargestellt. Diese ist durch den Krieg und den Tod ihres Mannes bitterarm geworden und der kranke Sohn zehrt ebenfalls an ihr. Der Kampf ums Überleben hat sie hart gemacht und blind gegenüber den Bedürfnissen ihrer Tochter, die sie als Arbeitskraft und Geldquelle ausnutzt. In ihrer schwersten Stunde wird Henni nicht nur von Ed, sondern auch von ihrer Mutter verlassen. Umso bemerkenswerter, dass Henni sich selbst aus diesem Tal der Tränen herauszieht, ihr Leben in die Hand nimmt und die Kraft findet, anderen zu helfen.

 

Fazit: Wunderschöner, zu Herzen gehender Roman über eine starke, sensible und loyale Frau. Mit Henni habe ich sehr mitgelitten und mitgelebt und ich fand es interessant, einiges über Findelkinder und die Motive der Mütter zu erfahren. Auch heute noch sind Babyklappen umstritten und das Nichtanzeigen eines Neugeborenen strafbar. Ein Buch, das ein schwieriges Thema sensibel und einfühlsam aufgreift und die Motive nachvollziehbar macht. 

Cover des Buches Bei euch ist es immer so unheimlich still (ISBN: 9783423283397)

Bewertung zu "Bei euch ist es immer so unheimlich still" von Alena Schröder

Bei euch ist es immer so unheimlich still
MangoEisHHvor 8 Monaten
Mütter und Töchter und andere Begebenheiten – eine Familiengeschichte

Berlin, 1989: Silvia Borowski lebt in einer WG und hält sich mehr schlecht als recht über Wasser. Mit ihrer neu geborenen Tochter Hannah wird das nicht einfacher. Überstürzt klaut sie den Polo ihres Mitbewohners Dirk und fährt in ihre alte Heimat Ildingen in der schwäbischen Provinz, um zu ihrer Mutter zu fahren, obwohl sie mit ihr schon viele Jahre keinen Kontakt mehr hat. Wie wird Evelyn Borowski sie aufnehmen? Mit ihrer Fahrt ins Ungewisse rührt Silvia viele alte Wunden und Geschichten wieder auf und es kommt so manches Familiengeheimnis ans Licht.

Wunderbarer Familienroman über Mütter und Töchter, den Zweifel, alles richtig zu machen, über Umbrüche und Aufbrüche, aber auch über das Ankommen und Annähern und das Ende der Stille. Fast schon ein wenig nebenbei erfährt der geneigte Leser auch einiges über Dorfgemeinschaften, über unerwartete Freundschaften und verhaltenes Aufbegehren gegen gesellschaftliche Normen. Das fiktive Dorf Ildingen spiegelt dabei das ganze Spektrum eines engen Mikrokosmos, in dem Tradition und alte Werte großgeschrieben werden. Ein Dorf, wie es Tausende gibt, in dem jeder jeden kennt, wo jeder die Geheimnisse des anderen zu kennen glaubt und wo es doch ständig unter der Oberfläche brodelt. Der Gegensatz zum überschäumenden Berlin zur Wendezeit, wo sich gerade alles verändert, ist deutlich zu spüren.

 Auf zwei Zeitebenen erzählt die Autorin sehr gekonnt und mit viel Sympathie für ihre Figuren die Geschichte der beiden Frauen Evelyn und ihrer Tochter Silvia. Ihrer beider Suche nach einem vertrauten Miteinander, die Verzweiflung, keinen Draht zueinander zu haben und die Hoffnung, dass es doch einmal so sein wird, dies zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Man erfährt viel über Evelyns und Silvias Charakter, der die Motive erklärt und ihre Reaktionen nachvollziehbar macht. Zumindest für den Leser, die beiden selbst bleiben lange stumm und so sind Missverständnisse vorprogrammiert. Sehr geschickt verknüpft die Autorin zudem weitere Perspektiven, etwa der Bettis oder Georgs, mit der Haupthandlung. So werden Geschehnisse verdeutlicht, aus einer anderen Perspektive beleuchtet und noch mehr Hintergründe ans Licht gebracht. 

 Alle Charaktere werden gut und vielschichtig dargestellt und keiner ist oberflächlich. Die Tiefe der Figuren und ihrer Interaktion machen die Spannung der Geschichte aus. Silvia und Evelyn sind dabei im Fokus, sowohl im Jahr 1957 als auch 1989. Während in der Gegenwart die Zeitspanne der Geschichte nur ein paar Monate dauert, in der Silvia bei ihrer Mutter ist, spannt sich die Rückblende über mehrere Jahre und bringt chronologisch die wahren Ereignisse ans Licht. 

 Es ist auch eine Geschichte des Weglaufens und wieder Zurückkommens, der Abnabelung und der Annäherung. Beide Frauen sind voller Selbstzweifel, der anderen nicht zu genügen, und das Nicht-miteinander-sprechen-können macht ein großes Stück der Tragik dieser Geschichte aus. Evelyn mit ihrem analytischen Verstand, ihrer Selbstdisziplin und ihrem Perfektionismus steht dabei zunächst in krassem Gegensatz zu ihrer emotionalen Tochter. Das Bindeglied zwischen beiden ist Hannah, sie bringt die beiden aneinander näher und bewirkt, dass sie aufeinander zugehen und sich ihren Ängsten stellen.

 Auch andere Figuren haben stark herausgearbeitete Persönlichkeiten, so fand ich etwa Silvias Vater Karl oder ihren Kumpel Rüdiger wunderbar und auch überraschenderweise Monika. Fast alle Protagonisten machen auf die eine oder andere Art eine Entkoppelung durch, man trennt sich von alten Zöpfen und emanzipiert sich, sodass neue Bündnisse entstehen. Menschen wachsen zusammen, formieren sich neu und sind schließlich bereit zu neuen Ufern aufzubrechen. Ein schönes Pendant zur deutschen Wende: Das, was im Großen mit einem ganzen Volk passiert, geschieht ebenso in der kleinen Parallelwelt. 

 Fazit: Ein wunderbares, emotionales und zu Herzen gehendes Buch, das sich gut lesen lässt und viel Empathie für die Figuren weckt. Das gebundene Buch kommt mit schön gestaltetem Schutzumschlag und Lesezeichenband daher. Im Anschluss an die Geschichte findet sich eine Leseprobe des Vorgängerbandes, der interessanterweise zeitlich NACH diesem spielt. Meines Erachtens lassen sich aber beide unabhängig voneinander lesen. Diese Geschichte hier macht jedenfalls Lust, mehr von der Autorin zu lesen, und ist vor allem für Fans von Frauen- und Familiengeschichten der leisen, aber intensiven Töne sehr gut geeignet.

Cover des Buches Ingenium (ISBN: 9783455015669)

Bewertung zu "Ingenium" von Danielle Trussoni

Ingenium
MangoEisHHvor 8 Monaten
Mystisch und intelligent - außergewöhnlicher Thriller, der in fremde Dimensionen vordringt

Mike Brink hat eine ungewöhnliche Gabe: Nach einem Schädel-Hirn-Trauma hat er eine Inselbegabung und kann spielend leicht Rätsel aller Art lösen. Außerdem hat er dadurch ein fotografisches Gedächtnis und ungewöhnliches mathematisches Verständnis. Sein Ruf eilt ihm voraus, und so wird er ins Gefängnis von Ray Brook gerufen, wo eine Insassin eine rätselhafte Zeichnung angefertigt hat, die er lösen soll. Diese erweist sich als unvollständig und komplex und für Mike nicht auf Anhieb lösbar. Da aufgeben für ihn keine Option ist, ist er bald tief in etwas verstrickt, das größer ist als alles, was er je kennengelernt hat. 

 

Mystisch, intelligent, rätselhaft – ein unheimlich komplexer Thriller, der alle Elemente des Genres vereint und den Leser bis zur letzten Zeile fesselt. Die Autorin versteht es hervorragend, die komplexen Rätsel und wissenschaftlichen Hintergründe anschaulich darzustellen und in einen rasanten Thriller einzuweben, ohne dass der Lesefluss gebremst wird oder die Spannung leidet. Dabei sind ihre Figuren trotz außergewöhnlicher Fähigkeiten und Intelligenz alle sehr menschlich – Opfer wie Täter. Alle haben tiefe Gefühle und Ängste und zweifeln oft an ihrer Mission. Daher kommt man als Leser auch nicht umhin, Sympathie für die Gegenseite zu entwickeln. Man hat einfach viel Verständnis für die Motive. Das Bedürfnis nach der Unsterblichkeit der Seele ist ein Urwunsch der Menschheit, die Beschäftigung mit der Frage, was nach dem Tod kommt und die Überwindung dessen ist so alt wie die Menschheit selbst. Hier wird dies verbunden mit uralten mystisch-religiösen Überlieferungen und hochmoderner künstlicher Intelligenz. Deren Zusammenspiel ist eines der großartigen und spannenden Elemente der Geschichte. Diese Gegensätzlichkeit zieht sich durch die gesamte Geschichte. Gut und Böse, Glaube und Wissenschaft, Traum und Wirklichkeit, all das verschwimmt miteinander und mir fiel es mitunter schwer zu unterscheiden, was wirklich ist und was nicht.

 

Trotz des sehr guten Stils muss man schon gründlich lesen und am Ball bleiben, die Rätsel, die Mystik und die historischen Hintergründe sind zu komplex, um die Geschichte einfach so herunterzulesen. Dennoch war ich als Leser sofort gebannt von Mikes Fähigkeiten und dass es so etwas wirklich gibt. Die Geschichte ist in der Hauptsache zwar auf ihn als Charakter fokussiert, die anderen Figuren kommen aber nicht zu kurz. Auch das macht die Autorin geschickt: Die Perspektive wechselt von Mike und seinen Aktionen häufig zu seinem Gegenspieler Sedge und dessen Handlanger Cam. Außerdem werden Perspektivwechsel in Form von Tagebucheinträgen und Briefen durchgeführt. Das Ganze ist sehr abwechslungsreich und spannend, und nach und nach erhält der Leser in dem Maße Informationen, wie sie Hauptfigur Mike gewinnt. Wobei wie oben erwähnt manchmal nicht klar ist, in welcher Dimension sich Mike gerade befindet. Auch das muss man mögen: Offen sein für ungewöhnliche Sichtweisen, für mystische Geheimnisse und dem Verwischen von Zeit und Raum. Es ist eben kein gewöhnlicher Thriller und schon gar kein klassischer Krimi, bei dem es nur eine Lösung gibt. Das Ende der Geschichte ist demgemäß zwar nachvollziehbar und durchaus befriedigend, aber dennoch offen und eigentlich eher ein Anfang.

 

Fazit: Ein rasanter Thriller und ein sehr intelligent konstruierter Plot, bei dem man ständig mit allem rechnen muss und immer wieder überrascht wird. Erinnert phasenweise sehr an Dan Brown und Mike an den Symbolforscher Robert Langdon, entwickelt aber seinen eignen Stil. Rätselhaft, mystisch und wissenschaftlich, die Geschichte vereint viele gegensätzliche Elemente und verwebt diese auf ungewöhnliche Art und Weise miteinander. Den geneigten Leser erwartet Spannung pur und wer sich auf mehr einlassen möchte, wird in fremde Dimensionen vorstoßen.

Cover des Buches Greta Garbo (Ikonen ihrer Zeit 9) (ISBN: 9783548067483)

Bewertung zu "Greta Garbo (Ikonen ihrer Zeit 9)" von Kristina Lüding

Greta Garbo (Ikonen ihrer Zeit 9)
MangoEisHHvor 9 Monaten
Mythos und Ikone – Greta Garbo

Greta Gustavsson ist Verkäuferin in der Hutabteilung des Kaufhauses PUB. Sie muss Geld verdienen, denn ihr Vater ist gestorben und die Familie kommt kaum über die Runden. Ihr großer Traum, Schauspielerin zu werden, scheint weit weg. Immerhin darf sie, obwohl blutjung, in Werbefilmen mitspielen. Der Beginn einer beispiellosen Karriere!

Ein wundervoller Roman, der den Karriereweg einer der wohl bekanntesten Schauspielerinnen überhaupt beleuchtet und dabei tiefe Einblicke in ihr Seelenleben gibt. Geheimnisvoll, mysteriös, charismatisch, talentiert, all das war Greta Garbo. Sie ist eine Ikone des Alten Hollywood, eine vielseitige Schauspielerin, die oft romantische Rollen spielte, Rollen, in denen sie Männer um den Verstand brachte, die aber alles spielen konnte. Der kamerascheue Filmstar zu sein war für sie kein Widerspruch, sie war bekannt dafür, dass sie die Medien ablehnte und nichts über ihr Privatleben preisgab.

All das greift die Autorin sehr schön auf. In sehr gefälligem Stil beschreibt sie Garbos Werdegang und ihre Filmografie, ihr Verhältnis zu Familie und Freunden, zu Regisseuren, Mentoren und ihrem Arbeitgeber MGM und zu Männern und Frauen. Dabei bleibt sie gefühlvoll und empathisch mit ihrer Heldin, driftet nicht ins Kitschige ab und hält sich meines Erachtens gut an biografische Tatsachen. Sehr schön fand ich die Herausarbeitung der starken Persönlichkeit Garbos, die einerseits voller Zweifel ob ihrer mangelnden Bildung und ihres Talents ist, sich aber andererseits in schwierigen Momenten stets durchzusetzen weiß und nie aufgibt. Ihre Chancen nutzen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, auch das war wohl ein großes Talent der Schauspielerin.

Formal unterteilt sich der biografische Roman in vier Teile, die jeweils mit Jahreszeiten überschrieben sind, und setzt am Beginn ihrer Karriere ein. Diese ersten Jahre werden sehr ausführlich beleuchtet, während später, als sie ein Star ist, die Jahre gerafft und die Zeitsprünge größer werden. In dieser ersten Zeit ist alles sehr emotional, Greta macht sich viel Gedanken, vermisst ihre Familie, zweifelt an ihrem Talent. Als sie ein Star ist, tritt mehr der technische Aspekt in den Vordergrund, welche Filme dreht sie mit welchem Regisseur, wie läuft das ab, mit wem kommt sie gut aus, mit wem nicht. Zwischendurch kommt es ein bisschen wie eine Filmografie daher, es wird so aber deutlich, wie viel Greta Garbo gearbeitet hat und welches Vermächtnis sie hinterlässt. Der emotionale Aspekt ist zwar hier auch vorhanden, tritt aber ein wenig in den Hintergrund. Insgesamt ist uns die junge Greta näher als der Star Garbo, die sich als weltbekannte Berühmtheit immer mehr in ihrer selbst gewählten Einsamkeit verschanzt. Die Autorin schafft es aber sehr gut, uns den Menschen Greta nahe zu bringen. Ich habe jedenfalls großen Anteil an ihrem Leben und ihrem Wirken genommen.

Fazit: Man muss kein Garbo-Fan sein, um dieses Buch zu lesen und zu mögen. Eine gewisse Affinität zu Ikonen und starken Frauen schadet aber nicht. Dank des wundervollen Stils lässt sich die Geschichte sehr gut lesen und gewährt tiefe Einblicke in das Filmgeschäft und in die Persönlichkeit einer außergewöhnlichen Frau.

Über mich

    Lieblingsgenres

    Krimis und Thriller, Liebesromane, Historische Romane

    Freund*innen

    Was ist LovelyBooks?

    Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

    Mehr Infos

    Hol dir mehr von LovelyBooks