[Printversion in einer Lovely-Books Leserunde gewonnen]
In einem abgeschiedenen Dorf verschwindet ein junger Mann. Gleichzeitig werden Gerüchte laut, ein Werwolf ginge um. Das Ermittlerduo Everd und Ella glauben nicht an Übersinnliches und machen sich an die Ermittlerarbeit.
Schreibstil
Stilfragen haben immer etwas mit persönlichem Geschmack zu tun. Für den Stil des Autors in diesem Buch, konnte ich mich nicht recht erwärmen. Die handelnden Figuren sind nur rudimentär beschrieben, sogar die beiden Hauptprotagonisten bleiben amöbenhaft vage. Sie tun was notwendig ist, um die Handlung voran zu treiben, nicht mehr, nicht weniger. Sie haben keine ausgeprägte Charaktereigenschaft, die man ihnen als wohlwollender Leser nicht selbst andichtet. Die Sprache bleibt zielgerichtet auf den Handlungsverlauf fixiert. Wenn Ella im Laufe der Ermittlungen mal durch den laut Klappentext „dichten“ Wald streift, erlebt man keinerlei Schwierigkeiten mit dem Kleid, das sie trägt oder sonst irgendetwas, das nicht unmittelbar mit der Handlung zu tun hat. Das sind Kleinigkeiten, an denen der Autor keinen Gedanken verschwendet. Landschaftsbeschreibungen gibt es, aber auch sie bleiben sehr oberflächlich und vermitteln keinen Eindruck, wenn man nicht als Leser mit der eigenen Fantasie kräftig nachhilft. Figuren werden in die Handlung eingeschossen, indem schlicht ihre Namen erwähnt werden. Aber so schnell wie sie kommen, gehen sie auch schon wieder. Es gibt eine Fülle an Namen und Figuren, etwas genauer kennenlernen kann man sie aber nur in Ausnahmefällen. Eben diese fehlende Bildersprache machte es mir auch schwer, mich ins 19te Jahrhundert versetzt zu fühlen. Hätte man die Handlungszeit nicht schon dem Klappentext entnehmen können, wäre ich nicht notwendigerweise draufgekommen, dass das Buch Mitte des 19ten Jahrhunderts spielt. Gut – da oder dort gibt es eine Szene, die auf die Vergangenheit deutet: Die Kutschenfahrt nach Ostdeutschland etc. aber die Atmosphäre fehlt. Die fehlende Figurenentwicklung ist es auch, was es mir in der Endphase auch unmöglich gemacht hat, mit den Protagonisten mitzufiebern. Die Figuren kommen so oberflächlich daher, dass ich keine Beziehung zu ihnen entwickeln konnte und letztlich auch nicht mit ihnen mitleiden konnte. Außerdem kann man anhand der oberflächlichen Figurenentwicklung den Handlungsverlauf voraussagen. Kommt eine Figur vor, der sich der Autor in mehr als einem Satz widmet, weiß man schon, dass sie Handlungsrelevant ist. Kommt sie zwischendurch vor und dann bis zum Schluss nicht mehr, weiß man, er hat was mit dem Verbrechen zu tun. Dass er wiederkommt, ist so vorhersehbar wie Regen in England.
Das Detektivduo Sherlock Holmes und Dr. Watson haben auch in den unzähligen Epigonenromanen oft halbwegs funktioniert und sind auch schon weiterentwickelt worden, wie z.B. bei D.Browns Sakrileg in Gestalt des R. Langdon und der S.Neveu. In Bastian Ludwigs Roman ist dieses Duo in Gestalt von Everd und Ella vollkommen neutral – auch zueinander. Man erfährt, dass sie sich bereits seit ihrer Kindheit kennen – das wars. Mehr Tiefe gibt’s nicht. Man kann nicht sagen, sie würden nicht funktionieren, dazu lernt man sie zu wenig kennen. Große Detektivarbeit mit der man mitfiebern könnte, findet nicht statt. Die Stellen, an denen „ermittelt“ wird, sind vergleichsweise kurz und oft schon mit der Auflösung des Rätsels verbunden. Überraschungen gibt’s keine und oft wird ein Rätsel gelöst, ohne dass man es vorher schon als solches erkannt hätte.
Dramaturgie
Eindeutig die Stärke dieses Buchs. Schade, dass der Autor sein Pulver da und dort nur allzu schnell verschießt. Leider sind die Dinge durch den spartanischen Schreibstil leicht durchschaubar. Mal sind es Äpfel, denen in der Erzählung vergleichsweise breiter Raum eingeräumt wird. Der aufmerksame Leser erkennt alleine an dieser Tatsache, dass mit ihnen im weiteren Verlauf der Handlung etwas Entscheidendes passiert. Ein anderes Mal die blinde Dorfälteste, die natürlich die Aufmerksamkeit auf etwas lenken soll, das man als Leser zu befürchten soll. Ein anderes Mal ist es eine Flutwelle, hinter der natürlich auch nur eine handlungsrelevante Tatsache vermutet werden kann – ein Kapitel weiter – et voila. Überraschung sieht anders aus. Alles in allem einfach zu durchschaubar.
Abgesehen davon leidet unter manchen Dingen die Glaubwürdigkeit des Textes. Der Roman spielt 1863, einer Zeit, in der die Aufklärung noch nicht in alle Bevölkerungsschichten durchgeschlagen hatte. Ich erinnere daran, dass von Preußen noch 1870(?) ein Gesetz erlassen werden musste, das Hexenverfolgung untersagte. Wenn man sich das vor Augen hält kommt es einem doch komisch vor, dass Everd und Ella allzu selbstverständlich jede „übernatürliche“ Möglichkeit ausschließen – ja, sogar lächerlich finden, auch als dieses vermeintlich Übernatürliche buchstäblich zum Greifen nah war. Sie reagieren bei diesem Punkt so, wie man es heute von Menschen erwarten würde, nicht Mitte des 19. Jh. Hier hätte vielleicht Johnny Depp in Sleepy Hollow ein Vorbild sein können. Der ist auch ganz von den Lehren der Aufklärung durchdrungen, hadert durch die Geschehnisse aber immer mit seinem Glauben. Sicher, die Geschichten passen nicht recht zusammen, aber ein wenig innerer Konflikt hätte zumindest dem Hauptprotagonisten etwas Leben eingehaucht.
Sprache
Hier bemüht sich der Autor redlich, Atmosphäre des neunzehnten Jahrhunderts aufkommen zu lassen. Einige monumentale Schachtelsätze deuten stark in diese Richtung. Leider häufen sich diese gerade am Anfang des Buchs, wenn der Autor zu Landschaftsbeschreibungen übergeht. Ein Beispiel: „Unter Ella und Everd erstreckte sich ein Tal, an dessen beiden Hängen, durchquert von einem kleinen Fluss – der Ulster, wie Ella erklärte – Solkers lag“. Nicht extrem, aber doch etwas befremdend, wie ich finde. Diese lassen aber im Verlauf der Handlung merklich nach – oder ich habe schlicht angefangen, über sie drüberzulesen. Anmerkung am Rande: Mir als Tiroler kommt es auch etwas komisch vor, von einem Tal zu lesen, wenn in der ganzen Gegend nicht ein einziger lausiger Ansatz eines wenigstens schmächtigen Gebirges steht. Wie kann es Täler ohne Berge geben? Ich musste den Begriff „Basaltberg“ googlen um draufzukommen, dass es sich dabei um dünne, ein paar Meter hohe Felsstifte handelt, die wie ein Paket Chopsticks in der Landschaft rumstehen. Auch wieder was gelernt :-)
Gerade historische Romane stellen bei der Sprache eine große Herausforderung für den Autor dar. In diesem Fall so weit zu gehen, den Versuch als gelungen zu bezeichnen, halte ich für übertrieben. Redlich bemüht, trifft es eher. Bedenken sollte man allerdings, dass es sich bei dem vorliegenden Werk um einen Debutroman handelt. Insofern sollte man auch etwas nachsichtiger sein.
Fazit:
Alles in allem ein unterhaltsamer Roman, der einem schon mal die eine oder andere kurzweilige Stunde bescheren kann, der aber auch ohne besondere Höhepunkte dahinplätschert. Spannung kam bei mir keine auf, was aber nicht an der Handlung lag, sondern an der fehlenden Beziehung zu den Protagonisten. Dennoch wollte ich immer wissen, wies weitergeht. In einem Satz: Eine gute Geschichte in einem Roman, der viel Potential verschenkt. Immerhin hat es die Handlung geschafft, mich bis zum Schluss bei der Stange zu halten und es ist nicht meine Art, Bücher fertigzulesen, die ich nicht mag.