Zutiefst menschliche und bodenständige Hauptpersonen, ein lebendiges, viktorianisch anmutendes Setting -- wer Alexandra Habers Verneburg-Reihe kennt, wird dies bereits als ihre Markenzeichen kennen. Auch in "Akademie der Stürme" bleibt sie sich treu. Doch im Gegensatz zum Steampunk-Setting von Verneburg, in dem eine Dampfmaschine immer noch eine Dampfmaschine ist, hat sich Haber mit diesem Roman in die Gefilde der Fantasy gewagt, in der neben der Technik auch Magie existiert.
Und der Vorstoß ist ihr bravourös gelungen! Haber entführt uns diesmal an die Akademie Mechanora, in der Zauberer und Erfinder Seite an Seite studieren und ihre Künste kombinieren. Hauptpersonen sind die junge Roberta Silberfrost, die mit 14 Jahren als enormes magisches Talent Eingang in die Akademie findet, sowie Professor Raban Rabensturm, dem sie als persönliche Schülerin anvertraut wird ... sehr zu dessen Verdruss, denn Rabensturm ist ein verschlossener Einzelgänger, der es bevorzugt, von der Kanzel herab Distanz zu seinen Studenten zu wahren.
All das klingt nach dem archetypischen Schülerin/Lehrer-Gespann, das sich erst zusammenraufen muss und tatsächlich bedient Haber auch dieses Trope ... doch im Fall dieser Geschichte steckt mehr dahinter. Im gleichen Maße, in dem sich Schülerin und Lehrer näherkommen, pendelt Rabensturm zwischen den Rollen des Antagonisten und des Protagonisten. Er hütet ein finsteres Geheimnis, von dem die junge Roberta ein Teil ist ... und doch ahnt er selbst nicht das volle Ausmaß dieses Geheimnisses.
Die besondere Stärke dieses Buches besteht in Habers gekonntem Spiel mit den Erwartungen des Lesers. Zeitweise scheint alles auf genretypische Plots und Tropes hinauszulaufen: Rabensturm als mächtigster Zauberer seiner Zeit und seine Meisterschülerin; Robertas fundamentale, zentrale Schwäche in der Magie, die sie überwinden muss, um eine wahrhaft große Zauberin zu werden; man meint zu wissen, worauf all das hinausläuft -- um dann sanft, aber bestimmt in den nächsten überraschenden Plottwist hineinzugleiten, der die vertrauten Motive auf den Kopf stellt.
Vor allem aber Habers Kernthema beherrscht einmal mehr dieses Buch und durchdringt es in jedem Aspekt: die Familie. Zusammengehörigkeit und Zuneigung im Konflikt mit gesellschaftlichen Konventionen sind es, die aus Mysterium und Abenteuer erst das Drama machen, das mich mit Roberta und Raban mitfiebern ließ. Wie einst Charles Dickens nutzt auch Haber das Spannungsfeld zwischen Menschlichkeit und Standesgrenzen, um ihre Charaktere kämpfen, leiden und wachsen zu lassen. Von mir eine ganz klare Leseempfehlung für alle, die auf der Suche nach etwas Besonderem sind. Die "Akademie der Stürme" ist ein Kleinod.