Matthias Brömmelhaus
- Mitglied seit 30.10.2009
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- 22 Bücher
- 3 Rezensionen
- 21 Bewertungen (Ø 3,86)
Matthias Brömmelhaus´ Bücher
Zur BibliothekRezensionen und Bewertungen
Gibt es Frauenbücher? Frauenliteratur? Und wenn, müsste es dann nicht auch Männerbücher geben? Und Männerliteratur? Wahrscheinlich gibt es beides - zumindest in den Werbekampagnen von Verlagen. Mich interessieren solche Etiketten nicht. Für mich gibt es nur gute und schlechte, mäßige und herausragende Bücher. Subjektiv betrachtet. Gerade habe ich ein herausragendes gelesen, dass in fast jeder Rezension den Stempel Frauenliteratur aufgedrückt bekommen hat. Eigentlich ist es also fast ein Wunder, dass ich es gelesen habe. Zu verdanken habe ich das nur meiner professionsbedingten ständigen Suche nach ungewöhnlichen Biografien. Und eine ungewöhnliche Autobiografie ist „Bevor ich 67 werde...“ von Jane Juska auf jeden Fall. Alles beginnt mit einer Anzeige der Autorin in der „New York book review“: „Bevor ich - nächsten März - 67 werde, möchte ich viel Sex mit einem Mann, der mir gefällt. Falls Sie vorher reden wollen, Anthony Trollope ist mein Lieblingsautor.“ Hinreißend schildert die Autorin ihre anschließenden Erlebnisse und erzählt in Rückblenden ihre Lebensgeschichte. Besonders wohltuend ist, dass es sich nicht um eines dieser unsäglichen Großstadtdramen um erfolgreiche Upper-Class-Ehefrauen handelt, die gerade die zweite Scheidung hinter sich bringen. Hier geht es auch nicht um schwülstige Erotik, sondern um das Wagnis der Sexualität in späteren Jahren. Offen schildert Jane Juska ihre Ängste, ihre Komplexe und das Scheitern vieler Beziehungsversuche. Damit hebt sie sich wohlwollend von all der Lebensberatungsliteratur ab. Es ist ein Vergnügen, das Buch zu lesen. Und eine Liebeserklärung an New York ist es außerdem!
Der Genuss wird allerdings stark durch eine holprige und schludrige Übersetzung beeinträchtigt, was sogar auffällt, wenn man nur die deutsche Ausgabe liest. Wer kann sollte also zum englischen Original greifen: Jane Juska: Memoir. A round-heeled woman. Wer die deutsche Ausgabe lesen möchte, sollte sich beeilen. Sie wird aktuell als Restposten bei Amazon verramscht.
Bewertung zu "Zwei an einem Tag" von David Nicholls
Lesen Polizeibeamte eigentlich Krimis? Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich mal den Münsteraner Oberkommissar fragen, der den gleichen Namen trägt wie ich und Doku-Soap-Star bei RTL ist.
Wahrscheinlich geht es Polizisten oft wie mir, als ich das erste Mal einen Kea-Laverde-Krimi las.KLea was? Stimmt, der Name ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, ansonsten aber ist die Heldin in Friederike Schmöes neuer Krimireihe eine durchaus sympathische Ghostwriterin. Im Gegensatz zum ersten Roman „Schweigfeinstill“ erfährt man im aktuellen Buch „Fliehganzleis“ auch mehr über den Arbeitsalltag einer Biografin. Hier zeigt die Autorin, dass sie gut recherchiert hat. Oder hat sie vielleicht selbst schon einmal als Auftragsbiografin die Lebensgeschichte eines Menschen festgehalten? Manche Schriftsteller bekennen sich ja nicht gerne zu ihren Brot-Schreib-Jobs, als ob eine Arbeit als Ghostwriter und Auftragsschreiber für einen „ernsthaften“ Autor anrüchiger sei, als Taxi zu fahren, zu kellnern oder bei Aldi an der Kasse zu sitzen.
Wie dem auch sei, Friederike Schmöe gelingt eine dichte und stimmige Beschreibung der komplexen Beziehung zwischen der Auftraggeberin, einer gewissen Larissa Gräfin Rothenstayn und ihrer Biografin - eben jener Kea Laverde. Jede Kollegin und jeder Kollege kennt das besondere Spannungsverhältnis, in dem sich unsere Arbeit als Biografen abspielt. Zum einen braucht es Nähe, damit sich ein Erzähler öffnet. Schließlich gibt er dem ihm bis dato meistens völlig Unbekannten einen tieferen Einblick in sein Leben, als vielen ihm nahe stehenden Menschen. Zugleich verlangt der biografische Prozess auch Distanz, ohne die es dem Autor nicht gelingt, ein interessantes und lesbares Buch zu schreiben.
Wie Friederike Schmöe diesen Prozess der Annäherung und Distanzierung beschreibt, ist mindestens so fesselnd wie die Krimihandlung rund um Fluchthilfe aus der ehemaligen DDR. Wobei auch die zeitgeschichtlichen Fakten außerordentlich genau recherchiert und zudem sprachlich geschickt verwoben sind. So entsteht ein Kriminalroman um ein weitgehend unbekanntes, zeithistorisches Thema. Im Gegensatz zu manch anderem Krimi mit Amateurermittlern ist „Fliehganzleis“ auch glaubwürdig, denn Kea Laverde bleibt immer Ghostwriterin und mutiert nicht auf einmal zur Superheldin. Sie recherchiert weitgehend so, wie wir es im echten Biografenleben häufig tun müssen. Nun gut, ganz so spannend und aufregend geht es bei mir nicht zu, aber für die harte kriminalistische Arbeit hat Kea ja auch ihren Freund Nero. (Die Autorin liebt in der Tat eigenartige Namen.) Die Liebesgeschichte der beiden schwierigen Individuen ist das Salz in der Suppe dieses Krimis, der hoffentlich unter manchem Weihnachtsbaum liegen wird - nicht nur bei Biografinnen und Biografen.
Bewertung zu "Augenzeuge - Die Geschichte meiner Erblindung" von Ryan Knighton
Über mich
- 28.04.1957
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