In Jona Gellerts »Sprungturmhelden« begleitet man zwei junge Menschen auf ihrem Weg durch einen Ausnahmezustand. Dieses Wort findet häufig seinen Weg in das Buch und ich finde es sehr treffend, denn es fasst alles zusammen, was vor allem der männliche Protagonist, Jeremias, in dieser Geschichte erlebt. Er ist ein tragischer Charakter, der sich emotional stets an einem Abgrund bewegt. Fallen oder gerade noch fangen? Diesen Balanceakt spürt man während des gesamten Geschichtsverlaufes.
Lexie, die weibliche Hauptfigur, stellt einen erfrischenden Kontrast zu Jeremias dar. Sie ist eine aufgeweckte Person und nimmt den Leser nahezu locker mit durch ihre Gedanken. Sie sieht die Welt ein bisschen anders und bringt mit ihren Gedanken helle Momente in die sonst sehr nachdenkliche Geschichte. Ihr Leben gerät in einen Ausnahmezustand, als ihre Tante ins Koma fällt. Als sie diese im Krankenhaus besucht, trifft sie auf Jeremias, welcher auf derselben Station regelmäßig seinen besten Freund besucht. Die tragische Gemeinsamkeit führt die beiden Protagonisten schon früh zusammen und so habe ich von Anfang an mitgefiebert. Ob ihr Zusammentreffen zu mehr führen wird?
Es gab viele Momente, die mich tief in die Geschichte eintauchen ließen. Ich habe mit den Charakteren gelitten, manchmal geschmunzelt, aber auch sehr oft um sie gebangt. Der abwechselnde Perspektivwechsel zwischen den beiden Protagonisten hat die Spannung kontinuierlich aufrecht erhalten.
Jeremias ist in seiner belastenden Situation sehr ausführlich beschrieben. Die Wege, die die Autorin ihn gehen lassen hat, waren stets nachvollziehbar und mit der nötigen Sensibilität beschrieben.
Lexies Kapitel laden zum Durchatmen ein. Ihre Denkweisen konnte ich oft nachvollziehen. Bei ihr hat es mir vor allem gefallen, eine junge Frau begleiten zu dürfen, die sich ihren Weg abseits vom Trend sucht. Solche Heldinnen werden in viel mehr Büchern gebraucht.
Auch die Nebenfiguren waren so gut ausgearbeitet, dass ich sie alle wunderbar vor Augen hatte. Selbst jetzt, nach einigen Monaten, habe ich Jeremias` Großvater oder Lexies Tante so gut vor Augen, als hätte ich die Geschichte gerade erst gelesen.
Die Orte konnte ich mir stets gut vorstellen. Wenn es die Helden in das Freibad verschlagen hat, dann lag ich gefühlt mit auf einem Handtuch, hörte die kreischenden Kinder im Nichtschwimmerbecken, roch Sonnencreme und fühlte warme Sonnenstrahlen auf meiner Haut – und das soll schon was heißen, denn ich habe das Buch im Winter gelesen.
»Die Sprungturmhelden« hat mir durchgehend sehr gut gefallen. Das Ende hat mich nachdenklich gestimmt und ich habe mich dabei erwischt, wie ich zuerst unzufrieden mit dem Ausgang des letzten Gespräches zwischen Lexie und Jeremias war. Allerdings punktet das Ende gerade dadurch mit seiner Realitätsnähe. Beschönigungen eines solch ernsten Themas sind häufig überspitzt und fühlen sich unecht an. Deshalb bin ich froh, dass die Autorin im Endeffekt ein mehr oder weniger offenes Ende gewählt hat.
Das Bonuskapitel zeigt noch einmal eine ganz andere Seite von den Sprungturmhelden und ist ein schöner I-Punkt zum Abschluss des Buches.
Ich freue mich schon sehr auf weitere Werke von Jona Gellert und bin gespannt, was ihre Schreibfeder noch für uns bereithält.